I.
Die Warnung
Ein Jüngling saß mit düstren Mienen
In grüner Gräber Mitte da,
Als wär' er heimisch unter ihnen,
Und kein Gedank', als Tod, ihm nah'.
So war's auch, und mit schnödem Lächeln
Senkt' er sein Haupt zur Erd' hinab,
Als wünscht' er, daß des Westes Fächeln
Schon hinzog' über seinem Grab.
Ist er denn krank? — Noch färbt ja Leben
Sein zartgerötet Wangenpaar.
Doch seine Krankheit ist sein Streben:
Denn was er will, ist ihm nicht klar.
Er könnte froh sein und will trauern,
Er könnte lieben — ach! und haßt,
Er muß die schöne Welt bedauern,
Und lächelt mancher Schmerzenslast.
Er schilt gering, was er verloren,
Und härmt sich über eitlen Tand;
Zum Leide klagt er sich geboren,
Und zürnt, daß er kein Leid noch fand.
Der Gute dünkt ihm zu viel Engel,
Der Sünder zu viel Teufel ihm,
So schmäht auf Tugenden und Mangel
Sein Herz mit gleichem Ungestüm.
Was also will er? — "Sterben, sterben,
Verlassen diese Welt voll Schein,
Im Tode Ruhe sich erwerben,
Und nicht sein, um beglückt zu sein!"
"O komm'," so ruft er, "komm', du größter
Von allen Engeln Gottes, komm'!
Lösch' aus ein Licht, du stiller Tröster,
Das nur sich selbst zur Qual entglomm!" —
Da schallt ein gräßlich gellend Lachen
Den Friedhof schauerlich entlang,
Und dumpfe Geisterkläng' erwachen,
Wie meilenferner Grabgesang.
Und fieberhafter Schauer zittert
Durch flüsternd Fliederlaub heran,
Und fahl, wie wenn's von fern gewittert,
Färbt mattes Licht den Gräberplan.
Und eine Hand wie Eis erhebet
Von rückwärts sanft des Jünglings Kinn;
Er dreht von wildem Schreck durchbebet
Starr nach der Hand das Antlitz hin.
Und wie er aufblickt, glotzt von oben,
Wie Glühwurmschein auf einem Grab,
Gigantisch über ihn erhoben
Ein grinsend Beingesicht herab.
Und aus dem offnen Knochenmunde,
Wie Vampyrlaut aus dumpfer Gruft,
Hallt's, mit dem Schlag der Geisterstunde,
Hohnlachend durch die schwüle Luft:
"Tor, sieh', da bin ich, den du rufest!
Warum knickt deine Mannheit ein?
Ich bin's, der Engel, den du schufest, — —
Doch ruhig, — mich verlangt nicht dein!
Ich bin kein Sklave, der erscheinet,
Wenn tolle Laun' es herrschend will;
Gebannt nicht, noch herangeweinet,
Wann's mir geboten, komm' ich still.
Dahin in meiner Brust von Knochen
Da steht's geschrieben unsichtbar,
Was von mir sein soll abgebrochen,
Und was verschont von Jahr zu Jahr.
Und wie's nicht Winter ist zu nennen,
Wenn Blumen knickt der Sense Schnitt,
Kann ich's als mein Werk nicht erkennen,
Wenn mich der Mensch bei sich vertritt.
Du, Fant, willst reif sein schon zum Tode,
Schon reif sein jetzt, unsel'ger Tor?
Wie manche Lebensperiode
Steht, eh' du reifst, dir noch bevor.
Glaubst du, weil ich oft Kinder mähe,
Weil ich oft Länder leer' im Flug,
Der tolle Wunsch nach meiner Nähe
Geb' auch auf mich schon Recht genug?
Du mußt mich lebend erst verdienen
Mit Leid und Lust, mit Freud' und Pein;
Ich bin kein Knecht trübsel'ger Mienen,
Erkauft, erstöhnet will ich sein!
Du mußt noch irren, mußt noch kämpfen,
Noch keuchen unterm Erdenjoch,
Mußt Wünsche zügeln, Lüste dämpfen,
Mußt lieben und mußt hassen noch.
Mußt kennen lernen die Dämonen,
Die licht und schwarz durch's Leben geh'n,
Mußt lang nach bessren Regionen
Mit ungestillter Sehnsucht seh'n.
Und wenn du erst geliebt das Leben,
Und seinen tiefen Sinn erfaßt,
Dann komm' ich, dir die Hand zu geben,
Dann hol' ich dich als würd'gen Gast!"
So scholl's, da war der Spuk zerstoben,
Und reglos lag der Jüngling dort;
Erst als der Morgen sich erhoben,
Schlich er vom Friedhof sinnend fort.
Doch bleich blieb sein Gesicht, als habe
Vom Lenzrot es nicht viel verspürt; —
Das kam von jener Hand am Grabe,
Die warnend ihm das Kinn berührt.
Taschenspielerei
Die Zeit — ich hab' es selbst erfahren —
Ist eine Taschenspielerin,
Sie schlägt die Volte mit den Jahren,
Und blendet neckend Aug' und Sinn.
