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II.
Im Kampf des Lebens

 

Sehnsucht
Auf der Pilgerreise
Zum Troste
Lebenslied
Abschied
Allein
Ziel
Nagender Schmerz
Letzter Entschluß
Klage
An das Schicksal
Unmut
Lebensgang
Wunsch
Erstarrung
Einsames Los
Errungenschaft
Dahin!
Zuversicht
In der Krankheit
Nach der Krankheit
Gebrochen
An die Toten
Selbstermunterung
Feierstimmung
Höchster Besitz
Erdenwallen
Erkenntnis
Zwischen Entstehn und Vergehn
Mein Abschluß

Sehnsucht

O ew'ge Sehnsucht, die das Herz erfüllt
Und ohne Rast uns in die Ferne zieht
Nach einem Letzten, das sich nie enthüllt,
Nach einem Glück, das ewig vor uns flieht!

Vom Berge schau' ich übers offene Tal,
Bis wo das Land im goldnen Duft verschwebt;
Mir ist, dort stürbe jedes Sehnens Qual,
Mir ist, dort liegt, was ich so heiß erstrebt.

Und mit der Schwalbe, die mir übers Haupt
Hin durch die Lüfte segelt, flög' ich gern;
Doch jener Port, an den mein Sehnen glaubt,
Er wiche stets zurück und bliebe fern.

O Schmerz! Da ich der Schöpfung nur ein Nichts,
Das leicht die nächste Stund' ins Nachtreich drängt,
Wie kommt's, daß doch im flücht'gen Strahl des Lichts
Mein Sehnen ohne Maß das All umfängt?

Und ach! wie kommt's, da rings im Farbenspiel
Die Welt erglänzt und alles blühend schwillt,
Daß nirgends für die Sehnsucht doch ein Ziel
Und nichts die heiße Glut der Seele stillt?

Auf der Pilgerreise

Du meiner Sehnsucht Land,
Du liegst so zauberisch vor mir;
Durch Winterfrost, durch Sonnenbrand,
Ich pilgre fromm zu dir.

Du winkst mir lockend zu;
Doch käm' ich an, bevor ich sank,
Erkennt' ich dich? und bötest du
Den süßen Labetrank?

Du meiner Sehnsucht Land,
Wohl kehr' ich nimmer in dir ein;
Mein Sehnen nur sei unser Band,
So bleibst du ewig mein.

Zum Troste

Nun sinkt dir mit dem welken Laube
Ein Jahr des Hoffens leis ins Grab;
Doch sterbe so nicht auch dein Glaube,
Weil's dir nicht dein Ersehntes gab.

Es ist nicht segenslos gegangen,
Wie wenig du für dich gewannst,
Du siehst die Welt in Reichtum prangen,
Wenn du nur dich vergessen kannst.

Laß nicht dein Herz in Qualen bluten,
Sprich nicht von Täuschung und von Wahn;
O hege deine stillen Gluten
Und wandle ruhig deine Bahn!

Was du geträumt in höhern Stunden,
Ob dir es nun gereift die Zeit,
Ob es ein Anderer gefunden,
Genug: es ist doch Wirklichkeit.

Lebenslied

Wie mögt ihr jene Herzen preisen,
Die sich nicht die Minute gönnen
Und alles ängstlich von sich weisen,
Was sie nicht stets behalten können.

Ich flehe nimmer zum Geschicke:
"Laß dauernden Besitz mich finden
Und zeige gar nicht meinem Blicke,
Was, kaum genossen, muß entschwinden!"

Mich dünkt, es könne seine Gaben
Dem Einzelnen nur immer spenden;
Vorüberstreifend soll's mich laben,
Dann mag es andern zu sich wenden.

Ich bin kein nimmersatter Zecher,
Nur e i n e n Trunk der durst'gen Seele!
Und dann zerschlag' ich selbst den Becher,
Daß mich kein neues Sehnen quäle.

Und eben daß ich voll genossen,
Das gibt die Kraft mir zu Entsagen;
Was sich mir Einmal ganz erschlossen,
Seh' ich zerfallen ohne Klagen.

