Unbewußt
Manchem sollt' ich Antwort geben,
Was zum Liede mich bewegt?
Ob es werde durch das Leben
Oder tiefer angeregt?
Ja, wer das mit Worten sagte,
Dies Woher und dies Warum!
Wenn ich je mich d'rum befragte,
Blieb ich vor mir selber stumm.
Oft des Abends, wie mir's üblich,
Wenn ich sinne still allein,
Überrascht es mich gar lieblich
Auf dem trauten Kämmerlein.
Meine Sorgen, sie verringern,
Meine Leiden schwinden dann:
Rührt es mit den Rosenfingern
Meiner Seele Saiten an.
Wenn ich oft am Morgen flüchte
In die freie Gotteswelt,
Fühl' ich wie vom Wunderlichte
Meinen Busen rasch erhellt.
Tränen kommen, Worte stocken,
Rings die Welt um mich verschwimmt,
Bis des Herzens Silberglocken
Sich zum Liede sanft gestimmt.
Oftmals wenn ich so am Tage
Diesen sah und Jene sprach,
Ruft's mit einem Zauberschlage
Plötzlich meine Seele wach.
Töne gleiten und erklingen,
Ach, ich weiß es selbst nicht wie?
Doch sie lauten und sie singen
Über Den und über Die.
Wer so zaubrisch mich beglückte,
Wie es kam und wo und wann?
Seltsam, daß ich, der Entzückte,
Nie mir das erklären kann.
Wie ein Kind mit Rosenwangen
Und mit süßem Liebeskuß,
Das ich glühend heiß umfangen
Und für ewig lieben muß:
Also kommt es mir entgegen
Und verschwindet rätselvoll,
Daß mir dieser Liebessegen
Ein Geheimnis bleiben soll.
Die Boten
Der Dichter weilet still daheim,
Er schickt als Boten Lied und Reim,
Die ziehen fort in's weite Land;
Er aber, der sie ausgesandt,
Er sitzt zu Haus und sinnt und zagt:
Was wohl die Welt von ihnen sagt?
Die Boten aber wandern fort,
Sie fliegen schnell nach Süd und Nord
In eigentümlich bunter Tracht,
Von mannigfalt'ger Kraft und Macht,
Von Einem Herzen, reichgeschmückt,
An tausend Herzen ausgeschickt.
Hier pocht der Ein' an ein Gemüt,
Worin ein Liebeleben blüht:
"Tu auf den Rosenkelch, o Herz,
Ich bin beschieden, deinen Schmerz
Dir zu enträtseln, klar und rein,
Und Dolmetsch deiner Lust zu sein."
Ein Andrer tritt zum frohen Mahl,
Er sieht den reichgeschmückten Saal:
"Gebt mir auch einen Becher Wein,
Weiß ich doch fröhlich auch zu sein:
Mein Liederfüllhorn schütt' ich aus,
Und Liederduft erfüllt das Haus!"
Ein Dritter naht dem trüben Mann,
Auf dem der Leiden schwerer Bann:
"Mich sendet Einer, der dir gleich,
Der so wie du an Schmerzen reich;
Die Leidenden versteh'n sich schnell:
Schlag' ein, du trauriger Gesell!"
So zieh'n sie Alle her und hin,
Sie suchen Herz, sie suchen Sinn;
Ein Jeder ist ein Ton der Lust,
Das Echo einer reichen Brust,
Ein treuer Spiegel, der dem Geist
Den Abglanz der Empfindung weis't.
Der Dichter aber weilt daheim,
Als Boten sandt' er Lied und Reim,
Die zogen fort in's weite Land;
Er aber, der sie ausgesandt,
Er sitzt zu Haus und sinnt und zagt:
Was wohl die Welt von ihnen sagt?
Dichten
Die ihr prüfet was wir dichten,
Seht vorerst in eure Brust,
Um euch früher selbst zu richten,
Eure Qual und eure Lust;
Überblickt die feinen Fäden,
Die das arme Herz umreih'n,
Und dann dächt' ich, fiele Jedem
Mitgefühl und Milde ein.
Legt die Schmerzen eures Lebens
Auf die Waage des Gefühls,
Jeden Mißgriff eures Strebens,
Jede Niete eures Spiels,
All' die Stunden, die der Kummer
Euch mit stillem Hohn geraubt,
All' die Nächte, da der Schlummer
Floh das qualenmüde Haupt.
