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Frühlingslieder 1887

Vom 4. bis 21. April 1887 machte, die Kaiserin eine Rheumakur in den berühmten
Herkulesbädern von Mehadia bei Temesvár in den Südkarpathen. Beeindruckt von
der wildromantischen Berglandschaft am Fuße des Domogléd, am Ufer der Cserna,
schrieb sie, ihres Helden Achill gedenkend:

 

I.
Mehadia
La Dealul Csorics*
5. April 1887
 

Rosenrot erglänzt der Schnee
An des Domoglédes Wänden;
Wie ein glühendes Ade
Ihm die Sonnenstrahlen senden.

Dunkle Tannen, Pinien gleich,
Wiegt des Abendwindes Wehen,
Wo aus ihrem Felsenreich
In das tiefe Tal sie sehen.

Nacht ist langsam der Natur
Leise an die Brust gesunken;
Unten tanzt die Cserna nur,
Schaumbekränzt und frühlingstrunken.

Tiefblau ist das Firmament;
Und den dunkeln Saphirbogen,
Den der Mond heut' eigen nennt,
Hat er als Monarch bezogen.

Doch mir hat die stille Nacht
Auf des Lenzes lauen Schwingen
Den Geliebten hergebracht;
Herz, nun kannst du jubeln, singen!

Um dem hehren Bräutigam**
Duftig einen Kranz zu schlingen,
War's dass ich die Rosen nahm,
Die am Felsenschnee dort hingen;

Tannenzweige zwischendrein
Habe ich hineingewoben;
Und dem lichten Vollmondschein
Raubte Silber ich von oben.

Csernaperlen streut' ich drauf,
Die die Nixe mir erteilte,
Als sie just in schnellem Lauf,
Brausend mir vorübereilte.

Und ich werf den Kranz Dir zu,
Den die Liebe Dir gewunden,
Herrlicher und Hehrster Du!
Kaum erblickt und schon entschwunden.


*La Dealul Csorics — Csorich-Höhe 413 m hoch am
rechten Ufer der Cserna in der Nähe von Herkulesbad.
Ein Nebengipfel der Csorich-Höhe trug den Namen
"Elisabeth-Höhe", eine nahe Quelle "Elisabeth-Quelle".

**Hier ist ihr Lieblingsheld Achill gemeint.


Goldene Falter . . .
8. April.

Goldne Falter, goldne Grüße,
Die mein Bräutigam mir schickt,
Botschaft sind sie, wonnig süße,
Dass er mir nicht ferne liegt.

Ja, mir deucht, ich säh' das Funkeln
Seines Schildes im Gestein,
Wo sich zwischen Tannendunkeln
Spinnt der Sonne goldner Schein.

Goldne Falter, traget Grüße
Dem Geliebten mir zurück!
Fragt, wie lang ich warten müsse,
Bis uns einigt das Geschick.

Kuckucks Lied
Gründonnerstag

Grüß Gott, Kuckuck, aus voller Brust!
Gleich dir zieht mich die Frühlingslust
Hinaus in grüne Wälder!
Auch ich bin heimatlos wie du,
Auch ich such' nur die tiefste Ruh',
Und du bist mir ihr Melder!

Traf ich dich nicht von ungefähr
Am Neckarstrand, zwei Jahr sind's her,
Beim Königstuhl im Walde?
Von wo das teure Badner Land
Sich präsentiert im Brautgewand,
Und Bier kredenzt der Alte.

Die wilde Taube, so kokett,
Hat damals dir den Kopf verdreht,
Nun ist's wohl längst vorüber.
Ja, Kuckuck, wie ich früher meint',
S'ist Sympathie, die uns vereint,
Doch besser "Schwamm darüber".

Den letzten Lenz hab' ich verträumt
Im Schwarzwald und auch dort gereimt
Und Frühlingslust gesungen;
Am Korbmattfelsen stand ich just,
Da hat aus deiner falschen Brust
"Kuckuck" so treu geklungen.

Wir kennen uns seit manchem Jahr,
Die alte Fabel dünkt fast wahr,
Man könne sich verjüngen.
Doch hast du mich auch oft belauscht,
Mein Freund, davon wird nicht geplauscht,
Man schweigt von derlei Dingen.

