Müde Liebe
Wir liebten uns mit jener müden Liebe,
Die weich und zart die kranken Seelen eint,
Wir liebten uns mit jener müden Liebe,
Der jeder Kuß schon als brutal erscheint.
Die Hände kaum in leisem Druck sich fanden
Und bebten scheu vor ihrer Glut zurück;
Die Hände kaum in leisem Druck sich fanden,
Ein Blick, Ein Wort war unser letztes Glück.
Wir liebten uns mit jener müden Liebe ...
Dereinst erlebt
Der süße Moderduft verwelkter Rosen
Den hager-eleganten Leib umquoll —
Und ihre leidensgroßen Augen glosen
So schwermutvoll ...
Vergang'ne Jahre sind herangekrochen,
Ein stummes Weinen ihren Leib durchbebt,
Gefühle träumt sie, stark und ungebrochen,
Dereinst erlebt.
Hermance
Durch ihren Leib, den zarten, blutlos-bleichen,
Dämonen der Verwüstung lautlos schleichen.
Aus ihrem Aug', dem fieberhellen, blauen,
Der hastig heißen Wollust Gierden schauen.
Und ihre Hände, die so zärtlich kosen,
Sie duften süß und krank wie Tuberosen.
Und ihre Lippen, weiß und blumenkühl,
Sie küssen mir die meinen dürr und schwül.
Und scheu durch jeden Kuß die Frage bebt,
Ob ihr der nächsten Stunde Glück noch lebt.
Mir ist, als wäre sie für eine Nacht
Vom Tod erwacht.
Anna
Dein Haar ist spröd, Dein Antlitz dunkelbraun,
Wie müde Veilchen Deine Augen blau'n;
Dein Schritt ist schwer und Deine Hand ist kalt,
Schon nennt Dich dieser oder jener alt ...
Was Dir im Herzen zittert, ahn' ich kaum.
Blüht Dir ein Glück? Zerrann Dir jeder Traum?
Ich weiß ja nichts von Dir als das allein:
Was irgend Gutes noch in mir – ist Dein.
Kitty
O Kitty, Kitty denkst Du noch der Stunden,
Da wir zum erstenmal uns ganz gefunden,
Und wie wir Hand in Hand im Lehnstuhl saßen,
Und leise plaudernd unsrer Not vergaßen,
Und wie Dein Kinderarm mich leicht umzog,
Dein schönes Haupt sich langsam niederbog,
Und unser Atem in einanderrann, —
O Kitty, Kitty, denkst Du noch daran?
Was dann
Wir waren beide klug und welterfahren
Und hatten viel geliebt und viel vergessen
Und alle beide scheuten wir die Liebe.
Wir wußten ja genau, o so genau,
Daß Liebe töricht oder elend mache
Und daß der Augenblick uns sicher grüßte,
Wo wir bereuten, daß wir menschlich schwach
Den feingepflanzten Trieben der Natur
Erlegen, daß wir uns der Leidenschaft
Der unbequem-brutalen überlassen.
Und überängstlich fast vermieden wir
Begegnung und Gespräch, ja das Geringste,
Das irgendwie im Stand gewesen wäre
Uns nah' zu bringen, leicht nur zu verknüpfen.
Da kam ein Tag, ein unvergess'ner Tag,
Wo sie Dich fanden mit verzerrten Lippen,
Mit fahlem Antlitz, starrem Auge, nah'
Dem Tode schon, den Du berufen und
Ersehnt mit trotzig-ungestümer Lust,
Weil Du des Lebens schlammig-trübe Qual
Nicht länger tragen wolltest, tragen konntest,
Weil Deiner Seele mächtigstes Gefühl
Nach Liebe schrie, nach jener alten Liebe
Mit süßem Anfang und mit schalem Ende,
Nach jener Liebe, die Du fliehen wolltest.
