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V.
Vermischte Gedichte 2

 

Rückerinnerung
Versöhnung
Einem Mädchen
Vollendung
An mein Kind
Verlust
Reue
Verdamme nicht!
Göttlichkeit
Mein Los
Zwiespalt
Zur Beschwichtigung
Nach der Trennung
Einem Verlorenen
An einen jungen Freund
Rückerinnerung 2
Einem Jugendfreunde
Dem Andenken Ferdinand Kürnbergers
Dem Dichter Theodor Grafen v. Heusenstamm
An die Gräfin Caroline Wimpffen-Lamberg
An mein Weib
An meine beiden Söhne
Der Einzigen

 

Rückerinnerung

Verklärte du, Geliebte meines Herzens!
Die keine bange Klage wiederbringt,
Ich denke liebend dein in dieser Stunde.
Der Abend dämmert nieder auf die Erde
Und durch die Seele gleiten leise mir
Erinnerungen längst entschwundner Freuden.
Ich denke liebend dein und den Gedanken
Folgt bänger stets das Herz mit lautem Pochen.
Vom ersten fremdbeklommenen Begegnen,
Wo wir mit scheuem Blick einander prüften,
Wie viel ein Jedes in der Liebe gelte,
Bis zu der Stunde, wo sich unsre Herzen,
Mit Zagen noch, einander still erschlossen,
Zum namenlosen Augenblicke weiter,
Wo ihre innre Fülle überquoll
Und wir, gelöst in sel'ge Glut, uns hielten.
Die ganze Zeit, ach! unsrer schönen Liebe,
Vom ersten Blick zum Wunsch und zur Erfüllung,
Sie zieht vor meiner Seele zaub'risch hin
Und meinem Aug' entquellen heiße Tränen. —
Da unsre Liebe kaum in Blüten stand,
Ward rauh dein junges Leben ausgelöscht,
Und schmerzensirre suchte dich mein Blick.
Ich blieb allein zurück, allein, verlassen!
Und doch! — ich lebe! Sagt es nicht genug?
O wer, nachdem sein Teuerstes entschwunden,
Es dennoch ferner mit dem Leben aufnimmt,
Der hat es vorweg auch auf sich genommen,
Was er verloren, mählich zu verschmerzen!
Dem Leide leben, wer vermöcht' es wohl?
Das Leben bringt Zerstreuung, neue Wünsche
Und widerstrebt der brütenden Entsagung;
Nur selten naht der Augenblick, wo wir
Uns ganz in einem Punkte sammeln können,
Und unsres Herzens reichste, tiefste Fülle
Auf die Vergangenheit in Tränen schütten. —
Verzeihe mir, du Himmlische! verzeihe,
Daß ohne dich ich hier noch wandeln kann!
Und mag ich neben dir auch klein erscheinen,
O dich entweihen wird' ich nimmermehr!
Ja, ich gesteh's, noch hält die Welt mich fest,
Du aber leihst ihr immer noch den Glanz,
Und hinter jeder Lust, die sanften Hauches
Die Seele mir zu freierm Odem schwellt,
Taucht deine liebliche Gestalt empor
Und streut darüber der Verklärung Schimmer.
Ich lerne mählich, alles, was mich freut,
Mit der Erinnerung an dich zu einen,
Und aus dem dunkeln Schattenreich des Todes
Hol' ich den schönsten Schmuck des Lebens mir.
Vergessen bist du nicht, du wirst es nie!
Nur hab' ich dich jetzt anders mir gewonnen.
Daß ich nicht so wie einst, gelöst in Klagen,
Verschlossen jedem Trost, zurück dich sehne,
Daß mich noch Licht und Luft erquicken können,
Verzeih es mir! Nichts widerstrebt dem Wechsel;
Sein unerbittlich ehernes Gesetz
Drängt alles wieder in das Nichts zurück,
Wie Well' auf Welle steigt und niederrollt.
Und wenn wir trauernd mit verwirrtem Blick
Das Teuerste vorüberflüchten sehen,
So bleibt uns nur der eine Trost zurück,
Daß jeder Schmerz auch einmal müde schweigt,
Und einmal selbst die bangste Träne trocknet.

Versöhnung
An Sie

Wahr ist's, oft hab' ich diese Welt verhöhnt,
Hab' ihr verbittert heißen Kampf geschworen,
An blinden Groll war dieses Herz gewöhnt
Und hätte bald im Kampf sich selbst verloren.

Ich habe vieles ungeprüft verdammt
Und unbedacht so manchen Fluch gesprochen;
Doch war ich für das Höchste auch entflammt
Und manches Wort hat mir die Welt gebrochen.

