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Der ersten Rose schneller Tod
Weckt deiner Tränen Lauf;
Doch sieh! wo deine Träne fiel,
Blühn — neue Rosen auf!
 

II.
Zweite Liebe

 

Wie soll ich liebend dich umfassen
Ein Pilger zog nach Jerusalem
Es wird, wer heuer nicht recht klug
Warum auch zweite Liebe
Schönste, darf mit stillen Wünschen
Wenn die Stern' am Himmel blinken
Durch der Seele Tiefen klingend
Ich wollt ja gern der Eure werden
Ich hab' eine alte Muhme
Gesät hab' ich meine Freude
Mädchen, sahst Du jüngst mich weinen
Von den alten Heimatbergen
Ei, welch wundervoller Strauß
Die Freude regt ihr Lenzgefieder
Es segelt sanft auf Silberwogen

 


                           I.

Wie soll ich liebend dich umfassen

Wie soll ich liebend dich umfassen
Und glauben, was Dein Mund verspricht,
Da treulos Du selbst die verlassen,
Die einst Dein Leben, Lied und Licht? —
><
Wohl hieß mein Licht sie, Lied und Leben,
Wie damals lüg' ich jetzt auch nicht:
Drum ruf ich kühn, du bist mir werter,
Als all mein Leben, Lied und Licht. —
><
Dem Tag' hast Du ihr Aug verglichen,
Ihr Haar den Sonnenstrahlen mild;
Ei ist's schon Deinem Sinn entwichen,
Daß Sonn' und Tag der Treue Bild?
><
Der Nacht vergleich' ich Deine Locken,
Dein Aug dem Mond' in nächt'ger Luft:
Ei, sollt' ich's Dir wohl erst noch sagen,
Daß Nacht und Mond zur Liebe ruft?
><
Und schwurst du nicht, eh' zu erbleichen,
Als Dich zu wenden je von ihr?
Drum gingst du mir längst zu den Leichen,
Drum, toter Mann, hinweg von mir!
><
Wohl schien ich selbst mir ein Begrab'ner,
Der längst schon unterm Rasen schlief;
Du wecktest mich, ein milder Engel,
Der mich zurück ins Leben rief.


                           II.

Ein Pilger zog nach Jerusalem

Ein Pilger zog nach Jerusalem,
     Da sah er ein großes Dorf;
Er glaubte dies sei Jerusalem,
     Und zog in das große Dorf.
><
Er blieb, denn ihm gefiel es gar wohl,
     Er wähnt sich am rechten Ort;
Doch als sein Irrtum ihm wurde kund.
     Da zog er gleich wieder fort.
><
Der Pilger, der lebt noch heut zu Tag,
     Du siehst, ich meine mich;
Doch, wo mein Jerusalem ich fand? —
     Das weißt Du so gut als ich.


                           III.

Es wird, wer heuer nicht recht klug

Es wird, wer heuer nicht recht klug,
     Auf's Jahr vielleicht gescheiter;
Gefällt's Dir nicht in diesem Land,
     Ei wandere nur weiter!
Zum zweitenmal senkt nicht umsonst
     Sein Netz der Fischer nieder;
Und fällt die Axt nicht gleich den Stamm,
     Frisch auf und schwing sie wieder!
><
Es sprengt der erste Lenzblick nicht
     Der Wasser eis'ge Brücke,
Es schmilzt das weichste Herzchen nicht
     Beim ersten Liebesblicke;
Trifft Amors erster Pfeil nicht recht,
     Dann folgt ihm bald der zweite.
Und ob er trifft, und wie er trifft?
     Fragt alt' und junge Leute.

                           IV.

Warum auch zweite Liebe

Warum auch zweite Liebe
Noch stets mit bangem Mut,
Mit Angst uns füllt und Zweifeln,
Wie's kaum die erste tut? —
><
Seht! ein ergrauter Bergmann
Fährt in der Grube Nacht,
Und alle Weg' und Tritte
Kennt er im weiten Schacht.
><
Er, dem wie seine Hütte
Bekannt der Schacht längst ward,
Bekreuzt sich doch und betet
Bevor er wagt die Fahrt.

                           V.

