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Gedichte 2
 

Ich kenn' ein Lied
O glaube nicht
Allein
Friedlos
An den Freund
Flora

Ungarisches Hirtenlied
Rote Rose
Erinnerung
Lenzeskunde
Vergangen
Hymne im Walde
An meinen Genius
Waldmeisterlein
Cypern
An das Licht
Ein Traum
Die Herthaburg
Klänge des Herzens
Rosenmärchen

 


Ich kenn' ein Lied

Ich kenn' ein Lied, das meine Brust
Von Gram und Schmerz befreit,
Ich kenn' ein Lied voll süßer Lust,
Ein Lied aus schöner Zeit.

Ich kenn' ein Lied, das mich entrückt
Dem düstern Erdensein,
Hat etwas je mein Herz beglückt
So war's dies Lied allein.

Ich kenn' ein Lied, das treu mir wies
Des Friedens gold'ne Spur,
Da mich die ganze Welt verließ
Und falsch die Liebe schwur

Und fragt ihr mich, welch hoher Sang
Durch meine Seele zieht,
Welch wundersamer Weihgesang?
Dann wißt — mein e r s t e s Lied.

O glaube nicht

O glaube nicht, daß ich mich nicht mehr kränke,
O glaube nicht, daß ich Dich ganz vergessen;
Die alten Schmerzen sind's noch, die mich pressen,
Die alten Leiden, wenn ich Dein gedenke.

Wie sich mein Geist in's Schöne auch versenke,
Mein armes Herz bleibt ewig gramzerfressen,
Die Tiefe meiner Leiden unermessen,
Mein Leben dunkel, wenn ich Dein gedenke.

Allein

Wenn der Lenz mit seiner Wonne,
Seinen Liedern wiederkehrt,
Wenn die Rosen alle blühen
Und das Herz ein Herz begehrt —
Dann steh' einsam ich verlassen,
Nenne keine Freunde mein,
Für mich blüht nicht eine Rose,
Ach ich bin so ganz a l l e i n!


Friedlos

Am Strande saß ich einsam,
Es lag das weite Meer
Zur mitternächt'ger Stunde
Vor mir so still und hehr.

Der gold'ne Mond sah nieder
Aus unbegrenzter Fern,
Und glänzend ihm zur Seite
So mancher schöner Stern.

Die Wellen zogen leise
An mir vorbei, vorbei,
Sie murmelten wie herrlich
Wie schön der Frieden sei.

Ich lauscht der süßen Kunde,
Mein Herz schlug nicht mehr bang,
Ringsum sah ich nur Friede,
Den ich gesucht so lang.

Ringsum sah ich nur Ruhe
Und stilles Frühlingsglück,
Mir war's als spräch' ein Ahnen:
Dein Friede kehrt zurück.

Da plötzlich deckten Wolken
Den Mond so unheilschwer,
Ein kalter Wind fuhr brausend
Hin über Land und Meer.

Die Wellen rauschten schäumend
Zu mir empor, empor,
Und auf den Wassern starrte
Ein Antlitz bleich hervor.

Es starrte wie die Rache
Durch Nacht und Wellenschaum,
Ich kannte diese Züge
Im Leben und im Traum.

Da faßte mich Entsetzen
Ohn' Frieden mußt' ich flieh'n,
Ohn' Frieden muß durch's Leben
Bis an das Grab ich zieh'n.


An den Freund

Belebend hat Dein Wort mein Herz durchdrungen
Und dort befreit den gold'nen Strom der Lieder;
Ich fand mein Glück und meine Ruhe wieder,
Und was ich je gefühlt, ich hab's gesungen.

So habe ich den finstern Geist bezwungen,
Der mich umrauscht mit nächtlichem Gefieder,
So hab' ich in der Wonne meiner Lieder
Begeistert mich zum Himmel aufgeschwungen.

Du aber hast getreu und ohne Zagen
Von Angst und Sorge meine Brust befreit,
Jedwedes Erdenleid für mich getragen.