Da steht sie, hinter'm grünen Tische
Der Erde, mit geübter Hand,
Vor sich ein schimmerndes Gemische
Von Flitterwerk und Zaubertand.
Und Dornen wandelt sie in Rosen,
Wohl öfter noch die Ros' in Dorn,
Und läßt um Nieten emsig losen,
Und trübt zu Blut der Freude Born.
Und Kronen bröckelt sie zu Staube,
Und schmelzt den Staub zu Gold im Nu
Und schickt die kaum gewürgte Taube
Des Friedens neubelebt uns zu.
Die Zeit — ich hab' es selbst erfahren —
Ist eine Taschenspielerin;
Sie nahm mir einmal meinen klaren,
Gesunden, lebensfrohen Sinn.
Und legt' ihn tändelnd unter'n Becher
Der Lieb' und sprach ein kurzes Wort;
Dann hob sie rasch den Zauberköcher, —
Mein klarer, froher Sinn war — fort.
Was ich dafür zurückerhalten,
Ist ein verkohlter Diamant; —
Ich küßt', erschüttert durch ihr Walten,
Mit Tränen ihre Künstlerhand.
II.
Der gejagte Jäger
Das geht durch Dorn und Ranke, durch Wald und Schlucht in
Hast, —
Du junger Alpenjäger, so gönne dir doch Rast!
Das Wetter ist nicht günstig, was nimmst du denn empor?
Meinst du, die Gemsen machen sich dir zu Lieb' hervor?
Dem jungen Zager aber liegt nicht die Jagd im Sinn,
Er starrt mit trüben Augen gar seltsam vor sich hin,
Er schlendert an den Klüften, wovor selbst Jägern graust,
Ganz schwindellos vorüber, sein Stutzrohr in der Faust.
Den Aar in hohen Lüften, sonst ein willkommnes Ziel,
Er läßt ihn ruhig kreisen, — es gilt ein andres Spiel;
Heut' ist nicht er der Jäger, heut' wird er selbst gejagt,
Gejagt von Kupp' auf Kuppe, bis ihm die Kraft versagt.
Die Jäger sind die Schwüre, die ihm die Sennin schwor,
Die Jäger sind die Stunden, die er an sie verlor,
Die Jäger sind die Küsse, die sie nicht ihm vermeint,
Die Jäger sind die Tränen, die sie nicht ihm geweint.
Ein lustig Jägervölkchen, für einen Leu genug,
Sie hetzen ihn verspottend bis vor zum letzten Bug,
Zum Rand, wo kein Entkommen, wo kein Besinnen gilt, —
Da steht er nun, umzingelt, ein mattes, armes Wild.
Was kümmert ihn die Wolke, die fast sein Haupt berührt,
Was kümmert ihn das Wetter, das sie mit sich geführt,
Ihr Prasseln und ihr Sausen und ihrer Blitze Strahl? —
Sein Auge starrt hinunter, hinunter nur in's Tal.
Dort steht sie noch die Hütte, das Fenster glänzt noch dort,
Das klirrte manchem Pochen, das lauschte manchem Wort;
Das Pochen war vergebens, das Wort war leere Spreu, —
Er hat die Treu' gehalten, doch sie vergaß der Treu'.
Jetzt regt sich was vor'm Hüttchen, — sie ist's — sie muß es
sein, —
Da hüllt der Nebel sinkend ihm Tal und Hüttchen ein,
Da faßt er wild die Büchse, drückt fest an's Herz den Lauf:
"Glück auf, beglückter Freier! Herzliebchen, schau' herauf!"
Und Plötzlich senkt die Wolke sich berstend niederwärts, —
Ein Strahl, — der Jäger taumelt, — der Strahl fuhr ihm
durch's Herz. —
So fanden ihn die Jäger versengt vom Flammenkuß;
Des Himmels Blitz ersparte dem einen bösen Schuß.
Abstand
Wenn von der Wolken schwarzem Bogen
Der Pfeil des Blitzes saust daher,
Und, wo er zürnend hingeflogen,
Die Hütte dampft, — wohl ist es schwer.
Wenn eines Stromes Ader springend
Des Landes Herz, die Stadt, umschwillt,
Was es gehegt, im Nu verschlingend, —
Wohl gibt's ein grauses Jammerbild.
Wenn ähnlich einem trägen Drachen
Sich eine Seuche wälzt durch's Land,
Entvölkernd mit gefräß'gem Rachen, —
Wohl sinkt uns mutlos Haupt und Hand.
Wenn brausend oft von wildem Gären
Die Erde birst in falschen Weh'n,
Begrabend nur, statt zu gebären, —
Wohl ist's um Menschenglück gescheh'n!
Wenn Elemente sich erheben,
Um uns zu öffnen unser Grab:
Wir sind in ihre Macht gegeben,
Weil sie ein Größrer ihnen gab.
Was sie auf unser Haupt auch laden,
Ein frevelnd Unrecht ist es nie,
Sie können es von Gottes Gnaden, —
Was er geschenkt, er nimmt's durch sie.
