Wo
du auch hingehst
Wo du auch gehst, auf allen Wegen
Tritt dir ein Engel stets entgegen,
Ein heilig Buch in seiner Hand;
Drin steh'n die Namen all' geschrieben
Der Menschen, die durch treues Lieben
Vor Gott als Brüder sich bekannt.
Doch strahlt so hell des Engels Wesen,
Daß deinem Aug' die Kraft vergeht,
Im offnen Buche nachzulesen,
Ob auch dein Nam' schon drinnen steht.
Drum glaub: das Blatt, das ihm sich eignet,
Es sei noch leer im vollen Buch;
Ja, wär' dein Nam' auch schon verzeichnet, —
So lang' du lebst, ist Platz genug,
Von Tag zu Tag drauf einzutragen
Noch eine neue Liebestat,
Und einst wird dir der Vater sagen:
Dein ganzes Sein, es reift als Saat!
Der Pfaff zu Kahlenberg
Otto, Fürst von Österreich,
Tragt ein Kränzlein frischer Rosen;
Tanz und Fastnacht gleich
Gilt ihm Regiment und Reich,
Spiel soll freu'n den Friedelosen!
Herrschaft? Auch nur — Mummerei,
Froh begonnen, trüb' geendet!
Schellenklang, Geschrei,
Schlechter Trost, — dies Einerlei,
Da sich Frieden fortgewendet! —
"Laßt mir" — ruft er aus im Groll,
"Wiegand kommen, meinen Pfaffen;
Schwank und Kurzweil soll,
Weil das Herz mir unruhvoll,
Mir der lustg'e Pfarrherr schaffen."
Zu dem Herzog allsogleich
Kommt der Pfarrherr frisch gegangen.
"Ei, um's röm'sche Reich!
Herr, was seid Ihr trüb' und bleich?
Rosen welk auf Haupt und Wangen?"
Spricht der Herzog drauf: "Ich bin
Unhold; gern, wie ich es meine,
Herrscht' ich! doch darin
Widerstrebt mir jeder Sinn.
Sagt, wie ich sie All' vereine!
Schafft ein Mittel doch dafür,
Kluger Pfarrherr, mir behende;
Daß von Allen mir
Keiner widerstreb' hinfür
Und mein Trübsinn stracks sich wende."
Wiegand spricht: "Ich will Euch gern
Guter Rät' ein Schock erteilen;
Aller Säumnis fern
Möcht' ich solchen lieben Herrn
Wohl von aller Trübsal heilen."
Und nun führt er ihn sogleich
Auf des Kahlenberges Gipfel.
"Jetzt noch seid Ihr bleich,
Bald der besten Lehre reich;
Guckt mir auf der Kutte Zipfel."
Sagt's und springt dann schnell wie toll
Fort, und kehret spät erst wieder,
Und die Kutte voll
Bringt er. "Merket auf! das soll
Bald Euch heilen. Schaut nur nieder!"
Schädel sind's vom Totenhaus,
Die der Pfaff herbeigetragen;
Aus der Kutt' heraus
Kollern sie anjetzt, im Braus
Bunt den Berg hinabgeschlagen.
"Lieber Herr, nun sehet hin!
Wie die Gecken Freisinn hegen!
In den Knochen drin
Steckt's! — Nach seinem eig'nen Sinn
Jeder rollt auf eig'nen Wegen.
Tun sie so selbst nach dem Tod,
Zwingt ihr sie auch nicht im Leben.
Wenn der Schädel droht,
Zwingt das Fleisch kein Machtgebot.
Brecht — die Rosen! Preßt — die Reben!"
Kaisers Wort, Gottes Wort
Was gilt ein Wort in dieser Zeit?
Das lohnte sich zu wissen.
Da sich die Tat in Worte breit
Recht fasrig hat verschlissen.
Ein Wort, ein Wort, sagt an, was gilt's?
Kann man's noch brauchen statt des Schild's,
Vor Strolchen sich zu wehren?
Ein redlich Wort
Find't schlechten Ort,
Man hält's nicht mehr in Ehren.
