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Stille Lieder

Beck Karl Isidor
Gedichtband

Leipzig 1840
Verlag von Wilhelm Engelmann

Lieder der Liebe
(Ihr Tagebuch)

 

Sie sagen: Es wäre die Liebe!
Der Weiher
Die Hand
Ein Traum
Brust an Brust
Bitte! Bitte!
Der Namen
Zu Nacht
Der Papagei
Wann kommst du wieder?
Robinson und sein Lama
Täuschung

Lieder der Liebe
(Sein Tagebuch)

 

Heiß ist meine Liebe
Die Erscheinung
Regen
Eine Träne
Heimweh
Märchen
Ich liebe dich!
Liebst du mich?
Küsse
Schamröte
Frage nicht!
Falsche Ruhe

Traumbilder
 

Ihr Haus
Mondnacht
Vergißmeinnicht
Das Lämmlein
Schlaf wohl!
Der Schmetterling
Heil'ger Abend
 
Die Schwalbe
Stummer Schmerz
Weltgeist

 

Sie sagen: Es wäre die Liebe!


Ich kann die Sprache der Sterne,
Die Sprache der Rosen verstehn
Ich hab mein Täubchen so gerne,
Ich weiß nicht, wie mir geschehn?
Was mir aus jedem Wölkchen lacht,
Zu schön, als daß ichs beschriebe —
Was mich so froh, so selig macht,
Sie sagen: es wäre die Liebe!

Mir träumte im schwellenden Grase
Vom goldenen Schmetterling,
Von einer Seifenblase,
Die farbig am Halme hing.
Was mich träumen läßt bei Tag und Nacht,
Zu süß, als daß ichs beschriebe —
Was in mir schläft, was in mir wacht,
Sie sagen: es wäre die Liebe!

Sie lächelten hüben und drüben,
Sie deuteten meinen Traum,
Sie flüsterten drüben und hüben:
Ich selbst sei der farbige Schaum.
Was mich so fromm, so gläubig macht,
Zu schön, als daß ichs beschriebe —
Was mir den Himmel zurückgebracht,
Sie sagen: es wäre die Liebe!

Der Halm, um den ich gegaukelt,
Ein Jüngling vom fernen Ort,
Vom Sturme hergeschaukelt,
Vom Sturme getragen fort.
Was mich beängstigt Tag und Nacht,
Zu sehr, als daß ichs beschriebe —
Was mich so still, so traurig macht,
Sie sagen: es wäre die Liebe!

Der Weiher

Im Weiher glänzt so helle
Des Liebessternes Schein;
Geliebter, in die Welle
Laß sinken uns hinein!

In ihren Schleier nähme
Uns dann die Wasserfei;
Die bunte Muschel käme
Als unser Sarg herbei.

Das Röslein, das ich trage,
Das dann im Weiher schwimmt;
Der Schwan nur, dessen Klage
Dann manches Ohr vernimmt —

Die würden wohl verkünden:
Daß hier ein Blümlein liegt,
Und sich in kühlen Gründen
An seinen Dichter schmiegt.

Die Hand

Mir wars, als ich in süßer Pein
Im Wetter Deines Auges stand,
Du trügest viele Engelein,
Mein Lieb, auf jeder Hand.

Zur Erde sah ich fort und fort,
Als lag ein Perlenschatz im Sand;
Ich lauschte Deinem trauten Wort,
Du drücktest mir die Hand.

Und als ich traurig ging von Dir,
Daheim in meiner Kammer stand,
Gedacht' ich Dein und drückte mir
Verstohlen selbst die Hand.

Ich fragte mich, ich seufzte schwer,
Ich sprach es leise in die Wand:
Was drückst du, Närrchen, dir so sehr,
So heimlich selbst die Hand?

Ich glaubte noch, ich war bei Dir
Als ich in meiner Kammer stand —
Ich glaubte noch, Du warst bei mir,
Und drücktest meine Hand.

Ein Traum

Ich schlummerte so süß, so mild,
Du hast mich aufgeweckt,
Ein wundersames Traumgebild
Von meinem Pfühl geschreckt:

Mein weißes Täubchen lockt' ich sehr
An meines Fensters Rand,
Es kam, doch ach, es nahm nicht mehr
Die Frucht aus meiner Hand.