Auferstehung

Auferstehung in dem Tale
Kündet an mit frohem Schalle
Der Kapelle Festgeläut.
Kecke Cserna. kannst du's ahnen?
Wisst ihr's wohl, ihr ernsten Tannen,
Und ihr Felsen, weißbeschneit?

In der dunkelnden Kapelle
An der allerheil'gsten Stelle
Schmücken Lichter den Altar.
"Tantum Ergo" singt der Priester,
Und den Himmelsegen gießt er
Über unsre kleine Schar.

Doch jetzt brummen wilde Töne.
Und zwei heisre Urwaldsöhne
Bilden Chor aus zott'ger Brust;
Ja, sie johlten wie die Bären,
Und ich könnt' mich nicht erwehren,
Dass ich heimlich lachen musst'.

Simbota Marre*
Osternacht

In der stillen Osternacht,
Wenn in Vollmondsilberstrahlen
Cserna's Nixe tanzt und lacht,
Wo die Wasser rauschend fallen;

Wenn geheimnisvoll sie winkt,
Deutend auf die grünen Fluten,
Wie der Mondschein drauf erblinkt
Und sie schäumend fort sich sputen,

Dann nah' ich des Flusses Rand
Lange vor dem Morgengrauen;
Und nach Osten hingewandt,
Darf ich regungslos nur schauen.

Doch die Nixe schöpft das Nass,
Und aus ihren weißen Händen
Fließt es ohne Unterlass,
Schönheit, Jugend mir zu spenden.

Von dem Haupte rinnt und quillt
Sprühend mir der Silberregen,
Und die Nixe, wohl gewillt,
Gibt dazu noch ihren Segen.

Leise, dass sie kaum es hört,
Sprech' ich jene Zauberworte,
Die die Nixe mich gelehrt,
Heimlich erst an diesem Orte.

Nixe, was du zugesagt,
Sollt' es in Erfüllung gehen,
Wird die nächste Osternacht
Wieder hier bei dir mich sehen.

*Simbota Mare, rumänisch: Karsamstag

Nur die Katzen

Zaubrisch schön bist du Mehadia,
Von des Südens Duft behaucht,
Mit den schneebedeckten Felsen,
In das Himmelsblau getaucht.
Nur die Katzen, ach! die Katzen,
Die sind schrecklich hier im Tal!

Steh' ich auf der Csorics Höhe,
Grüne Wälder um mich her,
Glänzt der Cornerev von ferne
Schier, als ob er Silber wär'.
Nur die Katzen, ach! die Katzen,
Die sind schrecklich hier im Tal!

Und es rauscht und braust die Cserna,
Wie sie über Felsen bricht,
Während auf dem weißen Schaume
Goldig hüpft das Sonnenlicht.
Nur die Katzen, ach! die Katzen,
Die sind schrecklich hier im Tal!

Gegen Westen liegt ein Dörflein,
Wo der Fluss vorüber tanzt,
Zwischen steilen grünen Matten
Und dem Weingebirg verschanzt.
Nur die Katzen, ach! die Katzen,
Die sind schrecklich hier im Tal!

Drüber zieht in Wellenlinien
Duftig blaue Bergcontour;
Würdig dieses Bild beschreiben,
Ach! ein Künstler könnt' es nur!
Doch die Katzen, ja die Katzen,
Die sind schrecklich hier im Tal!

Schon die ersten Sonnenstrahlen
Grüße ich von dieser Höh';
Abends eil' ich, dass die letzten
Hier ich wieder schwinden seh'.
Nur die Katzen, ach! die Katzen,
Die sind schrecklich hier im Tal!

Sinke ich, vom langen Wandern
Endlich müd', in Morpheus' Schoß,
Ist die wohlverdiente Ruhe
Kurze Illusion hier bloß;
Denn die Katzen, ach! die Katzen,
Die sind schrecklich hier im Tal!

Leise kommen sie geschlichen
An mein Fenster jede Nacht,
Um dort laut zu musicieren,
Bis verzweifelt ich erwacht.
Ach! die Katzen, ja, die Katzen,
Die sind schrecklich hier im Tal!