Und als Du so vor mir lagst, reglos, kühl,
Und ich des Leides langverhüllte Spur,
Den dumpfen Groll, daß Dich der Tod verschmäht,
Die Lebensangst und Lebensgier zugleich,
Und Deine ganze, stolze, qualverklärte
Medusenschönheit sah – da kam es plötzlich
Wie heißer Tauwind über mich! – Begrab'ne,
Wilddunkle Sehnsucht stieg aus ihrem Sarg,
Aufrauschte donnertosend der Gefühle
Vereister Flammenstrom und rollte brausend
In großen Wellen durch die Seele hin – –
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Und heut' umfang' ich Deine warmdurchwogten,
Prunkvoll-gewölbten, bernsteinblassen Glieder
In worteloser Andacht, wonneschaudernd,
Und meine Küsse werden zum Gebet.
Besinnungslos vor Liebe senken wir
Die Augen ineinander, und ich trinke
In durstigen Zügen Deinen Atem – Du
Den meinen! – Schmerzlich fast umschnüren sich
Die trocken-heißen Hände. – Stundenlang
Kein lauter Ton, nur tiefgezog'ne Seufzer
Und saugend-schwere Flammenküsse oder
Ein halbgehauchtes Liebeswort, dann wieder
Das alte, süße, wetterschwüle Schweigen.
Ja, wir sind selig – selig – selig ...
Das gilt für heute, gilt für morgen noch,
Vielleicht auch länger, wochenlang vielleicht!
Doch dann, was dann, wenn der Gefühle Strom
In Nacht verronnen und verrauscht, was dann?
Toni
Den ganzen Tag hindurch bin ich besonnen
Und weiß es so genau als irgend einer,
Daß du gestorben bist und daß man Dich
Weit draußen auf den großen, grellbesonnten,
Kasernenkahlen Friedhof eingegraben,
Weiß, daß ich selber eine braune Scholle
Und einen Veilchenkranz Dir nachgeworfen.
Zur Dämmerzeit jedoch, da werd' ich wankend,
Und insgeheim erwacht in mir der Zweifel,
Obs wirklich wahr ist oder bloß geträumt,
Ob das nicht irgend eine Fremde war,
Zu deren Leichenzug ein blinder Zufall
An jenem Frühlingsmorgen mich geführt.
Ob ich in jener dumpfig-kühlen Kammer
Mit ihren weißgetünchten, nackten Wänden
Nicht eine müdgespielte Schläferin nur
Geküßt und keine Tote.
Sah sie doch
So gar nicht tot aus! Nein, so rosig frisch,
So ganz wie alle Tage, gar nicht schrecklich.
Und sehnsuchtsvoll durchirrt mein Aug' die Straßen
Und hält an jeder Ecke wartend still,
Ob nicht die zarte, reizende Figur
Mit ihrem lieben Amorettenkopf
Und ihren Zöpfen, schwer und dunkelbraun,
Auf einmal aus dem Menschentrubel auftaucht
Und mir entgegenruft, erregt und lachend,
Um staunende Passanten unbekümmert,
Da bin ich schon, mein lieber Bub'. Grüß' Gott!
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Das ist am Abend, aber ach! am Tag'
Da träum' ich nicht, da weiß ich alles, alles ...
Ein Abschied
Der Scheidestunde tränendumpfe Schwermut,
Die noch ein letztes Mal in endlos-langen,
Wildheißen Küssen und in Händedrücken,
Die wortlos-bebend alles sagen, schwelgt, —
Der ganze melancholisch-süße Reiz,
Der solche Stunden schmückt, er blieb Dir fremd,
Ganz fremd. Nicht einmal eine Ahnung schien
Dich heimzusuchen, um Dir einzuraunen,
Daß man in solchen Stunden manchesmal
Ein wenig traurig ist und tränenlustig.
Nein, – unter anmutfröhlichem Geplauder
Erharrtest Du den Zug, der Dich von dannen,
Nach Deiner meerumspannten Heimat führe,
Zum heißersehnten, sonnenroten Süden.