"Ich fürchte mich vor dir, mir graut,"
So hob es leise an,
"Seit du ins heiße Aug geschaut
Dem heimatlosen Mann.

Nicht flieg' ich mehr mit Andacht hin
An Deine arme Brust,
Es lebt, es webt ja nimmer drin
Des Friedens keusche Lust."

Und als ich bang und atmend kaum
Den Blick hinweggewandt,
So nah bei mir ein Myrthenbaum
In voller Blüte stand.

Nicht friedlich mehr ist mein Gemüt,
Das Täubchen trog mich nicht;
Doch, daß die Myrthe für mich blüht,
Ist wohl nur Traumgesicht.


Brust an Brust

Du öffnetest die Arme weit,
Dein düstres Auge glomm.
Du riefst in Liebestrunkenheit:
O komm, o Liebchen, komm!

Ich kam, doch hat mein Fuß gestockt,
Kam Schritt für Schritt herbei,
Als wie ein Kind, das man gelockt
Mit süßer Näscherei.

Es war so still um uns, als schwand
Vorbei ein Engelein!
Da trat mit drohend weißer Hand
Die Mutter schnell herein.

Wir standen da, so warm, so jung,
Und doch, wie Säulen, tot, —
Im Auge Abenddämmerung,
Im Antlitz Morgenrot.

Ich sah Dich an in stummer Pein;
Mein innig Sehnen war:
Die Erde schlösse liebend ein
Dies seltne Säulenpaar.

Man hebt nach tausend Jahren dann
Uns an das Sonnenlicht;
Dann kränzt uns wohl ein Pilgersmann
Das bleiche Angesicht;

Er singt uns dann ein Liebeslied,
Sein krankes Herz erbebt:
Am Tag, wo dieses Paar verschied,
Da hätt' er gern gelebt.

Bitte! Bitte!

Daß Gott erbarm! daß ich es seh,
Wie du dich traurig von mir wendest!
Nicht mehr, zu meinem teuren Weh,
Den großen Blick ins Herz mir sendest!
O sieh mich drohend an und wild,
Mich prüfend, ob ich mit dir litte?
Ach, oder wie ein Kindlein mild,
Nur sieh mich an, o bitte, bitte!

Daß ich es seh! daß Gott erbarm!
Dich sitzen da im düstren Schweigen!
Kannst du dich nimmer, reich und warm
Von Liebe flüsternd, zu mir neigen?
O sprich es aus das traurig Nein,
Das mir die Seele roh zerschnitte, —
Ach, oder sprich das Ewig Dein,
Nur sprich, Geliebter, bitte, bitte!

Du schaust mich an so lieb, so mild,
Ach, wie die Blicke süß verführen!
Du schweigest nimmer, trotzig wild,
Wie gerne trau' ich Deinen Schwüren!
O, frag' nicht, ob ich wieder froh,
Ob gern in Deine Arme glitte?
Ich küsse Dich, und so, — und so, —
Und spreche: Küss mich! bitte, bitte!

Der Namen

Nenne mich kein Lämmchen mehr!
War ich eins hienieden,
Zog ich, mit dem Glöcklein schwer
Fromm vor meinem Schäfer her.
Läutete den Frieden
Deinem Herzen ein.

Nenne mich kein Täubchen! o
Küsse mich und schweige!
Wär ich eins, ich flöge froh,
Noahs Taube tat es so —
Brächte Friedenszweige
Dir vom kühlen Hain.

Hat der Schäfer doch im Jahr
Viele Lieblingslämmchen!
Sprichst Du: Täubchen, — denk ich gar
Einer ganzen Taubenschar.
Nenne mich Dein Flämmchen
Einzig und allein!

Zu Nacht

Ist Dein Begehr?
Es ist für Dich kein Hafen,
Es stürmt zu sehr.
Du aber, Teurer, sollst nicht missen
Die Ruh zu Nacht;
Du schlummre sanft auf weichem Kissen,
Von mir bewacht.