Schönste, darf mit stillen Wünschen

Schönste, darf mit stillen Wünschen
Sich Dir nahen meine Liebe?
"Hoffen magst Du, Freund, denn Hoffnung
Ist die Sonne dieser Welt."
><
Wahr verglichen! meine Holde;
Hoffnung, traun, ist eine Sonne;
Denn wer stets zur Sonne blicket,
Schaut sich noch am Ende — blind.

                           VI.

Wenn die Stern' am Himmel blinken

Wenn die Stern' am Himmel blinken,
Wenn ihr Neigen nächtlich webt;
Künde treu mir, wo der erste,
Wo der Sterne letzter schwebt?
><
Wenn im regen Wogentanze
Welle mit der Welle tauscht,
O so zeig' mir, wo die erste,
Wo der Wellen letzte rauscht?
><
Und vermagst Du's, so enträts'le
Löse mir das Schwerste treu,
Wann nach Herzens Zeitenrechnung
Erst' und letzte Liebe sei?

                           VII.

Durch der Seele Tiefen klingend

Durch der Seele Tiefen klingend
      Weht in mir ein Harfenpaar,
Brausend tönt das Spiel der einen,
      Das der andern sanft und klar,
Zwei der Kräfte, die sich hassen,
      Geben ihnen Klang und Laut,
In den Saiten wühlet diese,
      Jene streift sie leis und traut.
><
Wie von Fels auf Felsbett stürzend
      Wild der Katarakt erdröhnt;
Wie wenn Donnerkeile rasen,
      Dumpf es durch die Bergschlucht stöhnt,
Wie der Sturz der fessellosen
      Schneelawin' im Tal verhallt,
Also auch die eine Harfe
      Mir im Busen dröhnend schallt.
><
Doch wie über Rosenhaine
      Zephyr haucht den Morgenkuß,
Wie aus fernen, fernen Welten
      Der Geliebten leiser Gruß,
Wie bei Nacht sich's still harmonisch
      In Cypressenwipfeln regt;
Tönt der andern Harfe Lispeln
      Zart von milder Kraft bewegt.
><
Lichtgestalten ziehn vor's Auge,
      Wenn die Eine tönend wallt —
Nachtgezeugte Schreckensfratzen,
      Wenn die Andre tobend schallt.
Hätte doch die beiden Kräfte
      Gleiches Streben hold vereint!
Aber ach, in wildem Grimme,
      Blieben sie sich ewig feind.
><
Bis zersprengt die letzte Saite,
      Bis die Harfen morscher Staub,
Bis der Seele Hallen klanglos,
      Und ich der Vernichtung Raub,
Bis das schwache Haus, in Trümmer
      Sinkend, einst zusammenbricht;
Dann befeinden sie sich nimmer,
      Aber ach! — sie tönen nicht.

                           VIII.

Ich wollt ja gern der Eure werden

Ich wollt' ja gern der Eure werden,
      Ihr Herrn mit Froschesblut,
Mit Euch am glühen Herd erstarren,
      Und frier'n an loher Glut,
Mit Eis den Busen überpanzern
      Das Herz erstarrt zu Eis,
Und Frost das Hirn und Frost der Busen,
      Erst noch so glühend heiß.
><
Doch sagt, ihr trägen Eisgestalten,
      O nennt mir eu'r Geschick,
Wenn euch im Frühlingsglanz belächelt
      Der Sonne warmer Blick?
Das Eis zerrinnt zu trübem Wasser,
      Auch ihr zerfließet so
Zu Wasser, dem Geschmack und Leben
      Dem Farb' und Geist entfloh.
><
Drum schmäht die Glut nicht, die im Busen
      Mir flammend eingekehrt;
Selbst Perl' und Diamant erborgen
      Von innrer Glut den Wert.
Sink' ich auch in mich selbst zusammen
      Ein glühender Vulkan,
Mag sein! wenn nur der Lieben Einer
      An mir sich wärmen kann.

                           IX.

Ich hab' eine alte Muhme

Ich hab' eine alte Muhme,
Die ein altes Büchlein hat,
Es liegt in dem alten Buche
Ein altes, dürres Blatt.
><
So dürr ist wohl auch die Hand schon,
Die ihr's im Lenz einst gepflückt. —
Was mag doch die Alte haben:
Sie weint, so oft sie's erblickt? —

                           X.

