Sonne und Strom
Die Sonne liebt die blaue Flut, sie strahlt im schönen Strom
zurück;
Doch läßt darum sie nicht den Thron im blauen Himmelsdom zurück.
Ob auch sich Strom und Sonne liebt, die Sonne steht im ew'gen
Blau,
Ihr gold'nes Bild nur hält der Strom in seiner Tiefe fromm zurück.
Mein goldenes Glück
Mein gold'nes Glück, ich säh' dich gerne noch
Vor meinem Tod, doch du bist ferne noch!
Die schönste Blume, Liebe, die mein Herz
Ersehnt — sie liegt im Samenkerne noch.
Mit Tränen zu begießen diesen Kern,
Das ist's, was ich gelernt und lerne noch.
O wird sie mir daraus, die Blume, blüh'n?
Wird sie mir blüh'n auf diesem Sterne noch?
Mahnung
Hast Schwingen wie die Taube doch,
Was schleppst du dich im Staube noch?
Der Lenzsaal ist entriegelt,
Dich fesselt Winterglaube noch?
Die Knospen sind entsiegelt,
Du bist dem Frost zum Raube noch?
Dein Krug ist blank gespiegelt,
Dein Wein ist in der Traube noch?
Spielzeug
O laß, was scherzend ich gesagt,
Nicht ganz gesagt als Scherz sein!
Besieh' den Scherz, bevor du lachst,
Es wird ein tiefer Schmerz sein.
Besieh' dein Spielzeug, eh' du's brichst,
Es wird ein Dichterherz sein!
Ruhe
Nicht möglich, daß mein stürmisch Herz des Nachts bei so viel Tränen
entschläft,
So wenig als der rege Strom, gefurcht von hundert Kähnen
entschläft.
Doch legtest du die Hand nur drauf, da ruht' es wohl, und
schlummert still,
Wie in der Nacht ein dunkler See, bedeckt von Silberschwänen, entschläft.
Ich will ja nichts
O laß an deiner Seite mich, im Kreise deines Lichts!
Ich will ja fromm und ruhig sein — laß mich, ich will ja nichts;
An süß Gekose denk' ich nicht, an Druck der Hände nicht;
An einen Kuß — o nicht so fern! Laß mich, ich will ja nichts;
Laß ruh'n mein Haupt an deiner Brust; will ruh'n so zart, so rein,
Wie Schwanenfittig auf dem See — laß mich, ich will ja nichts;
Ich ford're ja nicht Liebe, nein! — was drückst du mir so streng
Des Haßes Pfeil in's tiefste Herz? Laß mich, ich will ja nichts!
Machtloser Unmut
Ich seufz' im Mondesstrahle, du schwebst im Glanze hin,
Und fliegst im goldnen Saale, gewiegt im Tanze hin!
Es faßt dich um die Hüften, es flattert dir am Arm,
Gesalbt mit Moschusdüften, ein glatter Schranze hin!
Wie faßt er dich so lüstern, wie faßt er dich so warm,
Und schielt mit leisem Flüstern nach deinem Kranze hin!
Und nun umschwirrt von Gecken dich schon ein ganzer Schwarm:
O flöge, sie zu schrecken, Odysseu's Lanze hin!
Der zähmt' einst schnöde Freier; doch machtlos schnellt der Harm
Des Dichters von der Leier des Zornes Stanze hin!
Wie, du liebst mich
nicht?
Wie, du liebst mich nicht, so sagst du? Alles ist nur Spaß
gewesen?
Spaß nur ist das traute Kosen, wenn ich bei dir saß, gewesen?
Welche Wunderdinge hör' ich? Doch es sei. Zufrieden bin ich,
Wenn auch nur zum Scherze lieblich meines Bechers Naß gewesen,
Wenn im Scherze nur die Rose mich erquickt mit Ambradüften,
Und im Scherz nur süß die Feige, die ich eben aß, gewesen.
O fürchte nichts
O fürchte nichts, ob auch die Zeit, in der wir leben, schal ist!
Meint ihr auf ewig sei dahin, was schön und ideal ist?
Ihr guten Seelen, tröstet euch, das Ideale stirbt nicht,
Und nicht so gar gefährlich ist, was euch so sehr zur Qual ist.
Wohl weiß ich es, daß tief, sehr tief der Ideale Kurs steht,
Und daß nach Kräften Jeglicher jetzt rund um uns real ist.
Ich leugne nicht, daß allenthalben Wertpapier und Aktie
Geschätzter und gesuchter jetzt, als einst der heil'ge Gral ist.
Ich glaube selbst, daß Jeglichem von uns Idealisten,
Um nächstens uns zu spießen dran, schon aufgepflanzt der Pfahl
ist.
Und dennoch mahn ich: Fürchtet nichts! Denn wisset, daß nicht
eher
Der Ideale Todestag in diesem ird'schen Tal ist,
Bis nicht verströmt auf immerdar der Duft der letzten Rose,
Bis nicht des Lenzes leicht' Gewand, statt grün und blumig, fahl
ist;
Nicht eher bis verhaucht das Lied der letzten Philomele,
Und bis der letzte, blühendste, der Rebenhügel kahl ist;
Nicht eher bis verblüht das Rot der letzten Purpurlippen,
Und in des letzten Mädchens Aug' verglüht der letzte Strahl ist.
Der Ideale Duft ensteigt der Blume des Realen,
Drum fürchtet nichts, so lang besetzt des Lebens goldnes Mal
ist!
Vision
Es ist nun einmal meine Lust, zu reimen und Silben zu klittern,
Bin allzusanft, mit Willen je ein Rosenblatt zu zerknittern;
Doch hab' ich närrische Stunden auch, wo mich ärgert der
blaue Tag,
Da lieg' ich sinnend im grünen Hag und horche nach fernen
Gewittern.
Da freut mich das Geklimper nicht, da häng' ich die Harf' an die
Wand,
Und wandle hinter dem Felsentor und den grünlebendigen Gittern
Des Tannenwalds so für mich hin, und träume von Kampf und
Turnei,
Und laß in heißer Gedankenschlacht viel kühne Lanzen
zersplittern.
Dann kommen Märchen mir in den Sinn: da hör' ich den weiten Plan
Von Hufen dröhnen, und füllen sich mit uralt bärtigen Rittern;
Ihr dunkles Banner seh' ich hoch in wehenden Lüften entrollt,
Und wundersam sich mit Rosenglanz und lichtem Golde beflittern.
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