Und nah' ich dann mit scheuen Sohlen,
Ists ein Vergehn?
Kaum will ich Atem holen,
Nur an Dich sehn.
Und reißt es mich an Deine Lippe,
Ein Küßchen, — husch!
So träume nur, ein Bienchen nippe
Vom Rosenbusch.

Und deckt dich dann, den Schlummermatten
Mein wallend Haar:
Träumst Du von einem Schatten
Der Ruhe bar,
Der bei dem Schatz, den er verborgen,
So wie ich dich,
Die Nacht verseufzet bis zum Morgen
Ganz still für sich.


Der Papagei

Durchs Fenster lugt des Mondes Schimmer,
Zwölf ist vorbei.
Du wachst nicht mehr, du plauderst nimmer,
Mein Papagei!

Hat dich der süße Zuckersamen
Zu Ruh gebracht?
Sonst riefst du wohl den teuern Namen
Die ganze Nacht.

Er aber gab nicht meinem Munde
Des Kusses Mohn;
Ich wache noch so manche Stunde,
Du schlummerst schon!

Wann kommst du wieder?

Die Wehmut weinet bitterlich
Und weint von Tag zu Tage
Aus meinem Auge still für sich
In herbstlich trüber Klage.
Drei lange Wochen bliebst Du fort,
Schlaff hangt mein Haupt danieder,
Und meine Seele ist verdorrt,
Wann kommst Du wieder?

Die Schwalbe kehrt mit heißem Drang
Zurück zu ihrem Norden;
Der Sprosser ist bei Sang und Klang
Ein Bräutigam geworden.
Drei lange Wochen bliebst du fort,
Nicht schallen Deine Lieder,
Und meine Seele ist verdorrt,
Wann kommst Du wieder?

Mein Röslein nickt am schwanken Stiel,
Was mag dem armen fehlen?
Es liebt den Lenz so sehr, so viel,
Als hätt' es tausend Seelen.
Drei Wochen ist der Lenz schon fort
Auf Schmetterlingsgefieder,
Des Rösleins Herz und meins verdorrt,
Wann kommst Du wieder?

Hab ich nicht glühend Dich geküßt?
Gepreßt in meine Arme?
Vor Dir geweint, als ob ich müßt'
Vergehn im Liebesharme?
Drei lange Wochen bliebst Du fort,
Mir sprengt die Angst das Mieder,
Und meine Seele ist verdorrt,
Wann kommst Du wieder?

Robinson und sein Lama

Mein einzig Sehnen war
Vor Tag und Jahr,
Wenn ich im Märchen las:
Ein Zauberglas.

Drin wollt' ich sehn das Zelt
In ferner Welt,
Wo Robinson so bang
Die Hände rang.

Ihm sprach des Meeres Braus
Vom Vaterhaus,
Bei ihm, in trauter Hut,
Sein Lama ruht.

Jetzt flattert nicht mein Sinn
Durch Meere hin. —
Dich will ich sehn allein
Geliebter mein!

Dich, wenn der Abendwind
Dir flüstert lind,
Wo Deine Wiege stand
Im fernen Land;

Wenn Du der Mutter denkst,
Die Blicke senkst,
Sie hebst zu Gottes Thron
Mein Robinson!

Ach, dann voll süßer Pein
Dein, Lama sein,
Das Dir so fromm und traut
Ins Auge schaut!

Täuschung

Ich glaubte, die Schwalbe träumte schon
Vom teuren Nest;
Ich glaubte, die Lerche dachte schon
Ans Liederfest;
Ich glaubte, die Blüten küßte schon
Ein junger West;
Ich glaubte, ich hielte dich liebend schon
Auf ewig fest!

Wie wurdet ihr winterlich über Nacht,
Ihr Lüfte lind!
Wie Knospen und Blüten über Nacht
Erfroren sind!
Wie die Lerche verlernte über Nacht
Ihr Lied geschwind!
Und wie du vergessen hast über Nacht
Dein armes Kind!


Heiß ist meine Liebe

Mädchen, heiß ist meine Liebe,
Hast ja schöne blaue Augen!
Meines Geistes wilde Blumen
Müssen Tau des Himmels saugen.