Doch wenn uns Menschenbosheit quälet,
Wenn Mutwill' unsre Blüten knickt,
Wenn Übermut zum Kampf gestählet
Mit Hohn uns Hoffnungen zerdrückt;
Wenn falsche Größe spielt mit Wehe,
Wenn Rohheit fordert blut'gen Zoll,
Wenn ich die Torheit rasen sehe:
Dann schwillt das Herz mir auf in Groll.
Wir ehren mit gebeugten Stirnen
Des Elementes Ungestüm;
Dem Menschen mag der Mensch drob zürnen,
Denn arger Frevel ist's von ihm.
III.
Der tote Soldat
The most precious tears are those, with which
Heaven bedews the unburied head of a
soldier.
O. Goldsmith.
Auf ferner fremder Aue
Da liegt ein toter Soldat,
Ein Ungezählter, Vergeßner,
Wie brav er gekämpft auch hat.
Es reiten viel Generale
Mit Kreuzen an ihm vorbei;
Denkt Keiner, daß, der da lieget,
Auch wert eines Kreuzleins sei.
Es ist um manchen Gefallnen
Viel Frag' und Jammer dort,
Doch für den armen Soldaten
Gibt's weder Träne noch Wort. —
Doch ferne, wo er zu Hause,
Da sitzt, beim Abendrot,
Ein Vater voll banger Ahnung
Und sagt: "Gewiß, er ist tot!"
Da sitzt eine weinende Mutter,
Und schluchzet laut: "Gott helf!
Er hat sich angemeldet:
Die Uhr blieb steh'n um Elf!"
Da starrt ein blasses Mädchen
Hinaus in's Dämmerlicht:
"Und ist er dahin und gestorben,
Meinem Herzen stirbt er nicht!" —
Drei Augenpaare schicken,
So heiß es ein Herz nur kann,
Für den armen, toten Soldaten
Ihre Tränen zum Himmel hinan.
Und der Himmel nimmt die Tränen
In einem Wölkchen auf,
Und trägt es zur fernen Aue
Hinüber in raschem Lauf;
Und gießt aus der Wolke die Tränen
Aufs Haupt des Toten als Tau,
Daß er unbeweint nicht liege
Auf ferner, fremder Au.
Die beste Uhr
Die Schildwach' auf dem Posten
Sie schreitet ab und zu,
Sie zählet Tritt' und Schritte,
Sie hat nicht Rast, noch Ruh'.
Sie sagt zur Stunde schweigend:
"Ach, daß du doch entflöhst!"
Und eh' man schlagen hörte,
Ruft sie schon: "Abgelöst!"
O Schildwach' auf dem Posten,
Oft tat ich so wie du,
Und schritt vor einem Fenster
Gar emsig ab und zu.
Und zählte die Minuten,
Und blickte nach dem Haus,
Wo zur bestimmten Stunde
Mein Liebchen sah heraus.
Und bat die Zeit im Stillen:
"Ach, wenn du doch entflöhst!" —
Und wenn's am Fenster winkte,
Dann rief ich: "Abgelöst!"
Ihr andren Alle kennet
Die Zeit vom Namen nur;
Ein liebend Herz, das wartet,
Das ist die beste Uhr.
IV.
Nach einem Jahre
Vor'm offnen Schranke steht die junge Frau,
In ihrem Auge schimmert süßer Tau.
Welch bunter Kram, dort Haub' und Hemdchen hier,
Und Strümpfchen, Bänder, seidne Flitterzier! —
Wo ist das Kindchen, das sie schmücken will? —
Noch schläft es unterm Mutterherzen still.
Allein die Mutter sieht es schon vor sich,
Das holde Püppchen zart und inniglich.
Sie denkt in Haub' und Hemd' und Strümpfelein
Sich Köpfchen, Leib und Füßchen schon hinein.
Sie schmückt's im Geist mit Band und Flitter aus,
Wie ihres Lebens schönsten Blütenstrauß.
Und was erst Traum, bald ist es Wirklichkeit: —
O Mutterschaft, du süße Maienzeit!
Doch jede Maienwonn' ist wandelbar,
Und Vieles ändern kann — ein kurzes Jahr. —
Vor'm offnen Schranke steht die blasse Frau,
In ihrem Auge schimmert herber Tau.
Welch bunter Kram, dort Haub' und Hemdchen hier,
Und Strümpfchen, — doch nicht Band, nicht Flitterzier.
Wo ist das Kindchen, das sie schmücken will? —
Ach Gott! das schläft schon in der Erde still.
Allein die Mutter sieht es noch vor sich,
Das arme Würmchen, wie es leis erblich.
Sie denkt in Haub' und Hemd' und Strümpfelein
Noch Köpfchen, Leib und Füße sich hinein.
Nur Band und Flitterzier sind nicht mehr da: —
Mit diesen schmückte sie den Sarg ihm ja.
Vorbereitung
Wenn so mit allen seinen Schauern
Der Winter saust durch Feld und Hain,
Wenn Ströme stocken, Bäume trauern,
Es ist ein freudlos ödes Sein.