Und weil an solchen Herzen arm die Zeit,
Versäum' ich nicht vor aller Welt zu sagen:
Die Hälfte meines Ruhm's sei Dir geweiht!


Flora
(Nach einer rumänischen Sage)

"Alexi, Du bist mir nicht mehr gut,
Dein Kuß ist nicht mehr glühend,
Alexi, Dein Herz ist nicht mehr mein,
Es gehört der Nella im Tale!"

"Meine Flora glaub' das nicht,
Dich nur lieb' ich, Dich,
Mein Kuß ist noch glühend,
Mein Herz noch Dein!"

"Alexi, Du lügst,
Sonst brachtest Du die schönsten Rosen,
Die Du im Tale fand'st nur mir,
Und jetzt — jetzt blühen Deine Rosen
Am Herzen Nella's, leugn' es nicht!"

"Meine Flora, glaub' das nicht,
Dich nur lieb' ich, Dich,
Mein Kuß ist noch glühend,
Mein Herz noch Dein!"

Und Flora sitzt im Walde;
Da sieht sie Alexi nah'n,
Und sieht ihn liebeglühend
Die blühende Nella umfahn.

"Fahr hin, fahr hin!" Sie ruft es
Und stößt ihm ein Messer in's Herz,
Und zieht es aus klaffender Wunde,
Und stößt's auch dem Mädchen ins Herz.

"Du hast mir mein Glück geraubet,
Mit seiner Liebe fahr hin!"
Sie selber stürzt sich vom Felsen,
Drei Leben so waren dahin.

Doch wenn nun kehret der Frühling,
Und die wilden Rosen blüh'n,
Da sieht man die blutige Flora
Wild klagend die Wälder durchzieh'n.

Ihr weißes Gewand ist blutig,
Ihr Haare flattern im Wind,
Sie schwingt die blutige Waffe
In Händen, die blutig sind.

Ersieht sie ein Mädchen, das treulos
Der Heißgeliebte verließ,
Sie muß ihm von Rache erzählen,
Die verlassener Liebe so süß.

Sieht das Mädchen die blutige Waffe,
Dann eilt es im Wahnsinn fort,
Und kann nicht ruhen und rasten,
Bis vollbracht der gräßliche Mord.

Ungarisches Hirtenlied

"Die grüne Heid' ist meine Braut,
Ihr habe ich mich angetraut
Beim gold'nen Sternenglanz;
Es war das weh'nde Schilf ihr Kleid
Es war der Tau ihr Perlgeschmeid'
Der wilde Mohn ihr Kranz!

Die Heide ist ein süßes Weib,
Sie schmückt mit Blumen ihren Leib,
Und nährt mit süßer Lust
Den Buhlen, der voll Liebesglut,
So oft an ihrem Herzen ruht,
An ihrer treuen Brust!

Die grüne Heid' ist meine Braut,
Ja hört nur, ich ruf' es laut:
Die Heid' nur lieb' ich, hei!
Ja hört nur, hört, ich ruf' es kühn:
Die Heide nur, so weit, so grün,
Die Heide nur ist frei!"

Rote Rose

Rote Rose,
Hold und schön,
Kann Dich nicht mehr seh'n;
Drück' ich Dich
An meine Brust,
Schwindet mir
Die Freud', die Lust,
Und es füllt mein Herz
Leid und Schmerz
Rote Rose!

Rote Rose,
Süße Blum',
Weißt Du auch warum?
Als mein Lieb
Einst von mir schied,
Gab ich ihm
Ein Röslein mit,
Sprach: "So zieh' mit Glück,
Kehr' zurück
Mit der Rose!"

Rote Rose
Wie so weit
Ist die süße Zeit!
Ach, mein Lieb
Sank fern in's Grab,
Nahm das Röslein
Auch hinab,
Und jetzt füllt mein Herz
Leid und Schmerz
Rote Rose!


Erinnerung

O nennt mir seinen Namen nicht,
O zeigt mir nicht sein Bild,
Dies engelgleiche Angesicht,
So träumend und so mild.