Mädchen, heiß ist meine Liebe,
Hast ja schwarzes Haargeflechte!
Für mein Haupt vom Traum befangen
Schwarze, linde, lange Nächte.

Die Erscheinung

Wenn es dereinst im Aug des Blinden
Nach langem Dunkel wieder tagt, —
Wie schön muß er die Sonne finden,
In die er kaum zu blicken wagt.
Die Woge schwillt, die Himmel blauen,
Die Rose glüht wie eine Braut;
Was soll zuerst der Trunkne schauen?
Er weiß es nicht, genug, er schaut.

So schwand das Dunkel meines Lebens,
Als ihre Anmut vor mir lag,
Und doch bestrebt' ich mich vergebens,
Hineinzusehn in meinen Tag.
Ihr Busen schwoll, ihr Auge blaute,
Ihr Antlitz glich der Rosenflur;
Was ich zumeist, zuerst beschaute?
Ich weiß es nicht, — ich schaute nur.

Regen

Versprach sie doch am schwanken Steg im Garten
Im Dämmerschein mich heute zu erwarten!
Sie zitterte, als ich es laut erbat,
Ich zitterte, als sie es still bejaht.
O hindre nicht, daß sie mir naht,
Du finstrer Himmel, — regne nicht so sehr!

O wolltest du gerührt von meinem Flehen
Ihr in die ewig blauen Augen sehen!
So fordre sie zum Kampfe groß und klar;
Laß mich nicht sagen, daß ihr Augenpaar
Heut schöner als das deine war,
Du finstrer Himmel, — regne nun nicht mehr!

Seit sie mich liebt, da liebt mich auch der Friede,
Ich bin nun zahm im Leben und im Liede,
In bunten Farben schillert mir die Welt!
Nimm sie aus meiner Brust von Lust geschwellt
Als Regenbogen in dein Zelt,
Du finstrer Himmel, — regne nun nicht mehr!

Ihr Bruder nennt mein Lieben ein Verbrechen,
Sie darf mich heimlich nur am Brückchen sprechen,
Sie läßt mich nicht, sie liebt zum ersten Mal!
Du aber hast nicht einen Sonnenstrahl,
Du gießest Tropfen ohne Zahl,
O werde blau und weine nun nicht mehr!

Eine Träne

Rinne, rinne leise
Meine Träne du
Im gewohnten Gleise
Meinem Busen zu.
Auf meinen Wangen magst du sehn,
Ob frisch noch da die Rosen stehn?
Rinne, rinne leise
Meine Träne du!

Träne, nicht vergebens
Bist du voll und groß:
Schwimmt doch meines Lebens
Glück in deinem Schoß.
Es schwimmt in dir so viel, so viel,
Mein Lieben und mein Saitenspiel —
Träne, nicht vergebens
Bist du voll und groß!

Immer magst du fallen,
Bist die letzte nicht:
Meine Lippen lallen
Wohl noch manch Gedicht,
Und meine Liebe sinnt und wacht,
Und träumt von ihr bei Tag und Nacht —
Bist du schon gefallen?
Bist die letzte nicht.


Heimweh

Der Heimat fern, mit nassem Blick,
So stand ich da, verwaist im Leben,
Doch sie erkor ein gut Geschick,
Die neue Heimat mir zu geben.

Ihr Herz, das ist mein Vaterland,
Ein banges Heimweh ist mein Lieben,
Ein Heimweh, das mit starker Hand
Zur teuren Stätte mich getrieben.

Märchen

Ich weiß nicht, was mich träumen macht?
Ist's deines Haares schwarze Nacht?

Ist's, weil ich schau mit süßem Weh
In deines Auges blauen See?

Weil deines Mundes Röslein rot
Mir allzu viel des Duftes bot?

Weil deiner Stimme Zauberschall
Mich eingelullt, du Nachtigall?

Sei still! In meinem Herzen brennt
Ein Märchen aus dem Orient.

Ich liebe dich!

Das Abendglöcklein hört' ich klingen,
Bald klang es leis, bald klang es laut, —
Galt's eines Herzens letztem Ringen?
Galt's einer myrthenschmucken Braut?
Im Klange sprach ein leises Mahnen:
So tönet voll beglückter Pein,
So muß das schwärmerische Ahnen
Der Liebe sein!

