Herbstgefühl
Mürrisch braust der Eichenwald,
Aller Himmel ist umzogen,
Und dem Wandrer, rauh und kalt,
Kommt der Herbstwind nachgeflogen.
Wie der Wind zu Herbstes Zeit
Mordend hinsaust in den Wäldern,
Weht mir die Vergangenheit
Von des Glückes Stoppelfeldern.
An den Bäumen, welk und matt,
Schwebt des Laubes letzte Neige,
Niedertaumelt Blatt auf Blatt
Und verhüllt die Waldessteige;
Immer dichter fällt es, will
Mir den Reisepfad verderben,
Daß ich lieber halte still,
Gleich am Orte hier zu sterben.
Herbstklage
Holder Lenz, du bist dahin!
Nirgends, nirgends darfst du bleiben;
Wo ich sah dein frohes Blüh'n,
Braust des Herbstes banges Treiben.
Wie der Wind so traurig fuhr
Durch den Strauch, als ob er weine;
Sterbeseufzer der Natur
Schauern durch die welken Haine.
Wieder ist, wie bald! wie bald!
Mir ein Jahr dahingeschwunden.
Fragend rauscht es aus dem Wald:
"Hat dein Herz sein Glück gefunden?"
Waldesrauschen, wunderbar
Hast du mir das Herz getroffen!
Treulich bringt ein jedes Jahr
Welkes Laub und welkes Hoffen.
Scheiden
Dahin sind Blüten jetzt und Nachtigallen,
Und durch den kahlen, traurig stillen Strauch
Weht nun des Herbstes einsam kühler Hauch.
Mein Glück ist mit dem Laube abgefallen!
Das ist der Hain, wo ich mit dir oft weilte,
Das ist der Büsche wonnigliche Haft,
Wo uns am Flehen süßer Leidenschaft
Unfesselbar die Zeit vorübereilte.
Du wanderst fort, du willst die Welt durchmessen;
Hier ist der Pfad, so schlangenkrumm und kalt,
Der dich, Geliebter, locket mit Gewalt,
Und fortführt in die Fremde, in's Vergessen!
Das Schiff bewegt mit seinem Reisedrange,
Und stört empor die See aus glatter Ruh';
Doch ist es fort, schließt sich die Welle zu,
Gleichgültig wallt sie fort im alten Gange.
Siehst du von jenem Baum den Vogel fliegen?
Von seinem Fortschwung wankt und bebt der Ast
Ein Weilchen noch, und kehrt zur alten Rast,
Und deine Klagen werden bald versiegen!
Die Wurmlinger Kapelle*
Luftig, wie ein leichter Kahn,
Auf des Hügels grüner Welle,
Schwebt sie lächelnd himmelan,
Dort die friedliche Kapelle.
Einst bei Sonnenuntergang
Schritt ich durch die öden Räume,
Priesterwort und Festgesang
Säuselten um mich wie Träume.
Und Maria's schönes Bild
Schien vom Altar sich zu senken,
Schien in Trauer, heilig mild,
Alter Tage zu gedenken.
Rötlich kommt der Morgenschein,
Und es kehrt der Abendschimmer
Treulich bei dem Bilde ein;
Doch die Menschen kommen nimmer.
Leise werd' ich hier umweht
Von geheimen, frohen Schauern,
Gleich als hätt' ein fromm Gebet
Sich verspätet in den Mauern.
Scheidend grüßet hell und klar
Noch die Sonn' in die Kapelle,
Und der Gräber stille Schar
Liegt so traulich vor der Schwelle.
Freundlich schmiegt des Herbstes Ruh
Sich an die verlass'nen Grüfte;
Dort, dem fernen Süden zu,
Wandern Vögel durch die Lüfte.
Alles schlummert, Alles schweigt,
Mancher Hügel ist versunken,
Und die Kreuze steh'n geneigt
Auf den Gräbern — schlafestrunken.
Und der Baum im Abendwind
Läßt sein Laub zu Boden wallen,
Wie ein schlafergriff'nes Kind
Läßt sein buntes Spielzeug fallen. —
Hier ist all' mein Erdenleid
Wie ein trüber Duft zerflossen;
Süße Todesmüdigkeit
Hält die Seele hier umschlossen.
*In
Würtemberg bei Tübingen
Sommerfäden
Mädchen, sieh, am Wiesenhange,
Wo wir oft gewandelt sind,
Sommerfäden, leichte, lange,
Gaukeln hin im Abendwind.
Deine Worte, leicht und munter,
Flattern in die kühle Luft;
Keines mehr, wie sonst, hinunter
In des Herzens Tiefe ruft.
Winter spinnet los' und leise
An der Fäden leichtem Flug,
Webt daran aus Schnee und Eise
Bald den Leichenüberzug.
Künden mir die Sommerfäden,
Daß der Sommer welk und alt,
Merk' ich es an deinen Reden,
Mädchen, daß dein Herz wird kalt!
Herbst
Nun ist es Herbst, die Blätter fallen,
Den Wald durchbraust des Scheidens Weh;
Den Lenz und seine Nachtigallen
Versäumt' ich auf der wüsten See.
Der Himmel schien so mild, so helle,
Verloren ging sein warmes Licht;
Es blühte nicht die Meereswelle,
Die rohen Winde sangen nicht.
Und mir verging die Jugend traurig,
Des Frühlings Wonne blieb versäumt,
Der Herbst durchweht mich trennungschaurig,
Der schon dem Tod entgegenträumt.
Herbstentschluß
Trübe Wolken, Herbstesluft,
Einsam wandl' ich meine Straßen,
Welkes Laub, kein Vogel ruft —
Ach, wie stille! wie verlassen!
Todeskühl der Winter naht.
Wo sind, Wälder, eure Wonnen?
Fluren, eurer vollen Saat
Gold'ne Wellen sind verronnen!
Es ist worden kühl und spät,
Nebel auf der Wiese weidet,
Durch die öden Haine weht
Heimweh; — Alles flieht und scheidet.
Herz, vernimmst du diesen Klang
Von den felsentstürzten Bächen?
Zeit gewesen wär' es lang,
Daß wir ernsthaft uns besprechen!
Herz, du hast dir selber oft
Wehgetan, und hast es Andern,
Weil du hast geliebt, gehofft;
Nun ist's aus, wir müssen wandern!
Auf die Reise will ich fest
Ein dich schließen und verwahren,
Draußen mag ein linder West
Oder Sturm vorüberfahren;
Daß wir unsern letzten Gang
Schweigsam wandeln und alleine,
Daß auf unsern Grabeshang
Niemand als der Regen weine!
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