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Blumauer's Gedichte

Blumauer Aloys

Hildburghausen
Druck vom Bibliographischen Institut

Lyrische Gedichte
 

Die beiden Menschengrößen
Lied der Freiheit
An die Weisheit
O Tahaiti
An die Langeweile

 

Epigramme
 

Der Geizhals
In das Stammbuch eines Reisenden
Grabschrift eines Spaniers
Das wahre Glück

Satyrische und scherzhafte Gedichte
 

Der reiche Mann
An den Wind
An den Magen
Lob des Esels
Lob der Gans

 

Die beiden Menschengrößen


Menschengrößen gibt es zwei hienieden,
  Eine jede kleidet ihren Mann.
Das Verdienst webt beide, doch verschieden
  Sind die Fäden und die Farben dran.
Eine hüllet sich in eitel Licht,
Wo die andre sanfte Farben bricht.

Wie die Sonne glänzt und strahlt die eine,
  Welten wärmt und brennet ihre Glut;
Und die andre gleicht dem Mondenscheine,
  Der nur Nachts im Stillen Gutes tut.
Jene blendet mit zu vielem Licht,
Diese leuchtet, aber blendet nicht.

Wie ein Bergstrom über Felsenstücke,
  Rauschet jene, laut und fürchterlich;
Diese windet, unbemerkt dem Blicke,
  Wie ein Bach durch die Gesträuche sich.
Jene brauset und verheert die Flur,
Diese tränket und erquickt sie nur.

Jene baut sich Ehrenmausoleen
  Aus den Trümmern einer halben Welt;
Diese fühlt sich reicher an Trophäen,
  Wenn sie Tränen regen Dankes zählt.
Jene bauet ihren Ruhm in Stein,
Diese gräbt ihn in die Herzen ein.

Jene läßt mit lautem Ruhm sich lohnen,
  Und ihr Aufenthalt sind Thronen nur;
Diese sieht man auch in Hütten wohnen,
  Und ihr Lohn ist Segen der Natur.
Jene kann ein Kind des Glückes sein,
Diese dankt ihr Dasein sich allein.

Größe lauten Ruhmes! deiner Schwingen
  Breite gleicht dem Himmelsfirmament;
Aber deinen Standort zu erringen
  Ist nur wenig Sterblichen vergönnt.
Stille Größe! dich nur bet' ich an.
Dich nur, denn du bist für jedermann.


Lied der Freiheit

Wer unter eines Mädchens Hand
Sich als ein Sklave schmiegt,
Und von der Liebe festgebannt,
In schnöden Fesseln liegt
Weh dem! der ist ein armer Wicht,
Er kennt die goldne Freiheit nicht.

Wer sich um Fürstengunst und Rang
Mit saurem Schweiß bemüht.
Und eingespannt sein Lebelang,
Am Pflug des Staates zieht,
Weh dem! der ist ein armer Wicht,
Er kennt die goldne Freiheit nicht.

Wer um ein schimmerndes Metall
Dem bösen Mammon dient.
Und seiner vollen Säcke Zahl
Nur zu vermehren sinnt,
Weh dem! der ist ein armer Wicht,
Er kennt die goldne Freiheit nicht.

Doch wer dies Alles leicht entbehrt,
Wonach der Tor nur strebt,
Und wohl bei seinem eignen Herd
Nur sich, nie Andern, lebt,
Der ist's allein, der sagen kann:
Wohl mir, ich bin ein freier Mann!


An die Weisheit

Holde Himmelstochter, deren Klarheit
  Jeden Geist, der frei ist, an sich zieht,
Allgetreue Führerin zur Wahrheit,
  Die den Sterblichen bald, oft bald flieht.

Licht, von dessen Strahl die Seele lebet,
  Sonne der gesamten Geisterwelt,
Du, du der Adler in uns strebet,
  Den die Hülle noch gefangen hält!

Du, die man seit Menschenangedenken
  Als ein Weib im Ritterschmuck verehrt,
Das mit männlichfestem Ernst uns — denken,
  Und mit Weibesinbrunst — lieben lehrt!