Es summte auf dem Blumengrunde,
Es trank aus einem Honigkrug
Das Bienchen mit dem süßen Munde,
Das heimlich doch den Stachel trug.
Im Summen sprach ein leises Mahnen:
So sticht voll Lust, so sticht voll Pein,
So muß das träumerische Ahnen
Der Liebe sein!

Die Nachtigall vernahm ich schlagen,
So freudiglich, so wehmutsvoll,
Als ob ihr bei des Liedes Klagen
Die Träne aus dem Auge quoll!
Im Liede sprach ein leises Mahnen:
So tönt in Lust, so tönt in Pein
So muß das träumerische Ahnen
Der Liebe sein!

Ach, und des Abendglöckleins Klagen,
Dies Bienensummen fern und nah,
Und dieses Nachtigallenschlagen
Vernahm ich, als ich dich ersah.
Erst rauschten wirr die Klänge alle,
Bald wehmutsvoll, bald freudiglich,
Und starben dann in einem Halle:
Ich liebe dich!

Liebst du mich?

Und liebst du mich?
Du kannst mir Liebe schwören,
Kein Lauscher kann uns hören, —
Mein fragen nur erweckte dich,
Mein fragen nur erschreckte dich:
Wie des Schlängleins Rascheln im Paradies,
Das die verbotnen Äpfel pries —
Laß rascheln, laß kommen, was kümmerts dich?
Nur liebe mich!

Und liebst du mich?
Wir können Küsse tauschen,
Wer soll uns den belauschen?
Mein fragen nur erweckte dich,
Mein fragen nur erschreckte dich.
Was das Plätschern, das Rauschen im stillen Quell,
Wirfst du hinunter ein Steinchen schnell —
Laß plätschern, laß rauschen, was kümmerts dich?
Nur liebe mich!


Küsse

Wie küssest du mich so süß, so warm!
Wer hat es dich gelehrt, du Liebe?
Als ob sich ein summender Bienenschwarm
Am Fensterglas die Köpfchen riebe!

Wie deine Küsse, Geliebte mein,
Verlockend an meine Lippen klopfen!
Als fielen auf einen durstigen Stein
Viel volle, schwere Regentropfen.

O, summet Bienchen, summet, singt!
O, Regentropfen, sinke, sinke!
Bis wie das Glas mein Herz erklingt,
Ich wie der Stein in der Flut ertrinke.

Schamröte

Des Purpurs schöne Flamme blinket
Geliebte! dir im Angesicht;
Die bräutlich stille Kammer winket,
Du schämest dich? Ich zürne nicht.

O, sieh! Es hat dem Wellengotte
Die schöne Sonne sich vermählt,
Wo er in der Korallengrotte
Die schönsten Märchen ihr erzählt.

Sie liebt das bräutliche Gekose,
Und schämet dennoch fast sich tot —
Es malt die Scham ihr eine Rose
In's Angesicht — das Abendrot.

Frage nicht!

O frage nicht, o frage nicht,
Was deinem wilden Knaben fehle?
Mein Auge brennt, mein Angesicht,
Und meine arme junge Seele.
Es brausen mir wie Wirbelwind
Im Busen namenlose Triebe:
Ich möchte dich beißen, einzig Kind,
Du süße Frucht, vor Lust und Liebe.

O frage nicht, o frage nicht,
Was deinem stillen Knaben fehle?
Es blüht ein Regenbogenlicht
An meiner wetterschwülen Seele.
Der Frieden ist's, die Träne mild,
Die mir beginnt im Aug zu träumen:
Wie nach Gewittern, kühn und wild,
Die Tropfen sinken von den Bäumen.

Falsche Ruhe

      Mein Leben!
Du siehst mir lang ins Angesicht, —
Ich seh des Lächelns frohen Zug
Die Rosenlippen Dir umschweben!
So glaubst du denn in deinem Sinn,
Daß ich doch endlich ruhig bin?
O glaube nicht
Dem süßen Trug;
Mir ist verhaßt die sanfte Ruhe:
Ein sterbend Licht an einer Totentruhe.