Dann ermeßt die Seligkeiten,
Die das Glück euch zugedacht:
Alle die Vergangenheiten,
Die euch reizend angelacht,
Jede Lieb', der ihr begegnet,
Jede Tat, die euch erhob,
Jeden Blick, der euch gesegnet,
Jedes wohlverdiente Lob.
Was an euch vorbeigegangen
Ist ein Leben reich und bunt,
Und doch niemals noch entklangen
Lieder eurem stummen Mund; —
Aber reicher ist das Leben
Einer vollen Dichterbrust,
Weil es Lieder ihr gegeben
Und Gesang für Leid und Lust.
Ihm hat Alles Glanz und Tiefe,
Schöner wird der Schmerz durch ihn,
Und des Lebens Hieroglyphe,
Wie entdeutet er sie kühn!
Wie er Kunst und Leben fühlte,
Was er liebte und was nicht,
Was er in der Welt erzielte,
Alles sagt euch sein Gedicht.
Das Gedicht ist eine Blume:
Reißt ihr sie aus ihrem Beet,
Aus dem Lebensheiligtume,
Wo sie knospet, blüht und steht,
So verliert sie ihre Farbe,
Hauchet aus den süßen Duft,
Und die samenreiche Narbe,
Sie verwelkt in fremder Lust.
Das Gedicht ist wie ein Spiegel:
Rein und treulich ist das Glas;
Aber überweht vom Flügel
Trüben Odems, wird er blaß;
Die Gestalten alle fließen
In einander ohne Halt,
Und die eignen Züge grüßen
Euch wie fremde trüb und kalt.
Aber wenn die Lieder leisen
Nachklang fanden im Gemüt,
Wenn, statt Fehler nachzuweisen,
Ihr für ihren Sinn erglüht,
Wenn ihr freundlich, strenge Richter,
Sie empfangt als Freundesgruß,
Ei, wie glücklich da der Dichter
In der Seele werden muß!
In der Seele! denn entflammet
Wird sie so zu neuem Klang,
Solchem schönen Drang entstammet
Bald ein zweiter, dritter Sang.
Wir ergründen und wir finden —
Ach, ich weiß es selbst nicht was?
Doch es ist ein süß Empfinden
Und ein stiller Jubel das!
Liedesstufen
Wenn der Jüngling geht an's Dichten,
Ist das Herz ihm übervoll,
Und er weiß nicht, was berichten,
Was er von sich sagen soll?
In sich selbst ist er versunken,
Die Erfahrung ist ihm fremd,
Und von sich singt er nun trunken,
Halb im Ernste, halb verschämt.
Doch das eigne junge Leben
Ist zu arm an Tat und Kraft,
D'rum muß Poesie verweben
Dem Gefühl die Leidenschaft.
Seiner Seele Kraftgebilde
Hüllt ein Trauerschleier ein,
Immer muß die Qual, die wilde,
Und die Pein zu Handen sein.
Seiner Dichtung Luftgestalten
Fließen nächtig grau in grau,
Ohne klar sich zu entfalten
In ein wolkenloses Blau.
Unter Schlacken fließt der Goldquell,
Ändern kann es nur die Zeit,
Die die Edelerze, goldhell,
Endlich allen Schlamms befreit.
In die zweite Periode
Tritt der Jüngling nun mit Lust,
Wo der Liebe kühne Ode
Neubeseligt seine Brust.
Seiner Liebe engverwachsen
Ist das All, und Welt und Zeit
Drehn sich um die Zauberachsen
Seiner Liebeseligkeit.
Was an Schmerz zurückgeblieben,
Wird der Liebe jetzt vereint,
Weil von Allen, die da lieben,
Jeder manchmal heimlich weint.
Aber Lieder und Gedanken
Sind bestimmter schon und klar;
Denn nun ist kein irres Wanken
Und das Ziel schon offenbar.
Nur noch eine Umgestaltung,
Daß es üb'rall werde Licht,
Und dem Bilde fehlt die Haltung,
Leben dem Gedichte nicht.
Da durchzuckt mit tausend Strahlen
Die Natur ihn und das All,
Und es bricht zu tausendmalen
Dieses Licht sein Herzkristall.
Üb'rall ist nun and're Farbe,
Alles hat den rechten Schein,
Und sogar die Wundennarbe
Muß zum edlen Schmuck sich weihn.
Die begeisternden Ideen,
Die der Schoß der Schöpfung trägt,
Läßt er blühend auferstehen,
Durch die Hoheit angeregt.