O sagt mir nicht, daß er es war,
Der mich so sehr geliebt,
Und den ich doch so kalt, so stolz
Bis tief in's Herz betrübt!


Lenzeskunde

Mit schwanken Zweigen pocht der Wind
An meine Fensterbogen:
"Heraus, heraus, Du bleiches Kind
Der Lenz ist eingezogen.

Gebrochen ist des Winters Macht,
Verscheucht sind seine Sorgen,
Die Blumen blüh'n, die Sonne lacht,
Anbricht der gold'ne Morgen.

Der Himmel strahlt so rein, so blau,
Die Lerche singt so helle,
So grün und duftig winkt die Au,
So munter schwatzt die Quelle.

O komm heraus geschwind', geschwind,
Und blick' mir nicht so bange,
Ich fächle leis, ich küsse lind
Die Trän' von Deiner Wange!"

So flüstert er voll Lieb und Lust
Die süße Lenzeskunde;
Was soll sie mir – in meiner Brust
Brennt noch die alte Wunde.

Noch fühl' ich tief in's Herz hinein,
Daß mir kein Glück beschieden,
Daß ich so ganz, so ganz allein
Hinzieh', ohn' Ruh und Frieden!

Und wenn ich dann die Menschen all
Von Lieb' und Lust hör' singen,
Will mir das Herz vor Angst und Qual,
Vor Leid und Schmerz zerspringen.


Vergangen

Ich denke hin, ich denke her,
Mein Sinn wird trüb, mein Herz wird schwer,
Meine Seele faßt ein Bangen;
O sagt, wo ist die süße Zeit,
Voll Liebeslust und Seligkeit?
Vergangen, ach vergangen!

O sagt, wo ist der gold'ne Tag,
Da ich an seinem Herzen lag,
Von seinem Arm umfangen,
Da mir die schönste Trän' entquoll,
Die Brust von Lieb und Wonne schwoll?
Vergangen, ach vergangen!

O sagt, wo ist die schöne Stund',
Da ich an seinem trauten Mund
Voll Himmelslust gehangen,
Da ich ihm tief in's Aug geschaut,
Ihm Alles, Alles anvertraut?
Vergangen, ach vergangen!

Ich denke hin, ich denke her,
Mein Sinn wird trüb, mein Herz wird schwer,
Meine Seele faßt ein Bangen;
O sagt, wo ist mein ganzes Glück?
Ach Gott, es kehrt wohl nie zurück,
Vergangen bleibt vergangen!

Hymne im Walde

O laßt mich noch einmal ruhen
Hier unter den schattigen Bäumen,
O laßt mich noch einmal träumen,
Ferne von allen Menschen,
Den seligen Traum des Friedens.

Was rauscht ihr mächtige Eichen,
Was singt ihr fröhliche Vögelein,
Was murmelt ihr munteren Quellen?

"Wir rauschen Friede,
Wir singen Friede,
Wir murmeln Friede!"

O Friede, heiliger Friede
Hier bist Du, hier ist dein Reich,
Hier, ferne vom lauten Getriebe der Welt,
Die Alles Schöne verbannt und Alles verspottet,
Was noch ein armes Herz erquickt,
Ein armes gebrochenes Herz, dem sie Alles geraubt,
Seinen Gott, seine Liebe, sein Hoffen, sein Glück!

O wie leicht, o wie frei
Aufatmet die Brust in diesen grünen Hallen,
Wo hundertjähr'ge Eichen wie Säulen ragend
Allmählich zur mächt'gen Kuppel sich wölben,
Die ernst und sinnend emporsteigt
Wie ein hoher, herrlicher Tempel,
Ein Tempel für Dich, Du Bote des Himmels
Heiliger Friede!

O so blicke denn huldvoll herab von Deinen lichten Höh'n
Und höre gnädig auf mein Fleh'n
Du Tröster gebrochener Herzen;
Hier bin ich in mein Knie gesunken
Und habe die Arme bittend erhoben,
Die Blicke gläubig gewendet nach oben,
Hier ruf' ich zu Dir im tiefsten Schmerz,
O Friede, süßer Friede,
Zieh' wieder in mein Herz!