      Sieh hin!
Es friert die Wacht im Schilderhause,
Indes ihr Herr zum Schmause
Die dichtgescharten Gäste ladet
Und sich im heißen Weine badet:
So scheint dir frostig meine Stirne,
Indes mir im Gehirne
Die tollsten, feurigsten Gedanken
Im Wirbeltanze schwanken.

      Mein Leben!
Du lächelst fromm, Du glaubst es nicht,
Und sagst: Die bösen Geister weben
Nur welke Kränze in's Gesicht —
Du aber sähest meine Wangen
In frischen Rosenknospen prangen?
So glaubst Du denn in Deinem Sinn,
Daß ich doch endlich ruhig bin?
Daß diese Rosen seien
Gebrochen in des Friedens Maien?
O glaube nicht
Dem süßen Trug;
Mir ist verhaßt die sanfte Ruhe:
Ein sterbend Licht
An einer Totentruhe.

      Sieh hin!
Es ist am Abendhimmel oben
Ein Rosenflammenkranz gewoben:
Die Kinder spielend in dem Sande
Ergötzt die blumige Girlande;
Doch der erfahrne Schiffer sucht
Für seine Barke schnell die Bucht,
Und meint, indem er sieht die Rosen,
Es werden Stürme tosen.


Ihr Haus

Was soll ich klagen und sagen,
Wo meine Geliebte wohnt?
Die einst mir Lieder und Liebe
Mit flammenden Küssen gelohnt?

In einem Prachtgebäude,
Dem herrlichsten der Welt,
Im stillen Frieden der Nächte
Von tausend Lampen erhellt.

Was blickst du sinnend nach oben?
Ist dir mein Rätsel klar? —
Auch ich bewohnte den Himmel,
Als sie auf Erden noch war!

Mondnacht

Stille Sterne! Eure Pracht
Leuchtet durch die dunkle Nacht,
Euer Hirt, der Mondenschein,
Trauert tief in Liebespein.

Ach, so einsam und so bleich
Irrt er durch sein blaues Reich;
Seines Silberhornes Laut
Tönt der hingeschiednen Braut.

Seine Braut: Die Sonnenglut
Ward verlockt von kühler Flut,
Ließ sich locken und ertrank, —
Und ihr Buhle ist nun krank.

Traure nicht, du bleicher Hirt!
Wenn die Lerche wieder schwirrt,
Wenn der Morgen wieder graut,
Lebt die hingeschiedne Braut.

Wenn ich dir ins Antlitz seh,
Faßt mich ein unendlich Weh:
Täglich kehrt, was du vermißt,
Nie, was mir entschwunden ist.

Blumen blühen und verblühn,
Steine glühen und verglühn,
Sonnen schließen ihren Lauf —
Was mir starb, — das wacht nicht auf!

Vergißmeinnicht

Ein Blümchen stand verborgen,
Es trug ein blaues Kleid,
Am Abend und am Morgen
Empfand es Herzeleid.

Denn klettern sah's die Reben,
Den Epheu mehr und mehr,
Es wollte gern sich heben
Und wandern hin und her.

"Mit heißem Blut verkommen
Im engen Gartenbeet!" —
Da hats der Herr vernommen,
Als es so warm gefleht.

Im Kuß des Abendwindes,
So schläft es sinnend ein,
Im Auge eines Kindes
Erwacht's beim Morgenschein.

Nun kann es heiter wandern
Auf Berg und Tal und Baum,
Von einem Stern zum andern,
Und müde ward es kaum.

Ob sie's bewundert haben,
Es irrte, lief und trieb,
Bis es auf einem Knaben
Verzaubert haften blieb.

Ade, du Sternenschimmer!
Du Tal, du Wiesenlust!
Die Blume sucht euch nimmer,
Sie ruht an seiner Brust.

Wie sich die Blume kränket,
Und sieht zum Himmel blau!
Ist Tag und Nacht getränket
Mit einem heißen Tau.