Graziös und spöttisch elegant entflog
In rascher Folge Deinem üppigen Mund
Manch' feingeschliffen, witzgetränktes Wort.
Da – plötzlich – löstest Du mit rascher Hand
Aus Deinem Brustbouquet zwei Tuberosen
Und gabst sie mir. Auf Deinem warmgetönten
Goldbraunen Antlitz lag ein feines Lächeln,
Und Deine hochgeschnittenen Nüstern bebten
In leichtem Hohn: "Die beiden Rosen gibst Du
Der ersten, die nach mir Dich wieder küßt,
Als Liebeszeichen, ja? Doch eile Dich,
Verwelkte Rosen kann man nicht verschenken.
Und diese blutgefärbte Nelke – hier –
Aus Deinem Knopfloch – fährt mit mir nach Süden,
Und will's der Himmel, kann ich sie noch duftend
In eines lieben Freundes Hände legen.
Und wenn wir dann, im Meeressand vergraben,
Umzittert von des Mondes blassem Gold,
In halben Worten, halben Tönen plaudern,
Dazwischen wieder auf die Plätscherlaute
Der funkenübersäten Wogenkämme
Und auf der Winde leises Zischen hören,
Dann will ich ihm vom nordischen Exil
Und auch von Dir, mein stummer Freund, berichten,
Dann sag' ich ihm, daß Du ihn grüßen läßt,
Wenn auch ganz unbekannter Weise, sag' ihm
Noch manches andere höchstwahrscheinlich, was mir
In jenem Augenblick gerade einfällt,
Und was ihm Freude macht, wenn er's vernimmt.
Und was ich Gutes kann von Dir berichten
Und Liebes auch von Dir, das soll er wissen.
Und fragt er mich, warum ich fortgelaufen
Von einem Menschen, der so nett gewesen,
Der mich beinah' geliebt und angebetet,
So sag' ich ihm – ... ich weiß es selbst nicht recht:
Ich hab' ihn gern gehabt, ich kann's nicht leugnen,
Doch schließlich hat man Heimweh', Langeweile,
Man lechzt nach neuen, niegeschauten Dingen,
Man träumt von alten, schwervermissten wieder.
Und dann – die Deutschen sind so ernst und nüchtern,
So gründlich und pedantisch! Lachend küssen
Und lachend selig sein und lachend lieben,
Das wär' ein Deutscher nicht, der das vermöchte.
Ich aber brauche Licht und Luft und Glanz,
Und wechselvolles, farbenheißes Leben,
Und ich will lachen, singen, jauchzen, tanzen
Und übermütig sein; – ich hab' ja Blut,
Hellrotes, heißes, tolles Blut im Leibe,
Und lieben will ich, wie's mein Herz befiehlt!"
Ein harter Glockenanschlag, Hornsignale,
Ein schriller Pfiff, – von Deinen Lippen bricht
Der wilde Freudenschrei: "Nach Süden geht es!"
Und Dein Addio stirbt im Wagenrollen.
Eine Dichterkrönung
Einer bin ich, bin's in zwei Gestalten,
Doch die Menschen, an den Schein gebunden,
Heißen heut' Genie mich, morgen Wahnsinn,
Heißen Brüder uns getrennte Wesen;
Was nur eines Wesens Doppelformen.
Selig der, zu dem ich ungerufen,
Von der Mutter nur gesendet, trete,
Aber weh' dem, der mich zwingt zu kommen.
Ein gewölbtes, winkelreiches Zimmer,
Krause Möbel von verblich'ner Pracht,
Totenstille; – gelber Lampenschimmer
Um ein Schreibpult, weiterhin die Nacht.
Halbgeschloss'nen Auges, schlummertrunken,
Tief im Lehnstuhl, überschlank und bleich
Ruht ein Jüngling, in sich selbst versunken,
Ohne Regung, einem Toten gleich.
Plötzlich aber fährt er aus den Kissen,
Wie berührt von Geisterhand, empor,
Dumpfgebroch'nen Lautes, qualzerrissen,
Rollt und grollt es jäh aus ihm hervor:
"Schwach und hilflos, aller Welt zum Hohne?
