Das Hüttchen im Walde
So arm und klein das Hüttchen ist,
Das meinen Wunsch in sich verschließt,
So neidenswert wär' doch mein Los
Dürft' ichs bewohnen! — Sorgenlos
Und stets zufrieden, wär' gewiß
Mir dann die Welt ein Paradies.
So aber ist sie ohne dich
Nur eine Wüstenei für mich.
Sonette
Liebe? — Liebe darf ich dir nicht schenken:
Ach! das strenge Schicksal will es nicht;
Meiden muß ich dich — dies wird dich kränken;
Aber dich vergessen werd' ich nicht; —
Ach! die Zeit wird deine Triebe lenken,
Folge guter Jüngling deiner Pflicht,
Ewig wert macht mir dein Angedenken,
Was für mich in deinem Herzen spricht.
Ein Gefühl, geläuteter als Liebe,
Grenzenlos wie deine Zärtlichkeit,
Freundschaft, wie vielleicht kein Mann sie beut,
Sei Ersatz für hoffnungslose Liebe,
Sei der Dank für die besiegten Triebe,
Und der Lohn für deine Redlichkeit! —
Die Braut am Grabe des Geliebten
Geschmückt mit blauem Sternenschleier
Zieht bräutlich nun die Nacht heran:
Und schmachtend folgt schon ihr Getreuer,
Der Mond, auf wolkenloser Bahn.
Die Stille herrscht; nur Philomele
Singt noch ihr zärtlich schmelzend Ach!
Und flötet auch in meiner Seele
Entschlummerte Gefühle wach.
Das Echo hörts, und hallt die Lieder
Der zärtlich treuen Sängerin
Am Grabeshügel traurig wieder,
Wo ich verwais't – verlassen bin.
Ich seh' mit grambenetzten Blicken
Zum heitern, lieben Mond hinauf:
Wann wird auch mich die Nacht beglücken?
Wann endet meiner Prüfung Lauf?
Wann werd' ich dort bei hellen Sternen,
Wo längst schon mein Erwählter wohnt,
Die Regungen vergessen lernen,
Die hier kein Sterblicher belohnt?
Wann wird die Segensmacht erscheinen,
Die uns auf Ewig dort vereint,
Wo Engel Freudentränen weinen,
Wenn ein getreues Weib erscheint?
Einladung
in mein Stammbuch
Zu diesem Denkmal führt die Mittelstraße,
Die manchem so beschwerlich scheint;
Sie ist gleich weit von Lieb' und Hasse:
Und der sie wandelt heißet Freund.
Die Parzen der Liebe
Dein reizendes Hebräermädchen spann,
Wie Parze Klotho an des Lebens Rocken,
An deinen blonden weichen Seidenlocken
Der Liebe ersten Zauberfaden an.
Ich wurde nur vom Zufall ausersehen,
Als Lachesis die Spindel fortzudrehen.
Wenn jetzt vielleicht ein Mädchen dich umschwebt,
Die so, wie wir, von deinem Blick entzücket,
Den Faden raubt, und zum Fillet verstricket,
Dich selbsten mit ins feine Netz verwebt:
Dann wirst du wohl aus solchen Labyrinthen,
Wie Theseus, den Ausgang schwerlich finden.
Doch Jüngling! wäre wirklich dies mein Los,
Verfingst du dich in fein gewebte Schlingen,
Und sollte dich nichts mehr zurücke bringen:
So wünsch' ich, daß die finstre Atropos
Mit rascher Hand die rosenfarbige Seide
Von unserm schönen Hirngespinst zerschneide.
Sonett
nach dem französischen der Madame Deshoulieres
Welch seltne namenlose Regung
Hebet ängstlich pochend meine Brust?
Welcher Drang, mir vormals unbewußt,
Bringt mein Blut in stürmische Bewegung?
Mutter jeder weisern Überlegung,
Einsamkeit! die sonst der wunden Brust
Balsam gab und liebevolle Pflegung;
Daß auch du dem Übel weichen mußt!
Dieser Unmut, der in Seufzern stöhnt,
Dieser Gram, der mein Gesicht betränt,
Wenn ich oft bis in den Morgen wache.
Weh mir, die bezeichnet keine Sprache!