Und gält' es, aus dem Strahl der Sonne
Rasch in die Todesnacht zu springen,
So recht in voller Lebenswonne
Da wollt' ich's unverzagt vollbringen.

Abschied

Bist du vom Teuern schon geschieden
An einem trüben Herbstestag,
Wenn alles noch im Schlafesfrieden,
Gehüllt in Nebel, um dich lag? —

Beim zitternd matten Kerzenschimmer
Bewegt sich's stumm mit schwankem Tritt;
Man schafft verweint in deinem Zimmer,
Gibt sorglich dir noch manches mit.

Nur selten bricht das bange Brüten
Ein schmerzersticktes halbes Wort;
Du wirst gemahnt, dich wohl zu hüten
An fremdem, freundverlassnem Ort.

Nun einen Kuß, ein eng Umfangen —
Und eine Tränenflut begräbt
Die tiefe Schmerzensglut der Wangen.
Du taumelst fort, von Qual durchbebt.

Und jeder Stein, ach! in der Nähe
Er mahnt dich ans verlorne Glück;
Es greift nach ihm im Sehnsuchtswehe
Dein nasser Blick mit Hast zurück.

Doch hüllt in dichtgeballten Massen
Das feuchte Grau dir alles ein;
Du fühlst dich elend und verlassen
Als wie im Chaos ganz allein.

Allein

Du lernst die Sehnsucht, heimatferne,
Du lernst die Liebe, liebverlassen;
Kalt leuchten über dir die Sterne,
Dich aber will's bezwingend fassen.

Laß dich die Einsamkeit umspinnen,
Da wirst du deine Pulse spüren,
Da wird dir wach im bangen Sinnen,
Was jemals dich vermocht zu rühren.

O Schmerz! dein pochend Herz empfindet
Jetzt doppelt heiß, was in dir lodert,
Und was zu keinem Herzen findet
Und keines liebend von dir fodert.

Ziel

Mein Herz, du willst nicht trauernd weilen
Bei all dem längst versäumten Glück;
Du willst zum Troste vorwärts eilen
Und wendest nicht den Blick zurück.

Wenn die Vergangenheit gelogen,
So kommt ja noch ein neuer Tag;
Drum in die Zukunft nur geflogen,
Bis sie Erfüllung bringen mag!

So strebst du an der Hoffnung Leiter
Stets neu empor aus Drang und Not;
Du sehnst dich weiter, immer weiter,
Und sehnst dich endlich in den Tod.

Nagender Schmerz

Heimlich tiefes, banges Wehe,
Das kein Balsam heilen kann,
Was ich tue, wo ich gehe,
Ewig hältst du mich im Bann,

Und vergeß' ich dich, im Grunde
Meines Innern wühlst du fort;
Ewig blutet meine Wunde,
Fehlt mir auch für dich das Wort.

Mag ich durch die Fluren schweifen,
Wo in Blüten Baum und Strauch,
Ob sie noch so sehr ergreifen,
Es erquickt mich nicht ihr Hauch.

Mag ich nach den Sternen schauen
Oft in lauer Sommernacht,
Labung mir ins Herz zu tauen,
Fehlt auch ihnen längst die Macht.

Fühl' ich doch nur dumpfe Schwere,
Wo die Brust sonst höher schwillt,
Und umsonst, daß ich mich wehre,
Und die leise Träne quillt.

Was mir sollte Glück und Lust sein,
Es beklemmt, erdrückt mich fast,
Bis mir's aufzuckt im Bewußtsein;
Ach, das ist die alte Last!

Letzter Entschluß

O Zeit, da von Entwürfen voll,
In freudig raschem Tatendrange,
Die jugendliche Seele schwoll —
Du gold'ne, blühtest mir nicht lange!

Ich ließ gar bald ermattet nach,
Da am Gesetz der Welt, dem starren,
Die heißeste Bemühung brach;
Doch faßt' ich mich, um auszuharren.

War eine Hoffnung auch dahin,
Blieb mir das Eine kalt verschlossen,
Ich trug's und hängte meinen Sinn
Noch an das Andre unverdrossen.