Da reiten Zwei, so frisch und frei
Sie haben gut Vertrauen;
Ein Kaiser-Wort, das hält wohl treu,
Darauf läßt sich wohl bauen?
Und ob die Pfaffheit uns bedräut,
Der Kaiser gab uns frei Geleit,
Der Kaiser wird's wohl halten.
Ein Kaiser-Wort
Ist guter Hort,
Wie's Kaiser-Mantels Falten.
Zween Meister ihr aus Böhmenland,
Ihr solltet's besser wissen;
Ein Mannes-Wort zu Mannes Hand,
Das ist ein sich'rer Kissen.
Kein Mann gab's, nur der Kaiser sprach's; —
Hei! schmilzt sein Wort wie schnödes Wachs
Am Kerzenlicht der Pfaffen?
O freies Wort,
Du einz'ger Hort,
Wer wird dein Recht dir schaffen?
Zu Kostnitz war ein heißer Tag,
Die Sonn' stand just im Krebsen;
Wohl mancher Pfaff bei Tafel lag,
Oder lag bei seiner Kebsen.
Aus Böhmerland die Meister Beid',
Sie lagen in gar tiefem Leid
Von aller Welt verlassen;
Im dunklen Turm,
Bei Molch und Wurm,
In eisernen Ringen sie saßen.
Ha! ist das auch ein frei Geleit?
Geleit' zum Scheiterhaufen?
O Zeit des Worts, o böse Zeit,
Worein wird Gott dich taufen?
Er wird's in Feu'r und dann in Blut;
Das alte Übel heilt nicht gut,
Als nur durch's letzte Mittel.
Die Asch' zerstäubt,
Die Wahrheit bleibt
Und bleibt im Ketzerkittel.
O was ein frommer Mummenschanz
Zu Kostnitz vor den Toren?
Der Aberwitz hält Wallfahrtstanz
Und schüttelte die Ohren.
Sie schwenkten manches Weihrauchfaß,
Sie räucherten ohn' Unterlaß,
Bis daß man den Himmel nicht kannte,
Bis lichterloh,
Wie leeres Stroh,
Des Kaisers Wort verbrannte.
Aus Böhmerland die Meister Beid'
Wichen nicht von einander,
Sie hielten aus in Lauterkeit
Zween treue Salamander.
Und als die Flamme höher fraß,
Bis sie an Hustens Herzen saß,
Als wie ein hungriger Geier,
Da sprach der Huß
Den Abschiedsgruß,
Das Flammenwort aus dem Feuer:
"Die Flamme frißt ein Kaiserwort,
Man weiß nicht, ob's gewesen;
Doch Gottes Wort bleibt ewig fort,
In Flammen steht's zu lesen.
Mein Vaterland, du herrlich Land!
Was Kaiserwort, hast du erkannt,
Es hält nicht gar beständig.
Doch Gott ist treu,
Drum werde frei;
Gott macht die Toten lebendig."
Und als der Leib in Asch' zerfiel,
Frei atmeten die Pfaffen;
Sie ließen drauf ein böses Spiel
Von Henkers Händen schaffen;
Der Henker nahm im frechen Raub
Des edlen Hussen heil'gen Staub
Und blies ihn nach allen vier Winden;
An keinem Ort —
Wie Kaisers Wort —
Sollt' er sein's Bleibens finden!
Doch Vöglein kamen allerhand
Geschäftig hergeflogen,
Sie wuschen rein an Sees Strand
Die Flüglein in den Wogen,
Und stahlen treu des Märt'rers Staub
Und trugen treu den edlen Raub
Nach Böheim unter den Flügeln.
Sie luden ihn ab
In ein großes Grab,
Umschanzt von Wäldern und Hügeln.
Wo ist das Grab, wo er Ruhe fand,
Wer kann die Stätte mir nennen?
Es ist das ganze Böheimer Land,
An Grabes Ruh' zu kennen.