Wünsch' zum Kuckuck ich verliebte
Menschen schon, wenn sie mir nah',
So zum Teufel die verliebten
Katzen von Mehadia!
Ja die Katzen, ach! die Katzen,
Die sind schrecklich hier im Tal!

Salamander-Lied

Hat der erste Salamander
Dieses Jahr mich heut' begrüßt;
War vor Freuden auseinander,
Hab ihn dreimal auch geküsst.

Während ich zur Felsenzelle
Ihm noch schenkte mein Geleit',
Bat ich, dass er mir erzähle
All' des Tales Neuigkeit.

Dann gab ich ihm wieder Kunde
Von des Zauberberges Pracht,
Wo mit Salamandern Stunden
Froher Zeit ich oft verbracht.

Eh' wir schieden, warnt er wichtig
Mich vor bösen Schlangen noch;
Dies Gezücht stets hauste giftig
Dort, wo es nach Schwefel roch.

Eidechsen gäb's hier sehr große,
Wie man sie am Nil auch sieht,
Oben grün und gelb am Schoße
Und von harmlosem Gemüt.

Ja, es sei'n auch manche drunter,
Wunderbar und hochgelehrt,
Dass im Altertum mitunter
Sie als heilig man verehrt'.

Sprach ich drauf: "So sinds Bekannte,
Die mein teurer Meister mir
Kürzlich erst erzählend nannte,
Und nun treffe ich sie hier.

Als zu Fuß er einst gewandelt
Durchs Gebirg nach Luccas Bad,
Hat mit ihnen er verhandelt,
Gaben ihm manch' guten Rat."

Auch vor kleinen Skorpionen
Warnte mich mein schwarzer Freund
Diese dürft' ich nimmer schonen,
Hätten stets es schlecht gemeint.

An die fernen Stammeskinder
Sandt' er schließlich seinen Gruß;
Nach dem langen Hochlandswinter
Mög' erfreu'n sie Lenzgenuss.

"Deinen Auftrag zu entrichten,
Bin ich augenblicks bereit;
In die höchsten Luftesschichten
Heb' ich mich mit Leichtigkeit.

Morgen, lang vor Tagesgrauen,
Braus' ich durch die Lüfte fort;
Und schon abends werd' ich schauen
Meines Zauberberges Hort.

Weiß erglänzen seine Rosen**
Silbern strahlt im Mond der Schnee,
Und die Erikas, die losen,
Wuchern wild um seine Höh'.

**Schneerosen

Meine lieben Salamander,
Meine Freunde, rufe ich,
Und sie kommen nacheinander
Aus den Felsen rings um mich.

Ach! wie werden sie sich freuen
Und die schwarzen Schwänzlein dreh'n!
In den Äuglein, diesen treuen,
Werd' ich nur Willkommen seh'n.

Endlos muss ich dann erzählen,
Wie so hoch der Domogléd,
Von den weißen Wasserfällen
Und der Cserna, so kokett!

Von dem Osternacht-Geheimnis
Red' ich aber lieber nicht;
Der Erfüllung bringt es Säumnis
Wenn man's öffentlich bespricht."

Doch nun richt' ich mir zur Reise
Meine Schwingen her zumal;
Bin dann wieder gleicherweise
Bald zurück im Zaubertal.

Ich ging so in Gedanken . . .

Ich ging so in Gedanken
Den Waldespfad entlang;
Die Nachtigallen sangen,
Des Kuckucks Ruf erklang.

Jetzt pflückt' ich Anemonen,
Die an dem Abhang blüh'n;
Dann späht' ich in die Kronen
Des Walds nach jungem Grün.

Da plötzlich blieb ich stehen;
Am Wege lag der Tod,
Gar grausig anzusehen,
Wie er mir tückisch droht.

Es ist die gift'ge Schlange,
Die tief im Schwefel wohnt,
Und sich heut', grau und lange,
Im warmen Lichte sonnt.

Die Basiliskenaugen
Glitzern in kalter Ruh';
Als wollt' in Blut sie's tauchen,
Winkt mir ihr Zünglein zu.

O weiser Salamander!
Ich hab' Dir Dank gezollt
Und flink mich und gewandter,
Denn je, davongetrollt.


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