| Aus Schlesien
 
 Die Reiche kutschieret in die Bäder,
 Jagt schwängerndes Wasser ins Geäder:
 Sie möchte Kinder gebären,
 Und küßt den heiligen Rock.
 Es kauert die Arme verlassen zu Hause,
 Bei nüchternem Trank und magerem Schmause,
 Und brütet in Mutterzähren,
 Und hat ein ganzes Schock.
 
 Ein Leineweber im dürftigen Städtchen,
 Der war geschlagen mit Buben und Mädchen.
 Hat sich für Reiche bemühet,
 Blieb arm zu jeder Frist.
 Was weiter? Es ist die alte Geschichte
 Vom angezündeten Kerzenlichte,
 Das Anderen willig glühet,
 Und selbst im Sterben ist.
 
 Es sprach das lüsterne Weib zum Gemahle:
 "O Klaus! Kartoffeln in der Schale —
 Ein Gläschen Wein zum Schmause —
 Wie brennt mein Herz darauf,"
 Es sprach der Mann: "Du kindische Liese,
 Wir leben ja nicht im Paradiese;
 Uns fehlt das Brot im Hause,
 Das Letzte zehrten wir auf.
 
 Doch Gott verläßt ja nimmer die Frommen!
 Als meine Schwester den Spinner genommen,
 Sie buck und barg zwei Brote
 In ihrem Kämmerlein:
 Man sagt, dann fehlt es nimmer und nimmer
 An Brot im Haus, für des Kindes Gewimmer,
 Geh, wasche Dir die Pfote,
 Und hole das Futter herein."
 
 Sie tat es; sie lief auf nackten Sohlen
 Mit ihren Bälgen das Brot zu holen;
 Hart wars wie Straßenpflaster,
 Drei Monde war es alt —
 Sie tätens mit lauem Wasser begießen,
 Es aufzulockern und rasch zu genießen;
 Doch beteten erst die Faster —
 Solch Mahl wird ja nicht kalt.
 
 Er sprach zu seinen Mädchen und Knaben:
 "Einst las ich vom Fugger, der ist begraben!
 Oft borgte von ihm der Kaiser
 Wohl Gold und Edelgestein.
 Einst lud er den spanischen Karl zum Essen,
 Und als sie die Sorgen beim Becher vergessen,
 Warf er in die zimtenen Reiser
 Des Kaisers Wechsel hinein.
 
 Das war ein herrlicher Mann, o Kinder!
 Ein Weber wie ich, nicht mehr, noch minder.
 Man gab ihm Adel und Wappen,
 Der Würden mehr und mehr.
 Er half den Armen von Not und Schande,
 Gab Brot und Geld und Wintergewande,
 Ging selbst in gewöhnlichen Lappen —
 Doch das ist lange her.
 
 Frühling
 
 Der Winter läßt die Welt
 mit schwermutvoller Regung,
 Sie folgt dem neuen Geist
 beglückender Bewegung.
 Kaum sproßt der erste Flaum
 des Gartens schlankem Sohn,
 Da trägt er stolz das Haupt
 und träumt von Früchten schon.
 
 Es wandert ungestüm
 das Gras ins Reich des Lichts,
 Ein neubegierig Kind,
 das frohen Angesichts
 Vom engen Hüttlein schied,
 und auf der ersten Fahrt,
 Die fremde Pracht bestaunt,
 die rings sich offenbart.
 Daß es noch Sorgen gibt,
 noch Trug und blindes Wüten,
 Der Schöpfer merkt es nicht,
 er liebt und spielt mit Blüten!
 Das Lämmerwölkchen zieht,
 der Falter gaukelt lose,
 Braut ist die Nachtigall
 und Mutter wird die Rose.
 