Ja, Freiheit ist zu Grab gebracht;
Da kam eine linde Maien-Nacht,
Recht gut zur Leichenfeier,
Manch Knösplein stand
Im Böhmerland,
Und seine Blüt' ward teuer.
Manch Knösplein schwoll, von Rache schwoll's,
Der Lenz hat's aufgeschlossen;
Er heischte gültig seines Zoll's,
Tat auf die blut'gen Sprossen.
Und Rache wuchs all überall,
Sie wuchs als dichter Blütenwall
Rings um des Landes Marken;
Gezeugt von Mut,
Geboren von Wut,
Und Blut macht sie erstarken.
Des Kaisers Wort war leeres Stroh,
Vollkörnig war die Rache;
Wohl manch ein Brand schlug lichterloh
Als Leichenfeuer und Wache.
Und mitten in dem Flammen-Ring,
Der treu das Böhmerland umfing,
Saß Freiheit zu Gerichte,
'ne Keule schwer
Traf gut umher
Im feisten Glatzen-Gezüchte.
Wie mancher Purpur wurde bleich,
Bepurpurt mancher Bleiche;
Das tat der Keule sichrer Streich
Weit um im Böhmer-Reiche;
Und manche Kebse weinte viel,
Weil mancher Kebse Rotstrumpf fiel.
Kein Heiliger kam zu retten.
Doch Gottes Wort,
Das lebte fort,
Das geht nicht unter in Ketten!
Und als man schlug die Prager Schlacht,
Schlug man das Volk zu Schanden,
Schlug zu der Freiheit Sarg bei Nacht,
Schlug fest den Leib in Banden.
O Böhmer-Land, du armes Land,
Ein Aschenhügel nach dem Brand,
Ein Grab bleibst du beständig.
Dein Volk ist tot,
Dein Klang ein Spott,
Doch Gottes Wort bleibt lebendig.
Der Wildschütz
Der Wildschütz sitzt und rastet
Im Wald, gestützt aufs Rohr.
"Nun, Jäger, ihr verpaßtet
Auch heut' mich, wie zuvor."
Er spricht's, die Pfeif' im Munde,
Und schlägt sich Feuer an;
Viel Meilen in der Runde
Ist das der kühnste Mann.
Er bläst den Rauch in Ringen,
Denkt, wie er Wildschütz ward.
"Herr Gott, sie selber zwingen
Uns selbst zum Widerpart.
Geht's über Land und Acker
Mit Grafenhunden her,
Nun denn, hochedle Placker,
Da greift man zum Gewehr.
Habt ihr das Wild im Wappen,
Ich hab's in Kraut und Korn;
Jagt ihr auf stolzen Rappen, —
Vergeltung ist mein Sporn.
Bricht mir durch Zaun und Graben
Eu'r Wild in Flur und Feld,
Muß ich den Preis doch haben
Und hol' mir selbst Entgelt."
So sitzt im kühnen Trutzen
Am Buchenstamm er da,
Besieht sich seinen Stutzen,
Und sagt: "Kein Feind ist nah.
Du meiner Notwehr Stütze,
Du Schutz für meinen Trutz,
O braucht' ich freier Schütze
Doch nimmer deinen Schutz."
Er spricht's, zieht aus der Tasche
Das Brot, — ein Trunk dazu
Aus strohumflocht'ner Flasche, —
Das schmeckt! Rings tiefe Ruh'! —
Horch! hat's nicht dort gerauschet
Im Busch? Das ist kein Wild.
Der Wildschütz späht und lauschet;
Jetzt tönt's vom Busch: "Es gilt!"
Der längst auf jedem Pfade,
Wie's streng der Graf gebot,
Ihm folgt, ruft: "Nichts von Gnade,
Der Graf will deinen Tod!"
Sein Jäger in den Zweigen
Zielt scharf und trifft gar gut;
Heut wird der Preis sein eigen
Für des Wilderers rotes Blut.
Des Jägers Kugel findet
Den Weg grad nach der Brust;
Der Wildschütz stürzt, doch windet
Er rasch sich auf mit Lust.