Wie dacht' es nicht zu lieben!
Zu blühn bis spät und alt!
Ach, wo es wurzeln blieben,
Da war der Boden kalt:

Der Knabe wert vor Allen,
Der ihr das Herz zerbricht —
Ach, er versteht das Lallen
Der Blumensprache nicht.

"Vor Liebe fast verkommen
Und nicht geliebet sein!"
Herr, wo du sie genommen,
Dort grab sie wieder ein.

Im Kuß des Abendwindes,
So war sie eingenickt,
Es brach das Aug des Kindes, —
Die Blume war geknickt.

Das Lämmlein

Das Lämmlein tanzt auf grünem Plan
In seinem seidnen Kleide;
Es weiß nicht, wer ein Leid getan
Dem Schäfer auf der Heide.
Er spielt, wie sonst, die Flöte nicht,
Er lehnt sein bleiches Angesicht
An eine Trauerweide.

Viel Wiesen blühen dort und hier,
Er sucht nur eine wieder;
Der Friedhof ist nicht weit von ihr,
Wo träumend rauscht der Flieder;
Dort seufzt er laut: Marie! Marie!
Dem Lämmlein wirds, es weiß nicht wie,
Still kauert es sich nieder.


Schlaf wohl!

      Schlaf wohl!
Du bist ja selig, sanfte Taube!
Nicht Feind ist dir des Grabes Nacht —
Von allen Träumen hat der Glaube
Den lieblichsten dir zugedacht.
      Schlaf wohl!

Du sprachst mir viel und sprachst mir wieder
Vom Himmelreich und seiner Ruh:
Und schlossest doch die Augenlider,
Und schlossest mir den Himmel zu?
      Schlaf wohl!

Du sprachst, der Sünder dürfe nippen
Vom Honig, der im Himmel fließt:
Und schlossest doch die lieben Lippen,
Wo sich der süße Tau ergießt? —
      Schlaf wohl!

O könnt' ich glühend Dich umfassen!
Mein Herz an Deines fest gepreßt!
Dem Sünder wird die Schuld erlassen,
Halt ihn ein Kind, ein Engel fest!
      Schlaf wohl!

Der Schmetterling

Mit Liedern auf der Stirne,
So saß ich, festgebannt;
Hell hat es mir im Hirne,
Hell im Kamin gebrannt.

In seligem Verstummen
Hob ich den Blick empor,
Ein Säuseln und ein Summen
Vernahm mein horchend Ohr.

Ist es der Geist der Lieder,
Der mich besucht zur Nacht?
Hat er vom Himmel nieder
Die Leier mir gebracht?

Nicht wars der Geist der Klänge;
Ein Schmetterling, der bang
Mit farbigem Gepränge
Durch seine Hülle drang:

Die Sonne rief dich nimmer
Im Lenz, o Puppe, wach!
Liegt doch mein armes Zimmer
Versteckt im mürben Dach.

Da schliefest du, indessen
Der Mai in Blüten stand;
Da hab ich dich vergessen
Wie einen Kindertand;

Vergessen, wie das Beste,
Wofür mein Busen schwoll, —
Wie alte Freudenfeste,
Wie einen alten Groll.

Und nun am warmen Herde
Lockt dich die Glut heraus
Zur winterlichen Erde,
Aus deinem seidnen Haus.

Die Glut vom dürren Reise
Ist dir dein Sonnenschein?
Die Blume dort von Eise
Soll deine Liebe sein?

Aufatmend, armer Falter,
Sinkst du ins Schattenreich —
Ein hingewelkter Alter,
Ein blühend Kind zugleich.


Heil'ger Abend

Allein, allein am Weihnachtsfest
Im großen, deutschen Land!
Und hätt' so gern ans Herz gepreßt
Manch warme, liebe Hand.

Allein! Ich ging betrübt hinaus
Durch Nebelnacht und Wind,
Und spähte nach dem Elternhaus,
Ein arm, verloren Kind,

Des Mondes Scheibe rollte leis,
Mein Auge rollte schnell,
Es hing der Reif am kahlen Reis,
Die Fenster brannten hell.

Wohl sieht ein Kind, im Hochgenuß,
Die Weihnachtsbäume blühn,
Daran vielleicht manch güldne Nuß
Und bunte Kerzen glühn?