Vorüber zog ich manchem sichern Port,
Der freundlich mir zur stillen Einkehr winkte,
Oft riß mein rascher Sinn mich jählings fort
Und manchem Irrlicht folgt' ich, das mir blinkte. —

So sei's! die träge Ruhe such' ich nicht
Der leeren Herzen, die um nichts gestritten,
Den neid' ich nicht, dem nichts den Frieden bricht,
Der nie in Zweifeln bang bewegt gelitten.

Und wenn auch fast die Kraft im Sturme brach,
Und mochte drohend hoch die Brandung wogen,
So schöner ist's, wenn endlich allgemach
Die Stille in ein ringend Herz gezogen.

Nun du erschienen mir und mich gelehrt,
Daß aus dem Himmel ich mich selbst verbannte,
Mich nur in selbst geschaffner Qual verzehrt
Und blind des Glückes reichsten Quell verkannte;

Nun sich dein Zauber mir geoffenbart
Und du in deine Hut mich aufgenommen:
Ist nach der unstet irren, langen Fahrt
Zwiefacher Segen über mich gekommen.

Wie wird mir nun, da alle Trübe schwand,
Da rings um mich die Welt im hellen Scheine,
Und ich auf deine rettend milde Hand
Still die Versöhnungsträne niederweine!

Einem Mädchen

Du bist, wie dich kein Gott erneut,
Du Knospe, noch in keuscher Hülle;
Doch gehn sie dir vorbei zerstreut
Und keiner ahnet deine Fülle.

Ein Chor von Huldigungen schallt
Dem hohlen Flitter eitler Schönen,
Für deinen Reiz nur sind sie kalt
Und ihn zu preisen arm an Tönen.

O harre still! nicht ohne Spur
Kann untergehn, was so vollendet;
O sei getrost und glaube nur,
Daß sich noch alles, alles wendet!

Daß keine Blume je verblüht,
Die niemand noch Erquickung brachte,
Und keine Flamme je verglüht,
Die nicht die Schwesterflamm' entfachte.

So hege treu, was dich beseelt,
Einst strahlt dein Tag nur um so lichter,
Und jeder findet, was ihm fehlt,
Und jedem Schönen wird sein Dichter.

Vollendung

Was kann dir fehlen? Du bist schön!
Dies schließt ja jede Zier schon ein,
Was kann dir fehlen? Du bist schön!
Damit ist alles, alles dein.

So leuchtet nicht des Auges Licht,
Wenn keine Glut das Herz gewährt,
So sprechen auch die Züge nicht,
Wenn keine Seele sie verklärt.

Verkündet nicht dein junger Leib,
Wie er in holder Anmut schwebt,
Die Harmonie, begnadet Weib,
Die dir zugleich im Innern lebt?

Was jeden, der dich schaut, ergreift,
Mit unbewußtem Stolz dich füllt,
Ist die Vollendung, rein gereift,
Die schon dein Anblick licht enthüllt.

Du wallst dahin so frohgemut,
Umwogt von jubelndem Getön;
O bist du reich, bist edel, gut:
Was kann dir fehlen? Du bist schön!

An mein Kind

Kind, schaue mir in's Aug' und lächle,
Laß deinen Hauch mich sanft umwehn,
Daß er mir Trost und Labung fächle:
Ich habe heute sterben sehn.

Welch Schreckensbild! Entstellte Züge,
Nichts mehr als nur geformter Staub;
O Schmerz! so enden unsre Flüge,
Und alles ist des Todes Raub.

Du holdes Kind, laß mich's nicht denken!
Erstarrt, verzweifelt sucht' ich dich,
Ich will mich ganz in dich versenken,
Mein Kind, mein Kind, errette mich! —

O Wunderklarheit, Himmelsreine,
Die mir aus deinem Antlitz spricht!
Du stehst vor mir in ros'gem Scheine
Und um dich wird es mählich licht.

Es schwindet leis der Brust Bedrängnis,
Bei allem Schauder, aller Not,
Mir ist, du tilgtest das Verhängnis
Und nähmst vom Erdenrund den Tod.

Mir ist, ich lag in bangen Träumen,
Nun blickt mein Auge klar erhellt,
Und Leben quillt in allen Räumen,
Und schön und heiter ist die Welt!

Verlust

Vermöcht' ich nur, mein Herz zu teilen,
Zu kosten, was die Stunde bringt,
Heut hier und morgen dort zu weilen,
Ein flücht'ger Wandrer, leicht beschwingt!

Vermöcht' ich, blutend jetzt von Schlägen
Und jubelnd dann in frohem Scherz,
Am Ende klüglich abzuwägen:
Halb ward mir Lust, halb ward mir Schmerz!

Doch weh der Seele, welche, lodernd,
Nur Einem alles dargebracht
Und, nur von Einem alles fodernd,
Dies Eine sich zur Welt gemacht!