Er hat im heißen Grimme
Den Arm hoch ausgestreckt
Und ruft mit starker Stimme:
"Weißt du, wer mich gedeckt?
Ein Buch trug ich am Herzen,
Das Buch mit Gottes Wort,
Mein Trost in Not und Schmerzen,
Das war auch jetzt mein Hort.
All Leids und Tods gewärtig,
Hab' ich doch einen Schild.
Wohlan! Nun mach' dich fertig!
Nun Schuß für Schuß! Es gilt!"
Funkelnd das Aug', so legt er
Die Büchs' an seine Wang',
Der Finger zuckt, anschlägt er
Im heißen Rachedrang.
Da sinkt ihm aus den Händen
Der Stutzen in das Moos;
Wie? kann er's nicht vollenden?
Dasteht er regungslos.
Starr blickt er auf den Ginster,
Zum Jäger dann und spricht,
Aufatmend leicht, doch finster:
"Geh hin, dich töt' ich nicht.
Mein Retter, im Herzen find' er
Sein Wort, das alles kann.
Geh, Mensch! Du hast sechs Kinder.
Ich bin ein einzler Mann."
An die Dichter
aus
dem Flamändischen des A. de Laet
Den Auftrag, Dichter, hat euch Gott gegeben,
Des Volkes Leiche wieder zu beleben,
Dem Heiland gleich, der Lazarum erweckt.
Vom Leichentuch befreiet diesen Toten,
Mit warmem Hauch beseelt ihn! Auf vom Boden!
Stark steh' er da, wie einst! Noch heut sind Ehren
Für ihn zu pflücken, herrlich soll sich mehren
Sein frisch Geschlecht, stolz, frei und unbefleckt. —
Ein hohes Werk! Herolde braucht's, zu deuten
Den Geist des Herrn, voll seiner Kraft. — Den Lohn
Vernehmt zugleich! All euer Vorwärtsschreiten,
Die blöde Menge lohnt es euch — mit Hohn!
Ihr aber sollt das Volk vom Wüstensande,
Wie Moses, führen zum gelobten Lande;
Ihr seht dies wohl, doch ihr betretet's nicht.
Euch wird der Lohn an anderm Ort. Enthoben
Der Erde, leuchtet ihr am Himmel droben,
Wie der Prophet auffuhr im Flammenlicht!
Zum Bilde meiner Frau
Gott hat dich mir gegeben,
Der über mir gewacht,
Als mir das helle Leben
Nur schien die trübste Nacht.
Und als uns Beiden kamen
Viel Nächte ohne Stern,
Warst du, lieb Weib, das Amen
All meines Fleh'ns zum Herrn.
Oft sah ich dies gesenkte,
Dies liebe Aug' mir an,
Und sprach dann: "Gott, der's lenkte
Hat Alles wohlgetan."
Du liebster Freund vor allen
Auf Gottes weiter Welt,
So laß uns drauf noch wallen,
So lang' es Ihm gefällt!
So laß allbeid' uns bauen
Auf Den, der dich mir gab,
Und, winkt Er, — mit Vertrauen
Auf Ihn, — zu Ihm, durch's Grab!
In Freiligrath's Album
1844
Das junge Reis noch auf den Hut,
Den Wanderstab zur Hand!
Und nun frischauf mit gutem Mut
Zu dir, mein Heimatland!
Mir ist's, als lockten süß und traut
Mich tausend Stimmen dort;
Und ist's doch nur ein einz'ger Laut,
Ein einzig Mutterwort.
Den Becher hoch! Und noch einmal
Schenk', liebes Weib, mir ein!
O Waldeshöh', o sonnig Tal,
Euch gilt's und dir, o Rhein!
O sei gesegnet immerdar
Mit Reben und mit Recht!
Gewaltig, schön, wie du, und klar,
Sei dort ein frei Geschlecht!
Der dich so oft am Felsenhang
Belauscht, und Gottes voll
Zum Wellenschlag den Freiheitssang
Anstimmt in Lieb' und Groll, —
Nicht länger träumt er manche Nacht
Am Rhein den Dichtertraum;
Bald hält er wieder Geusenwacht
Hoch auf der Düne Saum.
