V
W
Z
Vaterland
Veränderlich
Vergessen
Vorsicht
Wagen
Wahn
Wahrheit
Wein
Wohltun
WollustZahlen
Zeit
Zufrieden
Zweifel
Vaterland
Es gibt prahlende Weltbürger und kecke Knaben,
Die gar kein Vaterland haben.
Der für das Vaterland nicht Blut und Leben setzt ein,
Ist nicht wert irgendwo geboren zu sein.
Im Vaterland ist das Eis
Wärmer als die Glut im fremden Paradeis.
Das Sterben dir selber besser schmeckt,
Wenn deine Leiche das Vaterland deckt.
Hat dir das Vaterland auch eine Wunde geschlagen,
So sollst du dich doch wie ein Sohn gen die Mutter betragen.
Nur ein Vaterland hat der Held,
Aber der Künstler Vaterland ist die Welt.
Im Vaterland daheim
Sind blauer die Himmel und grüner die Bäum'.
Es gibt bei Allem etwas noch höhern Gewichts,
Aber über das Vaterland ist nichts.
Würde Einer auf dem Meer geboren werden,
Er hätte es gewiß lieber als die Erden.
Veränderlich
Herrengunst, Aprilenwetter,
Frauenlieb' und Rosenblätter,
Würfel, Karten und Federspiel,
Wenden sich gar oft und viel.
Und wenn auch Alles beständig wär',
So siehst du's nicht mit demselben Auge mehr.
Willst du die Veränderung in persona schauen
Vide: die Frauen.
Vergessen
Wenn das Vergessen nicht wär'
Viel Unglückliche lebten nicht mehr.
Nichtswürdige Dinge zu vergessen
Ist als Weisheit zuzumessen.
Leichter lernt man des Guten gedenken,
Als dem Bösen Vergessenheit schenken.
Was man einmal im Herzen hat,
Vergißt man weder früh noch spat.
Wenn nur einer den Lehrer benennte,
Der uns Vergessenheit lernen könnte.
Der Wein bewirkt, daß man vieles vergißt,
Aber das Lethe-Wasser noch besser ist.
Du mußt geduldig sein, die Zeit
Führt mit sich die Vergessenheit.
Möglich, daß das Vergessen ein Unglück sei,
Mindestens sind doch keine Schmerzen dabei.
Vergessenheit ist der Weisheit Feind
Und des Unglücks bester Freund.
Vorsicht
Wirf nicht weg die alten Kleider,
Bis du neue hast vom Schneider.
Wenn zornige Hunde einander beißen,
So soll man keinen bei den Ohren reißen.
Ober sich hauen, wird wenig taugen,
Da fallen Einem die Span' in die Augen.
Kannst du den Boden im Wasser nicht seh'n,
Wag' es auch nicht, hinüber zu geh'n.
Nimm dich in Acht beim Kohlen blasen,
Sonst fahren dir die Funken in die Nasen.
Kirschen essen ist herrlich,
Aber auf den Baum steigen, ist gefährlich.
Überschlag's,
Und dann wag's.
Eine Schnecke sei im Beraten
Und ein Vogel in den Taten.
Mußt dem Teufel kein Eisen schaffen,
Sonst macht er gegen dich sich Waffen.
Wer Spitzes angreift, wird sich das Maul zerreißen,
Wie der Hund, wenn er den Igel will beißen.
Wenn der Feind kommt, muß man erst die Tore verrammeln,
Und dann erst den Rat versammeln.
Laß dich von einem Andern nicht um Krebse schicken,
Sie können dich zwicken.
Hör' auf, überall zu naschen;
Wer sich oft besudelt, muß sich oft waschen.
Wer auch auf einem Stecken reit't,
Bricht doch oft das Bein in Geschwindigkeit.
Setz' dich einem großen Christoph auf den Kopf,
So nimmt dich nicht so leicht Jemand bei'm Schopf.
Wer hat, der behalt',
Die Lieb' ist kalt
Und Unglück kommt bald.
Wenn du was hast, das gut und süß,
So sei gewärtig der Bienen Biß.
Läss'st du den Teufel in die Kirche hinein,
So wird er flugs auch auf dem Altar oben sein.
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W
Wagen
Willst einem stürzenden Turm zu widerstehen wagen,
So wirst' darunter erschlagen.
Erst wag's,
Dann sag's.
Stürz' dich mit frohem Mute hinein,
Das Glück will geritten, nicht gefürchtet sein.
Das Wagen in hohen Ehren steht,
Wenn's gerät;
Kommt aber nichts heraus,
So schilt man den Waghals aus.
Wahn
Das Glauben, Wähnen, Dünken und Meinen
Bringt hintennach oft zur Reu' und zum Weinen.