Alte Puppen im erneuten Kleid?
Nur ein lendenlahmer Epigone?!
Das mein Schicksal?! Nein! noch ist es Zeit!
Sei's durch Gift und Kunst auch, ich will denken,
Will unsterblich und ein Dichter sein!"
Zitternd zuckt die Faust nach trüben Tränken,
Gierig saugen sie die Lippen ein;
Fieberhaft beginnt das Blut zu kreisen,
Dunkler seine Wange glänzt und glüht,
Seinem Mund entquellen wilde Weisen,
Sein entflammtes Auge blitzt und sprüht.
Raubtierwütig jagt er durch das Zimmer,
Von den Schläfen tropft's ihm heiß und kalt,
Jubel wechselt mit der Qual Gewimmer,
Und er donnert, säuselt, kreischt und lallt.
Da – auf einmal steht er traumverloren,
Nur sein Fieberauge starrt und starrt:
Ist's ein Mensch, gleich ihm in Fleisch geboren,
Ist's ein Trugbild, das die Sinne narrt? –
Majestätisch schreitet ihm entgegen
Eines Mannes mächtige Gestalt;
Um das marmorbleiche Antlitz legen
Sich die Locken schwer und dichtgeballt,
Von den Schultern quellen reichgeraffte,
Königliche Falten, goldverbrämt,
Und das Haupt, das schöne, grausenhafte,
Rätselvolle, ist bediademt.
Seltsam-starre, dunkle Blicke senken
Sich vom Gaste zu dem Dichter her,
Sie verlöschten Dichten ihm und Denken
Löschen, löschen alles los und leer.
Schauernd vor dem Gast im Scharlachkleide
Mit dem düster-schönen Angesicht,
Mit dem kronengleichen Hauptgeschmeide,
Schauernd – der Poet zusammenbricht.
Da, wie sich im Fall die Augen wenden
Wie sein Blick mit eins zu Boden rollt,
Sieht er plötzlich in des Gastes Händen
Einen Kranz von dunkelrotem Gold.
Jubel wird und Lust sein banges Stöhnen
Siegestrunken, stolz sein Aug' erglimmt!
"Ach, Du kamst als Dichter mich zu krönen,
Mir zum Preis ist dieser Kranz bestimmt!
Laß Dein hämisch-zages Zaudern enden;
Das der höchsten Wonne mich beraubt,
Her den Kranz! Ich selbst will ihn vollenden
Meinen Sieg" – und er umzinkt sein Haupt. —
Klagend aber stürzt er, schreiend nieder,
Denn die Krone glüht auf seiner Stirn,
Zuckend wälzen sich die schlanken Glieder,
Und er stöhnt: "Mein Hirn, mein armes Hirn!"
Will vom Haupte sich die Krone reißen,
Immer tiefer frißt sie sich hinein.
Rot und röter ihre Zacken gleißen,
Schauerlich umloht ihn Purpurschein.
Im verglasten Aug' ein letztes Schimmern,
Halberstickt von rettungsloser Nacht,
Schaumbedeckt die blauen Lippen wimmern:
"Diese Krone, wer hat sie gebracht?
Mann, wer bist Du, wer hat Dich gesendet?
Nein, zuerst die Krone mir vom Haupt,
Daß die Qual, die Todesqual doch endet,
Die den Schädel mir zu Scherben schraubt.
Soll ich vor Dir winseln? soll ich beten? —
Sag', was Deinen Qualenhunger stillt!
Willst Du meine Seele ganz zertreten?
Nicht den Blick, aus dem der Wahnwitz quillt,
Weg mit Dir! Wer trug nach Dir Verlangen?
Dein Geschenk ist Untergang und Graus!
Deinen Bruder glaubt ich zu empfangen,
Warum tratest Du zu mir in's Haus?"