Glück auf, Poet, wo Du auch bist,
Am Meerstrand, wie am Rhein;
Dein Zeichen bleibt der deutsche Geist,
Drin wirst du Sieger sein!
Laß rauschen stark wie Wellenschlag
Die Lieder fort und fort;
Wie Well' an Well' strömt Tag an Tag,
Bis Tat wird unser Wort.
So Gott mit uns! — Wohin wir geh'n,
Getrennt sind wir doch nie!
Ein Banner ist's, für das wir steh'n,
Freiheit und Poesie!
Den Blick hinan, das Weib an's Herz
Gepreßt, das Gott uns gab, —
Schlag ein! — Getreu in Freud', in Schmerz!
Und nun — den Wanderstab!
Waldmärchen
Frühling 1844
Im Wald, im Wald
Das schallt und hallt,
Das lockt und ruft
Aus schwankenden Wipfeln, drüber hoch in der Luft,
In den dunklen Büschen und Sträuchen!
O ihr Vöglein, ihr tausend Waldvögelein all',
O könnt ihr mit weckendem, werbendem Schall,
Mit Singen und Klingen, mit Jauchzen und Schmettern,
Beim Sausen in Wipfeln, beim Rauschen von Blättern,
Noch immer den Zauber nicht scheuchen?
Der Einsiedel mit dem langen Bart,
Der schläft in der finsteren Klause;
Sein Kissen ein Stein, sein Lager gar hart,
Kein Tisch und kein Stuhl in dem Hause,
Nur ein Buch, umschlossen von eisernem Band,
Und ein Schwert in der Scheide hängt drin an der Wand:
Das ist mir ein seltsam Gerät!
Keine Küch' und kein Keller,
Kein Becher, kein Teller,
Das ganze Jahr fasten,
O weh, wer, zu gasten,
Vor der öden verzauberten Zelle steht!
Wer sagt mir, wie das so gekommen, und wann,
Mit dem Klausner und mit seiner Zelle?
Da guckt mich der Buchfink treuherzig an
Und erzählt mir's, der kluge Geselle.
Das kommt vom Harren und Hoffen,
So hat mir der Buchfink gesagt;
Einst stand die Pforte weit offen,
Und der Mann trat heraus unverzagt,
Und gerauscht haben alle die Blätter
Des Buchs, und gebebt hat der Wald,
Und geblitzt hat das Schwert wie im Wetter;
Doch vergangen ist alles gar bald.
Denn, der's so gewaltig geschwungen,
Der sah, daß er doch nichts errungen,
So fest er auch stand im Gefecht. —
Was hat er denn wollen erringen? —
Da schüttelt der Buchfink die Schwingen
Und schmettert: Die Freiheit, das Recht.
Und also erzählt er mir weiter: Gib Acht!
Nun kam einst und riet ihm der Schuhu bei Nacht,
Er sollt' es versuchen mit Beten,
Mit Beten und Hoffen, das hülfe gar oft;
So hat denn der Mann auf das Beten gehofft
Und die Füße nicht wund sich getreten.
Und über dem immerdar Hoffen und Beten,
Da ist er denn endlich eingenickt,
Und schläft nun, der Klausner, so lang', so lang',
Ob die liebe Sonne auch Tag für Tag
Ihre Strahlen auf treuen Botengang
Durch Dick und Dünn, durch Busch und Hag
Nach dem Mann mit dem Schwert und dem Buche schickt.
Nun träumt er davon, wenn die Bäume wandeln,
Dann (träumt er) dann würd' er sich heben vom Knie'n,
Dann (träumt er) dann wär' es erst Zeit zu handeln,
Dann (träumt er) er werd' aus der Zelle zieh'n.
Dann und nicht eher?
Ohne Rast
Schlägt der Häher
Mahnend auf dem Tannenast,
Der Kuckuck ruft die Jahre aus;
Wann verläßt der Einsiedel sein finstres Haus?