Deren Schild die Schlangenbrut gedämpfet,
  Die der schwache Mensch im Busen nähret,
Deren Lanze gegen Drachen kämpfet,
  Die der blöde Geist auf Knien ehrt!

Deren Aug', an Sonnenglanz gewöhnet,
  Nie vor einem Strahl der Wahrheit bricht.
Und dem Geist, der zu erblinden wähnet,
  Winkt: Blick' auf, die Wahrheit blendet nicht!

Dich, o Göttin! die wir Weisheit nennen,
  Sucht sich unser reger Geist zur Braut:
Aber wird er dich erreichen können.
  Dich, vor deren Höh' dem Blicke graut?

In dem Dunkel dieses Erdenlebens
  Rangen viele schon nach deinem Licht,
Aber ach! sie mühten sich vergebens.
  Denn, wo sie dich suchten, warst du nicht.

Mit dir prangten Griechenlands Sophisten,
  Glaubten sich bereits auf deiner Spur,
Aber ihre Kunst war überlisten,
  Wo du leuchtest, blendeten sie nur.

Um den Geist an deinem Blick zu sonnen,
  Sperrte Diogen in's Faß sich ein;
Doch die Weisheit wohnet nicht in Tonnen,
  Denn der Weise lebt sich nicht allein.

Andre suchten dich in heißen Wüsten,
  Streiften da den Menschen von sich ab.
Harrten, wachten, fasteten und büßten,
  Und bereiteten dem Geist sein Grab.

Doch du wohntest nicht in einem Lande,
  Wo der Geist mit Hirngespinsten focht,
Und bliebst fern von einer trägen Bande,
  Die der Menschheit nichts — als Körbe flocht.

Andre suchten sich im Land der Sterne,
  Gingen über Wolken weit einher,
Und vergaßen in erträumter Ferne
  Sich und and're Menschen um sich her.

Viele wähnten in der Hieroglyphen
  Rätselhaften Nacht dich eingehüllt;
Doch sie irrten, denn vergebens griffen
  Sie im Finstern nach der Sonne Bild.

Wir auch, Göttin! streben dir entgegen,
   Wir auch folgen deiner lichten Spur,
Aber nicht aus allen diesen Wegen,
  Auf dem offnen Pfade der Natur.

Hör' uns, Göttin, wenn wir hier auf Erden
   Auf zu dir um Selbsterkenntnis flehn,
Laß es Tag in unserm Innern werden,
   Daß wir alle unsre Flecken sehn!

Laß der Menschen Herz sich uns entfalten,
   Schütz' es vor Betrug und Heuchelei,
Daß der Mensch in allen den Gestalten,
   Die Natur ihm gab, uns heilig sei!

Laß uns nie der Dummheit Tempel bauen,
   Lehre der Gewalt uns widersteh'n,
Laß den Heuchler durch und durch uns schauen,
   Uns der Bosheit Schlangengang uns seh'n!

Laß uns hier, in einen Bund vereinet.
   Helfen, wo der Mensch den Menschen plagt,
Laß uns hören, wo die Unschuld weinet.
   Und die Schwäche über Stärke klagt!

Laß, o laß der Menschheit Wohl uns gründen,
   Sie verehren in dem kleinsten Glied,
Und den Friedenszweig um's Haupt ihr winden,
   Der in deinen Händen nie verblüht.


O Tahaiti
An Georg Forster

O glücklich Land! auf das, wie's heißt, hernieder
   So reichlich Gottes bester Segen quoll.
Bist du's, auf dem ein Teilchen unsrer Brüder
   Sein goldnes Alter wirklich leben soll?

Und du, o Volk! das, laut so vieler Sagen;
   Der Erdensöhne höchstes Glück genießt,
Ist's wahr, daß du so frei von allen Plagen
   Der Menschheit, und so überglücklich bist?

Zwar malt man in so reizendem Gewande
   Das Bild uns vor, das deine Fluren krönt,
Daß mancher sich aus seinem Vaterlande
   Hinaus, und hin nach deinen Hütten sehnt.

Allein erlaube mir nur wenig Fragen,
   Eh' auch mein Mund dich glücklich preist;
Vielleicht, läßt auch von dir der Spruch sich wagen:
   Es ist nicht alles echtes Gold, was gleißt.