So ganz verwandelt, kaum zu kennen
Die rings entblutete Natur,
Das Leben — Leben kaum zu nennen,
Auf Erden — kaum der Erde Spur.
Und alle Farben — wie zerronnen
In totes Weiß, in mattes Grau,
Die Sonn' — in Nebel eingesponnen,
Nicht Wärme, nicht Gesang, nicht Tau.
Wenn das auf einmal so geschähe,
Unvorbereitet, über Nacht,
So daß man tot am Morgen sähe,
Was abends lebhaft noch gelacht;
Wenn's plötzlich aus den Wolkenschichten
Hereinbrach' über Lenz und Licht; —
Ein Anblick wär' es zum Vernichten,
Die Menschen überlebten's nicht.
So aber ist's ein leis Entfärben,
Ein langsam Welken und Vergeh'n,
Ein gnädig Mahnen an das Sterben,
Das wir in tausend Bildern sehn.
Da sinken reif die goldnen Ähren,
Da tropft vom Baum die volle Frucht,
Da weint der Himmel kühlre Zähren,
Da jagt das Laub in schnellrer Flucht.
Da zieh'n die Vögel nach dem Süden,
Und Farb' um Farbe wird verwischt,
Bis in allmählichem Ermüden
Zuletzt das Leben still erlischt.
Das ist des Himmels gnäd'ge Leitung,
Er stürmt nicht wild und grausam drein,
Er weiht durch leise Vorbereitung
Das Herz zu jedem Bittren ein.
Er sprengt uns einzeln Wermutstropfen,
Eh' er den Strom der Leiden schickt;
Er läßt zum Spiel die Pulse klopfen,
Eh' er den Dolch der Prüfung zückt.
Er macht die Lippen lebenssatter,
Bis sie des Kelches fast verdrießt;
Er macht das Aug' uns matt und matter,
Bis es zuletzt sich gerne schließt.
V.
Der Skalde
"Muß ich's denn immer hören, wohin mein Fuß auch eilt,
Wie sich in's Lob der Dänen der Skalde mit mir teilt?
Wo meinen Namen sie nennen, dort nennen sie seinen auch,
Sie jubeln ihm entgegen, wie's gegen uns der Brauch.
Ich leite von den Asen mein unentweiht Geblüt;
Was ist der Skald'? Ein Dichter, hat nichts als sein Gemüt!
—
Ich strecke den güldnen Szepter hinaus bis in die Flut;
Sein Reich ist seine Laute, — was er ersingt, sein Gut.
Ich mag's nicht länger dulden, daß man ihn mir gesellt,
Ein toller Mißbrauch ist es der kindgewordnen Welt!
Entweder soll er schweigen, — wo nicht, so lehr' er's mich;
Ich will's den Leuten zeigen, kann er's, so kann's auch —
ich!"
Der König Frotho ruft es, der Skalde naht dem Thron,
So stolz und so bescheiden, ein echter Liedersohn.
Zum Lied die Laute stimmend, wie Sängerbrauch es ist,
Begrüßt er seinen König, der lang und ernst ihn mißt.
"Du also bist der Meister, den ich beneiden muß,
Der Alles mit mir teilet, der Dänen Gunst und Gruß?
Ich aber sag' dir, Skalde, stell' du dein Singen ein,
Was mir allein gebühret, das fordr' ich auch allein!"
""Herr,"" spricht der Skalde ruhig, ""ich beuge mich vor
dir;
Doch, wann ich lebe, zu schweigen, das, Herr, steht nicht
bei mir!
Du kannst mit dem Pfeil wohl schießen den Vogel aus hoher
Luft,
Doch, wann er lebt, nicht hindern sein Lied, wenn der Lenz
ihm ruft.
Und wenn der Vogel blutend zu deinen Füßen sinkt,
Du kannst es auch nicht wehren, daß manche Trän' ihm blinkt;
Kannst nicht sein Lied verbannen aus jedes Menschen Ohr:
Man schätzt das Schöne noch höher, sobald man es verlor!"" —
Nachdenkend hört es Frotho. — "Es mag so," spricht er,
"sein;
Will dir dein Singen gönnen, nur sollst du's nicht allein!
Zuvortun soll mir's Keiner, der, den man rühmt, sei — ich,
Im Liede, wie im Kampfe! drum komm', und lehr' es —mich!"
Schier muß der Skalde lächeln; er schickt getrost sich an;
Bald lernte Frotho fühlen, daß er's nicht lernen kann.
Und immer lauter schallen, wie Hohn, aus des Volkes Chor
Des Skalden mächtige Lieder in seine Burg empor.
"Ha, Bube," ruft er wütend, — "Neid ist es, Neid von dir,
Du willst es mich nicht lehren, — nimm hier den Lohn dafür!"
—
Er stößt ihm den Dolch in's Leben, des Skalden Auge bricht.
—
Er konnte den Dichter töten, doch dichten könnt' er — nicht!
Männerwaffen
Nie ohne Waffe sei der Mann!
Ich meine nicht das Schwert,
So sehr es ihn auch ehren kann,
Wenn er es selber ehrt.