Der Specht zählt nach
Und pickt und klopft,
Ob er noch nicht wach!
Jede Ritze verstopft,
Überwachsen mit Moos das Schlüsselloch,
Auf den blinden Scheiben der Eppich kroch,
Die Ameisen ziehen die Wälle ringsum.
O was für ein Leben,
Ein Wandeln und Weben,
Und der Einsiede! drinnen so totenstumm!
Er muß wohl verwünscht und verzaubert sein;
Wie währte sein Schlaf in den Lenz wohl hinein?
Ich weckt' ihn wohl gerne, doch vermag ich es nicht.
Am End' schläft er gar bis zum jüngsten Gericht?
Und all' die Lebendigen fragen ihn dann:
Was hast du getan, du geruhsamer Mann?
Dann sagt er (und hofft auf Vergebung wohl gar):
Ich habe gekniet, bis erblichen mein Haar,
Ich habe gebetet und schlief dabei ein,
Und ich träumte von sonnigen Tagen.
Nun wird's der verheißene Tag wohl sein,
Nun hat wohl die Stunde geschlagen?
Aber die Lebenden alle, die kennen ihn nicht.
Sie sagen's dem Ärmsten in's Angesicht:
Längst schlug sie ja schon; längst ist sie dahin,
Du hast sie vor Harren versäumt;
Dein Beten, — du hast des keinen Gewinn,
Und das Leben, das hast du verträumt.
O Vöglein, ihr Vöglein, so schlagt mit den Schwingen,
So schlagt an die Siedlerglocke mit Macht;
So erhebt ein gewaltig vielstimmiges Singen,
Bis daß auch der Klausner aus Träumen erwacht.
So brechet, ihr Quellen, durch Moos und Gestein
Bis dicht an die Zelle und brauset hinein,
Und ihr Eichen, rauscht wie zur Hermannsschlacht,
Und du Eisen klinge aus tiefem Schacht
Das Herz bewegend herauf, herauf,
Und klinge: Wach' auf, o wach' auf!
Wie aber lautet die rechte Weise? —
Horch, ganz leise, o wie leise
Tönt sie eben aus der Zelle,
Jetzo lauter schon und helle,
Jetzt so stark wie Sturmesweh'n.
Ha, wie die Eichen,
So fest sie im deutschen Grunde steh'n,
Dem Zauber weichen!
Wie die Quellen
Zu Strömen anschwellen!
Ringsum ein Zittern
Wie von Gewittern;
In Splittern
Die Scheiben, weitaufgetan
Der Klause Tor.
Er tritt hervor.
Das ist kein Greis, das ist ein Mann,
Der hebt das Schwert, der hebt das Buch,
Das aufgeschlag'ne, daraus der Spruch
Befreiend tönet,
Daß Fels und Herz davon erdröhnet.
Kräftereich,
Göttergleich
Schreitet er aus dem verwünschten Haus.
Wohin? Was wird er beginnen und wagen?
Waldmärchen ist aus.
Die Wahrheit wird er selber sagen!
Klage einer
verlorenen Seele 1
Sagenhaft
Ich fliege ohne Ruh'
Und zähle die Sekunden;
Sie wachsen immerzu
Und werden nie zu Stunden!
Ich fliege hin und her
Und hab' kein Ziel gefunden!
Frei werd' ich, doch noch mehr
Bin ich seitdem gebunden!
O gönnt dem Leib die Rast
Im kühlen Grab hienieden!
Die arme Seele laßt
Eingeh'n zum ew'gen Frieden!
O denkt, wie Euch's zu Mut
Auf langen Wanderwegen,
Des heim'schen Herdes Glut
Strahlt Euch von fern entgegen,
Durch's Fenster scheint ein Licht,
Nun meint ihr nicht zu fehlen.
O so vergeßt auch nicht
Armer verlorner Seelen!
Sie flattern sehnsuchtsschwer
Umher auf öden Heiden,
Wohl winkt die Heimat her,
Und müssen sie doch meiden!