Hast du Pandorens Büchse, die uns Allen
   In der Vernunft Natur, die Mutter, schenkt,
Noch nicht so aufgetan, daß daraus der Qualen
   Vollzählig Heer um deine Flur sich drängt?

Hat die Vernunft, der edlen Freiheit Mutter,
   Nicht selbst um ihre Gabe dich gebracht?
Streust du nicht Königen gezwungen Futter,
   Und huldigst Götzen, die du selbst gemacht?

Sind nicht ein Heer von deinen Brüdern Sklaven,
   Füllt ihre Hand nicht manches Höflings Wanst,
Die, während diese Königstiere schlafen,
   Für ihre leckern Gaumen kocht und pflanzt?

Ist's nicht ein Raub an deinem eignen Gute,
   Daß dir der Stärkere die Schweine nahm?
Erhältst du nicht mit deinem eignen Blute
   Die fremden Sklaven deines Königs zahm?

Hört man dich nicht am harten Ruder winseln,
   Das du mit saurer Arbeit selbst geschnitzt?
Führst du nicht Tausende nach fremden Inseln,
   Wo dann ihr Blut — nicht für die Freiheit - spritzt?

Hat deine Seele keine Abenteuer,
   Des tollen Aberglaubens ausgeheckt?
Hast du nicht Pfaffen, deren Hand den Schleier
   Der heil'gen Lüge dir ums Auge legt?

Wird nicht durch sie das Weib im Trauerkleide,
   Das wütend um des Mannes Leichnam rennt,
Ein Ungeheu'r, das auch mit fremdem Leide
   Und fremdem Blute seinem Schatten frönt?

Ernährest du nicht einen Schwelgerorden,
   Der Arbeit und des Ehstands fesseln haßt,
Und der, von dir gehegt, in ganzen Horden
   Herumzieht und auf deine Kosten praßt?

Sprich, hat die Mode, deren Narrenschelle
   Man sonst in aufgeklärten Zonen trägt.
Zu steter Qual erfindsam, wie die Hölle,
   Nicht auch dein Land schon mit Tribut belegt?

Muß nicht dein Jüngling, ihrem Dienst zu Ehren,
   Sich lächelnd unter tausend Stichen freu'n,
Und muß er nicht dein Ebenbild zerstören,
   Natur! um o=tahaitisch schön zu sein?

Sind deine Weiber treu, sprich, sind sie minder
   Auf Putz und Tand als unsere erpicht,
Vergessen sie Pflicht, Ehre, Mann und Kinder
   Ob einer kleinen Glaskoralle nicht?

Wohnt Unschuld noch in deiner Mädchen Seelen,
   Ist unbestechbar, rein und keusch ihr Sinn,
Und geben sie, was unsre für Juwelen
   Verkaufen, nicht für rote Federn hin?

Sind also unter deinem Himmelsstriche,
   So mild er ist, die Menschen glücklicher?
Und drücken dich der Menschheit schwere Flüche,
   Weil Brot am Baum dir wächst, d'rum weniger?

O nein! Wo Menschen sind, da sind auch Übel!
   Mit ihrer Zahl wächst ihre Kümmernis,
Und, ach! gleich anfangs waren, laut der Bibel,
   Schon ihrer zwei zu viel für's Paradies! —

So dach't ich, Freund! als ich dein Buch gelesen.
   Wo ich dies Bild von O=Tahiti fand:
Ich war von meiner Lust dahin genesen
   Und liebte — wie vorher — mein Vaterland.


An die Langeweile

Unsterbliche, geliebte Schöne,
Bei deren Lob ich jetzt schon gähne,
   Dich preise heut mein Gesang:
Was uns kein Äskulap kann geben,
Gibst du uns; denn du machst das Leben
   Uns bis zum Überdrusse lang.

In deinem Arm allein verweilet
Die Göttin, die so schnell sonst eilet,
   Die gold'ne, ach! so flücht'ge Zeit:
Und wenn du auch im Himmel wohnest,
Und dort die Sterblichen belohntest,
   Wie freu'n wir uns der Ewigkeit!