An meinen Genius

Träumend ruhst du zwar noch in meinem Herzen
Wie ein neugeborenes Kind, das langsam
Dann und wann die lieblichen Äuglein öffnend,
Bebend in's Licht sieht.

Doch mir ahnt, daß nicht mehr so fern die Stunde,
Wo dein Aug' entwöhnt dem grausen Dunkel,
Frei in's Meer des himmlischen Lichts blickend
Ganz sich erschließet.

Reg' dann immer siegesbewußt die Schwinge,
Laß in gold'ner Flamme Dein Banner weh'n,
Schreib' in Flammenlettern darauf die Worte:
L i e b e  und Sc h ö n h e i t.

Waldmeisterlein


Immer und immer wieder im Lenze
Schreit' ich gesenkten Hauptes
Über die moosigen Pfade des Waldes,
Mit nimmer müden Augen Dich suchend
Liebliches Blümchen.

Ach und da freu' ich mich herzlich,
Wenn es mir endlich gelingt
Zwischen den üppig sprossenden Gräsern
Versteckt, gleich einem schüchternen Kinde
Dich zu entdecken!

Zwar blühen im grünen Walde
Noch schönere Blumen,
Die prangend in allen Farben
Durch Glanz und äußeren Schimmer
Die Blicke der Wand'rer auf sich zieh'n —
Doch diese sind bald gefunden.

Du aber, Waldmeisterlein,
Blühst einsam nur und verborgen
Unter den schattigsten Bäumen
Und wahrest in duftigen Kelchen
Den heiligen Frieden des Waldes:
G l ü c k s e l i g ist, wer D i c h  f i n d e t!


Cypern

Schon steiget aus den schaumgekrönten Wogen
Die Insel dort, die liebliche, empor;
Das Schifflein, das mit uns die Flut durchzogen,
Fährt rascher in die sich're Bucht jetzt vor.
O all mein Ahnen hat mich nicht betrogen
Als dieses Eiland ich zum Ziel erkor,
Denn süßer Blumenduft und ew'ger Friede
Vereint sich hier zum schönsten Frühlingsliede.

An's Ufer eil' ich, wandle über Matten,
Durchrieselt vom kristall'nen Silberquell,
Im Palmenhain umfängt mich heil'ger Schatten,
Da tret' ich aus dem tiefen Dunkel schnell,
Und wo die Wellen mit dem Strand sich gatten,
Grüßt mich der Himmel blau, die Sonne hell,
Auch Lilien und Wasserrosen blühen,
Wo Perlen schimmern und Korallen glühen.

Ich aber blicke nach des Ostens Weiten
Und heller immer wird mein Sinn,
Sie nahen wieder mir die alten Zeiten,
Es muß die kalte Gegenwart entflieh'n
Und ihre Schatten, die mich noch umgleiten,
Zerreißen bleich, bis sie sich ganz verzieh'n;
Mein Herz umweht der Hauch der schönsten Sage,
Und neu erstehen längst vergang'ne Tage.

Melodisch hör' das weite Meer ich klingen,
Das wild und ungestüm zum Strand sonst rauscht,
Die Luft erfüllt ein sel'ges Weh'n und Singen,
Seit mit der Ros' sie stille Worte tauscht.
Doch Zephyr fächelt mit den duft'gen Schwingen
Mir zu, was er den beiden abgelauscht, —
Vom schönen Osten kommt auf blauen Wogen
Die schaumentstieg'ne Göttin jetzt gezogen.

Schon nahet sie, die herrlichste der Frauen,
Umweht, umwallet von der Locken Gold;
Die Lippen blühen und die Augen blauen
So tief, so liebesehnend und so hold

Wohl ist die Göttin, wie sie Blicke schauen,
Die schönste Perl', die je dem Meer entrollt,
Drum sieht es trauernd nur an's Land sie steigen,
Und die Natur faßt atemloses Schweigen.