Wie mög't ihr wandernssatt
Auf weichen Kissen liegen!
Die arme Seel' muß, matt
Vom Flug, noch immer fliegen!
Klage einer
verlorenen Seele 2
Wirklichkeit
Ich fliege hin und her
Mit den barmherz'gen Winden,
Ich fliege Kreuz und Quer,
Kann keine Heimat finden.
Es schwindet Tag um Tag,
Es schwindet Woch' um Woche,
Kein Herz mir auftun mag,
So viel, so laut ich poche.
In allem eurem Schmerz,
All eurem Freudenwahne —
Versteht kein deutsches Herz,
Was ich begehr' und mahne?
Schließt mir nicht eins sich auf?
Muß ich noch immer wandern
Im heimatlosen Lauf
Vom deutschen Volk zum andern?
O, deine Seel' bin ich!
Wohl ward dein Leib geschlagen!
Gern säh' ich festiglich
Dich neuen Lebens ragen!
Gern kehrt' ich in dich ein
Und regte dir die Glieder,
Solltest mir aufrecht sein,
Lagst allzulang' darnieder!
Ihr Herzen allzumal,
Wie lang' noch soll's so währen,
Bis euch durch eigne Wahl
Die Seel' wird wiederkehren?
Die Seel', das freie Wort,
Schweift heimatlos auf Erden,
Schickt ihr sie wieder fort,
Wo soll erlös't sie werden?
Wenn ihr sie nicht erlös't,
Sie flieht euch in alle Weiten;
Wenn ihr sie jetzt verstößt,
Weh' euch für alle Zeiten!
Euch ist dann keine Zeit
Und der Gewalt kein Riegel,
Und es drückt die Ewigkeit
Auf eure Schmach ihr Siegel!
Der Löwe im Wappen
1845
Trüb geh' ich durch die Straßen,
Das Herz von Sorgen bang:
Wird Gott sein Volk verlassen
In Feindes List und Drang?
Soll denn kein Bollwerk halten?
Zieh'n ein mit offnem Paß
In Deutschland die Gewalten
Der Nacht, Wahn, Zwietracht, Haß?
Wo jetzt auf Markt und Plätzen
Noch froh' Gewerb sich regt,
Tobt einst vielleicht Entsetzen,
Und dort die Glocke schlägt
Signal zum Glaubenskriege;
Ach, kämpft ihn einst als Mann
Das Kind hier in der Wiege,
Das heut' nur lächeln kann?
So schreit' ich, ganz verloren
In Sorg' und fast verzagt,
Bis hin, wo neu geboren
Die alte Kirche ragt.
Das Haus, drin Christi Lehre
Aus heil'gen Schriften rauscht,
Und nicht um eitle Mähre
Den Geist des Herrn man tauscht.
Die alten Mauern heben
Sich stark im frischen Glanz,
Die alten Pfeiler streben
Am neuen Fensterkranz;
Doch sieh: auf blankem Grunde
Ein altersgrauer Stein!
Ein Leu im Wappenrunde!
Schaut wie ein Wächter drein.
Wohlauf! ein gutes Zeichen:
Am Kirchenpfeiler treu
Über den, Fürstenleichen
Der mannhaft trutz'ge Leu!
Mir ist's, als sei das eben
Des Zeichens Kern und Mark:
Daß Fürsten heut' noch leben,
Wie Pfeiler hoch und stark.
Mir ist's, als müßt' ich sprechen:
Du edler, kräft'ger Leu,
Wenn alle Pfeiler brechen,
Stehst du in guter Treu'!
Wenn unter bunten Ranken
Die Schlang' in's Land sich schlich,
Hebst du die mächt'gen Pranken,
Und triffst sie sicherlich.
Steh' fest in ungeschwächter
Trutzkraft, aufrecht das Haupt,
Ein starker Hort und Wächter
Für's Volk, das treulich glaubt,
Das treulich hält am Wahren,
Am Geist und seinem Recht,
Und Treu' wird offenbaren,
Gält's einst ein ernst Gefecht.