Mächt'ge Liebe, die ich sonst verhöhnt,
Ist nicht dies die Wirkung deiner Rache?
Fromme Wünsche
Die Wünsche für dein Wohl, Freund, haben keine Schranken:
Kein Sinn bestimmt sie dir, noch Ausdruck, noch Gedanken.
Ich wünsche dir kein Glück das schimmert, glänzt und rauscht;
Nicht Schätze, die der Tor um Ruhe sich ertauscht.
Nein! nur zu allem dem, was dir das Glück beschieden,
Wünsch' ich dir, Lieber! noch in deinen Busen Frieden,
Und Ruhe für das Herz. — Das Schicksal klag' ich an,
Daß ich es wünschen nur, allein nicht geben kann.
Fragen an mein Schicksal
O Schicksal! mußtest du mein Herz mit Lieb' erfüllen,
Mit Liebe für den Mann, der nie die Seufzer stillen,
Nie Tränen trocknen wird, die er mir ausgepreßt?
Und bin ich nie ein Gast bei Amors Wonnefest?
Lernt' ich den edelsten der Männer darum kennen,
Um stets von ihm verkannt, im Stillen nur zu brennen?
Soll dieses arme Herz der Jugend beste Kraft
Verschwenden in dem Streit mit Pflicht und Leidenschaft?
Und soll ein Mann, wie Er, versehn mit tausend Gaben,
Von tausend Fehlern frei, den Einen Fehler haben:
Daß er mich Liebe lehrt, die Schülerin nicht liebt,
Und durch Entfernung nur die Ruh' ihr wieder gibt?
Verkannte Freundschaft
Freundschaft! Göttin, deren Wert zu schätzen,
Jeder Tor sich für berechtigt hält:
Du, die zu den heiligsten Gesetzen
Nur die würdigsten der Menschen wählt:
Du, die unter tausend, die dich suchen,
Nur Geprüfte pflegest einzuweihn:
Hier im Dunkel dieser heil'gen Buchen
Harr' ich göttliche Erscheinung dein.
Sieh, ich dient' an deinen Brandaltären
Jahrelang als treue Priesterin.
Soll mein Feuer fruchtlos mich verzehren?
Soll mein Durst nach dir vergebens glühn?
Unbelohnt die Opfer hier verrauchen,
Die in deinem Bunde dargebracht?
Soll mein Geist die Fackel untertauchen,
Eh' der Dank der Göttin mir gelacht?
Soll ich dein göttlich Antlitz schauen?
Du, die jede Jugendphantasie
Mir verschönte, der ich voll Vertrauen
Meine Tage weihte, — soll ich's nie?
Wehe dem, der nicht in deines Glanzes
Herrlichkeit des Himmels Weib erblickt:
Der die Blüten deines holden Kranzes
Nur zum Spiel der Eitelkeit zerpflückt!
Wer sich von dem golddurchwirkten Bande
Deines Bunds nur Modegürtel schafft,
Der verkennt, zu seiner eignen Schande,
Deines Zaubers tief verborgne Kraft.
Weh' ihm! denn er zeigt nur seine Blöße;
Hält dein Dasein nur für ein Gedicht,
Zeichnet Schattenrisse deiner Größe:
Dich erreichen, fühlen — kann er nicht.
Ich, so ganz von deinem Wert durchdrungen,
Folg' noch arglos deiner Blumenbahn;
Mühsam hab' ich nach dem Kranz gerungen,
Dessen Lohn mir nun nicht werden kann.
Nur aus deinen liebevollen Händen
Quillt der Wunderbalsam der Natur:
Ihn verwundeten Herzen zu verspenden,
Gab sie dir Gewalt und Vollmacht nur.
Hör' mein Schicksal, Göttin, und entscheide:
Ob ich wert sei deiner Arzenei? —
Gib mir eine Freundin! ich beneide
Keines Königs goldne Sklaverei.
Lieb' und Freundschaft waren meine Götzen.
Liebe täuschte mich, zerriß mein Herz:
Ich entsagt' ihr. Du nur kannst ersetzen,
Freundschaft! Du nur heilst der Liebe Schmerz.
Also wähnt' ich; prüfe meiner Jugend
Spielgefährtinnen; fand Eine zwar
Gleichgestimmt mit mir; von einer Tugend
Trug sie Nam' und Bildung treu und wahr;
Sanftmut war in allem, was sie sagte;
Flehte sie: wer konnt' ihr widerstehn?