Und, mit hochgespreizten Geierkrallen,
Springt er brüllend auf den dunklen Gast,
Taumelt rückwärts mit vertiertem Lallen,
Stürzt zu Boden, von der Wut erfaßt;
In den Kleidern wühlt er mit den Nägeln,
Bis er sich auf Fleisch und Knochen gräbt,
Seine Fäuste schleudert er gleich Schlägeln
Sich in's Antlitz, bis es Blut verklebt.
Nimmer ahnt er, daß er je gesungen,
Nimmer ahnt er, daß er je gedacht,
All sein Wollen hat mit eins verschlungen
Rettungslos, für immerdar die Nacht.
Die Willis
Aus schwarzblauer Wolken Geschiebe
Der Funkelstern der Liebe
Glutäugig zu lodern beginnt,
Zerfetzte Nebelstreifen
Grausilbern schwimmen und schweifen
Und schaukeln im Abendwind;
Aus müdgebeugten Weiden
Eintönig rauscht und singt
Ein Wasser durch die Heiden,
Von nickenden Gräsern umringt;
In Lüften, rosig-feuchten,
Kastaniendüfte zieh'n,
Johanniswürmer leuchten,
Nachtvögel huschen und flieh'n.
Und reich und immer reicher
Entflammt der Sterne Pracht,
Und weich und immer weicher
Und schwüler atmet die Nacht.
Die Wolken sind versunken
Am fernen Horizont;
Flüssigen Silbers trunken,
Weißglühend naht der Mond ...
Die jugendfrischen Mienen
Vom Lichte weich umschienen,
Ein Knab' die Straße zog,
Wie rote Heideblüten
Die Wangen ihm erglühten,
Ein Lied vom Mund ihm flog.
Hinaus in die strahlenden, hellen
Gefilde, selig und frei,
Wie Lerchengeschmetter schwellen
Die Töne und verquellen
In einen Jubelschrei.
Im Überschwang der Gefühle
In's Heidekraut er springt,
Und Gräser, tauig-kühle,
Sein bebender Arm umschlingt.
Er küsst die schimmernden Kronen
Am Boden, leben-geschwellt:
"Möcht' immer auf dir wohnen,
Du liebe, süße Welt.
O Gott, wie ist das Leben
So schön, so wunderschön,
Möcht' wie der Vogel schweben
Leicht über Tal und Höh'n!
Dann wär' die Welt mein eigen,
Die ganze reiche Welt,
Dann wollt' ich niedersteigen,
Wo's eben mir gefällt;
Und jauchzend wollt ich umwinden
Und küssen ein liebliches Kind.
O sagt mir wo eines zu finden,
O sagt es geschwind." ...
Da schauert leise, leise
In's Ohr ihm eine Weise,
So traurig, sehnsuchtsvoll,
Und schmeichelnde Stimmen erwidern
Mit heiß-durchhauchten Liedern —
Und wildes Schluchzen schwoll.
"Das sind der Willis' Scharen! —
Jetzt soll mich Gott bewahren."
Und nah und immer näher
Ein blasser Reigen schwebt,
Und weh' und immer weher
Ein klagendes Singen bebt:
"Wir sind verstorbene Bräute.
Hochzeitliches Geläute
Umklang uns nie, ach nie!
Uns grüßte statt jauchzender Reigen
Nur weinender Todesgeigen
Grabdunkle Melodie;
Wir haben heiß empfunden,
Doch nie dem Geliebten verbunden,
Hat jede nur Liebe geträumt,
Uns gläubig hinzugeben
Auf Sterben und auf Leben —
Wir habens verschmäht und versäumt.
Nun sind wir schlafen 'gangen,
Doch loderndes Verlangen
Aus Grab und Gruft uns hebt,
Nach Küssen, selig bangen,
Nach zärtlichem Umfangen
Die Seele stöhnt und bebt.
O Du sollst selig werden,
Wie keiner noch auf Erden.