Ich schwur auf dich — du hast gelogen,
Und alles, alles stürzt mit dir,
In dir hat alles mich betrogen
Und fürder bleibt nichts Heil'ges mir.

Ich fühl's, daß alles, was mir teuer,
Für immer in dir verlor,
Den Glauben und das schöne Feuer,
Mit dem ich einstens dich erkor.

Den heitern Mut, dem nichts im Ringe
Zu fern und unerreichbar schien,
Die Wunderkraft, die jedem Dinge
Ein rosig Angesicht geliehn. —

Ich lasse dir die Träne rinnen
Und klage, doppelt arm und krank,
Schau' ich zurück in bangem Sinnen,
Welch eine Welt mit dir versank!

Reue

                           I.

Wer könnte deine stille Größe fassen,
Die einsam fremd in dieser rauhen Welt;
Hier sünd'ge Lust, dort wild entbranntes Hassen,
Und engelrein dazwischen du gestellt!

Wie tief ich dich gekränkt im Seelengrunde,
Du lässest stumm es über dich ergehn;
Kein Ruf nach Rache tönt aus deinem Munde,
Du denkst nur immer Eins: Es ist geschehn!

Du fühlst nur, Unerhörtes ward begangen,
Und forschest nicht, wem fällt die Schmach zur Last?
Du zuckst erschreckt und weist nicht, traumbefangen,
Daß du gekränkt bist und zu richten hast.

Als trügst du selbst die Schuld an all dem Leide,
Schaust du verwirrt um dich mit bangem Sinn,
Und während frevelnd ich ins Herz dir schneide,
Stehst du vor mir als arme Sünderin.

                           II.

Die mich geliebt, so tief geliebt, wie keine,
Die ich geliebt, wie keine, keine je,
Ich log ihr, ich verriet, betrog die Reine,
O Rätseltat! o namenloses Weh!

Geheimnisvolles Herz! warum, so frag' ich,
Hast du dir deinen Himmel selbst zerstört?
Was fielst du ab von deinem Gott, so klag' ich,
Und beugtest dich vor Götzen, wahnbetört?

Du aber legst mir auf die Stirn die Hände,
Erlösend mich von meiner bangen Schuld;
Was ich auch, schwank und wandelhaft, empfände,
Du bleibst dir treu: nur Liebe, Milde, Huld.

Du Herrliche! längst hast du mir vergeben
Und flehst mich nur: Vergiß, was dich bedrängt!
Du rettest mich und gibst mich neu dem Leben,
Wie jetzt dein weicher Arm mich sanft umfängt.

Ich juble wieder unter deinen Küssen
Und wähnte schon des Unheils Maß erfüllt:
O soll ich meine Schmach noch loben müssen,
Da sie mir dich so wunderbar enthüllt?

                   III.

Laß mich irren, laß mich fehlen,
Kann ich noch so rauh dich quälen,
Glaube, nie vergeß' ich dein!
Tief verstrickt in andre Bande,
Schwebend an des Abgrunds Rande,
Werd' ich noch der deine sein.

Mag ich ohne Scheu und Zagen
Noch so weit in Schuld mich wagen,
Glaube, nie vergeß' ich dein!
Was auch frevelnd in mir brenne;
Daß uns nicht das Letzte trenne,
Wirst ja du ein Hort mir sein.

Laß mich irren, laß mich fehlen,
Kann ich noch so rauh dich quälen,
Glaube, nie vergeß' ich dein!
Und nach allem irren Schweifen
Muß in mir die Sehnsucht reifen,
Wieder einzig dein zu sein.

Und so inniger verlangend,
Und so heißer dich umfangend,
Kehr' ich endlich bei dir ein,
Mich an deiner Brust zu laben,
Alles Irrsal zu begraben
Und auf ewig dein zu sein.

Verdamme nicht!

Sprich nicht zu rasch das Wort, das mich verdammt,
Wenn dich mein schwankend Wesen oft verwirrt,
Und zürnst du mir, vom Augenblick entflammt,
O prüfe! daß dein jäher Zorn nicht irrt.

Gemein ist nicht dies Herz und nicht gemein
Das Maß, das es zu seiner Schätzung will,
Und kann ich nicht, was du gehofft, dir sein,
Und willst du fluchen schon, sei still! sei still!

Was dir mein Bild verdeutlicht, ist zerstreut,
Du mußt die Züge sammeln liebevoll,
Wie sie mein unstet ringend Leben beut;
Doch sagt dir freilich keiner, was er soll.

Ich selber bilde ja mit Müh' an mir,
Nach einem Ganzen streb' ich, schön und klar;
Doch ob mir's glückt? verzweifeln möcht' ich schier
Und matter, müder wird' ich Jahr um Jahr.