Du lehrst des Lebens uns genießen,
Zu deinen bleibeschwerten Füßen
   Gähnt seufzend eine halbe Welt:
Die göttlichste aus allen Gaben,
Die Ruhe, kann Gott selbst nicht haben,
   Wenn es sie nicht durch dich erhält.

Du lehrst Sultane Bilder schnitzen,
Die Damen ihre Zungen spitzen,
   Und auf des Nächsten Leumund schmäh'n.
Ja, deine schönen Siegstrophäen
Kann man in allen Assembléen
   An hundert offnen Mäulern sehn.

Der Mönch auf seinem harten Brette,
Der Abt auf seinem Flaumenbette,
   Umarmen gleich inbrünstig dich,
Und manche Prediger ereifern
Auf unsern Kanzeln bis zum Geifern
   Allein für deine Ehre sich.

Du thronst auf großen Folianten:
Ein ungeheures Heer Pedanten
   Steht immerdar in deinem Sold,
Und ach, du lieber Gott! was täten
Romaneschreiber und Poeten,
   Wärst du nicht auch den Schluckern hold?

Du wohnst in prächtigen Palästen.
Du prasidierst bei allen Festen,
   Die man an Fürstenhöfen hält;
Und o! die Großen dieser Erde,
Was hätten sie wohl für Beschwerde,
   Wärst du's nicht, was sie manchmal quält.

Von dir begeistert, weist die Schöne
Dem Stutzer ihre weißen Zähne,
   Und gähnet ihn extasisch an.
Du hüllst dich in die reichsten Kleider,
Und nur zu oft trifft man dich leider!
   Auf schonen Mädchenlippen an.

Um deine Freundin Zeit zu töten,
Erfand man zwar in großen Städten
   Spektakel, Feuerwerk und Spiel;
Allein man gähnet bei Raketen,
Bei Trauerspielen, Operetten,
   So wie bei Lombre und Quadrill.

Ja selbst in diesem Augenblicke
Beweist zu meiner Leier Glücke
   Sich deine große Macht an mir:
Denn dieses Loblied, das ich singe,
Und das ich dir zum Opfer bringe,
   Sing' ich aus langer Weile dir.


Der Geizhals

Ein Geizhals fiel in einen Fluß, der tief
Und reißend war. Ein Fischer, der das Leben
Ihm retten wollte, sprang hinein und rief:
Er möchte nur die Hand ihm geben;
Allein der Geizhals sprach, indem er untersank:
Ich kann nichts geben, und ertrank.

In das Stammbuch eines Reisenden

Der Mensch gleicht einer Münze, Freund!
Ist er von gutem Korn, und scheint
Dir echt sein Schlag, und ist noch scharf sein Rand,
Dann reich' ihm unverweilt die Hand;
Griff aber schon die Welt zu sehr ihn ab,
So mindert das den Wert, den die Natur ihm gab;
Doch hat ihn gar die Kunst beschnitten,
Dann, Freund, magst du vor ihm dich hüten.


Grabschrift eines Spaniers
für seinen gehenkten Vetter
Nach dem französischen

Hier schloß mein Vetter Raps die Augen zu.
O Wandrer, blick' hier in die Höhe,
Und wünschest du dem armen Sünder Ruh,
So wünsche — daß der Wind nicht wehe!

Das wahre Glück
Nach dem Französischen

Man rühmt hienieden, wie ich sehe,
Bald Freundschaft, und bald Lieb' und bald die Ehe
Uns Menschen als beglückend an,
Obgleich uns keine von den dreien
Allein ganz glücklich machen kann:
Nur der darf sich des wahren Glückes freuen,
Bei welchem sich Geliebte, Frau und Freund
In einerlei Person vereint.


Der reiche Mann

Wer immer hier auf dieser Welt
   Zu faul zur Arbeit ist.
Und tun nur will, was ihm gefällt,
   Und andere verdrießt;
Der werde reich; ein reicher Mann
   Darf Alles, was er will und kann!

Er spricht in der gelehrten Welt
   Den Wissenschaften Hohn,
Und kauft sich für sein bares Geld.
   So viel er braucht, davon;
Denn nur der Reiche kann allein
   Mit guter Art ein Dummkopf sein.