Doch aus den Fluten, die kristallen glänzen,
Taucht singend auf der Nymphen heit're Schar,
Sie nah'n der Göttin sich in leichten Tänzen
Und bringen Gruß und Huldigung ihr dar:
"O laß Dein schönes Haupt von uns bekränzen,
Laß flechten, Holde, uns Dein duft'ges Haar,
Mit roten Rosen wollen wir's umwinden,
Mit grünen Ranken leicht es aufwärts binden."

Zwei eilen Blumen weiß und rot zu pflücken,
Sieh', wie so rasch die Arbeit sich bewegt,
Schon ist der Kranz vollendet, mit Entzücken
Wird in die duft'gen Locken er gelegt,
Indes zwei and're mit Korallen schmücken
Den Busen, der so schimmernd sich bewegt,
Die weißen Arme zieren gold'ne Spangen
Und Zephyr schmeichelt um die Rosenwangen.

So steht sie da, die herrlichste von allen,
Und Freude leihet ihr zuerst das Wort:
"Habt meinen Dank, doch weiter muß ich wallen,
Mein Weg geht immer gegen Westen fort,
Dort werden Lieder mir zum Preise schallen,
Altäre baut man mir und Tempel dort,
Denn Haß und Rache werde ich besiegen,
Das Menschenherz in Lieb' und Wonne wiegen.

Doch ziehet ihr mit mir im trauten Bunde,
Will ich euch gerne meine Huld verleih'n
Und euch in dieser wundersel'gen Stunde
Dem Dienst der Liebe und der Schönheit weih'n.
O bringt mit mir der Welt die süße Kunde
Von ew'ger Liebe, ew'gem Sonnenschein,
Vom Licht des Himmels, das die Nacht bezwungen
Und wunderbar die ganze Welt durchdrungen!"

So spricht die Schaumentstieg'ne und schon schweben
Die Nymphen ihr zur Seite leicht beschwingt,
Und preisen laut das neue, sel'ge Leben,
Das sie, die Botin ew'ger Schönheit bringt.
Die ganze Welt erfaßt ein süßes Beben,
Da Lieb' und Himmelslust den Sieg erringt,
Und fernhin über'm blauen Wogentanze
Strahlt Hellas schon im Morgenglanze.

An das Licht

Vom Himmel strahlst Du heiliges Licht,
Und wogst in goldenen Fluten
Als Äther um die unendliche Welt!

Es fliegt Dein leuchtender Pfeil
Hinab in die gräulichen Tiefen,
Und in die verborgenen Schluchten
Fällt Dein schimmernder Strahl.

Ich preise Dich göttliches Licht,
Weil Du das Chaos geordnet,
Das häßliche Dunkel vernichtet,
Die tote Erde belebt!

Du strahlst aus der herrlichen Sonne
Du blinkst aus den lieblichen Sternen,
Du leuchtest aus jeder Welle,
Die murmelnd zum Strande eilt.

Und weil Du die Menschen auch liebst,
Die herrlichsten Kinder der Schöpfung,
Durchdringst Du ihr ganzes Wesen
Mit Deiner heiligen Glut.

Es glänzt Dein himmlischer Strahl
Als Schönheit in ihrem Leibe,
Als Freiheit in ihrem Geiste,
Als Liebe in ihrer Brust.

Und was Du also zerstreut,
Das glänzt Dir noch holder entgegen,
Gesammelt in einem Kristall,
Dem freudeglühenden Auge!

Ein Traum

Im Traume einst sah ich ein wüstes Land,
Umbrandet vom tosenden Meer,
Kein Blümlein blühte, kein Vöglein sang,
'S war ringsum so still und so leer.

Doch sah ich von Wogen umschäumt ich steh'n
Am Strande ein riesiges Weib,
Die Hände gefesselt mit Ketten schwer,
Mit Ketten umgürtet den Leib.

Verzweiflung glühte in diesem Aug',
Das Woge auf Woge sah flieh'n,
Das endlos brandend die Fluten sah
In's Meer der Unendlichkeit zieh'n.