Gesät hab' ich meine Freude

Gesät hab' ich meine Freude
      Tief in die Erde hinein,
Doch weil sie zu tief, drum wollte
      Nur spärlich die Ernte gedeihn.
><
Hinauf an den höchsten der Sterne
      Geheftet hab' ich meinen Schmerz,
Doch weil er so hoch, drum fiel er
      Mir doppelt schwer nun auf's Herz.

                           XI.

Mädchen, sahst Du jüngst mich weinen

Mädchen, sahst Du jüngst mich weinen? —
Sieh' des Weibes Träne dünkt
Mir der klare Tau des Himmels,
Der in Blumenkelchen blinkt.
><
Ob die trübe Nacht ihn weinet,
Ob der Morgen lächelnd bringt,
Stets doch labt der Tau die Blume
Und ihr Haupt hebt sie verjüngt.
><
Doch des Mannes Träne gleichet
Edlem Harz aus Ostens Flur,
Tief in's Herz des Baums verschlossen.
Quillt's freiwillig selten nur.
><
Schneiden mußt Du in die Rinde
Bis zum Kern des Marks hinein,
Und das edle Naß entträufelt
Dann so golden, hell und rein.
><
Bald ist zwar der Born versieget,
Und der Baum grünt fort und treibt,
Und er grüßt noch manchen Frühling,
Doch der Schnitt, die Wunde — bleibt.
><
Mädchen, denk' des wunden Baumes,
In des Orients fernen Höh'n;
Mädchen, denke jenes Mannes,
Den Du weinen einst gesehn.

                           XII.

Von den alten Heimatbergen

Von den alten Heimatbergen,
Ihren Triften, See'n und Bächen,
Träumt ein armer Schweizersöldling
Fern auf Flanderns Nebelflächen.
><
Von des Segens goldnen Burgen,
Drauf der Freiheit Banner schwirren,
Träumt auf faulem Stroh der Sklave,
Bis ihn weckt der Kette Klirren.
><
Sitzend tief in kalter Felskluft,
Drein nie fiel ein Strahl der Liebe,
Einsam stets, träum' ich und singe
Mädchen, stets von Deiner Liebe.

                           XIII.

Ei, welch wundervoller Strauß

Ei, welch wundervoller Strauß
      Dir am Busen nicket!
Der Geliebten treue Hand
Hat als süßes Liebespfand
      Dir ihn wohl gepflücket?
><
"Ja, sie pflückt' ihn, sie hieß mich
      Ihn am Herzen tragen;
Doch als Liebespfand? — o nein!
Daß versteckt die Wunden sei'n,
      Die sie dort geschlagen."

                           XIV.

Die Freude regt ihr Lenzgefieder

Die Freude regt ihr Lenzgefieder
      Das Bächlein springt, das Veilchen blüht,
Es jubeln froh wohl tausend Lieder,
      Doch traurig tönt ein einzig Lied:
Wenn andre Kehlen freudig schlagen,
      Wenn rings erwacht der Jubelschall,
Stimmt bange Töne, süße Klagen
      Die liebeskranke Nachtigall.
><
So, ob mich Liebe gleich durchglühte,
      Ob auch Erfüllung mich nicht floh,
Ob Lust und Freude mich umblühte,
      Ward mein Gesang doch nimmer froh;
Selbst wenn mit holdem Lilienarme
      Mich Liebchen traut und warm umschlang,
Sang ich von süßem Liebesharme
      Zur Harfe, manchen Trauersang.

                           XV.

Es segelt sanft auf Silberwogen

Es segelt sanft auf Silberwogen
      Im Schneegewand der hehre Schwan,
Gesanglos ist er lang gezogen
      In stummer Lust auf seiner Bahn;
Jetzt da der Pfeil sein Herz durchdrungen,
      Da ihm der Tod im Busen glüht,
Was in der Freud' er nie gesungen,
      Er singt's im Schmerz: sein erstes Lied!
><
Und so, ob auch ein Kranz von Leiden
      Die Dornenarm' um's Herz mir schlang;
Singt doch mein Lied der Liebe Freuden,
      Der Liebe Lust bleibt mein Gesang;
Ob den Vernichtungskeim ich fühle,
      Ob todeswund auch meine Brust,
Ob mir der Pfeil im Herzen wühle,
      Im Schmerz sing' ich der Liebe Lust!