Wie lang noch währt's? ich fühl's mit bangem Sinn,
Daß mir die Lebenssonn' im Mittag brennt;
Wie lang noch währt's? und meine Zeit ist hin,
Und alles bleibt ein ärmliches Fragment.

Göttlichkeit

Süßes Mädchen, wie du schön bist!
Wie so lieblich deine Miene,
Wie so mild der Blick des Auges,
Wie so hold des Mundes Lächeln
Und wie wunderzart die Blüte
Deines magdlich jungen Leibes!
Und das alles, süßes Mädchen,
Hast du nicht für dich — o denk' es! —
Hast den ganzen großen Reichtum
Bloß nur, um ihn zu verschenken.

Mein Los

Ist's die Selbstbescheidung meines Herzens,
Welches schon beim Kleinsten jubelnd anhält;
Ist's mein vorbestimmtes karges Schicksal,
Daß ich stets das letzte Ziel verfehle?
Blondes Mädchen mit den süßen Augen,
Du vermöchtest wohl Bescheid zu geben.
Ach, wie lang schon breit' ich meine Arme
Sehnend nach dir aus, du Wunderholde,
Und du lockst mit Macht mich immer weiter,
Liebliche Verheißung in den Mienen;
Aber nimmer lässest du dich fassen.
Halb nur gibst du: einen Blick, ein Lächeln —
Und ich jauchze schon in jähen Gluten,
Voller Überschwang ob meines Glückes,
Bis du dich mir wieder ernst verschließest,
Daß ich sinnen muß gedämpften Herzens:
Liebt sie mich und werd' ich sie erringen?
Glaub' ich dich gerührt von meiner Werbung,
Nimmst du rasch zurück, was du gegeben,
Halb in Schalkheit wohl und halb befremdet,
Daß mein Herz, von deiner Huld entzündet,
Also überschweift in sel'ger Torheit.
Grad genug beschenkt, um süß zu träumen,
Aber ewig der Erfüllung ferne,
Hoff' ich stets von jedem neuen Tage,
Was mir der entschwundne nicht gewährte.
O Poetenherz, Poetenschicksal!
Muß ich schon das Stäubchen so mir schmücken,
Daß ich es als reichen Schatz empfinde?
Blondes Mädchen mit den süßen Augen,
Muß ich, überwallend, selbst dich lehren,
Wie man Schwärmer leicht am Fädchen leitet,
Ohne ihnen allzuviel zu spenden?
Nun, es sei! Du sollst zum mind'sten wissen,
Daß ich auch, was mir als Los beschieden,
Selbst erkenne, wenn ich mich nur sammle.
Mein ist nur ein Hauch, ein flücht'ger Schimmer.
Körperlos, mit Händen nicht zu halten,
Soll, wie viel ich ringe, mein Besitz sein,
Und das Leben, das ich selber weckte,
Darf ich nur im Werden still belauschen,
Nicht, zur gold'nen Frucht gedieh'n, mir zu pflücken:
Ich erreg' in dir den leisen Funken,
Doch der Brand er wird nicht mir mehr gelten;
Ich bewege dich oft nachzusinnen,
Welch ein seltsam Rätsel wohl die Liebe;
Doch des Rätsels holde, süße Lösung
Soll dir nicht in meinen Armen werden,
Und die Sünden alle, die ich, glühend,
Mit der Überredungskraft der Sehnsucht
Dir schon eingeschmeichelt in die Seele,
Wirst mit einem Andern du begehen.

Zwiespalt

Mädchen, mir zur steten Qual geschaffen,
Böser Schalk mit dem Madonnenantlitz,
Oft verwünscht von meinem wunden Herzen,
Mehr gehätschelt noch von meiner Liebe,
Wie enträtsl' ich mir dein Doppelwesen?
Welche Anmut, welche Engelsreinheit
Spricht mit Macht aus jeder deiner Mienen!
Klar und kindlich blicken deine Augen,
Sanft und arglos lächeln deine Lippen,
Daß es mir ein Frevel dünken könnte,
Solchen Zeichen holder, süßer Unschuld
Nicht mit gläub'gem Sinne zu vertrauen.
Aber kann ich dann in Augenblicken
Flüchtig schaun in deiner Seele Tiefen,
Schreck' ich bang zurück und werde irre.
Tut sich da nicht auf ein schwarzer Abgrund
Voll von Lug und Trug und garst'ger Tücke?
Und ich frage mich: Ist das das Mädchen
Mit den kindlich klaren, schönen Augen,
Mit dem Mund, der so bezaubernd lächelt
Und den Kuß empfängt des meinen?
Glaub ich, was dein Antlitz mir verkündet?
Oder glaub' ich, daß du falsch und treulos?
Schwer bedrängt, in Zweifeln schmerzlich ringend,
Möcht' ich bald in glüh'ndem Zorn dich strafen,
Bald dich reinigen von jedem Makel;
Was soll ich tun zuletzt? dich fliehen?
Oder unserm Bund noch Dauer gönnen? —
Ach, mein Herz, zu heiß nach dir verlangend,
Hat sophistisch mir schon eingeflüstert,
Was mir ziemt in diesem bangen Zwiespalt,
Daß ich, faßt mich auch der Groll oft mächtig,
Dennoch meine Süßigkeit mir rette.
"Um nicht ungerecht zu sein", so rät mir's,
"Harre, bis Gewißheit dir geworden;
Und indessen magst du, Vielbedrängter,
Tapfer hassen ihre schwarze Seele
Und dabei ihr rotes Mündchen küssen."