So rückt' ich mehr und mehr zurück,
Das Teuerste ich mußt' es lassen,
Und konnte nicht das kleinre Glück
Zu dauerndem Besitze fassen.

Eng wird der Kreis um mich herum,
Es stirbt gemach die Glut des Strebens,
Ich opfere Wunsch um Wunsch noch stumm
Der rauhen Forderung des Lebens.

Bis endlich in entbranntem Zorn
Die letzte Hoffnung ich verhauche
Und schaudernd in den dunklen Born
Der Allnatur mich untertauche.

Klage

Mein Herz, was klagest du mit Beben,
Daß längst dein Schönstes, Bestes schied?
Wir wissen's, traurig ist das Leben,
Was soll das alte bange Lied? —

Will auch das Auge überfließen,
Und welches Leiden um und um,
Am liebsten möcht' ich mich verschließen,
Am liebsten blieb' ich immer stumm.

Daß endlich doch das Wehe schliefe!
Allein es ruhet, drängend, nicht,
Bis mächtig aus des Herzens Tiefe
In lautem Schrei hervor es bricht.

O Schmerz! o Schmerz von Millionen,
Die hier im Kampf und Drang verzagt,
Zum Himmel schreiend seit Äonen,
Und ewig doch unausgeklagt!

An das Schicksal

Wenn matt, verzagt, ich schon zum Sprung
Ins Jenseits mich bereitet habe,
Da zähmst du deiner Geißel Schwung
Und reichst mir einen Tropfen Labe.

Du reichst ihn und ich lebe neu,
Doch nicht zu dauerndem Gewinne;
Du stärkst mich nur, daß ich nicht scheu
Auf immer deinem Groll entrinne.

Und wieder schlägst du auf mich zu,
Und wieder möcht' ich schier verzagen,
Und endlich wieder tröstest du
Dies Herz und stillest seine Klagen.

So bannt mich stets dein Köder hier,
Trotz allen bang empfundnen Schauern;
Bin willenlos verfallen dir —
Dies Spiel wie lange soll es dauern?

Unmut

Sind wir hieher gebannt zum Fluche?
Es weht mich frostig an und kalt;
Wie sehnend ich im Kreise suche,
Ich finde nirgend einen Halt.

Vor manchen möcht' ich liebend treten,
Doch würde meinem Fühlen Spott;
Ich möchte gerne brünstig beten,
Allein ich finde keinen Gott. —

Mich grämt's, daß kämpfend wir verbluten,
Daß alles Schöne, jede Lust
Der kurze Traum nur von Minuten,
Selbsttäuschung einer kranken Brust;

Daß sich die Menschen stets befehden
Voll Ungestüm, in rauher Art,
Daß sich zuletzt in einem Jeden
Ein Teilnamsloser offenbart;

Daß alle, alle lieblos bleiben
Und keiner dauernd Wort uns hält;
Mich grämt das ganze wüste Treiben,
Es drückt auf mich die ganze Welt.

Doch weh! was mich zumeist durchschauert,
Bleibt stets: daß dieses Herz, so wund,
Das über all die Not jetzt trauert,
Nicht besser ist im tiefsten Grund.

Lebensgang

Verschließe dich und klage nicht,
Ob auch dein Herz zum Springen schlägt;
Wer ist's, der Trost im Leid dir spricht
Und, sinkst du müd, dich weiter trägt?

Nicht nur, daß keiner sich erbarmt,
Daß dir dein Klagen nichts gewann,
Es wird g e f l o h e n, wer verarmt;
Als steckte sein Verhängnis an.

Du suchst umsonst ein Freundesherz,
Umsonst ach! einen Blick der Huld;
Du bist verfemt in deinem Schmerz
Und sieh, das Unglück wird zur Schuld.

Erhebe dich mit eigner Kraft,
Drückt deine Last dich noch so schwer,
Und hast du dich emporgerafft,
Kommt dir auch Hilfe mehr und mehr.