Die eine Woge war düster, schwarz,
Zog schwer und langsam hinab,
Die and're war so kristallenhell
Floh schneller in's schäumende Grab.

Da sprach das Weib: "Ich kenne sie gut
Die düstere Woge der Zeit,
Die unheilschwanger den Menschen bringt
Viel Unglück, viel Gram und viel Leid.

Die lichte Woge, ich kenne sie auch,
Sie bringt ja das schönste Geschick —
Die Liebe; doch weilt sie nur kurze Zeit
Die Woge, kaum folgt ihr mein Blick."

Und jetzt, jetzt nahte die letzte Flut,
Wie bebte das riesige Weib,
Die Augen starrten, das Herz schlug laut,
Die Ketten umklirrten den Leib.

Da gähnte weit der düstere Schlund,
Das Weib sah mit Grausen hinab —
Ein Schrei entrang sich dem bleichen Mund,
Dann war's wieder still wie im Grab.

Dem Weibe mußt' ich in's Auge schau'n,
Das dunkel und schwarz wie die Nacht,
Draus sah mich wild und dämonisch an
Des Wahnsinns verzehrende Macht.


Die Herthaburg

Siehst du auf schroffen Felsenrippen
Dort, wild umtost vom wüsten Meer,
Umgürtet von den nackten Klippen
Das Felsenschloß, so hoch, so hehr?

Wie sah es einst so fröhlich nieder,
Umspielt von kühlen Meereswogen,
Da noch die alten, deutschen Lieder
Durch die stolzen Mauern zogen.

Nicht traurig sah's aus dunklem Walde,
Es schallte dort der Priester Sang,
Nicht blumenleer stand da die Halde,
Nicht still und öd' der Felsengang.

Jetzt ziehen durch die weiten Hallen
Keines Barden frohe Lieder,
Und keine Opfergaben fallen
Am Altare Hertha's nieder.

Und durch die kühlen Felsenbogen
Lacht nur der Mond ihr seinen Gruß,
Und nur die kühlen Meereswogen
Sie küssen sanft der Göttin Fuß.

Klänge des Herzens


Es treibt mich ein Gefühl so bang
Den Wald entlang;
Frau Nachtigall, die Säng'rin lauscht
Der Waldstrom rauscht.

Und über mir mit gold'nen Glanz
Der Sternlein Kranz;
Wohnt hier nicht üb'rall Frühlingslust
In jeder Brust?

Nur ich, ich eile fort allein
Durch Wald und Hain,
Und Niemand frägt nach meinem Schmerz,
Kein treues Herz.

Ich leg' mich unter'm Tannenbaum
Am Waldessaum,
Da stimmet in der Nacht'gall Sang
Des Herzens Klang.


Rosenmärchen

Als die schaumgeborene Göttin,
Strahlend in himmlischer Schöne,
Dem leuchtenden Meere entstieg
Und jubelnd
Die lenzumfächelte,
Prangende Insel begrüßte,
Da spielte
Hold schmeichelnd der scherzende Wind
In ihren ambrosischen Locken,
Da jauchzten
In herrlichen Liedern ihr zu
Die buntgefiederten
Sänger des Waldes,
Da sandten
Die lieblichen Blumen der Flur
Entzückenden Duft ihr entgegen.
Und die schaumentstiegene Göttin
Dankte dem schmeichelnden Winde
Und den buntgefiederten Sängern des Waldes
Mit kristallen erklingender Stimme.
Doch zärtlich
Neigte sie sich zu den Blumen und drückte
Sie sanft an die wogende Brust.

O höret
O preiset das liebliche Wunder!
Gar herrlich entfalteten sich
Die Blümlein am Busen der Göttin:
Schmelzender wurde alsbald ihre Farbe,
Voller ihr Kelch
Und süßer ihr Duft.
Also geschah
Selbst den ärmlichen Gräsern; sie grünten
Üppiger, wenn sie der Fuß
Der leuchtenden Kypris berührte.