Den Wohlstand und die Höflichkeit.
   Bon - ton und Schmeichelei,
Die überläßt er ungescheut
   Nur seinem Leiblakei;
Denn nur der Reiche kann allein
   Ein Grobian mit Ehren sein.

Er sieht der Menschen Arbeit zu,
   Und nennt es Spielerei,
Dehnt auf dem Sofa sich in Ruh,
   Und gähnt und schnarcht dabei;
Denn nur der reiche Mann allein
   Darf ungestört ein Tagdieb sein.

Er spottet der Religion,
   Heißt nur den Pöbel fromm,
Und kauft für eine Million
   Sich einen Schein zu Rom;
Denn nur der reiche Mann allein
   Darf für sein Geld ein Freigeist sein.

Er macht aus Schuldnertränen Gold,
   Raubt and'rer Leute Gut,
Hält die Gerechtigkeit im Sold,
   Die nur, was er will, tut:
Denn nur der Reiche darf allein
   Ein Schurke von Rechtswegen sein.

Und hat er seinen Lebenslauf
   In Müßiggang vollbracht,
So nimmt er einen Dichter auf,
   Der ihn unsterblich macht;
Denn nur der reiche Mann allein
   Kann ohne Ruhm unsterblich sein.

Nur ein Gut ist, das in der Welt
   Der Bettler oft genießt,
Und das bei allem seinem Geld
   Der reiche Mann vermißt:
Mit sich zufrieden kann allein
   Der reiche Mann für Geld nicht sein!


An den Wind

Er, pleno Titulo, Regent
   Von uns'rer Atmosphäre,
Macht wahrlich seinem Regiment
   Am Himmel wenig Ehre.
Drum, Herr Spavento! hör' er mich:
Frisch von der Leber will ich
   Ihm für sein tolles Wesen
   Jetzt die Leviten lesen.

Er ist ein wahrer Erztyrann:
   Es bückt in seinem Reiche
Vor ihm sich jeder Untertan.
   Sei's Gräschen oder Eiche;
Ja, wenn's ihm einfällt, müssen gar
Mit augenscheinlicher Gefahr,
   Trotz ihrem steifen Rücken,
   Sich Turm und Schornstein bücken.

Und ziehet er als Feind heran
   In einem Donnerwetter,
So kündigt er den Krieg uns an.
   Wie uns're Erdengötter,
Da nimmt er beide Backen voll.
Und streut, als wär er noch so toll,
   Von Rechten, die nichts taugen,
   Brav Staub uns in die Augen.

Er pflegt hienieden weit und breit
   In alles sich zu mischen.
Und sucht, wie seine Heiligkeit,
   Im Trüben nur zu fischen;
Und ist dann die Konfusion
Recht groß, so macht er sich davon,
   Und läßt die Welt in Kriegen,
   Die er erst anblies, liegen.

Es soll nach seinem Eigensinn
   Hienieden alles gehen!
Wir Menschen sollen nur, wohin
   Es ihm beliebt, uns drehen;
Allein wir kehren seinem Grimm
Den Rücken zu, und zeigen ihm,
   (Mag er auch noch so rasen)
   Wohin er uns soll blasen.

Er handhabt die Gerechtigkeit
   Just so, wie manche Richter:
Statt daß er Wolken oft zerstreut,
   Macht er sie nur noch dichter:
Die kleinen Lichter bläst er aus.
Die großen aber, die uns Haus
   Und Hof verheeren können,
   Macht er noch stärker brennen.

Von seiner Raubsucht hat man auch
   Manch' gräuliches Exempel:
Er fegt oft Nachts mit seinem Hauch,
   Rein Kirchen aus und Tempel;
D'rum haben auch die Menschen ihn
Verdammt, daß er muß Schiffe ziehn.
   Ja, Mores ihn zu lehren,
   Läßt man ihn Gassen kehren.

An Sitten und Manier ist er
   Ein wahrer Engelländer:
Denn, wenn's ihm einfällt, geht er her,
   Zerreißt uns die Gewänder,
Wirft uns mit Schlossen, pfeift uns aus,
Als wenn die Welt, das Narrenhaus,
   Nur ein Theater wäre,
   Und wir für ihn Akteure.