 Beneidenswert, der nun
 in frischer Wanderlust,
 Das Alpenröslein küßt,
 und nimmt an seine Brust;
 In lauschigen Wäldern hört
 der Vögel Liebeszanken,
 An stolzen Bäumen mißt
 die wachsenden Gedanken;
 Die ernste Heide sucht,
 in Wunderhöhlen dringt,
 Von uns, die Mißgeschick
 fest an die Scholle zwingt,
 Das freie Weltmeer grüßt
 mit lautem Jubelschalle,
 In seiner Flut genest
 und selig ist für Alle.
 
 Gesegnet zieht er fort
 und selber Segen spendend.
 Wo seine Kirche steht?
 wo seine Träne fällt!
 Rasch an einzig Bild
 sein maßlos Glück verschwendend,
 Ruft er: Du reicher Gott,
 was kostet Deine Welt?
 
 Beglückt, der nun daheim
 an seinem trauten Herde,
 Mit Weib und Kind begeht
 das Wiegenfest der Erde.
 
 Vor wenig Wochen noch
 geknickt und finster brütend,
 Sein bißchen Bürgerwohl
 haushälterisch behütend:
 Als nahm er seinen Hut,
 und schloß die Türen leise,
 Und stahl sich unvermißt
 aus einem lauten Kreise.
 Hast Du den Blick belauscht
 des kinderlosen Mannes,
 Wenn er bekümmert denkt
 des gottverhängten Bannes?
 Wenn er dem Säugling folgt
 mit engelhaftem Zug,
 
 Den ein beseligt Weib
 an ihm vorübertrug?
 So sah er traurig nach
 jedwedem Himmelstrost,
 Den ihm die Götter nicht,
 die strengen zugelost.
 Nun über Nacht so reich!
 nun mustert er begeistert
 Sein eignes Herz, und schaut
 im klaren Spiegelbilde,
 Was draußen die Natur
 im Großen schafft und meistert:
 Genesung, Poesie,
 die Kraft verlobt der Milde,
 Die Freiheit und den Fleiß,
 die Ahnung und das Leben,
 Der Wunder höchstes auch:
 den Frieden bei dem Streben.
 
 Hast einen Vater Du
 mit namenloser Güte,
 Siehst bang auf seinem Haupt
 die weiße Kirchhofblüte,
 Siehst, daß der Teure rasch
 verflackert und verdirbt,
 Bist Du beneidenswert,
 wenn er im Lenze stirbt.
 
 Da mahnet Dich kein Schnee
 stets an das Leichenlinnen,
 Es stöhnt kein nackt Gezweig:
 o, daß mein Laub von hinnen!
 Je reicher um das Grab
 sich wölbt das frische Moos,
 Je reicher wächst der Trost
 um Dein gekränktes Los.
 Beneidenswert, dem nun
 im schön geknüpften Reigen,
 Wie Lerchen aus der Brust
 die jungen Lieder steigen.
 Doch wen um diese Zeit,
 da die Natur genesen,
 Die Liebe küßt, der bleibt
 vor Allen auserlesen.
 Er herrscht ein milder Fürst
 im unbegrenzten Raum,
 Ihm schmeicheln wonniglich
 das Leben und der Traum.
 
 Du bist beklagenswert,
 Du nackter Sohn der Not,
 Bekümmert klepperst Du
 nach Deinem schwarzen Brot.
 Du pflückest nicht verjüngt
 die Unschuld der Gefühle,
 Die früh Dir abgedorrt
 in Deiner Sorgen Schwüle.
 Ein Lied aus Kinderzeit,
 — Du hast es halb vergessen —
 Ist Dir des Frühlings Lust,
 ein Schatz, im Traum besessen.
 Der Berges Majestät,
 des Gartens Herrlichkeiten,
 Des Waldes grünes Haus,
 Du siehst es — wie im weiten.
 Den Gassen mußt Du Dich,
 dem Markt gefangen geben,
 In diesen Adern keucht
 Dein unglückselig Leben.
 