Zur Beschwichtigung

"Böser Mann, noch hab' ich nie gelitten,
Was ich leide seit du mir begegnet
Und mit tiefem, wundermächt'gem Zauber
Jeglichen Gedanken hältst im Banne,
Daß ich stets von deinem Bild nur träume.
Welche unruhvoll bedrängten Tage!
Bald durchzittert mich die Qual der Sehnsucht,
Nichts, was sonst mich freute, kann mich binden,
Und mich lockt's nach einem fernen Glücke;
Bald erschreck' ich bang, daß ich verliere,
Was noch gar nicht mein und dem ich kaum noch
Im geheimsten Selbstgespräch der Seele
Einen Namen mich zu geben traue.
Weilst du ferne, glaub' ich, jede Stunde
Legt sich zwischen uns und lenkt dein Sinnen
Ab von mir nach allem reizend Schönen,
Das mit Allgewalt dich fesseln könnte;
Bin ich dann bei dir und sollt' ich jubeln,
Ruhn wir Hand in Hand und Aug' in Auge,
Überkommt in allem Freudendrange
Dennoch wieder mich ein ängstlich Bangen.
Fliegen möcht' ich aufwärts, mit dir fliegen
Und zum sel'gen Gotte dich entzücken;
Doch ich bleibe stumm und zage hilflos,
Ohne Macht, den Himmel zu erschöpfen,
Ohne Macht, mit all der innern Fülle,
Die das Herz mir schier zersprengen möchte,
Dich verschwenderisch zu überschütten.
Und so beb' und bang' ich ewig ruhlos.
Böser Mann, noch hab' ich nie gelitten,
Was ich leide, seit du mir begegnet."
Also sprach sie, angeglüht die Wange
Und das holde Antlitz leis umdüstert.
Aber ich, gerührt in tiefster Seele,
Von der Stirne streich' ich ihr die Wolken,
Blick' ihr innig in das süße Auge
Und erwidre solches ihrer Rede:
Gerne glaub' ich dir, doch trag' es, Mädchen;
Trage dieses Leid, das kommen mußte,
Wie im Lenz, wenn Blüten werden sollen,
Stürme durch die Welt erschütternd gehen;
Trage dieses Leid, es steht dir lieblich
Und es reift dir in der Brust dein Schönstes.
Solltest du, woher es kommt, nicht wissen?
Und beklagst du's noch, wenn ich dir's sage,
Dich ans Herz in trunken Jubel ziehend:
Ja, noch niemals hast du so gelitten,
Weil du niemals so geliebt, du Teure!

Nach der Trennung

Wer verlangt im Wirbel dieses Daseins
Allzu viel vom armen Menschenherzen! —
Mädchen, bang begleitet dich mein Auge
Und es will im Wehgefühl sich feuchten.
Einem Andern lächeln deine Lippen,
Einen Andern küssest du verlangend,
Süßes Liebesfeuer in den Blicken;
Aber einst — o denkst du's noch? — einst suchten
Mich, nur mich die Blitze deiner Augen;
Diese Arme hielten dich umschlungen,
Und du schlossest allen deinen Reichtum
Selig auf an meinem sel'gen Herzen.
Denkst du's noch? O wende nicht dein Antlitz!
Flüchte dich auch nicht zum garst'gen Worte,
Jene Stunde sei nicht wahr gewesen.
Will ich dich denn schelten? will ich zürnen?
Stumm zerdrück' ich meines Auges Träne
Und ich rufe dir: Ade! sei glücklich! —
Wer verlangt im Wirbel dieses Daseins
Allzu viel vom armen Menschenherzen!

Einem Verlorenen

Versöhnung! welch ein Wort von mächt'gem Klange!
Wie süß die Träne, die das Auge weint,
Wenn Zwei nach manchen Irrsals bangem Drange
Sich in die Arme sinken neu vereint!