O komm' in unsern Kreis,
Wir wollen Dich umschließen,
Und jauchzen und genießen —
Und küssen – schwer und heiß."
Die Willis, blaß vor Sehnen,
Sich ihm entgegen dehnen,
Die dunklen Feueraugen
In seine sich senken und saugen
So zärtlich, süß und wild,
Der Lippen Purpurrosen
Die seinen weich umkosen,
Ihr Hauch ihn warm umquillt —
Da schnürt auch ihm die Kehle
Fiebernder Sehnsucht Faust —
Und zischend durch die Seele
Ein Glutstrom sengt und braust.
Die Glieder, die wonnedurchgrauten,
Von trunk'ner Begierde gewiegt,
Mit stammelnden Liebeslauten
Den Willis entgegen er fliegt.
Und in zitterndem Verlangen
Schmiegt er seine heißen Wangen
Einer Willa zärtlich an.
Ihre feinen, weichen Hände
Fassen ihn um's Haupt,
Küsse, Küsse ohne Ende,
Bis er zu ersticken glaubt.
Seliges Jauchzen der Willis erklingt,
Weiter der Reigen schwingt.
Aus dem Arm der Feinen, Kleinen
Reißt mit zornig-wildem Weinen
Ihn ein düster-schönes Weib.
Hoch auf wogt der üppig-volle,
Leidenschaftlich-zärtlich-tolle,
Lustversengte, blasse Leib —
Und schon hat zu wilden Wonnen
Stürmisch ihn das Weib umsponnen.
Ächzen von Brust zu Brust,
Lallende Laute der Lust,
Jäh dann ein wütender Schrei:
"Wer wagt sich herbei!
Mein ist er, mein,
Ganz allein!"
Höhnisches Kichern der Willis erklingt,
Weiter der Reigen schwingt.
Schimmernde Leiber umfliegen
Enger und enger den Mann;
Glühende Glieder schmiegen
Keuchend sich an,
Zitternde, lebenswarme,
Schlangengeschmeidige Arme
Schnüren und pressen ihn ein,
Seligstes Genießen —
Wonnewirbel schießen
Heiß durch Mark und Bein.
Schwellende Jubelweisen;
Wilder und wilder sie kreisen.
Mit weißem Schaum umflogen
Die Lippen scharlachrot,
Die Willis ihn umwogen,
Geschüttelt und gebogen,
Von liebestoller Not.
Die wollustfeuchten, dunkeln
Nachtaugen blitzen, funkeln,
Sie lodern, sprüh'n und glüh'n,
Wie Sterne - rot und grün.
Toller und toller der Reigen schwingt,
Zähneknirschen der Willis erklingt,
Heisere Gurgeltöne,
Raubtiergestöhne,
Krachen und Klingen von reißendem Fleisch,
Wehegekreisch,
Gellende Laute der Raserei,
Und inmitten,
Qualenzerschnitten! —
Ein Sterbeschrei ...
Durch müdgebeugte Weiden
Das fahle Frühlicht rann,
Da lag auf roter Heiden
Herzblutig, im Verscheiden,
Ein totgeliebter Mann ...
Fernab der Reigen der Willis schwingt,
Fernab tosendes Jauchzen verklingt.
Abbadon triumphans
Aus türkisblauer Wasser Wirbel steigt
Ein nacktes Felseneiland schroff empor. —
Um seiner Wände dunkelstolze Wehr
Der Meereswellen wildbewegter Reigen
In ewig ruhelosen Tänzen tobt.
Kein Menschenfuß trat jemals dieses Eiland
Und nie vernahm es eines Menschen Schrei.
Der heilige Albatros nur rastet dort
Nach weiten Flügen und der wilden Schwäne
Der wanderfrohen, wilden Schwäne Schar.
Dort aber, wo der Klippen Zackenkrone
In jähem Sturz an's Meer herniederbricht,
Dort auf des Eilands sturmgeliebter Höhe
Erschließt sich eine Grotte kühl und weit ...