 Ach, heißt es Leben noch,
 tagüber ohne Rast
 Zu werben um ein Joch?
 sich sehnen nach der Last?
 An Dir vorüber läuft
 zum Markt ein Knabe hin,
 Den Käfig in der Hand,
 die Vögel zwitschern drin;
 Mit nackten Sohlen rennt
 ein Kind von Haus zu Haus,
 Ein Körbchen in der Hand,
 die Blumen sehn heraus.
 Du siehst der Kinder Not,
 die gleich der Poesie,
 Der Liebe gleich sich nährt
 von Duft und Melodie —
 Und rufst erstaunt: O, Weib,
 Gott hat den Lenz gegeben!
 Ich weiß es, klagt sie dumpf:
 Gott hat den Lenz geschickt!
 Stets länger wird der Tag,
 den wir in Qual verleben,
 Stets kürzer wird die Nacht,
 die segnend uns erquickt!
 
 Anna Marie
 
 Zertrümmert ist ihr Fensterlein,
 Kein Meister will es verglasen;
 Sie leimt davor ein weißes Blatt,
 Der Regen schäumt und macht es satt,
 Die Stürme blasen und rasen.
 
 Ach, Anna Marie, sie kann nicht mehr
 In Kranze die Röselein binden,
 Denn ihre Schmach ist laut und groß:
 Ein Knäblein wimmert in ihrem Schoß
 Der Vater? Wer will ihn finden?
 
 "Was trug sie das Lärvchen so stolz zur Schau?"
 So eifert die Witwe hüben;
 "Was trug sie die Blumen von Haus zu Haus?
 Kam selber geknickt und zerpflückt heraus" —
 So geifert die Jungfer drüben.
 
 Sie hat ihn geliebt, den leichten Mann,
 Nun lebt er im fernen Lande;
 Dort ruht er an dieser und jener Brust,
 Und liebelt und schwört — und hat die Lust
 Die Mädchen haben die Schande.
 
 O, dies geborstene Fensterlein,
 Um das die Wetter grollen, —
 Die Armut, die so ehrlich blieb —
 Sie hätten dem frechen Ehrendieb
 Zum Herzen sprechen sollen.
 
 Es kam des geadelten Wechslers Frau
 Mit einem Junker nieder.
 Sie suchte die Amme mit reichem Gespinn,
 Mit sorglichem Blick, mit Huld im Sinn
 Und auf den Lippen die Lieder.
 
 Nun, Anna Marie war jung und mild;
 An Liedern wirds nicht fehlen:
 Sie hat ja geliebt, drum kennt sie den Traum
 Vom Feenpalast, vom singenden Baum
 Und von den bezauberten Seelen.
 
 Sie gibt ihr sprudelnd gesundes Blut
 Dem kleinen durstigen Prasser;
 Die Frucht von ihrem eigenen Leib
 Erzieht ein ärmliches Bauernweib
 Mit Schlägen und mit Wasser.
 
 Der Junker gedeiht; die Mutter jauchzt,
 In Tränen lächelt die Amme;
 Sie kauft mit ihrem geringen Lohn
 Das Hemd und das Kleid dem fernen Sohn,
 Dem hingeopferten Lamme.
 
 Und darf sie des Sonntags zum Kind heraus,
 Den Säugling an den Brüsten;
 Und sieht das bleiche verkümmerte Bild:
 Dann ists ihr, ob die Himmlischen wild
 Und ewig sie strafen müßten!
 
 Sie streichelt und küsset mit zitternder Gier,
 Und wecket auf den Kleinen —
 Der kennt und will die Mutter nicht —
 Ach, und an ihre traurige Pflicht
 Mahnt sie des Junkers Weinen.
 
 Die Wochen gehn, das Jahr ist um,
 Und um ist ihre Pflege.
 Man schreibt ihr ins Zeugnis: ehrlich und gut,
 Man schenkt ihr einen verwitterten Hut —
 Kann gehen ihrer Wege.
 
 Ihr Kind ist tot. Nie will sie mehr
 In Kränze die Röselein flechten.
 Da kommt ein altes Weib daher:
 "Mein Töchterchen, dienen ist gar so schwer
 Was willst Du bei den Schlechten?"
 