Alles Halbe wird vollendet,
Den Gebilden kommt die Ruh',
Alles, was er strebet, wendet
Sich der Lebenssonne zu.
Denn es kann nur Dichter geben,
Die Natur hat aufgesäugt,
Weil der Poesie das Leben
Erst die wahre Größe zeigt.
Liederelemente
Liederelemente geben
Soll ich euch, den Laien, kund?
Wie Talente Lieder weben,
Sagen will ich's euch zur Stund'.
Erst die Welt, sie ist dem Dichter
Ein unschätzbar reicher Fund;
Dann das Herz als stiller Richter,
Und als ew'ger Liedergrund;
Dann das Leben, bunten Schwalles
Formet es den Liederbund, —
Und besiegeln muß das Alles
Der Geliebten weicher Mund.
Die Erscheinung
Nachts zur Stunde der Gespenster
In dem kleinen Kämmerlein
Pocht es leise an das Fenster,
Und erfüllt's mit hellem Schein.
Einsam sitzt der stille Dichter,
Denkt und schreibt und sinnt und streicht:
Sieh', da wird es plötzlich lichter,
Und der Lampenschein erbleicht.
Rosenwolkig hergetragen
Steht vor ihm ein Zauberbild,
Eine Göttin, wie in Sagen
Schöner Vorzeit, reizumhüllt.
Lorbeerkronen um die Stirne,
Eine Lyra in der Hand,
Doch den Mund, als ob sie zürne,
Hält ein strenger Ernst umspannt.
"Frommer Sohn," so spricht die Hehre,
"Wend' empor den Blick zu mir:
Eine trübe gute Lehre
Bring' ich vom Parnasse dir.
Armer Dulder, dessen Seele
Mit den heißen Gluten ringt,
Der die glänzendsten Juwele
Aus dem Herzensschachte bringt;
Der du mit dem kühn Errungnen
Eine kalte Welt bedenkst,
Der du mit dem schön Gelungnen
Eine flache Zeit beschenkst:
Gib es auf, dein edles Streben,
Wandle schweigend deine Bahn, —
Wer verstummt in solchem Leben,
Der allein hat Recht getan.
An den tausend Nationen
Zieh' ich wirkend still vorbei,
Und ich flechte Dichterkronen
Um die Schläfe mancherlei.
Soll ich all die Sängerkränze
Nennen, die in alter Zeit,
Die im schönen Dichterlenze
Um die Stirnen ich gereiht?
Von der Wiege des Homeros
Bis zu Tasso's frühem Grab,
Was ich jedem Liederheros
Für verdiente Preise gab?
Und die andern Menschen ehrten
Mein Gebot, weil sie gerührt
Und bewundernd Jene hörten,
Deren Stirn mein Kranz geziert.
Deutschland nur hat mich verwiesen,
Andern Völkern war's geneigt,
Doch gehorsam hat gleich diesen
Niemals es sich mir gezeigt.
Zeiten sind vorbeigezogen,
Wo es Götzen sich erbaut,
Die mein Auge nie gewogen,
Nie mit Lächeln hat geschaut.
Doch noch öfter kamen Zeiten,
Wo ich offen ward verhöhnt,
Wo sie jenes Haupt entweihten,
Das ich selbst mit Ruhm gekrönt.
Was sie schön vollendet trafen
Zerrten sie in Staub hinab,
Oder spurlos ging's zum Hafen
Zweifelhafter Zukunft ab. —
Schweige, wie die andern Söhne,
Die mir lieb geworden sind:
Oder willst du deine Töne
Ferner hauchen in den Wind?
Oder willst du deinem Leben
Jetzt verdingen mich als Magd?
Nie wird dir die Muse geben,
Was dein Glück dir hat versagt.
Jagst du nach des Ruhmes Wolke?
Willst du mir dein Streben weih'n?
Und, ein Rätsel deinem Volke,
Gar für toll gehalten sein?
Ja vielleicht du überschattest
So mit einem Lorbeerbaum
Deinen Hügel: und doch hattest
Lebend du zu leben kaum!
Schweige! deine Taten weihe
Einer andern, reichern Kunst,
Und im Herzen nur erfreue
Dich an meiner vollen Gunst.
Lebe wohl im Weltgetümmel:
Wenn beschlossen du den Lauf,
Nimmt in ihren ew'gen Himmel
Dich die treue Muse auf!"