Erblühte mir auch eine solche Stunde,
Wo wir gerührt uns halten, Hand in Hand,
Und wieder eins, wie sonst, im Herzensgrunde,
Aufjubelnd knüpfen neu das alte Band!

Allein umsonst! Uns trennt kein blindes Grollen,
Kein jähes Wort, das jetzt die Lippe spricht
Und, wie es dem Erzürnten kaum entquollen,
Ihm auch schon fast das eigne Herz zerbricht.

Uns trennt ein Abgrund, nimmer auszufüllen,
Und folgt' ich meiner heißen Sehnsucht Zug,
Und wollt' ich, was mich peinigt, mir verhüllen,
Was frommte mir ein solcher Selbstbetrug?

Hier ist nicht eine Tat nur zu vergessen,
Hier stürzte alles, drauf ich einst gebaut,
Und nichts, ach! heilt das Leiden unermessen,
Daß ich im tiefsten Wesen dich durchschaut!

An einen jungen Freund

Du, junges Herz, schrickst bang zusammen,
Wenn dich dein Pfad durchs Dunkel führt,
Wenn deine stillen, tiefen Flammen
Ein kalter Hauch der Welt berührt;
Du siehst die Andern schnöd, verlogen,
Der eignen Reine dir bewußt,
Bist nach dem Schönen ausgezogen
Und erntest einzig nur Verlust;
Da flüchtest du, verwirrt, betrogen,
In Tränen dich an meine Brust.

Du rufst: O muß uns dies begegnen?
Bei jedem Schmerzensanblick neu,
Und flehst, ich soll dich liebend segnen,
Und fliehst das Tun der Andern scheu.
Wie faßt mich, Teurer, tief dein Fragen!
Du senkst in bangem Weh das Haupt,
Und doch — ich kann dir sonst nichts sagen
Als: wärst du doch so sehr beraubt,
O lerne stumm die Welt ertragen,
Begrabe, was du fromm geglaubt!

Verzichten wir, die Welt zu finden,
Wie wir in Träumen sie gesucht,
Und welchen Schauder wir empfinden,
Kein banges Zucken, keine Flucht!
Aufrecht in allen Sturmgewittern!
Aufrecht zum Trotze jedem Trug!
Der Seele tiefgeheimes Zittern
Verraten wir mit keinem Zug;
Mag alles auch um uns zersplittern,
Wir lenken kühn empor den Flug!

Die Arme fest um mich geschlungen —
(O wär' ich dir ein sichrer Halt!)
So schaue fest und unbezwungen
Ins Treiben, das dich wirr umschallt.
Kein Fliehen! keinen Trost des Schwachen!
Es komme über uns, was muß!
Durch Schmerzgeheul und Donnerkrachen
Treib' unser Schiff nach höherm Schluß,
Wie durch den Höllenpfuhl der Nachen
Des Dante und Virgilius.

Rückerinnerung 2
an einen Jüngling, der sich selbst den Tod gegeben.

Unsel'ger, der du ohne Schwanken
Die namenlose Tat vollbracht,
Die sonst nur streifen die Gedanken,
Wenn bang gequält die Seele wacht,
Du warst so reich an jeder Tugend
Und fandest doch die Welt so arm?
O daß du in der Kraft der Jugend
Erlegen einer Stunde Harm!
So oft mit einer holden Spende
Das Leben jetzt mich lächelnd schmückt,
So oft ein Schönes mir geglückt,
Da streck' ich heiß nach dir die Hände:
Ist mir der Liebling denn nicht nah?
Und sehnend ruf' ich ohne Ende:
O wärst du da!

Doch wundersam — wie bang ich traure,
Daß du so früh mir bist geraubt,
Ob ich vor deiner Tat erschaure
Und sinnend schüttle oft das Haupt:
Wie bist du stumm beredt im Grabe!
Dich zu verdammen wag' ich nicht,
Und hang' ich froh an meiner Habe,
Begreif' ich doch das Wort "Verzicht!"
Selbst in den schönsten Wonnetagen
Erfaßt mich's oft mit stiller Qual,
Daß alles eitel, alles schal;
Aus Jubelrufen werden Klagen,
Was sonst mich labte, dünkt mir schlecht,
Und deine Stimme hör' ich fragen:
Hab' ich nicht Recht?

Einem Jugendfreunde
beim Wiedersehen nach langer Trennung

Die alte Zeit, die junge Zeit,
Die Zeit, da jung wir waren,
Wie liegt sie nun so weit, so weit,
Verklungen mit den Jahren!

Das frische Blut, der leichte Sinn,
Der sich am Kleinsten freute,
Des Lebens bester Teil ist hin
Und zagend stehn wir heute.

Es ist die Welt dieselbe noch,
Es lacht dieselbe Sonne;
Uns aber drückt der Sorge Joch
Und unter ging die Wonne.