Wenn du entmutigt unterliegst,
Verläßt man dich in rascher Flucht,
Doch wenn dein Schicksal du besiegst,
Wie schnell da Blick um Blick dich sucht!

Da kommt dir alles zugeeilt,
Was niemals du gehofft, wird dein:
Nur wo das Glück gebannt verweilt,
Kehrt neues Glück auch wieder ein.

Wunsch

Ich will kein Herz, das stürmisch überquillt,
Zu rasch im Mißtraun, wie zu rasch im Glauben,
Das jetzt, verschwenderisch, zu voll mich stillt,
Um dann vielleicht mir allzuviel zu rauben.

Das jetzt mich preist im Liebesüberschwang,
Nur ganz Bewunderung und laut Entzücken,
Und dann nicht zagt, in jähem Zornesdrang
Den schärfsten Pfeil mir in die Brust zu drücken.

Ich will das Feuer, welches stetig glüht,
Nicht aber plötzlich flammt in grellem Lodern;
Echt ist allein, was still im Innern blüht
Und sanft im Geben bleibt gleichwie im Fodern.

Verkündet denn nicht schon das schönste Band
Und brächte mir nicht schon den reichsten Segen:
Ein warmer Blick und eine treue Hand,
Die stets bereit, in meine sich zu legen?

Erstarrung

Ich kämpfe, meine kleine Habe,
Wie stürmisch auch des Lebens See,
Zu retten vor dem Wellengrabe,
Ich kämpfe, stark, trotz jedem Weh.

Doch faßt mich manchmal ödes Grauen,
Die Brandung zischt, die Stürme wehn;
Ich möchte stumpf ins Wüten schauen
Und alles lassen untergehn.

Einsames Los

Dräuend starrt vor mir das Leben,
Dunkler Schreckgestalten voll,
Wie ein Fluch, dem unentrinnbar
Ich zum Opfer fallen soll.

Einsam will mein Los ich tragen,
Welcher Schmerz mich auch durchwühlt,
Will sogar den Trost entbehren,
Daß ein Anderer mit mir fühlt.

Und entschlüpft mir eine Klage,
Wenn mein Herz zu bange schlägt,
Sei's ein Schrei in einen Abgrund,
Den kein Echo weiter trägt.

Errungenschaft

Du lässest, matt erschlafft, die Arme sinken,
Du kämpfst nicht mehr und rufst in bitterm Grolle:
Mich locken nicht die Schätze, die mir winken,
Und jeden Flug empor bezwingt die Scholle!

Zu früh! Du hast kein Recht noch, so zu sprechen.
Nur fort durch Nacht und Sturm auf deinen Wegen!
Und lasse Stück um Stück das Herz dir brechen,
Getroffen von des Schicksals wucht'gen Schlägen.

Noch fließt es nicht aus innerstem Erkennen,
Das Wort, das du so rasch geführt im Munde,
Und müßtest du von allem rings dich trennen,
Du griffest doch danach in letzter Stunde.

Willst du als deines Ringens Preis nur Kronen?
Soll's dich zum Gipfel süßen Glückes tragen?
Nein, nein! es mag dich reichlich schon belohnen,
Lernst du aus tiefster Seele leicht entsagen.

Harr' aus, harr' aus! ob dir die Brust zerrissen,
Harr' aus, harr' aus! trotz jeglicher Beschwerden,
Und wär's auch nur, am Grabesrand zu wissen,
Daß dieses Sein nicht wert, gelebt zu werden.

Dahin!

Raum braucht der Strom der Gegenwart,
Was ausgelebt, muß untergehn;
Die Himmelsmächte walten hart:
Ein ewig Sterben und Verwehen!

Auch mein war einst ein goldner Tag;
Was ist von ihm mir noch geblieben?
Dahin ach! mit der Stunden Schlag
Der Sonne Glanz, des Herzens Lieben!

Dahin das letzte Abendrot,
Schon will die Nacht sich niedersenken,
Und sind die alten Gluten tot,
Was frommt der Seele das Gedenken?

Zuversicht

Herz, wie bang es in dir streitet,
Ob du noch so leidvoll klagst;
Da du ringend fast verzagst,
Weißt du, was dir schon bereitet?