— Schnell verschwunden war die Milde,
Die so tiefbewegend sprach,
Und der Dichter sah dem Bilde
Durch das düstre Dunkel nach.
Die Großmutter
Unter ihnen, die zum Frieden
Jener Welt hinüberschieden,
Die ich lang und still beweine,
Wandelt auch die gute Eine:
Mutter der, die mich geboren,
Hatte mich sie auserkoren,
Ihrer Liebe reichen Segen
Auf mein junges Haupt zu legen.
Freundlich sah sie auf mich nieder,
Lief ich fröhlich hin und wieder;
Spiele trieb ich, leichte, lose,
Lehnt' ich still an ihrem Schoße, —
Und nur manchmal ward sie trübe,
Wenn ich mit begier'gem Triebe,
Hingestreckt auf weichen Tüchern,
Blättert' in den alten Büchern.
"Laß mir," sprach sie, "Kind, die Sachen,
Die dich doch nicht klüger machen;
Reime sind es, glatte, feine,
Kleiner, du verstehst noch keine!
Mögst du niemals sie verstehen,
Denn aus diesen Liedern wehen
Töne, die Empfindung lügen
Und ein Herz gar leicht betrügen."
Ihr Gebetbuch dann mit Sinnen
Nahm sie meist zur Hand, und drinnen
Lag ein Blättchen, fast zerrieben,
Kurze Zeilen, schön geschrieben;
Sah sie nach dem Blatt im Buche,
Griff sie bald auch nach dem Tuche,
Ob der Träne, die vom blauen
Auge wollte niedertauen.
Nimmer wußt' ich, was sie meinte,
Wenn ich damals mit ihr weinte;
Und als längst die milde Gute
Schon im ew'gen Frieden ruhte,
Als ich selber zum Gesange
Folgte unbewußtem Drange,
Da gedacht' ich ihrer wieder
Und der Träne — und der Lieder.
Muse mit der Rosenwange,
Die mich aufrief zum Gesange,
Sinke nieder an dem Grabe,
D'ran ich oft geweinet habe;
Still gelobe an dem Hügel,
Nie zu leihen deinen Flügel
Tönen, die Empfindung lügen
Und ein Herz gar leicht betrügen.
Tränen, falschem Sinn vergossen,
Sind des Fluches Schmerzgenossen,
Tränen, die man gutem weihte,
Sind des höchsten Glücks Geleite:
Kann mein Dichten und mein Sinnen
Solche mir dereinst gewinnen,
Wird Ihr Geist mich liebend segnen
Und mir freundlich dort begegnen.
An der Wiege
In der Wiege liegt der Knabe,
Wie ein stilles Engelbild,
Von des Schlummers süßer Labe
Ist sein blaues Aug' umhüllt.
Sorgsam bei dem holden Kleinen
Sitzt die Mutter jung und schön,
Doch ihr Auge schien dem Weinen
Manchmal nicht zu widersteh'n.
Aber in der Ecke sinnend
Steht der Vater stumm und still,
Manches im Gemüt beginnend,
Was er bald vollenden will.
Lieder nach der alten Weise
Sie beleben seinen Sinn,
Und betrachtend tritt er leise
Vor den kleinen Schläfer hin.
"Segenvoller Himmelsfrieden,
Der dein blaues Auge deckt,
Sei er einst dir auch beschieden,
Wenn der Lärm der Welt dich weckt.
Frieden, wie ihn Seelen fühlen,
Die im heißen Lebensstreit
Wie in leichten Liebespielen
Ihre Reinheit nie entweiht.
Frieden, den ein Mann empfunden,
Der sein rechtes Ziel gewann;
Frieden, den ich nie gefunden,
Und wohl nimmer finden kann.
Mag der Himmel dir ersetzen
Alles, was er mir geraubt,
Und mit seinen besten Schätzen
Segnen dein unschuldig Haupt.
Aber ewig vorenthalten
Sei dir, was er mir verlieh,
Dieses eigene Gestalten,
Diese Glut der Fantasie.
Diese sengend heiße Flamme,
Die die Seele mir verzehrt,
Die gebannt vom Erdendamme,
Nur nach Himmlischem begehrt.
Bleibe fern dir dieses Streben,
Dieser rätselhafte Drang,
Fremde Seelen zu erheben,
Was noch Keinem ganz gelang.