Mag manches Glück uns neu erstehn,
Wir müssen's erst zerlegen,
Und bis wir's rechts und links besehn,
Bleibt es uns noch ein Segen?

Das war die einz'ge Seligkeit,
Wie vieles wir erfahren:
Die alte Zeit, die junge Zeit,
Die Zeit, da jung wir waren.

Dem Andenken Ferdinand Kürnbergers

Weltabgekehrt und doch in Zornesgluten
Befehdend alles, was die Welt entstellt,
Gehaßt vom Schuld'gen, oft mißkannt vom Guten,
Kein Gast, wo andre fröhlich sich gesellt:

So bist du freudlos durch das Sein geschritten,
Und hast doch nur gebüßt den eignen Wert;
Stets kampfgewärtig, hast du stets gelitten,
Bis du gebrochen sankst, die Kraft verzehrt.

Allein du strittest, littest nicht vergebens;
Was an dir irdisch war, verfällt dem Tod,
Doch dauern wird die Arbeit deines Lebens,
Auf deinen Hügel blitzt das Morgenrot.

Einsamer Wand'rer, arm an Glück und Habe,
So halte Rast, um deine Stirn den Kranz!
Fahr wohl! fahr wohl! und erst aus deinem Grabe
Steig' uns dein Bild empor in reinem Glanz.

Dem Dichter Theodor Grafen v. Heusenstamm
Zu seinem 80. Geburtstage

Schon achtzig Jahre ganz —
Und edlen Sangs so voll?
Empfange denn den Kranz
Zwiefach als Ehrenzoll.

So lange stark gekämpft
Mit allem Schmerz und Drang!
So lange ungedämpft
Des Liedes voller Klang!

Heut schmücke sich die Welt,
Der du so viel gebracht,
Von ros'gem Schein erhellt,
Für dich in Frühlingspracht.

Was je dich hold gegrüßt,
Zu rasch nur im Entfliehn,
Was je dein Sein versüßt,
Soll dir vorüberziehn.

Daß dir die Seele wallt
Froh in Erinnerung:
O wardst du uns so alt,
Wirst du erst wieder jung!

An die Gräfin Caroline Wimpffen-Lamberg
Ein Gruß aus Görz

So weil' ich jetzt auf jener Stätte,
Wo du geirrt einst, qualbedrängt,
Und schwerer Leiden eine Kette
Dir grausam das Geschick verhängt;
Hier war's, in diesen lichten Fluren,
Wo schwarze Nacht umwölkt dein Sein,
Und folg' ich deines Trittes Spuren,
Mahnt alles mich an Schmerz und Pein.

Ich seh' in dieser Welt voll Blüten,
Wo alles Sterben doppelt rührt,
Den Todesengel zürnend wüten,
Der Streich um Streich vernichtend führt.
Und aus dem schimmernden Gelände,
Aus diesem Hintergrund, so mild,
Tritt, bang emporgestreckt die Hände,
Vor mich ein klagend Menschenbild.

Du bist's! wie einst, da es geschehen
Und ich die Unglückspost vernahm,
Ich dich im Geist vor mir gesehen,
Daß mich's erschütternd überkam;
Du stehst — o darf ich davon sprechen? —
Wie damals, aufgelöst in Weh,
Das wunde Herz bedrückt zum Brechen,
Vor mir als zweite Niobe.

Kaum fiel dein Gatte, todgetroffen,
Als Held in dem Gewühl der Schlacht,
Sank Kind um Kind, dein junges Hoffen,
Geknickt dir in die Todesnacht.
Das erste starb, in Tagen, Stunden
Das zweite, dritte jäh danach;
Was hast du da nicht durchempfunden,
Zermalmt von all dem Ungemach!

Und doch — du bist nicht unterlegen
Dem grausam waltenden Geschick;
Leis fingst du an, dich neu zu regen,
Bis du entwölkt erhobst den Blick.
Und sieh! ein Töchterlein noch schmiegte
So innig sich an deine Brust,
Wie das dein Arm umschlang und wiegte,
War auch noch dein die Mutterlust.

Die blieb dein Trost und trug dich weiter,
Daß du, stets freudiger geschwellt,
Im Innersten versöhnt und heiter,
Zuletzt umspanntest neu die Welt.
Und reich aus liebendem Gemüte
Erquickst du jeden, der dir naht;
So fiel auch mir von deiner Güte
Ein lichter Strahl auf meinen Pfad.

Drum laß dich grüßen und dir danken,
Gedenk' ich dein doch doppelt warm
Hier, wo die jungen Reislein sanken,
Wo du erfuhrst so tiefen Harm.
Und wenn bei meinem Gruß dir ferne
Das Herz in Wehmut widerklingt:
Ein Totenopfer sei's, das gerne
Die Liebe den Geschied'nen bringt.