Meine Tränen flossen, wenn sie klagte;
Glücklich war ich, konnt' ich froh sie sehn.
Wölkte sich um ihre Augenbrauen
Stiller Kummer, tief verschwiegner Gram:
O, so teilten wir des Schicksals Launen,
Wie die Freude, die so selten kam.
Sympathie, das reinste der Gefühle,
Lenkt' uns endlich an dem Rosenband,
Durch des Zufalls bunte Wechselspiele,
Unvermerkt auf einen Gegenstand;
Und nach wenig zweifelhaften Tagen
Bracht' ihr * * sein Geständnis dar. —
Konnt' ich meinen Beifall ihm versagen,
Da er ihrem Herzen teuer war? —
Doch hienieden kann nichts ewig währen!
Unser Bündnis war zu neidenswert.
Eifersucht mußt' unser Glück zerstören;
Ward zur Schlang' im Busen selbst genährt.
Natterzungen brachten ihrem Herzen
Tiefre Wunden bei, als Liebe schlug;
Mich vor ihren Augen anzuschwärzen
War der Bosheit hämischer Betrug.
Nicht der Ehrgeiz, um vor ihr zu glänzen,
Spornte mich zu manchem raschen Werk:
Meine Freundschaft kannte keine Grenzen,
Ihr Vergnügen war mein Augenmerk.
Ich allein, durchglüht vom Götterfunken,
Freundschaft, deiner regen Tätigkeit,
Wäre gern für sie im Meer versunken,
Dort zu suchen ihre Seligkeit:
Und sie fühlte nicht, was ich für sie tue,
Für sie tat, und für sie noch tun will.
Aufgeopfert hab' ich meine Ruhe:
Meine Prüfung ist nunmehr am Ziel.
So zerreißet denn ihr heil'gen Bande!
Bande, würdig einer Ewigkeit! —
Dein Verdacht stößt mich herab vom Rande
Meiner schweigenden Gelassenheit;
Auch dein Argwohn, Freundin, wird verschwinden,
Der mich jetzt dir zeigt im falschen Licht.
Möchtest Freunde du an jenen finden,
Die dich täuschten! aber hoff es nicht!
Du zerbrachst die diamantne Kette,
Die mich fest an dein Verhältnis schloß:
Machst mich nun zum Spiel von einer Wette,
Zur Cortine eines Lustspiel bloß.
Nun so fahret wohl, ihr Gaukelspiele
Goldner Phantasie! zerfließt wie Schaum!
Eure halbgenoßnen Hochgefühle
Sind mir nichts, als ein verschwundner Traum.
Eine Bemerkung
Verschwiegne Liebe wird zur Schlange,
Die unsers Lebens Ruhe stört;
Sie tilgt das Rot von unsrer Wange,
Sie ist's die jeden Reiz verheert, —
Und die man doch so gern und lange
Mit Schmerz in seinem Busen nährt.
Meine Bitte
Nicht um ein Marmorschloß voll Pracht
Statt meines Vaters Hütte,
Ihr Götter, nicht um Fürstenmacht
Bestürmt euch meine Bitte;
Nicht um den Beifall einer Welt,
Die nach dem Schein nur richtet,
Die wahre Treu für Starrsinn hält,
Und Wehmut für erdichtet;
Um Schönheit nicht, die schnell entzückt,
Und auch so schnell vergehet;
Um Hoheit nicht, vor der gebückt
Ein Schmeichlerhaufen stehet;
Nicht um der ersten Liebe Glück,
Und meiner Jugend Stunden:
Die kehren nimmermehr zurück;
Verschwunden ist verschwunden!
Ich opfre, Götter, eurem Schluß
Ein Glück, das ich besessen,
Doch, weil ich's denn entbehren muß,
So lehrt mich's auch vergessen!
An einen Unbekannten
bei einer Serenade in meiner Gasse
Wer du auch seist, der jetzt durch Schmeicheltöne
In stiller Nacht sein schlummernd Mädchen grüßt:
Du siehst sie nicht die heiß geweinte Träne,
Die, ungesehen, mir vom Auge fließt.