Schwer ist's, Seelen sich gewinnen,
Schwerer noch, verstanden sein:
Denn die Kunst impft das Beginnen,
Doch nicht die Vollendung ein.
Herr, der mir du zu vererben
Diese Qual beschlossen hast,
Wolle nicht mein Kind verderben
Durch so sehnsuchtschwere Last!
Laß' Ein Opfer dir genügen,
Das sich auserkor dein Blick:
Lächle diesen Unschuldzügen
Gnadenvoll ein bessres Glück!" —
Als das Wort verklang, erwachte
Leis' der Knab' aus seinem Schlaf,
Und sein heit'res Auge lachte
Fröhlich beiden, die es traf.
Sorgsam nimmt die junge schöne
Mutter ihn auf ihren Schoß,
Und es ringt sich eine Träne
Ihrem blauen Auge los.
Die Tadler
Menschen mußt' ich oft begegnen,
Die das Dichterstreben tadeln,
Die, statt diesen Drang zu segnen,
Ihn durch bitt'res Wort entadeln;
Und die schmerzlichsten Gefühle
Übermannten mir die Seele,
Sah ich, wie die Welt so Viele
Um verdienten Kranz bestehle.
Nein! sie können es nicht wissen,
Was sie jenen, die da dichten,
Statt vom Munde wegzuküssen,
Durch so herben Spott vernichten!
Nein! sie können es nicht glauben,
Daß sie durch so harte Reden
Herzen das Vertrauen rauben
Und den Seelenwert befehden.
Nein! die Welt ist nicht so sündig,
Edlem Werk sich zu verschließen,
Längst sind alle Herzen mündig,
Um es freudig zu begrüßen:
Wolken sind es und nichts weiter,
Die nur leicht vorüberschauern,
Und ist erst der Himmel heiter,
Wird zur Doppellust das Trauern.
Mitleid wohnt in allen Kreisen,
Mitgefühl in jeder Seele:
Wollt ihr ab den Bettler weisen,
Daß er sich im Jammer quäle? —
Bettlern sind die Dichter ähnlich,
Die um Herzen zu euch flehen,
Und mit kaltem Wort gewöhnlich
Statt mit diesen weitergehen.
Aber gebt ihr, was er flehte,
Mild dem Sohne der Kamöne,
Perlt auf eurer Wangen Röte
Der Empfindung Götterträne:
Dann kann der Beglückte länger
Nicht die Freude an sich halten,
Und ihr seht den armen Sänger
Sich gar herrlich umgestalten.
Plötzlich steht er da als König,
Strahlen, Blumen, Düfte, Sterne
Sind ihm alle untertänig
Und gehorchen ihm so gerne;
Seinen Königsmantel kränzet
Milder Perlen reiche Menge,
Und auf seinem Scheitel glänzet
Hell die Krone der Gesänge.
Liederspiel
Nicht sollt ihr dem Dichter zürnen,
Wenn sein Lied nur loses Spiel;
Glättet eure krausen Stirnen,
Und erkennet sein Gefühl.
Hält uns denn der Ernst nur munter?
Manchmal wird das Leben bunter,
Und im leichten Spiel mitunter
Kommt man auch an's gute Ziel.
Hört ihr doch die Bäche rauschen,
Lispelnd zieht die Flut vorbei,
Ihren Tönen still zu lauschen
Gibt Vergnügen mancherlei.
Können wir es denn ergründen
Was die Wellen uns verkünden?
Aber still zu denken finden
Wir so manches doch dabei.
Ruhig geht ihr selber schlafen,
Erst in trübem Ernste wach,
Landet ihr im Schlummerhafen
Unter goldner Träume Dach;
Rätselhafte Zauber steigen
Auf vor euch in bunten Reigen,
Und ihr denkt am Tag mit Schweigen
Eurer Träume Spielen nach.
Horchtet ihr dem schönen Schwane,
Der, geküßt vom Wogenmund,
Auf der Wellen Perlenplane
Durch Gesang euch wurde kund?
Singend schied er aus dem Leben:
Aber diese Töne eben,
Die wie Spiele euch umschweben,
Haben schauderhaften Grund.
Auch die Dichter, sie vermählen
Oft dem leichtbewegten Lied
Jenen tiefen Drang der Seelen,
Der für das Erhab'ne glüht.
Darum nicht die Außenseite,
Die oft nur ein Zufall weihte,
Sei es, die euch je verleite
Zu verkennen das Gemüt.