Allgemeinen Wahn
Mußt' seinen Willen lan.
Durch Meinen und Bedunken
Ist manche gute Sach ertrunken.
Glaubst du, wenn's regnet vor deinem Stall,
Es regne überall?
Wahrheit
Wer die Wahrheit wollte begraben,
Müßte dazu viele Schaufeln haben.
Richte die Wahrheit in süßen Brühlein an,
So ißt sich Niemand krank daran.
Willst du suchen die Wahrheit auf,
So geh' durch die Zweifelstraße hinauf.
Wein
Ein Spiegel für den Körper ist Metall und Erz
Aber der Wein ist ein Spiegel für das Herz.
Laß den Wein nicht über dich siegen,
Du redest sonst was besser wär' verschwiegen.
Der erste Trunk macht gesund,
Der zweite fröhlichen Mund,
Der dritte Verschwiegenes kund,
Der vierte den Menschen zum Hund.
Wißt ihr, wo die Wahrheit logiert?
Im Weine sitzt sie beim Wirt.
Viel saufen können ist nicht rühmlich,
Das kann die Kuh auch ziemlich.
In dem Traubenblut
Sitzt wohl großer Mut.
Was du verlangst, verlange beim Wein,
Es wird da leichter zu erhalten sein.
Wein war fast zu aller Zeit
Der Feind der Zucht und Ehrbarkeit.
Wohltun
Im Wohltun sei eine Henne, die immer Eier legt,
Obschon man ihr ein's um's and're unter'm Leid fortträgt.
Gibst du Etwas dem Verschwender und Prasser,
So schüttest du eine Wohltat in's Wasser.
Tust du was Gut's in ein Gefäß, das nicht rein,
So wird's bald sauer sein.
Säest du den Samen der Wohltat aus,
So frag nicht: "was bringt er für Körner nach Haus?"
Den Samen säet man aus,
Man schüttet ihn nicht aus den Säcken heraus.
Es ist nicht wohl getan,
Wenn man Einen trägt, der selbst gehen kann.
Wollust
Es gibt gar dumme Leute,
Sie stecken ein goldnes Messer in eine schlechte Scheide.
Kommt dir die Hure in's Herz hinein,
So wird sie auch bald im Sockel sein.
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Z
Zahlen
Zahlen ist ein kurzes Wort,
Reißt aber oft Ehr' und Tugend mit fort.
Das Borgen wäre nicht schwer,
Wenn nur das Bezahlen nicht wär'.
Wenn dich Einer mit Grobheit bezahlt,
So schneide dir gleich einen Prügel im Wald.
Empfangene Wohltaten bezahlen ist eine heilige Schuld,
Empfangenes Böses bezahlen, damit hat's Geduld.
Wer mit Wohltaten prahlt,
Der hat sich selbst bezahlt.
Manche können den Daumen nicht rühren,
Und sind von der Krankheit nicht zu kurieren.
Der Schulden hat, und sie nicht zahlen kann,
Trifft fast überall fatale Leute an.
Der kommt nicht in die Schuh'
Der zehn Löcher aufmacht und eines zu.
Zeit
Das Ding steht lange schon bei'm Feuer,
Wann's aber gut wird, weiß der Geier.
Wenn die Lampe ein Mal vergeht,
Dann ist das Ölkaufen zu spät.
Mancher will Alles tun in seinem Garten,
Nur die Zeit soll damit auf ihn warten.
Gibt's für Torheit eine Zeit,
So gibt's auch eine für Besonnenheit.
Zufrieden
Wer zufrieden ist mit einem Ei
Braucht keine Henne dabei.
Zu viel hat oft Einer,
Aber genug hat Keiner.
Wenn sechs mit einer Speise zufrieden wären,
So soll der Siebente keinen Pfeffer dazu begehren.
Zufrieden mit einem Buch ist eigentlich nur Einer:
Der Verfasser und sonst Keiner.
Zweifel
Nirgend tut der Zweifel so wehe
Als in der Liebe und in der Ehe.
Durch das Dunkel kommt man zur Klarheit,
Durch den Zweifel zur Wahrheit.
Bist du an dir selber zweifelhaft,
So hat auch all' anderer Glaube nicht Kraft.
Zweifeln an geschehenen Dingen
Heißt nach der Oper eine Arie singen.
Ist der Zweifel mit der Eifersucht gepaart,
So wird daraus eine Furie gräßlicher Art.
Klärst du Einem auf seinen Zweifel,
So wünscht er dich oft zum Teufel.
Ein Schriftsteller zweifelt an Allen,
Nur nicht daran, daß sein Buch wird gefallen.