Basaltkristalle, riesengroße, steigen
Wie Bündelpfeiler dunkelschwer empor
Als trügen sie der Decke stolze Wölbung.
In lichtlos-grauser Tiefe tanzt die Flut
Und stürzt sich tosend durch die Felsenkammern
Und heult empor in zügelloser Wut.
Und graue Dämmerung lastet in der Grotte
Und blauer Schatten bis zur Abendzeit.
Doch wenn die Sonne tief im Westen steht,
Dann trifft ihr letzter Blick der Grotte Raum.
Und weich und zärtlich schweift ihr Strahlenauge
Um eines Lagers stolz erhöhten Bau.
Dort aber schlummert, bleich und wundenblutig
Ein Jüngling-Mann. Zurückgesunken ruht
Das edle Haupt, das welk ein Lorbeerzweig
Und ein zersprung'ner Kronenreif umschlingt.
Und halb im Traum die bleiche Lippe murmelt:
"Der Sieger bin ich, der die Nacht bezwang,
Der Morgen naht für alle Erdensöhne,
Der große Morgen und das große Glück,
Nun kam die Zeit."
Er aber, der das Königslager hütet,
Der Engel mit den hohnverzückten Augen,
Der Engel der Vernichtung, Abbadon,
Er lächelt, lächelt ...
Astaroth
Wie flüssiges Silber
Bricht es hervor
Aus eisengrauen Wolken,
Weiße Dämpfe schlagen auf,
Es duftet wie Blut
Und es duftet wie Weihrauch —
Astaroth naht.
Elfenbeinfarben
Erschillern die Glieder
Aus bauschenden Floren,
Zackensterne,
Riesengroße,
Leuchten grünlich
Aus wehendem Haar ...
Düsterrasende Liebe,
Grollende Qual
Glüh'n ihre Blicke.
Wie zürnender Tuba Schrei
Klingt es zu mir:
Niedersteigen willst Du
Zu friedlichen Tälern,
Hausen willst Du
Wo andere hausen,
Einer willst Du werden,
Einer von vielen.
Nimmer willst Du
Weltgeschieden,
Nachtfürstlich und einsam thronen,
Von der Menschheit
Qualendämonen
Dienend umwoben,
Höllenseligkeiten
Ausgenießend – –
Feig bist Du geworden,
Feig und klein.
Deine Krone gib' der Nacht zum Raube,
Felsen splitterte an Dich mein Glaube,
Und nun lächelt meine Seele Hohn,
Wenn ich denke, daß ich Dich erkoren,
Dir erhöht den Thron!
Kehr' zurück zum Staub, der Dich geboren,
Menschensohn.
Tubal und Lilith
(Fragment)
Tubal.
Wie aufgescheuchte Rabenschwärme kreisen
Gedanken mir durch's schwüle Hirn, Gedanken
So dunkelschwer, so rätselhaft und süß,
Wie sie noch niemals, niemals mir gekeimt;
Vor meinen Augen wirbeln Feuergarben,
Gestalten wogen meinen Blicken auf,
Unirdisch, grauenhaft und doch verlockend,
Und meine Nerven streichelt seltsam-süß
Ein Duft von Weihrauch und verdampftem Blut,
Und eine Sehnsucht rieselt durch die Seele,
Die mich nach dunklen Zielen stürmisch jagt.
Verworrne Träume, die der Knabe träumte,
Sie steigen sonnenglitzernd mir empor
Und werden sinnvoll und lebendig-klar.
Und zwischendurch wie Meereswellen singt
Und schreit die Sehnsucht zügellose Lieder ...
Nach Qualen dürstet die entflammte Seele,
Nach Qualen, die kein Mensch bis heute trug,
Nach Qualen, die kein Mensch in Worte zwang,
Nach jenen höchsten, letzten, tiefsten Qualen,
Aus deren Schoß das wilde Glück entsprungen
Und jene grausenvollen Seligkeiten,
Die nur die Geisterschar des Abgrunds kennt,
Und die der Staubentstieg'ne schauernd flieht.