Aber fern von den prangenden Blumen stand einsam,
Unscheinbar,
Blüten- und duftlos ein dorniges Sträuchlein.
Ihm nahte
Süße Milde im strahlenden Antlitz,
Huldvoll lächelnd die Göttin und sprach:
"O sage warum
Stehst Du so einsam? Warum
Senkst Du so trauernd die Zweiglein?
Sehnst Du Dich nicht
Wonneberauscht,
Neues Leben einatmend,
Zu ruhen an göttlicher Brust?"

Und es antwortete klagend
Also das dornige Sträuchlein:
"Herrliche Göttin, wie gerne
Atmet' ich Deinen ambrosischen Hauch,
Wie gerne
Ruhte ich wonneberauschet
An Deinem schimmernden Busen! —
Doch ach, wie dürft' ich es wagen?
Kann ich doch nicht wie die Blumen
Dein schönheittrunkenes Auge erfreuen,
Kann ich doch nicht wie sie
Entzückende Düfte Dir opfern,
Kann ich doch nicht wie das Gras
Sanftschwebenden Teppich Dir breiten,
Darüber schimmernden Fußes
Segen spendend Du wandelst!
Herrliche Kypris Du bist
Die Göttin der Schönheit, Du kommst
Dein strahlendes Reich zu vollenden. Du liebst
Den glänzenden Äther, die rosigen Wellen,
Die duftenden Blumen, die prangenden Auen,
Du wandelst immerdar
Die goldenen Pfade des Schönen; doch ewig
Fliehst Du jene der Häßlichkeit,
Wo abscheuerregend, verkümmerte Formen
Dein himmlisches Auge beleid'gen! O sieh',
Bin nicht auch ich ein solches Geschöpf? Hat die Natur
Nicht stiefmütterlich mich behandelt?
Ach ja, ich fühl' es!
Ich fühl' es, wenn ich die duftigen Blumen sehe,
Die herrlich prangend in tausend Farben,
Im schmeichelnden Zephyr sich wiegen;
Ich fühl' es, wenn ich die schwanken Gräser sehe,
Die schimmernd, vom perlenden Tau benetzt,
Grün-golden auf und nieder wogen. Ich fühl' es,
Wenn ich die ganze Welt so schön,
Nur mich allein so häßlich sehe!"

So klagte das dornige Sträuchlein und senkte
Noch tiefer seine Zweige zur Erde.
Die strahlende Göttin aber
Hob es huldvoll empor und sprach:
"Nicht fürder klage o Sträuchlein, denn sieh'
Gekommen ist auch für Dich die Stunde der Freude,
Die Stunde des Glücks. Ringsum
Hab' ich die Blümlein alle an's Herz gedrücket, und so
Noch einmal so schön, noch einmal so lieblich,
Der Mutter Natur sie zurückzugeben;
Doch meine größte Gunst,
Meine ganze Huld,
Die will ich nur Dir verleihen!"

So sprach die holde Kypris und neigte
Sich tiefer hinab, das Sträuchlein
Mit rosigen Lippen berührend,
Mit göttlichem Atem anhauchend.
Und sieh, da durchdrang
Olympische Glut seine dornigen Glieder und schwellend
Dehnten sie sich alsbald, und ließen aus grüner Hülle
Ein kleines Knöspchen springen, das schnell
Zur lieblichsten Blüte sich erschloß.
Zur Blüte so weich und rosig,
So hold und duftig
Wie nur die Ambrosia atmenden
Purpurnen Lippen Aphroditens.

Und als dies Wunder gescheh'n, und freudig
Das blütengekrönte, duftige Sträuchlein
Im schmeichelnden Zephyr sich wiegte,
Klang's also von den Lippen der Göttin:
"Sei mir gegrüßet, herrliche Rose,
Sei mir gegrüßet, viel tausendmal
Blühe und dufte, wachse, gedeihe
Fortan dem Dienste Kytherens geweiht!
Steige empor in seliger Stunde,
Freue Dich Deiner himmlischen Triebe,
Bringe der Welt die süße Botschaft
Ewiger Schönheit und ewiger Liebe!"