 "Ich hab ein niedliches Kämmerlein,
 Hab Perlen für die Haare,
 An Essen und Trinken fehlt es nie,
 Die Lust ist groß!" — O Anna Marie,
 Daß Gott Dich in Gnaden bewahre!
 
 Der ungarische Geiger
 
 "Schwarzer Hund mit Zottelhaaren,"
 Ruft der Erste, "geige milder!" —
 "Noten werbender Husaren,"
 Ruft der Zweite, "geige wilder!" —
 "Tusch und Ständchen! Meine Braune,"
 Ruft der Dritte, "ging zu Bette!"
 Rufen andre: "Weine, raune
 Wie der Pfarrer in der Mette!"
 
 Sieht der Geiger im Entsetzen
 Die geballten Fäuste spielen:
 Wem gefallen? Wen verletzen?
 Wem gehorcht er von den Vielen?
 Stemmt sich nicht dem tollen Wüten,
 Gnade sieht die bange Miene,
 Ach, nur hüten will er, hüten
 Seine holde Violine.
 
 Ist er doch von Gott gekettet
 Ihr ein treugesinnter Gatte,
 Nächtlich neben ihr gebettet
 Auf verfaulter Binsenmatte.
 Mit dem Mantel sie bedeckend
 Halb verwittert, halb zerrissen,
 Und sie hüllend und versteckend
 In des Strohes warme Kissen.
 
 Wenn in ihm ein Lied gereifet,
 Mit des Abendglöckleins Tönen,
 Wie er nach den Saiten greifet,
 Nach den Pulsen seiner Schönen!
 Wonnehauchend wird sie beben,
 Wenn die heißen Fingerspitzen
 Ihr das tiefentschlafne Leben
 In der keuschen Brust erhitzen.
 
 Birst die Saite schrill und schaurig,
 Dann, wie bang ist seine Miene,
 Dann, wie neigt er sich so traurig
 Zu der teuren Violine:
 O, sie schläft im stummen Harme,
 In der Ohnmacht dumpfem Frieden,
 Wie die Mutter, der im Arme
 Das geliebte Kind verschieden.
 
 Wie der Jude schleppt die alten
 Buntgeflickten Trödelwaren;
 Romas Kind die Gipsgestalten
 Schaukelt auf den schwarzen Haaren,
 Wie sein Murmeltierchen führend
 Der verwaiste Savoyarde:
 Zieht mit seiner Fidel, rührend,
 Durch die Welt der braune Barde.
 
 Seht, wie sie im tollen Sturme
 Aus den Arm zum Schlage holen,
 Ihren Sänger, gleich dem Wurme,
 Treten mit den rauhen Sohlen!
 Stemmt sich nicht dem blinden Wüten,
 Gnade fleht die bange Miene,
 Ach, nur hüten will er, hüten
 Seine treue Violine.
 
 Neue Götter und alte Leiden
 
 1.
 Auf unserer lieben Erden
 Will Alles nun heilig und selig werden!
 Wohin Du freudig siehst,
 Wohin Du traurig ziehst und fliehst —
 Allüberall die frommen Gebärden,
 Und Predigtverdauende Herden!
 Sie häuten neu den alten Glauben
 An allen Enden und Ecken,
 In allen Höhlen und Hecken,
 Auf allen Märkten und Flecken.
 Des heiligen Geistes Tauben,
 Sie fliegen Dir zu jeder Stund
 Schon völlig gebraten in den Mund.
 
 2.
 Es kehren in Schwärmen ein
 In Frankfurt, am gelben Main
 Unbärtige und bärtige Rabinen,
 Mit hochgelahrten Mienen.
 Seht, das Gerüst ist aufgeschlagen;
 Kaum ists mit Worten zu singen und sagen,
 Wie sich die Meister plagen.
 Sie weisen mit großen und kleinen Besen
 Das altergraue Judentum;
 Ihr heiser erschriener Ruhm
 Ist wörtlich in den Blättern zu lesen.
 Zwar bleibt es nach wie vor beim Alten,
 Doch sagt sich Jeder zufrieden und leise:
 Ich habe die herrlichste Rede gehalten.
 