Doch andre Waffen gibt es noch
Von Gott ihm umgeschnallt,
Die leih'n ihm selbst im Sklavenjoch
Beherrschende Gewalt.
Solch eine Waff' — es ist sein Geist,
Der ruhig klare Sinn,
Der alles Niedre von sich weist,
Gekehrt zum Höchsten hin;
Der, wenn des Schicksals Druck ihn preßt,
Ein Fels entgegenstarrt,
Nicht Haarbreit von dem Rechten läßt,
Und treu sich selbst beharrt.
Solch eine Waff' ist sein Gefühl,
Sein volles, warmes Herz,
Verschlossen eitlem Tränenspiel,
Geöffnet wahrem Schmerz.
Das echter Freude gern sich freut,
Und echte Liebe liebt,
Und selbst für alle Herrlichkeit
Nicht einen Gran vergibt.
Solch eine Waff' — es ist sein Wort,
Das Echo seines Sinn's,
Ein festes Schloß, ein sichrer Hort,
Kein Spielball des Gewinns.
Zur rechten Stund' am rechten Platz
Da hält es ehern Stand,
In armer Zeit ein reicher Schatz,
Und bessrer Zukunft Pfand.
Das sind die Waffen, die der Mann
Zu führen wissen soll,
Mit diesen kämpf' er furchtlos an,
Gerechten Stolzes voll.
Die leg' er im Gefecht der Welt
Nie eingeschüchtert ab,
Die nehm' er, als ein echter Held,
Einst mit sich in das Grab!
VI.
Gräberrosen
Des Totengräbers Klärchen
War gar ein liebes Kind,
Fünf Sommer hatt' es eben
Und Wangen rot und lind.
Des Totengräbers Tochter
War Klärchens Mütterlein;
Sein Vater war ein Junker,
Ein Junker reich und fein.
Des Junkers Eltern aber
Die waren stolz und rauh,
Und meinten, nur die reichste
Sei auch die beste Frau.
Drum schalten sie den Junker,
Drum fluchten sie ihm gar,
Als sterbend ihm sein Bräutchen
Das liebe Kind gebar.
Und was der Fluch begonnen,
Vollendete der Tod;
Der arme Junker wußte
Nicht Rat in seiner Not.
Er gab dem Totengräber
Sein Kind samt seinem Gold,
Und sprach: "Da nimm mein Alles!
Mir zahlt der König Sold."
Und mit den schwarzen Reitern
Da ritt er in die Schlacht
Und von den schwarzen Reitern
Da ward er heimgebracht.
Und ward zu Grab getragen
Wohl schon am nächsten Tag,
Dicht neben jenem Grabe,
Worin sein Bräutchen lag. —
Des Totengräbers Klärchen
Scheut sich vor Gräbern nicht;
Sie sind ihm nichts als Beete,
Worauf es Blumen bricht.
Es eilt zu einem Grabe,
Bricht weiße Rosen ab:
Es kennt ja nur die Rosen,
Kennt nicht der Mutter Grab.
Es eilt zu einem Grabe,
Bricht rote Rosen ab:
Es kennt ja nur die Rosen,
Kennt nicht des Vaters Grab.
Und zwischen beiden Gräbern
Da sitzt es oft allein,
Und flicht sich lächelnd Kränze
Beim blassen Abendschein.
So spinnt durch stumme Rosen
In Kindeshänden dort
Der Eltern Einverständnis
Noch über's Grab sich fort.
Blumeneid
Wo eine Blume wächst, dort ist ihr Boden,
Wär's nicht ihr Boden, wüchse sie nicht dort;
Sei's eine unerforschte Felsenritze,
Sei's eine unerstiegne Alpenspitze,
Es ist und bleibt ihr lieber Heimatort,
Und wann sie blüh'n soll, blüht sie dort vom Herzen,
Und soll sie welken, welkt sie ohne Schmerzen.
Da setzt der Mensch sie oft in fremden Boden,
Und lehrt sie blüh'n und welken, wann's ihn freut,
Lehrt sie zu bunten Zwittern sich verflachen,
Lehrt sie im Winter Frühlingsmienen machen,
Lehrt sie verleugnen ihre Schüchternheit,
Und fühlt sich um so lüsterner vergnüget,
Je künstlicher sie sich und ihn belüget.
Seh' ich im Frei'n auf liebem Mutterboden
Vor'm Treibhaus so die Wiesenblumen steh'n,
So scheinen sie mir stets, halb mit Bedauern,
Halb mit Verachtung, inner diesen Mauern
Die Schar abtrünn'ger Schwestern anzuseh'n,
Und ihnen zuzuweh'n voll bittren Leides:
"Ihr habt vergessen eures Blumeneides!" —
""Treu bleiben wollen wir dem Heimatboden,
Wir wollen blüh'n auf ihm, — wo nicht, vergeh'n!
Ein Sturm kann uns verstreu'n, ein Hagel knicken,
Ein Fuß zertreten, eine Hand uns pflücken,
Schmerzvolle Lieb' uns auf die Gräber sä'n,
Ein Bräutchen uns in seine Locken flechten, —
Wir wollen sterben — und mit Niemand rechten!