Wer weiß, ob dir von deines Mädchens Wangen
Ein gleicher Beifall strömt? — O glücklich, fühlt
Die Arme nicht ihr redlich Herz von bangen
Empfindungen verkannter Treu durchwühlt!
Denn jedes deiner Instrumente schallet
Nur Liebe zu des Mädchens Ohren hin,
Und von der Lippe des Geliebten hallet
Ihr nie der schnöde Name – Heuchlerin!
Mir tönt er nur – so laut! – daß er das Schöne
Von deinen Symphonien übertäubt;
Und mir vielleicht, auch wenn ich mich versöhne,
Auch dann noch ewig unvergeßlich bleibt.
Doch dank' ich dir, und deinen Saitenspielen,
Daß nun besänftigter das Herz mir schlägt,
Und, wenn auch rasch, mit zärtlichen Gefühlen,
Gleich deinen Harmonien, sich verträgt.
Denn käm' er jetzt, — Er, der mich heut beleidigt,
Mit halber Reue nur, von ungefähr:
Ich glaub', ich küßt' ihn, eh' er sich verteidigt,
Und eh' ihm noch von mir vergeben wär'.
Neujahrswunsch
an einen Freund
Ich wünsche dir aus wahrem Freundschaftstriebe,
Ein Mädchen, gut wie du, und würdig deiner Liebe,
Ein Mädchen, schön und treu, reich, klug und ohne List,
Weil du ein Freund von Seltenheiten bist.
Trennungslied
Teurer Freund! zwei Jahre sind vergangen,
Ach! und ohne Wiederkehr verlebt,
Seit der Liebe zärtliches Verlangen
Unsrer Beider Ruhe untergräbt.
Traurig schwand der Rest von meiner Jugend,
Sträubend, zwischen Pflicht und Liebe hin,
Und Beharrlichkeit, die schönste Tugend,
Nennt die Welt strafbaren Eigensinn.
Schweigen muß ich, daß ich noch dich liebe,
Unterdrücken den geheimen Gram,
Daß durch Sturm der Funken edler Triebe
Statt erstickt, zu hellen Flammen kam.
Ach! was soll aus deiner Freundin werden,
Wann du fern aus unsern Mauern bist;
Wann sie Alles — ach! nur den Gefährten
Ihrer frohen Stunden nicht vergißt?
Empfindungen in einer Gesellschaft
in Lascy's Garten, nach Adolphs Abreise
Endlich, Freund, hab' ich mit Furcht und Beben
Zu der Stätte, wo mein Herz dich fand,
Feierlich mich heute hinbegeben,
Und erneut, was ich einst da empfand:
Sah die Gegend wieder blühn und grünen,
Alles sich erfreuen um mich her,
War die einz'ge traurend unter ihnen,
Denn ich fand, o Trauter, dich nicht mehr.
Hab dich nirgend, nirgend zu erwarten,
Nicht auf Wiesen, nicht im Büschicht dort! — —
Und so ward der sonst beliebte Garten
Mir zum schaudervollen Trauerort.
Bergend meine Schwermut unter Scherzen,
Lacht' ich mit in ihren Lärm, und zwang
Lange mich, bis das Gefühl der Schmerzen
Durch die Maske meines Frohsinns drang;
Losgerissen von dem Städteschwarme,
Schlich betäubt ich hin, und tiefbewegt
Schloß ich fest den Baum in meine Arme,
Der die Spuren deines Namens trägt;
Barg mit Wehmut, die kein Wort bestimmet,
Sinnlos am Stamme das Gesicht;
Fühlte, daß die Glut im Busen glimmet:
Aber weinen, weinen konnt' ich nicht.
Wollte dann der Wege jeden gehen,
Die ich einst an deinem Arm durchwallt;
Wollt' all alles wiederum besehen,
Wenn es gleich die Schwermut düster malt.
Doch der Sturm erhob sich in den Lüften,
Und die Wolken türmten schwarz sich auf,
Und der Blitze Drohn aus ihren Klüften
Hemmten mich in meinem Pilgerlauf:
Halben Wegs mußt' ich zurückekehren,
Unbesucht blieb Hügel, Wasserfall;
Und von Philomelens Zauberchören
Hört' ich nur von fern den Wiederhall.