Und wird ihm nicht gleich aufgetan
   So macht er ein Getümmel,
Schlägt uns an Tür und Fenster an
   Und poltert wie ein Lümmel,
Läßt keine Fahne ungedrillt,
Und machet jeden Aushängschild,
   Sei's Kaiser oder Engel,
   Zu einem Galgenschwengel.

Auch wollen ihn, ein geiler Bock,
   Die Mädchen gar nicht loben;
Es ist ja fast kein Unterrock,
   Den er nicht aufgehoben.
Geht das nicht an, so legt er sich
Auf sie, und weiß dann meisterlich,
   Trotz allem protestieren,
   Sie abzumodellieren.

Nichts ist ihm, wenn er saust und braust,
   Auf Erden zu vergleichen;
Allein am allerärgsten haust
   Er noch in unsern Bäuchen:
Da brummt und keift und zwickt und quält
Er uns, so lang es ihm gefällt,
   Und neckt dann durch sein blasen
   Sogar noch uns're Nasen.

Allein da sing ich armer Narr
   Mich atemlos und müde;
Und er bläst fort, und brummt wohl gar
   Den Baß zu meinem Liede.
D'rum Punktum! und kein Wörtchen mehr:
Denn alle die Moral, mit der
   Man ihm kommt angestochen,
   Ist in den Wind gesprochen.


An den Magen

Großmächtiger der irdischen Despoten,
   Tyrann, vor welchem man
En Galla nur gebraten und gesotten
   Sich präsentieren kann!

Du bist — und dies macht unsern Großen Ehre —
   Ihr wahres Ebenbild!
Denn du entvölkerst Länder, Flüsse, Meere,
   Damit dein Schlund sich füllt.

Allmächtig, wie des weisen Schöpfers Werde!
   Ist stets dein Machtgebot;
Denn was nur eßbar ist auf dieser Erde
   Verwandelst du in Kot.

Es ist kein Fleckchen unter allen Zonen,
   Das dir nicht zinsbar ist;
Du bist es, der den Schweiß von Millionen
   Geschäft'ger Hände frißt.

Ein Heer geübter Mörder, Spießer, Würger,
   Hältst du dir für und für.
Je mürber die nun beizen deine Bürger,
   Je besser schmeckt es dir.

Du bist der Gott, den alle Völker lieben.
   Den alles veneriert,
Nur unter dir ist — wie es steht geschrieben —
   Ein Schafstall und Ein Hirt.

Dir dienet alles — Juden, Heiden, Christen —
   Dich ehret die ganze Welt;
Du bist's allein, der weder Atheisten,
   Noch Glaubenszweifler zählt.

Dir zollen Berg und Tal und Wies' und Triften
   So manches Opfertier,
Und hunderttausend Wohlgerüche düften
   Aus jedem Schornstein dir.

In jedem Hause baut man ungefordert
   Dir einen Altar auf.
Und täglich zweimal, wo nicht öfter, lodert
   Die Opferflamme d'rauf.

Und Priesterinnen mit schneeweißen Schürzen,
   Sonst Köchinnen genannt,
Bemühen sich, das Opfer dir zu würzen,
   Das ihre Kunst erfand.

Doch will man dich, der Allmacht Stellvertreter,
   In deinem Glanze schau'n,
So muß man dich, wie uns're Erdengötter,
   Betrachten im Verdau'n.

Da flieht von dir wie ein geschreckter Hase,
   Selbst die Philosophie:
Kaum so viel Luft, als eine Seifenblase
   Enthält, verscheuchet sie.

Dir huldigt selbst das edle Gottheitsteilchen,
   Das uns im Kopf logiert,
Sobald dich nur in deinem Amt ein Weilchen,
   Das Mindeste geniert.

Ja, du gebeutst dem mächtigsten der Triebe
   Denn auf dein Machtgebot
Vergißt der Seladon auch seine Liebe,
   Und herzet ein Stück Brot.

Die Menschheit selbst verstummt ob deiner Stimme,
   Wenn oft dein Zorn erwacht;
Und Menschen dann in seinem höchsten Grimme
   Zu Kannibalen macht.