Was Blum' ist, kann getrennt vom Heimatboden
Wohl welken, aber sich verleugnen nicht.
Wir wollen frei vergnügen und verschönen,
Doch nicht um Augendienst in Kerkern frönen,
Bei Ofensonnen und bei Scheibenlicht!"" —
"Abtrünnige, heraus aus euren Grüften!
Wie stirbt sich's süß in Gottes freien Lüften!"
VII.
Der alte Schiffer
Ein alter Schiffer lebt' am Ostseestrand,
Den schon der Morgen stets am Meere fand;
In stiller Sehnsucht blickt' er da hinaus,
Als wär' sein Herz nur auf der See zu Haus.
Sein Herz war dort, wo ach! sein Schatz, — ein Sohn,
Der längst ihm schlief im grünen Meere schon;
Vor seinen Augen hob ins nasse Grab
Ihn eine Wog' einst aus dem Kahn hinab.
Schon flochten drunten sein gebleicht Gebein
Meerlilien mit zähen Fasern ein;
Doch in des Vaters gramzerrissner Brust
Umwob noch keine Hülle den Verlust.
Mit einer Trommel eilt er hin zur See,
Und löst den Kahn und steuert auf die Höh',
Und schlägt, daß weithin tönt die Morgenluft,
In stillem Wahnsinn auf das Fell und ruft:
"Mein Sohn, mein Sohn! Und hörst du mich denn nicht?
O komm herauf, bevor das Herz mir bricht!
Ich setz' in meinem Kahn dich neben mich,
O komm herauf, nach Hause führ' ich dich!
Und bist du tot, so grab' ich dir ein Grab
Auf unsrem Friedhof, lege dich hinab,
Und pflanze Blumen und Gebüsch umher, —
Liegst doch wohl besser, als im kalten Meer!"
Er ruft und ruft, bis längst die Sonn' erblich,
Dann kehrt er um und murmelt still für sich:
"Er hat's noch nicht gehört in seinem Haus, —
Nun, morgen fahr' ich weiter noch hinaus!"
Und eines Morgens fuhr er auf die See, —
Weit — weit hinaus — viel weiter, als noch je;
Gewiß hat endlich ihn sein Sohn gehört,
Weil er am Abend nimmer heimgekehrt.
Glück und Unglück
Wer, ein Betrachtender, so wandelt
Die Straßen einer Stadt entlang,
Dem mag es selten nur begegnen,
Daß ihm verleidet wird sein Gang.
Die Häuser steh'n in blanken Zeilen,
Als wohnte nur die Lust darin,
Und unverdroßne Menschen treiben
Sich zwischen ihnen munter hin.
Man sieht hinein durch klare Fenster,
Und sieht im Innern keine Not;
Man tritt hinein zu offnen Toren,
Und sieht im Hofe keinen Tod.
Man hört nicht Seufzer, hört nicht Hader,
Nicht Hilferuf, nicht Wehgeschrei,
Es ist, als ginge man behaglich
An Wohnungen des Glück's vorbei.
Und dennoch schleicht die böse Seuche,
Das Unglück, durch die Straßen fort,
Vergiftet, quält, entpresset Tränen,
Und übt Verrat und Meuchelmord.
Verliere drum die Fassung Keiner:
Denn einem Acker gleicht die Welt,
Wo mitten in das Korn der Freuden
Gar manches Leidenskörnlein fällt.
Heil uns, wenn noch die Saat des Glückes
So reich hienieden wächst heran,
Daß hinter ihren grünen Halmen
Das Unglück sich verstecken kann!
VIII.
Das Erbstück
Einst hatt' ein Ritter von leichtem Blut
Ein herziges Liebchen gar treu und gut,
Er aber hatte für Treue nicht Sinn,
Und stürmte durch's Leben im Taumel dahin.
Was galten ihm Tränen? Er hielt sie für nichts,
Als Perlen zur Zierde des schönen Gesicht's.
Was fragt' er um Seufzer? Ihm waren sie Lust;
Sie schwellten ja lieblich die wogende Brust.
Und Schwüre zu leisten, was rührt' es ihn viel?
Und Schwüre zu brechen, es war ihm ein Spiel.
Wie hold von Gestalt, so vom Herzen verkehrt:
Sein herziges Liebchen, er war es nicht wert. —
Das aber gibt den Verlornen nicht auf,
Sein Teuerstes schlägt es für ihn in den Kauf,
Für ihn nur hat es im Herzen Raum:
Und weibliche Treue sie ist kein Traum.
Es findet nicht Ruh', es findet nicht Trost,
Es welkt wie ein Blümchen im Mainachtfrost,
Und denkt noch erbleichend und todesmatt
Des Bösen, der es verschuldet hat.
Ein silberner Becher gar zierlich und fein
Der sollt' ihm ein heiliges Erbstück sein,
Den schickt sie vom Totenlager ihm zu, —
Dann legt sie das Herz, das gebrochne, zur Ruh'.
Was kümmert der Becher den wüsten Mann?