An mein Weib
Am zehnten Jahrestage unserer Vermählung

Ich möchte prüfend überschaun,
Was ich an Gütern dir gegeben,
Seit du in liebendem Vertraun
Dein Los geeint mit meinem Leben;
Ach, nichts, was stolz ich weisen kann
In all den abgelaufnen Jahren!
Doch schlag' es zu gering nicht an,
Daß wir zusammen glücklich waren.

Nicht auf den Höhen schrittest du,
Wie dir's, du Herrliche, gebührte,
Kein rauschend Leben fiel dir zu,
Still war der Pfad, den ich dich führte;
Ach nichts, was ich für dich gewann
In all den abgelaufnen Jahren!
Doch schlag' es zu gering nicht an,
Daß wir zusammen glücklich waren.

Ich ring' empor mit festem Mut —
Wann wird mir der Erfüllung Segen,
Daß ich vor dir in sel'ger Glut
Ihn huld'gend könnte niederlegen?
Ach, was ich auch gestrebt, getan,
Nichts will den Sieg noch offenbaren!
Doch schlag' es zu gering nicht an,
Daß wir zusammen glücklich waren.

Und wenn mich in des Todes Nacht
Das waltende Geschick entrückte,
Bevor mein Mühen dir gebracht,
Womit ich dich so gerne schmückte:
Treu schirmt' ich dich und was ich sann,
Galt dir, das hast du doch erfahren
Und schlägst es zu gering nicht an,
Daß wir zusammen glücklich waren.

An meine beiden Söhne

Mir widerstrebt des Herzens Klage;
Wie bang es auch tief innen sticht,
Wer heimgesucht von Weh, der trage
Und zeige seine Wunde nicht;
Euch aber, Söhne, darf ich's künden,
Welch herben Kelch das Sein mir bot,
Nicht rühren soll's euch, nein! entzünden,
Aufrecht zu stehn bis in den Tod.

Wohl darf ich grollen dem Geschicke,
Meß' ich die Ernte meiner Saat
Und schau' ich mit umflortem Blicke,
Wie viel mir rauh die Welt zertrat.
Im Tiefsten hegt' ich treu den Funken,
Doch fiel in öde Nacht sein Schein,
Ich schuf und strebte gottestrunken,
Doch nannt' ich keinen Sieg je mein.

Im Treiben, das durchlärmt die Weiten,
Verhallte meiner Stimme Ruf;
Schlecht konnt' ich im Gedränge streiten
Und schutzlos blieb, was ich erschuf.
Dem laut Geschäft'gen lauscht die Runde,
Dem klug Gewandten lacht Gewinn;
Mich aber prüft noch jede Stunde,
Wie stark ich im Entsagen bin.

Sei's! Schreitet ihr nur, Teure, mutig
Dem Ziele zu, das ihr erwählt;
Rang ich gar schnell mich wund und blutig,
Seid ihr in zäher Kraft gestählt.
Wo ich gebangt im Kampfesbrausen,
Wo ich die Wirrnis nicht durchdrang,
Laßt eure scharfe Waffe sausen,
Bis sie die Bahn euch kühn erzwang.

Wie endlos auch der Pfad sich windet,
Wie eisig kalt das Sturmeswehn:
Für jede Hoffnung, die mir schwindet,
Laßt eine neue euch erstehn.
Was ich entbehrt, was mir verloren,
Es sei für euch gehäuft als Gut,
Daß ihr, zu schönerm Los erkoren,
Damit euch schmückt in stolzer Glut.

Ihr dürft's vom ew'gen Gotte fodern
Als eine alte, heil'ge Schuld;
So laßt nur eure Herzen lodern
Und zagt nicht, tragt nicht in Geduld.
Und stünden wider euch auch alle,
Nur fort im ungestümen Lauf!
Und wo einst ich gebrochen falle,
Pflanzt eure Siegesfahne auf!

Der Einzigen

Du wunderbares Herz voll Liebe,
O welch' ein Segen, daß du mein!
Wenn sonst auch kein Besitz mir bliebe,
Du schlössest alles für mich ein.
Wie vieles mir dahingeschwunden,
Wie viel Ersehntes stets noch säumt;
Hab' ich in dir doch mehr gefunden,
Als kühnen Flugs ich je geträumt.

Und seufz' ich doch in mancher Stunde
Um das, was mir das Sein verwehrt,
Und fragst du dann mit sanftem Munde,
Was mir die Seele mir beschwert;
Da schreck' ich auf bei deiner Frage
Und möchte flehn: Verzeihe mir!
Ist denn nicht jede Schmerzensklage
Ein Frevel, herrlich Weib, an dir?