Mancher rief mit nassen Blicken:
Ich vergeh' in Qual und Not!
Keine Hand, die sich ihm bot,
Nichts, den Dulder zu erquicken.

Doch im größten, schwersten Kummer
Trat ein milder Gott herzu,
Brachte Stillung, brachte Ruh
Und verklärten süßen Schlummer.

Wolle nicht im voraus greifen,
Was nach langer Müh' erst dein;
Spinne dich begnügsam ein,
Und dein Schicksal laß es reifen.

Winterlich mit Sturmeswüten
Schlug es an mein Fenster laut;
Als ich wieder ausgeschaut,
Stand die Welt in jungen Blüten.

Jedem kommt sein Tag auf Erden,
Was du auch verzweifelnd sprichst,
Und bevor du blutend brichst,
Wird auch die Erfüllung werden.

In der Krankheit

Was will so schwer die Erde auf mir lasten,
Da mir so licht empor der Himmel winkt?
Leicht schwärmen die Gedanken ohne Rasten,
Indessen müd der Körper niedersinkt.

Allew'ge Mächte, geht es schon zu Ende?
Und lodert noch im letzten Feuerschein
Die Seele auf, bevor in eure Hände
Zurück sie mündet nach vollbrachtem Sein?

Begnadet oder tötet dieser Funken?
Ich harre stumm; doch wehe, daß der Staub,
Da ich am schönsten fliege, gottestrunken,
So rauh mich mahnen darf: Du bist mein Raub!

Nach der Krankheit

Du arme Seele, himmelstrebend,
Du arme Seele, so genügsam;
Noch gestern stolz dich überhebend,
Und heute schon so still und fügsam.

Das war ein Hadern, Grollen immer,
Im Ringen nach dem höchsten Preise,
Und jetzt — o welch ein Gnadenschimmer,
Daß du nur wieder atmest leise!

Gebrochen

Wie mächtig traf mich dieser Schlag!
Ich liege dumpf danieder;
Es kommt die Nacht, es kommt der Tag,
Ich finde mich nicht wieder.

Weiß selbst nicht, wie's mich übermannt
Im tiefsten Seelengrunde,
Daß ich Erstarrung ich gebannt
Hinbrüte Stund' um Stunde.

Ich klage nicht, ich bin so still,
Kein Wort, das ich gesprochen,
Nur da ich neu mich regen will,
Fühl' ich's, ich bin gebrochen.

An die Toten

Was hab' ich nicht verloren,
Verloren durch das Leben,
Das heut mir abgeschworen,
Was gestern es gegeben!

Wenn jetzt ich um mich schaue,
Wer immer hold mir winke,
O keiner, dem ich traue
Und in die Arme sinke!

Treu seid allein ihr Toten,
Gebettet still im Grabe;
Was ihr mir einst geboten,
Bleibt meine sichre Habe.

Selbstermunterung

                      I.

Mein Herz, o halte wacker fest!
Was immer dir auch Menschen nehmen,
Wie sie bemüht auch, dich zu grämen,
Kein Seufzer werde dir erpreßt.

Nur weiter kraftgeschwellten Schlags!
Und wird der Schlecht'ste aus der Menge
Dir vorgezogen im Gedränge,
Das ist der Dinge Lauf, ertrag's!

Sei froh, wie viel dir auch mißfällt!
Vermöchtest du dies Treiben, Trachten
Des ganzen Schwarms nicht zu verachten,
Was gälte dir die eigne Welt?

                        II.

Streb' auf, streb' auf entflammten Muts!
Und fürchte keiner Täuschung Wehe;
Zerbräche auch dein Herz, was tut's?
Daß es in Flammen nur vergehe!

Nicht flehe, still in dich versenkt:
Komm zu mir nieder, Himmelssegen!
Nur kühn empor den Flug gelenkt,
Der Götter Freudenborn entgegen!

Wogt dir die Brust nicht glutenvoll,
Was könnte dir der Himmel gönnen?
Daß dich was recht erquicken soll,
Mußt du's erst recht ersehnen können.