Könnt' ich dich nur Einmal wieder sehen,
Wieder küssen nur ein Einzigmal:
Ruhig wollt' ich dann durchs Leben gehen,
Und vergessen meiner Leiden all.
Doch getrost! vielleicht schlägt eine Stunde,
Sollte sie auch weit entfernt noch sein,
Da wir, trotz dem hier zerrissnen Bunde,
Ihn in bessern Welten noch erneun.
Auf eine weggeworfene
Rose
So lang' die Ros' am dunklen Strauche glühte,
War sie der Wunsch des Jünglings, bald sein Raub.
Und da sie nun an seiner Brust verblühte,
So wirft er sie, o Undank! in den Staub.
Soll ich vielleicht in ihr das Schicksal lesen,
Das mich bedroht, wenn meine Jugend flieht:
O Gott! so laß mich sterben und verwesen,
Bevor noch ganz mein kurzer Lenz verblüht.
Die neue Damenmode
Verkündet's laut, ihr Grazien und Musen!
Die Damen tragen jetzt die Uhren in dem Busen.
Weh dem, der Liebe heischt, der hinfühlt tief bewegt,
Und glaubt, es sei ein Herz, was ihm entgegenschlägt.
Empfindungen auf der
Redoute
So seh' ich dich, geliebter Tanzsaal, wieder,
Den sonst die laute Freude nur belebt,
Und wo vermummt der Leichtsinn auf und nieder,
Wie auf dem Rosenbeet ein Zephyr, schwebt;
Wo aber ich zuerst die Liebe fühlte,
Wovon ich eh den Schatten nur gekannt,
Und tändelnd bloß mit Männerherzen spielte,
Bis Amor mich mit goldnen Ketten band;
Wo stets umringt von lockrer Stutzer Reihen,
Die mich als ihre Königin verehrt,
Das eitle Mädchen ihre Schmeicheleien,
Mit halbem Ohre zwar, doch gern gehört;
Wo mir's Vergnügen war, von einer Menge
Hirnloser Gaffer angestarrt zu sein;
Wo über ihr geschäftiges Gedränge
Ich Frauenzimmer gnug war, mich zu freun;
Wo oft ein Kreis von einem halben Hundert
Als art'ge Maske bald mich angestaunt,
Und bald als gute Tänzerin bewundert,
Und halblaut sich mein Lob ins Ohr geraunt.
Wie ekel sind mir nun die Freuden alle,
Die mich vor kurzem noch so sehr entzückt!
Wie wenig kümmert's mich, ob ich gefalle:
Da, Jüngling, deine Liebe mich beglückt.
Ich schmiege mich, wie eine fromme Taube,
An dich, an dich, den meine Muse preis't,
Und drehe mich zwar mit dem Fuß im Staube,
Doch weit, weit über Sternen fliegt mein Geist.
Die Nachtigall und
der Habicht
Auf einem Rosenstamm, beschirmt von Dornenhecken,
Saß eine Nachtigall und schlug
Mit schmetternder Wehklage den Betrug,
Den sie an Menschen zu entdecken
Oft Zeugin war. In seinem schlauen Flug
Erspät ein Habicht sie, hielt seinen Raub für klug!
Da Du so lieblich singst, wie trefflich wirst du schmecken!
Sprach er zu sich; stieß wie ein Pfeil herab,
Und Philomele fand in seinen Klau'n ihr Grab.
Die Zeit
Die Zeit zerstört und baut Paläste,
Streut bunte Blumen auf die Flur:
Verschlingt des Nachruhms Überreste,
Und läßt dem Enkel keine Spur:
Mit unersättlichem Behagen
Nagt sie am Denkmal mancher Gruft;
Zwar mildert sie des Unmuts Klagen
Durch sie zerfließt der Gram in Luft.
Oft nährt, oft löschet sie die Flamme,
Die Leidenschaft im Busen birg't;
Oft untergräbt sie schlau am Damme
Womit Vernunft entgegen wirkt.
Sie kann, was Menschen selten können,
Sie setzet Schranken jedem Schmerz,
Vereint oft, was die Menschen trennen,
Gießt Balsam in das wunde Herz.
Zwar wieget sie die stärksten Triebe
In Schlummer ein, nach Sturm und Braus;
Doch die Erinnrung Erster Liebe
Tilgt selbst die Ewigkeit nicht aus! —
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