| Amor und die Weisheit
 Nach Grecourt
 
 In entschwund'nen schönen Zeiten
 Lebte Frohsinn im muntern Jahr,
 Und der Erde erstorb'ne Weiten
 Füllte lebendig der Götter Schar.
 
 Mit der Weisheit scherzte lose
 Amors launige Knabenlust,
 Wiegte schmeichelnd sich auf dem Schoße,
 Tändelte an der Marmorbrust.
 
 Drob erzürnte der Göttin Strenge,
 Denkend da, wo das Kind nur fühlt,
 Sinnt der Strafe, die sie verhänge,
 Wie dem Schelme den Mut sie kühlt.
 
 Und als Amor sich wieder zeigte,
 Rief sie den Knaben zum "Blinde Kuh" —
 Hüllte, wie er das Köpfchen neigte,
 Ihm die funkelnden Äuglein zu.
 
 Kosend neckt sie sich mit dem Kinde —
 Leise lächelnd entfliehet sie —
 Ängstlich sucht sie der kleine Blinde,
 Aber die Weisheit hascht Amor nie.
 
 Freiheit
 
 Die Freiheit ist kein Schmeichelsang,
 Dem Kraft und Wahrheit fehlen,
 Die Freiheit ist ein Jubelklang
 Aus Millionen Kehlen.
 
 Die Freiheit ist kein Kampfgeschrei
 Rohwütender Barbaren,
 Die Freiheit macht nur Blüten frei,
 Wenn sie gefesselt werden.
 
 Daß nach der Ordnung der Natur
 Sie blüh'n und duften können,
 Die Freiheit will verbinden nur,
 Die Freiheit will nicht trennen.
 
 Der Willkür Macht zertrümmert sie,
 Und duldet keine Knechte;
 Des Bettlers Rechte schützet sie,
 Sie schützt des Fürsten Rechte.
 
 Ihr müßt, wo man sie finden kann,
 Nicht Frosch und Sperling fragen;
 Doch fragt nur bei der Lerche an,
 Die Lerche wird es sagen.
 
 Lebensregeln
 
 Genieße voll die Gegenwart;
 Sind schöne Stunden Dir verklungen,
 So rufe wieder sie zurück
 In Träumen der Erinnerungen.
 
 Der Zukunft blicke fest in's Aug',
 Gefaßt nimm hin, was sie mag bringen,
 Doch magst Du auch zuweilen sie
 Mit Hoffnungskränzen Dir umschlingen.
 
 Wenn Vögel singen, freue Dich.
 Wenn Hunde bellen, laß' sie bellen.
 Zerstöre keines Menschen Lust,
 Dem Narren selbst laß' seine Schellen.
 
 Gib jedem was ihm zukommt, doch
 Hab' auch dabei die Hand am Degen,
 Ihn rasch zu zieh'n, wenn And're frech
 Bei Dir auf's Nehmen sich verlegen.
 
 Das Schlechte meide nicht allein,
 Du mußt's aus tiefer Seele hassen.
 Sei nicht allein des Guten Freund,
 Du mußt dafür das Leben lassen.
 
 Vom Ziele, das Du Dir gesetzt,
 Vermöge nichts Dich — abzuweichen.
 So wirst Du, wenn auch Morgens nicht,
 Am Abend es gewiß erreichen.
 
 Hans Unbekannt
 
 S' war einmal ein Mann — Hans Unbekannt —
 So ward der arme Kauz genannt —
 Der setzt sein höchstes Glück darein,
 Nur einmal recht b e k a n n t zu sein.
 
 Er war nicht schlecht, er war nicht gut,
 So ein gewöhnlich Dutzendblut,
 Er war nicht dumm, er war kein Wicht,
 B e d e u t e n d nur — das war er nicht.
 
 B e k a n n t s e i n, meint er, dies allein
 Kann uns das wahre Glück verleih'n,
 Was man auch hat, man achtet's nicht,
 Wenn Niemand lebt, der davon spricht.
 