Er nimmt ihn lächelnd, er sieht ihn nicht an,
Er stellt ihn abseit und fragt nicht darnach,
Was etwa die Geberin sterbend sprach. —
Und Jahre vergeh'n, und kein Ritter gedenkt
Des Bechers und deren, die ihn geschenkt,
Nur manchmal noch taucht aus der Träume Chor
Ihr blasses Bild wie ein Nebel empor.
Von Liebe zu Liebe mit stürmischem Sinn
Wankt taumelnd der Unersättliche hin,
Nichts kann ihn binden, nichts haftet, nichts bleibt,
Wie die Wolke, die neckend der Ostwind treibt.
Doch endlich trifft er auf seiner Bahn
Ein Weib, das hat es ihm angetan;
Ein Weib so flüchtig, so wild, wie er, —
Das schmiedet ihm Ketten, das fesselt ihn schwer.
Was all' die Andern gelitten um ihn,
Nun leidet er's selbst um die Siegerin;
Er wirbt und weint, er schmachtet und buhlt,
Und brüstet sich kindisch mit tändelnder Huld.
Und schmücken darf er endlich sein Haus
Und die Braut heimführen mit Saus und Braus,
Von wüsten Gesellen erfüllt sich der Saal,
Die Becher kreisen beim festlichen Mahl.
Da steht, von den Dienern geholt aus dem Schrank,
Auch der silberne Becher voll köstlichem Trank,
Der silberne Becher, das traurige Pfand, —
Schon führt ihn die Braut an der Lippen Rand.
Doch sieh! was wird sie auf einmal so blaß,
Was starrt sie hinein in das funkelnde Naß?
Was stößt sie zürnend mit wütigem Sinn
Den Becher, verschüttend, dem Bräutigam hin?
Er faßt ihn erschrocken, er starrt durch's Naß
Auf den Grund des Bechers, bald rot, bald blaß;
Denn ein Bild ist gemalt auf den silbernen Grund,
Ein bekannter Blick, ein bekannter Mund.
Bekannte Wangen so schön und bleich,
Ein Gesicht voll Vorwurf und Milde zugleich,
Darüber die Tropfen wie Tränen steh'n,
Als wollte sie jetzt noch um Treue fleh'n.
Der Ritter sieht es wie festgebannt,
Das Erbstück birgt er verstört in's Gewand,
Und ob ihn auch krampfhaft die Braut umfaßt,
Fortstürzt er vom Mahl in verzweifelter Hast.
Das war wohl ein trauriger Hochzeitschmaus,
Die Braut flieht wütend das schmähliche Haus;
Die Gäste wandeln suchend umher,
Den Bräutigam aber fand Keiner mehr.
Liebesroman
So sehn wir uns nach Jahren wieder,
Was ging indes an uns vorbei!
Als wir das erste Mal uns fanden,
Da war noch auf und über Mai.
Da gab's ein Hangen und ein Bangen,
Da ward mit Tränen nicht gespart;
Die Zukunft schwamm, ein goldner Nachen,
Im klaren See der Gegenwart.
Da praßten wir mit Hochgefühlen,
Von Glück war unsre Brust geschwellt,
Und dennoch hatten wir noch immer
Des Glück's genug für eine Welt.
An keine Lösung denkend knüpften
Wir tausend Fäden tändelnd an,
Und wähnten jeden Tag verloren,
Der ohne Kuß und Schwur verrann.
Wir setzten über Kluft und Klippe
Mit Lächeln in verwegnem Sprung;
Wir standen schwindelnd auf dem Gipfel,
Und zagten fast vor Steigerung.
Und nun — o laß uns nicht erröten
Was uns beseligt und beseelt,
Gleicht einem lieblichen Romane,
Dem ach! die letzte Seite fehlt.
IX.
Der blinde
Greis an seine Tochter
"Leg' mir die Händ' auf meine Augen, Kind!
So — wie das kühlt! — sie sind so lieb, so lind,
Und jeden Pulsschlag spür' ich! Heißt das geh'n!
Dagegen meiner — matt zum Stillesteh'n.
Einmal, es ist schon völlig nicht mehr wahr, —
Ich hatte da noch Augen hell und klar, —
Da saß ich draußen unter einem Baum,
Und blickte sinnend in den grünen Raum.
Horch! Plötzlich rauscht' es hinter mir, — im Nu
Hielt mir's die Augen mit den Händen zu;
Ich kannte wohl die Hand so lieb und lind,
Und blieb recht gern so lang als möglich blind.
Das Mädchen war's, das deine Mutter ward,
Damals, wie du so jung, wie du so zart;
Den ersten Kuß trug mein Erraten mir,
Und bald darauf war ich vereint mit ihr. —
Wenn du nun manchmal deine Hände so
Mir auflegst, macht es mich wehmütig froh;
Mir ist's, als fielen mir die Schuppen ab,
Als säh' ich sie, die längst schon ruht im Grab.
Ja, malen könnt' ich Zug für Zug sie dann,
Und eine süße Sehnsucht faßt mich an;
Zu sitzen glaub' ich unter jenem Baum,
Hinauszustarren in den grünen Raum;
Und fühl' ich deine Hände, liebes Kind,
So denk' ich mir, ich stelle mich nur blind,
Und sie verhalte nur die Augen mir,
Und bald darnach würd' ich vereint mit — ihr!"