                         III.

Was klagst du, töricht Herz, nur immer,
Daß nichts im Zeitlauf dauernd währt?
Ist nicht Vergänglichkeit der Schimmer,
Der alles rings so schön verklärt?

Du selbst bist nicht gemacht, zu dauern,
In Wonne nicht und nicht in Qual;
Kurz ist dein banges Todesschauern,
So wie dein Flug im Sonnenstrahl.

Vorüberflüchtend magst du spiegeln
Des flücht'gen Daseins buntes Spiel,
Und eins dir als Gewinn entsiegeln:
Daß sicher jenseits nur das Ziel.

Feierstimmung

"Was zagst du, sonst immer ein Dränger
Voll glühender, stürmischer Hast?
So hoffst du, entmutigt, nicht länger?
Wie? oder erquickt dich schon Rast?"

Noch rast' ich nicht selig am Ziele
Und gab auch die Hoffnung nicht preis;
Noch lodern der Wünsche gar viele
Im Herzen mir brennend heiß.

Doch bin ich seltsam gespalten,
Ohnmächtig, ob auch gespannt;
Es zuckt in mir alles verhalten,
Doch reg' ich mich nicht, wie gebannt.

Gesteigert und dennoch gebunden,
Muß lauschend ich stille stehn;
O Bangen, noch nie empfunden!
Was ist mir nur plötzlich geschehn?

Ich halte und lausche mit Beben,
Als sollt' aus der Zukunft Schoß
Aufsteigen meinem Leben
Ein neues gewaltiges Los.

Höchster Besitz

O ruhelos Verlangen!
O Puls, der nimmer stockt!
Wann darf ich heiß umfangen,
Was mich so mächtig lockt?

Das Glück, das, fern verschwommen,
Vorübergaukelnd blinkt;
Das Lieb, das, hold erglommen,
Mir süß verheißend winkt.

Berauscht in Gluten greif' ich
Nach flücht'ger Bilder Schein;
Doch leere Schatten streif' ich
Und ach! ich bin allein. —

Still, Herz! Kannst du doch fliegen
In deiner Trunkenheit,
Und wogen und dich wiegen
In Traumesseligkeit.

Sei still und laß das Wähnen,
Dir bringt Erfüllung Heil:
Dies ungestillte Sehnen,
Es ist dein bestes Teil!

Erdenwallen

Schlafwandelnd geh' ich durch die Welt;
Wie ist mir wunderbar zu Sinn!
Ich fühle mich dem Staub gesellt,
Und meine, daß ich ewig bin.

Ein Nichts, in Nichtigkeit gebannt,
Erheb' ich, hilflos und verwaist,
Und fühl' es dennoch, tief entbrannt,
Es zuckt in mir der Weltengeist.

Wohin ich sehen mag im Raum,
Kämpft bange Qual nur weit und breit;
Mir aber geht durchs Herz ein Traum
Von Glück und hoher Freudigkeit.

Als höbe leis der Schleier sich,
In den gehüllt der Dinge Kern,
So wogt's vor mir, so faßt es mich,
Und die Erlösung winkt von fern.

Ich seufze bang, ich trage schwer,
Doch möcht' ich rufen: Es ist nichts!
Und in der Nacht, die um mich her,
Ahn' ich das Dämmern goldnen Lichts.

Erkenntnis

Nicht klag' ich mehr in bangen Liedern,
Daß allen Schmerz das Grab nur stillt;
Ich will den Kuß des Lichts erwidern,
Das heiter auf die Stirn mir quillt.

Ich weiß es nun, ich hab's gefunden:
O Mensch, dir bleibt zuletzt nur Eins,
Dir ziemt, trotz allen Schmerzenswunden,
Versöhnung mit dem Lauf des Seins.

Du bist nicht da, um an das Leben
Zu klammern dich in blinder Gier;
Allein dich drüber zu erheben,
Gleich wenig ziemt solch Wollen dir.

Entsagend, dumpf in dich verschlossen,
So wirst du nimmer stolz und groß,
Vom Boden, welchem du entsprossen,
Kommst du doch nimmer, nimmer los.