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Was Menschen fühlen und empfinden können,
Ich hab's empfunden und gefühlt zur Neige.
Zur letzten Grenze bin ich fortgeschritten,
Durchmessen hab' ich ruhelos das Reich, —
In dem sich Lust und Qual die Herrschaft teilen,
Und müde ward ich menschlicher Gefühle.
Der reiche Reigen, den das Leben bietet,
Er ward mir leichenfahl und leichenekel,
Und meine Seele weint nach neuen Zielen.
– – – – – – – – – – – – – – – – – –
Ein grünes Licht vor meinen Augen zittert,
Um meine Seele schwirren Seufzerchöre,
Aus dunklen Schleiern stiert ein fahles Haupt,
Und dort ein zweites ... qualversteinte Züge
Und blutbetropfte Lippen tauchen auf,
Ein drittes Antlitz dort mit irrem Lächeln,
So naht Ihr Geister, die die Sehnsucht rief.
Chor der Dämonen.
Dem glühenden Vertrauen
Sei der Gewährung Heil;
Dein Auge soll uns schauen,
Doch ahnend nur, denn Grauen,
Vernichtung wär' Dein Teil;
Wenn uns Dein Blick erspähte,
Wie eine nur uns schaut,
Sie, die Dich oft umwehte,
Der stammelnd im Gebete
Dein Herz sich anvertraut.
Der Menschensohn, dem Lüge
Nur Kraft zum Leben lieh',
Der Menschensohn ertrüge
Die unverhüllten Züge
Der Qualdämonen nie.
Dämonenreigen:
Verzweiflung
Mein fahler Fittig im Kreis Dich umzog,
Mein würgender Finger den Nacken Dir bog,
Es lähmte die Lungen mein pressender Arm,
Ich blies Dir in's Herz den verzehrenden Harm;
Ich habe Deine Seele gepeitscht und zerfleischt,
Bis daß sie vor Qualen zum Himmel gekreischt.
Ich höhle die Wangen, ich bleiche das Haar,
In Nacht und Verzweiflung mich Lilith gebar.
Wahnsinn
Mein Scharlachfittig erbrauste —
Und – brennend ein Wüstensturm schnaubt —
Und rauchend ein Feuerstrom sauste
Das Blut Dir zum fiebernden Haupt.
Und wenn Deine Hände sich ballten,
Dein Körper sich stöhnend gedreht,
Wenn Flüche die Lippen jetzt lallten,
Und jetzt ein Erlösungsgebet —
Und wenn Du mit knirschenden Klagen,
Aufweinend – an Boden und Wand
Den ruchlosen Schädel geschlagen,
Ein Atmen des Glücks ich empfand.
Selbstmord.
Mein dunkler Fittig, feierlich und schwer,
Warf seine Schatten über Dich schon her,
Wenn Dich Dein wüstes Leben angegraut,
Hab ich in's Auge drängend Dir geschaut.
Ich jagte Dich der schroffsten Klippe zu
Und mahnte Dir in's Ohr, dort winkt die Ruh',
Die Waffe drückt' ich in die scheue Hand,
Die Todessehnsucht schürt' ich Dir zum Brand,
Und manche lange, qualenschwüle Nacht
Hab' Hand in Hand mit Dir ich zugebracht.
Chor der Dämonen
Der Menschensohn, dem Lüge
Nur Kraft zum Leben lieh',
Der Menschensohn ertrüge
Die unverhüllten Züge
Der Qualdämonen nie.
Tubal
Und wenn der Hölle Schrecknis hüllenlos
Und grausig-klar vor meinem Blick erstünde,
Wenn Abbadona oder Lilith selbst
In dunkler Pracht vor meinen Blicken schwebten,
Mit keiner Faser scheut' ich je zurück.
Die Menschenfurcht hab' ich zurückgelassen,
Seit ich vergessen, daß auch mich dereinst
Ein schwaches Weib als Menschensohn geboren.
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