 Des Abends ist Nathan der Weise!
 
 3.
 In Laurahütte — o duftiger Namen —
 Es klingt darin ein volles Saitenspiel,
 Ihr lieben Herrn und Damen;
 Es klingt darin so viel, so viel
 Von Schwärmerei und tiefem Gefühl.
 In Schneidemühl —
 Wie bohrt es und sägt es und hackt es,
 Wie saust es und braust es und packt es
 Mit diesem schneidenden Worte!
 Dort hat man an heimlichem Orte
 — Ja hört und schaut —
 Die allerneueste Leiter gebaut
 Zur himmlischen Pforte.
 Sie krabbeln und klettern an den Sprossen,
 Das hat die Römischen weidlich verdrossen.
 
 4.
 O, kohliges Halle an der Saale,
 Dir ward ein Retter in deinen Nöten,
 Wie wirst du hell mit Einem Male!
 Ausbrachen die jungen Morgenröten
 Lichtfreundlich im Land des Kaisers von Köthen.
 Das Tröpflein Öl in den Kirchenlaternen,
 Mit dem man bis zu dieser Frist
 Den Weg gesucht zu den seligen Sternen —
 Wie brennt es so dunkel, so trist
 In diesen lichtbedürftigen Zeiten!
 Man muß ein flackerndes Gas bereiten.
 Zwar kommen die Wächter mit Eimern und Spritzen,
 Doch wird das Löschen wenig nützen,
 Bloß Lärmen gibt es und neue Pfützen.
 
 5.
 Ja, wenn ichs im Stillen so recht bedenke,
 Und mich in den Geist der Zeit versenke:
 Da sitzt vielleicht in ferner Schenke
 Ein weiser jetzt noch unbekannter Mann,
 Und brütet, was er brüten kann;
 Und wärmt und pflegt
 Vielleicht schon wieder ein neues Ei,
 Das er in frommer Schwärmerei
 In einen Winkel hingelegt.
 Noch ist es jedem Blick verborgen;
 Doch merket auf und habet Acht!
 Wenn ihr an einem schönen Morgen
 Nichts Böses ahnend auferwacht:
 Da wird es piepen und gackern und singen
 Bis zum Erbarmen schön,
 Daß uns vom wonnigen Gestöhn
 Bis an den jüngsten Tag die Ohren klingen.
 
 6.
 Am wildesten ist hinterher das Weib,
 Wie hinter allen neuen Moden;
 Für ihre Seele braucht sie die Pagoden,
 Wenn ihr der Buhle fehlt für ihren Leib.
 O Zungenlust! O Zeitvertreib!
 Hinz schrieb voreinst Hexameter und Oden,
 Romane mit verliebten Episoden —
 Nun träg und feist, an Witzen bankerott,
 Kam ihm zur rechten Zeit der neue Gott.
 Ist schleunig unter die Propheten gangen,
 Ließ sich vom Volk auf Händen tragen,
 Und zechte brav an heiteren Gelagen,
 Und brauchte nicht, wie sonst, nach Geld zu langen.
 
 7.
 Wer Weib und Kind, ein Häuschen gar besitzt,
 Drei Brausepülverchen das Blut zu stillen,
 Der sagt sich klug: was hilft es itzt
 Sich spießen lassen um der Freiheit willen?
 Was hilft das volle Glas in der Rechten?
 Das Zweckgelag? das Zungenfechten?
 Was hilfts zur Kleinheit und Gemeinheit
 Zu reden von der deutschen Einheit?
 