Fort ging ich, fort im wüsten Traum,
Und ging und kam zurück, —
Ach, mit den Lichterchen am Baum
Erlosch des Kindes Glück.

Nun schlummert es so süß, so hold,
Nicht ahnend, wie ich litt,
Und nahm die Nüsse reich an Gold
In seine Träume mit.

Ich aber ging verstört nach Haus,
Und nahm den kahlen Baum,
Und nahm des Sturmes hohl Gebraus
Mit mir in meinen Traum.

Die Schwalbe

O sieh die Schwalbe, Knabe mein!
Sie sitzt am Simse, tiefbekümmert,
Indes dein schadenfroher Stein
Das Nest, das traute, ihr zertrümmert.

Du wirfst, mit kindlich offner Lust,
Den Stein in die geweihten Hallen;
Sie schaut, mit Gram in junger Brust,
Die teuern, letzten Trümmer fallen.

Sie flattert fort, sie fliegt umher
Vereinsamt auf den weiten Auen:
Du weißt es nicht, es ist so schwer,
Die neue Heimat sich zu bauen.

Was Heimat ist, du ahnst es kaum!
Kommt dir die Mutter nicht entgegen?
Wird sie zu Nacht auf weichem Flaum
Dein Köpfchen nicht zu Ruhe legen?

Dann träumest du und schlummerst fest,
Wenn noch die Schwalbe schweift und irret,
Ach, und um ihr zerstörtes Nest
Mit heimatlosen Flügel schwirret;

Wenn ich in düstrer Mitternacht
Vereinsamt schweife vor den Toren,
Und an das Vaterhaus gedacht,
Das ich verlassen und verloren.

Stummer Schmerz

Meßt eines Schicksals stummen Schmerz
Nach Jahren nicht und Tagen!
Man kann ein frühgealtert Herz
Im jüngsten Busen tragen.

Gemordet hab ich nicht, — ich schlug
Nur meinen eignen Frieden.
Ich hab geirrt, genug, genug,
Und auch gebüßt hienieden.

Mein Treiben ist ein Traum, ein Wahn,
So gestern und so heute,
Und wenig hab ich nur getan,
Was ich nicht bald bereute.

Zumeist am stillen Sonntag just
Wird wilder Spuk getrieben, —
Ach, und im Stillen mir die Brust
Von Stürmen aufgerieben.

Weltgeist

Sie kränkten mich mit Haß, mit Spott,
Sie wollten mich nimmer und nimmer verstehen.
Da hab ich Dich, Du gewaltiger Gott,
Im flammenden Busche der Dichtung gesehen —
Gezittert hab ich, geklagt vor Dir,
Da warst Du der alte Jehova mir!
Der Herr der Pest, der Herr der Schlacht,
Der's Menschenherz so weich gemacht,
Der es so hart, so schwer versucht,
Der seiner schönen Welt geflucht, —
In drohender Hand den Wetterschein,
So standest Du mächtig, — und — allein!

Nichts wußt' ich mehr von Haß und Spott,
Verbraust, verträumt, vergessen, vergeben!
Da sah ich Dich, Du gewaltiger Gott,
Die reuigen Feinde versöhnend umschweben. —
Da hab ich nicht gebebt vor Dir,
Da warst Du der Gott des Christen mir!
Da schwangst Du nicht den Wetterschein,
Du standest groß und — nicht allein;
Zu Deiner Rechten, auf dem Thron,
Dein junger, schöngelockter Sohn;
Hoch hubest Du das Kreuz hinan,
Kein Nagel hing, kein Blut daran!

Sie strich nur das verworrne Haar,
Sie hat mich geküßt, sie hat mich gesegnet,
Da bin ich Dir, Schöpfer, wunderbar
In ihren unsterblichen Augen begegnet.
Da warst Du nicht einem Volk gesellt,
Da warst Du Gott der ganzen Welt!
Da war Dein Sohn Dir nicht genug,
Du riefst der Engel ganzen Zug,
Er kniete vor Dich hin und pries
Das neugefundne Paradies,
Du schwangst kein Kreuz und Blitze wild,
Die Träne war Dein starker Schild!