Doch Niemand war aus allen, so dir dienen,
   Dein Szepter je so schwer.
Als den Poeten: d'rum besang von ihnen
   Auch keiner dich bisher.

Auch ich will dir dies Lied nicht dedizieren
   Weil deine Majestät
Bekanntlich nichts geruhet zu goutieren.
   Was nicht für Hunger geht.


Lob des Esels

Du gutes Tier, auf dessen Haut wir schreiben
   Das uns bald trägt, bald führt,
Nein länger will ich dir nicht schuldig bleiben
   Das Lob, das dir gebührt.

Man spottet deiner Ohren widerrechtlich,
   Und höhnt dich, armer Tropf!
Doch tröste dich; sie wurden nur verächtlich
   An eines Königs Kopf.

Und wer es dir etwa verargen könnte,
   Das du so langsam bist,
Der denke, das der Spruch: Festina lente:
   Der Weisen Losung ist.

Du bist aus allen Tieren, die wir reiten,
   Allein ein Sonntagskind;
Du sahst dereinst den Engel schon von weiten,
   Und Bileam war blind.

Du bist das Bild der nur in unsern Tagen
   Gepries'ner Duldsamkeit;
Dir gilt es gleich, Gold oder Mist zu tragen
   Und hältst, wenn man dich bläut.

Du bist das Tier, das deinem Herrn zur Speise
   Mehl trägt und Disteln frißt;
Wer leugnet nun, daß du auf diese Weise
   Der beste Bürger bist?

Auch ist kein Tier an Freunden und Bekannten
   So reich, als du es bist,
Obgleich von deinen Brüdern und Verwandten
   Nicht jeder Disteln frißt.

Und singst du nicht gleich wie Nachtigallen,
   So ist doch laut dein Ton;
D'rum braucht man auf dem Weg des Ruhms vor allen
   Dich nun zum Postillon.

Bei alle dem ist dir kein Tier auf Erden
   Gleich an Genügsamkeit;
Du trägst trotz all' den Plagen und Beschwerden,
   Ein simples graues Kleid.

Du lebst mit deinen Disteln hier zufrieden,
   Die dir dein Fleiß gewinnt,
Und mancher, ach! frißt Ananas hinieden,
   Der Disteln nicht verdient.


Lob der Gans

Großmächtige, zu Wasser und zu Lande
   Gleich wohl behauste Frau!
Dir bring' ich hier im festlichen Gewande
   Mein Lobgedicht zur Schau.

Man stellt uns in der eselfarbnen Eule
   Der Weisheit Sinnbild dar,
Und dir ward dieser Vorzug nicht zuteile,
   Die zehnmal weiser war.

Nur du lehrst wahre Weisheit uns auf Erden,
   Denn wo sonst lernten wir
Die Kunst, mit leichter Mühe fett zu werden,
   So gut, als wie von dir?

Du warst so glücklich, Rom einst zu salvieren
   Durch deine Schnatterei'n,
Und führtest dadurch auch das Denunzieren
   In unsern Staaten ein.

Und seit der Mutter Gans, so reich an Worten,
   Vermehrt die Gänschenschar
Bei unserm Fräuleinvolk sich allerorten
   Mit jedem neuen Jahr.

Ist gleich dein Kopf dumm, wie ein Steyrerstückel,
   So gleicht im Hintergrund
Dein Schweif doch auf ein Haar dem Perpendikel
   In vieler Weiber Mund.

Dein langer Hals hat uns das Glück verliehen,
   Daß der geplagte Mann
Sein Haupt nach eines schweren Tages Mühen
   Sanft niederlegen kann.

Und ohne deine weisheitsvollen Spulen,
   Wo wäre Wissenschaft,
Wo unsre Kanzeleien, hohe Schulen,
   Und unsre Autorschaft?

Man macht sogar aus deinen Beinen Flöten,
   Und zeiget damit an,
Daß oft auch einem Hohlkopf von Poeten
   Ein Lied gelingen kann.

Doch schlecht wirst du für alle diese großen
   Verdienste regaliert,
Am Martinitag zur Märtyrin geschossen
   Und nicht kanonisiert!