 Für jeden Funken gibts ja flugs die Sprühe,
 Zehn Wächter gibts für jeden Leu;
 Sie gießen täglich neue Geschütze,
 Und haben Gold wie Heu;
 Und Zipfelmütze bleibet Zipfelmütze,
 Ob man sie tricolor bemalt,
 Und wöchentlich darin im Kränzchen prahlt.
 Ach er genießt nun gern des Lebens Reste,
 Im schwarzen Frack und weißer Weste;
 Und aus dem warmen Neste
 Verkündet er von Zeit zu Zeit
 Des neuen Glaubens Herrlichkeit.
 Wird er bewacht, nun um so besser:
 Er weiß genau, man setzet nicht
 An seinen lieben Hals das Messer,
 Jedoch sein Name kriegt Gewicht.
 Und sperrt man ihn noch obendrein
 Zwei kurze Winterwochen ein —
 Dann zeichnet ihn gewiß die Stadt
 In ihrer Chronik auf das erste Blatt.
 
 8.
 Die Wäscherinnen stehn am Troge,
 Und plätschern in der kalten Woge,
 Die losgelassenen Zungen brausen.
 Flugs wandeln sich die zarten Damenkrausen,
 Die Kinderhemdchen auch in Religion!
 Der alte Papst auf seinem heiligen Thron,
 Der bleiche Ronge — sein verlorner Sohn,
 Sie ahnen nicht, wie zu gemeinem Hohn
 Die rohen Hände sie zerzausen.
 Du streckst dich noch im süßen Morgenschlummer,
 Da pochts an deinem Kämmerlein.
 Es tänzelt der Barbier herein,
 Der Kirchenstreit, der ist sein größter Kummer.
 Er spricht und spricht und immer wird er wärmer;
 Es zittert seine Hand in frommer Wut,
 Und er vergießt dein schuldlos Taubenblut,
 Der sonderbare Schwärmer.
 
 9.
 "Was willst du", rufet ihr entrüstet aus,
 "Mit schlechtem Spott in diesen ernsten Stunden?
 Sangst du nicht selber ungebunden
 Das Lied vom Licht in Sturm und Nacht hinaus?"
 Euch klaget an, doch nimmer mich!
 Wer hielt im heißen Kampf? wer wich?
 Bei meinem Banner bin ich stehn geblieben:
 Was ich geliebt, ich kann es lieben
 Bis ausgeströmt mein letztes, bestes Blut.
 Nie hab ich bloß getändelt mit der Glut.
 Ihr aber wandelt in die Nacht zurück,
 Und spielet mit der Glut, und sorget minder,
 Ihr Frommen, für das Erdenglück,
 Als für das Himmelreich der Menschenkinder.
 Bei Gott! es wäre nicht die größte Sünde,
 Und bannen könntet ihr so manchen Schmerz,
 Wenn öfter euer Herz
 Als euer Tempel offen stünde!
 
 10.
 Ihr Herrn! ich bin fürwahr ein guter Christ,
 — Obgleich ihr gern und viel zu sagen wißt
 Vom Judentume meiner Ahnen —
 Doch eure Bahnen sind nicht meine Bahnen!
 Mein Glauben wächst im Freien wild,
 Der blauen Blume gleich im Korngefild;
 Ich zieh ihn nicht zur Augenlust
 Des bibelfesten frömmelnden Gewimmels
 Vor meinen Fenstern auf, an dürren Stecken;
 Ich trag ihn nicht, ein Bräutigam des Himmels,
 Ich trag ihn nicht wie alte Gecken
 Als einen Strauß ausfordernd an der Brust.
 Fürwahr, ich spotte nicht der Braven,
 Der Schützen, die mit Pfeil und Bogen
 Gen Wahn und Vorurteil gezogen,
 Und scharfen Blicks ins Schwarze trafen;
 Doch kann ich mir es nicht verhehlen:
 Ich seh entrüstet zu dem wüsten Treiben,
 Wie sich die holden Völkerseelen
 Ins Jenseits nur den Freibrief schreiben,
 Und Sklaven auf der Erde bleiben.
 