Das schafft in schlimmen Zeiten
Fürwahr noch guten Mut:
Der Leu wird fürstlich streiten
Für unser höchstes Gut,
Daß fest und stark mag stehen
Die Kirch' auf Gottes Wort!
Drum, wie die Winde wehen,
Du Leu', zum Ziele fort!
Kreuzfahrt
Februar 1845
Gott will's! das heil'ge Land
Auszieh'n wir zu gewinnen!
Gott schützt mit starker Hand,
Was wir durch Ihn beginnen.
Wir stehen treu vereint
Entgegen einem Feind,
Der uns das heil'ge Land
Mit List und Macht entwand,
Wir müssen's durch Treu' gewinnen.
Ein heil'ges Land, das sei's
Jedem, der mit will streiten
Für deutschen Namens Preis;
Drum sucht es nicht im Weiten!
Wem drauf die Wiege stand,
Dem ist's das heil'ge Land,
Der setzt sein Leben ein,
Daß es soll herrlich sein
Vor allen zu allen Zeiten!
Kein heil'ges Grab ist Ziel;
Das Ziel heißt: heil'ges Leben!
Wer kühn im Kampfe fiel,
Stirbt nicht, weil wir nicht beben.
Trutz Tod und Grab und Nacht!
Dem Licht sein Recht gebracht!
Knechtschaft in Nacht versenkt!
Das Licht, das all' uns tränkt,
Leucht' uns im Tod zum Leben!
So hebt die Fahn' und stellt
Euch Herz an Herz zum Reigen!
Dies Land ist unsre Welt,
Ist unser heilig Eigen.
Glückselig, wer drum ficht!
Glückselig sei's durch's Licht!
Frei in der Herrlichkeit
Des Geist's für alle Zeit,
So soll's der Welt sich zeigen!
Lieb' und Licht!
März
1845
Du, der jed' Herz ergründet,
Und all' die Welten lenkt,
Du, den das Licht verkündet,
Das deine Gnad' uns schenkt,
O Herr, du Geist der Geister,
Du aller Kräfte Kraft,
Du bist des Werkes Meister,
An dem dein Volk jetzt schafft.
Von dir kommt alle Weihe,
Durch dich nur ist Bestand.
Gib, Herr, daß es gedeihe,
Dein Werk im Vaterland!
Stärk uns durch deine Stärke,
Wie wir durch dich erwacht,
Bis wir das Werk der Werke,
Das Werk des Lichts vollbracht!
Will Einer fast verschmachten,
Bedrängt bis in den Tod,
Will Einen fast umnachten
Die bittre Zweifelsnot,
Dem laß im Herzen quillen
Dein Licht zur Labung dann,
Daß er mit festem Willen
Steht als ein frischer Mann!
Lieb' ist, o Herr, dein Wesen,
Lieb' lebt in Wahrheit nur,
Das lässest du uns lesen
In jeder Kreatur!
Wahrheit und Lieb' sind Leben,
Und frei, ein Teil von dir,
So wollen wir erstreben
Ein Reich der Lieb' schon hier.
Drum laß, o Herr, nicht wanken
In uns die Kraft der Lieb',
Eins fest an's andre ranken,
Treu schützen Trieb den Trieb, —
Treu, wie sich deine Güte
Allewig uns erweis't,
Sich legen Blut' an Blüte
Und halten Geist durch Geist!
Herr, Samen du und Amen,
Ureig'nes Element,
O Herr, den aller Namen
Kein einz'ger würdig nennt,
Gib, daß die Namen schwinden,
Im ew'gen Wesen all',
Daß wir in Lieb' uns finden
Als deinem Widerhall.
Daß wir in Einem glühen,
In deines Lichtes Schein,
Daß wir in Einem blühen,
In deiner Lieb' allein!
Daß, wie wir uns auch nennen,
Dein Ruf zum Kranz uns flicht;
Daß wir uns stets erkennen
Im Zeichen: "Lieb' und Licht!"
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