 Da war er denn bei Tag und Nacht
 Auf das Bekanntsein nur bedacht,
 Zu tuen Etwas in der Welt,
 Das Jedem in die Ohren gellt.
 
 Zuerst nahm er ein schönes Weib,
 Er nahm sie nicht zum Zeitvertreib,
 Er nahm sie, daß von dem G e m a h l
 Man spricht, bewundernd seine Wahl.
 
 Allein vergebens war seine Müh',
 Man schwieg von ihm und lobte sie.
 Ein jeder lockte sie zu sich,
 Doch i h n ließ Jedermann im Stich.
 
 Man unterschied da sehr genau,
 Man nannt' ihn nie den Mann der Frau.
 Man stellte stets die Frau voran
 Und nann't ihn von der Frau den Mann.
 
 Besungen wurde ihr Gesicht,
 Doch seiner achtete man nicht,
 Er zog mit ihr von Land zu Land
 Und blieb dabei — Hans Unbekannt.
 
 Und dacht' er, wag' es mit der Kunst,
 Da macht sich was mit blauem Dunst,
 Wer da nur Glück hat, der gefällt
 Und macht auch Lärmen in der Welt.
 
 Gedacht, getan — er musiziert —
 Er malt — er dichtet — deklamiert —
 Nicht gut, nicht schlecht — mit heißem Müh'n —
 Doch niemand kümmert' sich um ihn.
 
 Da schrie er: Sie verste'n dich nicht —
 Es ist ein albernes Gezücht,
 Jetzt ist zum Widerspruch die Zeit,
 Damit bringst du es sicher weit.
 
 Machst du an das Dich was bekannt,
 So wird dein Name mitgenannt.
 Du tadelst — das reizt ihren Zorn,
 Damit gewinnst Du Dir den Sporn.
 
 Es machten sich so viele breit
 Der Hänse in der neuen Zeit,
 Wie trieb's da mancher keck und toll,
 Nur daß man von ihm reden soll.
 
 Da steckt er wie ein Wiedehöpflein
 In jeden Sumpf den Schnabel ein,
 Kroch wie ein Hündlein bald, und bald
 Bläht er sich auf in Froschgestalt.
 
 Allein es kam nicht, wie er wollt',
 Ob er in einemfort gegrollt
 Ob er gelobt in einemfort,
 Es hörte Niemand auf sein Wort.
 
 Wenn spricht ein Mann an einem Ort,
 Entgegenbellt ein Pudel dort,
 Vergaß Hans Unbekannt dabei,
 Daß Pudellärm nicht Meinung sei.
 
 Wie er auch schrie, ein Jeder schwieg.
 'S kam nicht zum Kampfe, nicht zum Sieg,
 Der lachte — er war wutentbrannt,
 D e r blieb bekannt — e r unbekannt.
 
 Weil man dann aller Rücksicht bar,
 Ward's auch mit seinen Wünschen gar,
 Am Fieber Eitelkeit verschied
 Hans Unbekannt, des Lebens müd.
 
 Der letzte Wunsch, von dem er sprach,
 Als er schon hingewelkt und schwach,
 War der: Setzt mir ein Monument,
 Daß man doch nach dem Tod mich nennt.
 
 Das stellte man dann prachtvoll auf,
 Und setzte seinen Namen d'rauf —
 Doch wer da kam von nah und fern,
 Er k a n n t'  i h n  n i c h t — den guten Herrn.
 
 In das Tagebuch eines 
				Jeden
 
 Die Wunden, die die Zeit Dir schlug,
 Du kannst sie leicht ertragen,
 Nur die vernarben nimmermehr,
 Die Du Dir selbst geschlagen.
 
 Viel stärker als das Leid, das Du
 Durch jene hast erduldet,
 Ist das Bewußtsein, daß du nicht
 Das Leid hast selbst verschuldet.
 
 Nimm ruhig hin, was Dir der Tag
 Vom Übel hat beschieden,
 Wenn Du am Abend sagen darfst:
 Ich bin mit mir zufrieden.
 
 
 
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