Du darfst nicht immer düster blicken,
Darfst nicht, ob noch so leidensvoll,
An Blumen, die dir lächelnd nicken,
Vorübergehn mit bitterm Groll.

Du kannst im Schmerz das Sein verdammen,
Doch eben in des Drangsals Nacht
Mußt du dafür dich neu entflammen,
Und doppelt grüß' es, wenn dir's lacht.

Bleibt doch in jeglichem Vollbringen,
Was alles stets zumeist bezwang,
Du magst nun handeln, bilden, singen:
In schönem Maß des Lebens Drang.

Zwischen Entstehn und Vergehn

                 I.

Es pocht mir die alte Frage
Aufs neue ans Herz mit Gewalt:
Wozu des Daseins Plage?
Das Ringen tausendfalt?

Eh du dich noch besonnen
In deiner treibenden Hast,
Gehst du, von Nacht umsponnen,
Schon ein zur ewigen Rast.

Und doch — wie freut's mich, zu schwärmen
In wechselnder Lust und Qual;
Am ewigen Licht mich zu wärmen,
Die Mücke im Sonnenstrahl!

                     II.

Bin ich nur ein Nichts? Ich lebe!
Wie ich froh die Schwingen hebe!
Werd' ich, welk' ich in der Zeit,
Trag' ich doch die Ewigkeit.

Bau' ich nicht das Weltenganze?
All das Sein im Sonnenglanze?
Meiner braucht, was ringsum treibt;
Bin ich nur ein Nichts, was bleibt?

Fühlen will ich mich allmächtig,
Mich entfalten reich und prächtig:
Werd' ich, welk' ich in der Zeit,
Trag' ich doch die Ewigkeit.

                         III.

Was bangst du, Herz, daß du zerstiebst?
O deine Glut sie wird nicht sterben!
Und nichts im Kreise, was du liebst,
Nichts wird vergehen und verderben.

Es stockt dein Puls — ist das der Tod?
Getrost und wehre diesem Truge!
Nicht in das Grab, ins Morgenrot
Tauchst unter du zu neuem Fluge.

                          IV.

Ob noch so laut die Stunde schreite,
Und türmt sie grollend Schutt und Staub,
Ob rings ein Leichenfeld sich breite:
Was lebt, wird keinem Sturm zum Raube.

Und sinkt und splittert um mich alles,
Und tobt auch noch so wild der Streit:
Ich hör' im Brausen des Zerfalles
Den Atemzug der Ewigkeit.

                          V.

Wie schön in der Vernichtung Schauer
Die Ewigkeit du fühlen kannst!
Wie heiß aus deiner stillen Trauer
Ums All du deine Sehnsucht spannst!

Rings wechselt alles nur die Hülle,
Ein Wogen auf und ab im Rund;
Das ist das Leben, ist die Fülle,
Und tut die Werdekraft dir kund.

Und ob du auch zu holder Dauer
Die Einzelblüte nimmer bannst:
Wie schön in der Vernichtung Schauer
Die Ewigkeit du fühlen kannst!

Mein Abschluß

Bin ich ein Träumer, der mit irrem Sinne
In ungemess'ne Nebelweiten schweift?
Der stets, wie arm ihm Tag um Tag verrinne,
An jedem neuen in das Leere greift?
Ersehn' ich töricht, was vom Weltbeginne
Bis heute keinem Auge noch gereift?
Beim Himmel, nein! und meines Liedes Töne,
Sie rufen klagend nur das Menschlich-Schöne.

Das Menschlich-Schöne! mögt ihr's recht nur fassen,
Wohl selten blüht es, doch wer sagte, nie?
Es ist nach irrem Drang, nach wildem Hassen
Der Rührung Träne, die uns Gott verlieh;
Ist wie auf düster grauen Wolkenmassen
Des Regenbogens Farbenharmonie;
Wie nach der Nacht des Morgenrots Erscheinen,
Wo Erd' und Himmel sich im Kuß vereinen.