Bald erforscht ist das Geheime,
Wenn's zu suchen euch gefiel:
Wer es finden will, versäume
Nicht das leichtgesteckte Ziel;
Und nach losem Spiel und Necken
Plötzlich hinter Blütenhecken
Die Geliebte zu entdecken,
Ist ein himmlisches Gefühl!
Gleichnisse
Es gleichen die Gedanken
Dem Adler in den Lüften,
Der zu den Sonnenschranken
Aufsteigt von grünen Triften.
Und sie, die pfeilgeschwinden,
Sie fliegen gleicherweise,
Bis sie ihr Ziel ergründen
Im weiten Lebenskreise.
Es gleichen die Gefühle
Des Ozeans Delphinen,
Die sich zum leisen Spiele
In tiefer See erkühnen.
So in der Seele Tiefen
Ruh'n die Gefühle schweigend,
Nur, wenn sie Zauber riefen,
An's Licht der Sonne steigend.
Doch ärmlich sind so Viele,
Die da im Tun und Dichten
Gedanken und Gefühle
Bemüht sind abzusichten.
Die da im Unterscheiden
Sie von einander trennen,
Und also nichts von beiden
Gebrauchen einzeln können.
Gefühle und Gedanken,
Sie sollen sich vereinen,
Und wie zwei Epheuranken
An's Herz gewachsen scheinen.
Das Herz, es ist der Boden,
Drin beide Wurzel fassen,
Und dem sie Gottes Odem
Hat still entkeimen lassen.
Der neue Paris
Ich träumte einst vor Jahren
Gar wunderbaren Traum,
Und kannte die Gefahren
Und seine Folgen kaum.
Ich sah' drei schöne Feen,
Mit Reiz und Glanz geschmückt,
Wie keine ich gesehen,
Zu meinem Heil geschickt.
Gesandt, mich zu beglücken
Und harrend meiner Wahl,
Drei Fee'n, die zum Entzücken
Umwandeln jede Qual.
Mit reichem Edelsteine
Geziert den schlanken Leib,
So stand vor mir die Eine,
Ein hehres Götterweib.
Sie sprach: "Ich will dich segnen
Mit Schätzen ohne Zahl,
Und jedem Wunsch begegnen,
Wenn mich trifft deine Wahl.
Mit Ehren und Juwelen
Bekrön' ich dein Geschick:
Ich will es nicht verhehlen,
Sie nennen mich — das Glück."
Mit Augen feuerglühend,
Im Haupte Rosenzier,
So stand die Zweite blühend,
Und sprach mit Huld zu mir:
"Werd' ich von dir erkiesen,
Dann juble selig auf,
Zu Himmelsparadiesen
Wird dann dein Erdenlauf.
Was je dein Herz entzünden,
Was freu'n kann deinen Sinn,
Du sollst in mir es finden,
Weil ich die — Liebe bin."
Die Dritte, still bescheiden,
Mit Augen, blau und mild,
War schöner als die beiden
Ein frommes Unschuldbild.
Goldlockenkränze schmückten
Des Nackens Silberschein,
Die Augen aber blickten
Mir tief in's Herz hinein.
Sie sprach: "Du blonder Knabe,
Ich fühl's, ich bin dir gut,
Doch bring' ich keine Gabe,
Und bin ein armes Blut.
Mit Träumen und mit Bildern,
Mit Glut und mit Gefühl
Kann ich dein Los dir mildern,
Und segnen dir dein Ziel.
Doch will ich treu dich lieben,
Und von dir weichen nie,
Nun wähle nach Belieben:
Ich bin die Poesie."
Ich hatte sie verstanden,
Die Wahl war mir nicht schwer,
Die andern Zwei verschwanden,
Ich sah sie nimmermehr.
Sie hat sich treu bewiesen,
Sie ist geblieben mein,
Seit ich sie auserkiesen,
Wie Paris aus den Drei'n.
Doch ach, nicht abzuwehren
Vermochte sie den Streit,
Der mir dräut zu zerstören
Das Herz seit jener Zeit.
O Herz, in deinem Drange,
Du bist das Ilium,
Aus deinem Untergange
Entsteht dein eigner Ruhm.
Du hartbedrängtes, armes,
Vergalt sie jemals dir,
Was du des bittern Harmes
Ertragen wegen ihr?
Ach, wann erscheint der Friede,
Der dich im Fall erhöht,
Und wann der Möonide,
Der ganz dein Los versteht!
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