 11.
 Ersparet euch, geweihte Himmelsritter,
 Das Volk mit Frömmigkeit zu letzen.
 Sein Hirn ist wund vom Kreuzessplitter,
 Und angefüllt mit ungenähten Fetzen —
 Was Wunder, wenn der Wahnsinn es ergreift?
 Schon seh ich, daß es wild die Messer schleift,
 Der Bruder wird dem Bruder zum Entsetzen.
 Ihr Herrn, die Fahrt im Land auf Gottes Kosten,
 Dies Predigen im Westen und im Osten,
 Erlaubt — mir scheints ein stilles Hetzen.
 So streichelt man die Hunde mild,
 Wenn man sie treiben will aufs schwarze Wild.
 Ich will euch sagen was ins Ohr:
 Die Hungersnot ist vor dem Tor,
 Die Leute klagen nicht, sie jodeln und scherzen,
 Und das ist schlimm! Ich kenne die Menschenherzen.
 Wollt ihr, daß noch zu dieser Not
 Ein Glaubenskrieg mit überreizten Nerven
 In stille Hütten mag den Pechkranz werfen?
 Dies blutige Licht, ihr nennt es Morgenrot?
 
 12.
 Der Schöpfer wird sich selber schon beschützen!
 Was muß das Volk für ihn das Blut versprützen?
 Noch gibt es viel zu tun auf Erden!
 Muß nicht das Menschenrecht behütet werden,
 An das mit starker Faust die Willkür tastet?
 Gibts keine Herzen unsäglich belastet?
 Sind alle Wunden der Geschichte vernarbt?
 Lebt keiner mehr, der friert und darbt?
 Gibts keine Tränen heiß und schwer
 In diesem Leben zu trocknen mehr?
 Ist wirklich schon das große Werk bestellt?
 Und gibts so viel des Glücks in der Welt,
 Daß ihr die Freudenfeuer zündet,
 Daß ihr bacchantisch durch die Länder streift?
 Und sind wir wirklich schon herangereift
 Fürs Himmelreich, das ihr verkündet?
 
 13.
 "Was willst du?" rufet ihr entrüstet aus,
 "Wir bauten hier und dort ein frommes Haus.
 Wir stellen Lehrer, die mit weisen Bildern
 Dem Volk die Menschen aller Zeiten schildern;
 Wir haben hier und dort ein Stift
 Und suchen die Verderbnis gern zu mildern;
 Wir teilen aus die heilige Schrift,
 Es soll der Mensch zum Tiere nicht verwildern."
 Habt Dank, habt Dank! Gewiß, die armen Leute,
 Sie werden nun dem Bösen nicht zur Beute;
 Sie werden nimmer morden und stehlen,
 Sie werden gereinigt von ihren Fehlen; —
 Doch fürcht ich, müssen auf Kosten der Seelen
 Die Leiber dem Hungertod erliegen!
 Laßt immerhin bereit
 Die Tauben des heiligen Geistes fliegen:
 Nur muß der arme Mann von Zeit zu Zeit
 Ein Stückchen irdisch Fleisch zur Speise kriegen.
 
 14.
 Wer Gott in seinem Eingeweide trägt,
 Der wird ihn schon nach seiner Art verehren!
 Und wem er nicht im Herzen schlägt,
 Der ist vielleicht für Heute zu bekehren,
 Doch morgen ist er wieder starr und hohl.
 Laßt ihn getrost zur Hölle fahren!
 Ach, gut zu werden, läßt sich lehren wohl,
 Doch nicht erlernen, nicht in tausend Jahren.
 Wohl unter Hunderten ist Einer kaum,
 Der niedertaucht bis an den Grund der Kunst,
 Die Meisten schlürfen flüchtig nur den Schaum;
 Es wird nur Wenigen die Gunst
 Zu lieben mit dem allertiefsten Herzen:
 Den Meisten ist es bloß ein eitles Scherzen,
 Nur Turteltaubenspiel und Spatzenbrunst.
 Ihr Herrn, so ist es mit dem hohen Meister!
 Dem Pöbel ist er doch ein Götze nur.
 Es wandeln seine Spur
 Doch ohne Furcht, allein — die Geister.
 Glaubt, wenn ihr glauben könnt und wollt,
 Doch glaubt nicht, weil ihr glauben sollt!
 
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