Den Feinden ist's im Herzen aufgegangen,
Die, noch so lang von wildem Zorn entfacht,
Mit einem Male sich versöhnt umfangen,
Besiegt von eines Augenblickes Macht;
Wir sehen's hell als Schmuck des Fürsten prangen,
Der liebreich auf sein schönstes Recht bedacht:
Rings seinem Volk nur Segen auszustreuen,
Ein Bruder unter Brüdern sich zu freuen.

Es grüßt uns wundersam verklärt und heiter,
Wenn wir gekrönt ein hohes Trachten sehn,
Wenn starken Muts ein rechter Gottesstreiter,
Trotz allen Stürmen, die ihn rauh umwehn,
Sich selbst ermahnt: Zum großen Ziele weiter!
Und endlich jubeln kann: Es ist geschehn!
Wenn einem echten Helden Hymnen schallen
Und laut in allen Herzen wiederhallen

Nicht kampflos soll es sich zum Sein gestalten,
Da ja sein Ringen auch so schön erscheint,
Doch endlich muß es siegen, muß es walten
Als süßer Trost, wenn wir uns ausgeweint;
Als Blume soll sich's vor dem Blick entfalten,
Ist auch der Boden unterm Fuß versteint;
O daß es nur in jedem herrschend throne!
Wenn nicht die Wurzel, sei's des Daseins Krone.

Darum mein Sehnsuchtsruf und meine Klage!
Denn was allein das Sein erhebt und schmückt,
Wie mancher richtet heiß danach die Frage
Und sieht es seinem Auge stets entrückt,
Er endet seiner schweren Wand'rung Tage,
Und auch nicht einmal hat es ihn entzückt;
Das Hohe scheint in wüstem Schmutz versunken,
Erstickt im Erdenqualm der Himmelsfunken.

Rings toller Streit, ein Hasten, Jagen, Wetten,
Und Recht und Ehr' und Tugend werden feil;
Ein Jeder sucht nur raschen Griffs zu retten
Aus dem Gedräng' um ihn sein fettes Teil,
Und bürdet er dem Nächsten schwere Ketten,
Was kümmert ihn des Nächsten Glück und Heil?
Wer grämt sich je um fremde bange Wunden?
Wer wird zuletzt nicht kalt und rauh gefunden?

Und hebt sich hier und dort das Bild des Guten
Aus des erhitzten Schwarmes Kampfgewühl,
Welch schwache Rüstung sind doch reine Gluten!
Wer siegt mit seinem liebenden Gefühl?
Der Edle muß am eignen Wert verbluten,
Die Selbstsucht bettet sich auf weichem Pfühl.
Wir sehen's um und um mit feuchtem Blicke:
Nur blind und wahllos fallen die Geschicke.

O schöner Drang im ersten Jugendfeuer,
Du schlössest gern ins Herz die ganze Welt!
Da ist uns jeder Nächste wert und teuer,
Wir jauchzen, von Begeisterung geschwellt;
Doch mit den Jahren wird die Seele scheuer,
Bis sich die ersten Tränen eingestellt:
Wir fangen an, ein ewig Glück zu dichten,
Und werden reif, indem wir stumm verzichten.

Und doch — daß nur, trotz allen Wehs im Ringe,
Das Herz, was es im Tiefsten ahnt, auch glaubt!
Schwer drückt die Welt, von innen wächst die Schwinge,
Laut pocht in uns, was kein Geschick uns raubt,
Und ob auch noch so wirr der Lauf der Dinge,
Er wird zur Harmonie in unserm Haupt.
Es bleibt der Himmel uns auf allen Wegen,
Nur meß' ihn keiner an dem eignen Segen.

So sei's mein Ziel: entflohn dem Weltgetriebe,
Von eitlem Wunsche frei und schaler Lust,
Den ew'gen Göttern treu zu sein in Liebe,
Und still zu wirken, meiner klar bewußt;
Mein strengster Richter sei, bis ich zerstiebe,
Der ernste Anspruch meiner eignen Brust;
Mir selbst genügen, sei mein schwerstes Ringen —
O möcht' es auch den Kranz der Welt mir bringen!