Traum und Liebe
Wer so bei Nacht des Schlummers harrend liegt,
Wo Bilder und Gedanken bunt sich treiben,
Nimmt oft sich vor, sich klar bewußt zu bleiben,
Bis der Moment des Schlafes ihn besiegt.
Festhalten möcht' er gern den Augenblick,
Wo Traum und Wachen magisch sich berühren,
Und einmal klar den Übergang verspüren,
Der einwiegt in der Träume stilles Glück.
Noch schaut er wach in's Ampellicht hinein;
Doch eh' er's denkt, eh' er das Kissen richtet,
Ist er den dunklen Mächten schon verpflichtet,
Anheimgefallen einem andern Sein. —
Dem Schläfer, der so harret, gleicht, wer liebt
Und wer in Liebe wähnt sein Selbst zu retten;
Er spottet lächelnd noch der Zauberketten,
Der dunklen Macht, die lauernd ihn umgibt.
Beachten will er klar den Augenblick,
Der seine Seele magisch könnt' umstricken. —
"So weit, nicht weiter, soll's der Liebe glücken,
Eh' sie mich meistert, zieh' ich mich zurück!"
O eitler Vorsatz! Er versieht sich's kaum,
Er wähnt noch, wach, sie standhaft zu bekriegen,
Und schläft schon ein und läßt sich schon besiegen,
Und träumt besiegt schon ihren schwersten Traum.
X.
Der Skorpion
Am Meeresstrande zwischen Lorbeerbäumen,
Vom blauen Himmel freundlich überstrahlt,
Da saß ein Liebespaar in Wonneträumen
So selig, wie man sel'ge Geister malt.
Die ganze Stufenleiter der Gefühle
Ward auf- und abgestürmt voll Trunkenheit,
Vom schüchternen Verstummen im Gewühle,
Durch Blick' und Küsse, bis zum lauten Eid.
Und Nachtigallen mußten Zeugen werden,
Und Meereswellen mußten Bürgen sein,
Daß es nicht heißre Liebe gäb' auf Erden,
Nicht festre Treue unter'm Sonnenschein.
Und arm an Worten, arm an all den Zeichen,
Womit der Mensch sich Irdisches vertraut,
Abwechselnd mit Erröten und Erbleichen
Sank an des Jünglings Brust die holde Braut.
Und wie sie sich gesenkten Haupt's entwindet,
Fällt eine Trän' aus ihrem Aug' aufs Grün;
Dem Blick der Lieb' entging sie nicht; er findet
Bald ihre Spur und sieht sie flimmernd glüh'n.
"Du Perle", ruft der Jüngling, Demanttropfen,
Freiwill'ge Bürgschaft, sei du mir ein Pfand,
Daß so wie jetzt die Herzen treu uns klopfen,
Sie treu sich bleiben bis in's beßre Land!" —
Was kann so Großes je die Lieb' ersinnen,
Daß Lieb' es nicht gewährt' als Kleinigkeit? —
Drum schifft der Jüngling einst getrost von hinnen,
Und findet Glück selbst in der Trennung Leid.
Die helle Liebesträn' im grünen Grase
Sie leuchtet ihm als Leitstern auf der See;
Ob Zephyr kos', ob grauser Nordsturm rase,
Ihm macht kein Zephyr wohl, kein Nord ihm weh.
Er ist in Liebe ganz und gar versunken,
Und nimmt von ihr für Alles Farb' und Licht. —
Ein Jahr entflieht, heimkehrt er hoffnungstrunken
Mit Hohn belächelnd, was die Kunde spricht.
"Sie ward dir untreu!" flüstern ihm die Wogen,
Und "untreu!" blinken ihm die Sterne zu,
Die Lorbeern säuseln ihm: "Sie hat gelogen!"
Die Weste weh'n es, — doch er bleibt in Ruh'.
Er sieht sie selbst an fremdem Arme wallen,
Sieht sie erröten, ihrer Schuld bewußt; —
Er glaubt es doch nicht: Sterne können fallen,
Doch nimmer wankt das Herz in treuer Brust.
Zum Strand hin eilt er, zu den Lorbeerbäumen,
Auf die der Himmel düster niederschaut;
Zur Rasenbank, wo einst in Wonneträumen
Ihm treue Lieb' ihr süßes Pfand getaut.
Der Lorbeerhain erbraust, die Wogen schallen,
Die Möwen kreisen wild mit heisrem Ton,
Und wo des Mädchens Träne hingefallen,
Liegt jetzt im Gras — ein ekler Skorpion.
Die letzte Schwalbe
Oft meint' ich, die letzte Schwalbe sei's,
Die da verspätet geblieben;
Bald würde sie durch Schnee und Eis
Empfindlicher weggetrieben.
Und dennoch war es die letzte nicht,
Am andern Morgen da klang es,
Und grüßte das laue Sonnenlicht,
Vielstimmigen, muntren Gesanges.
Und manche Schwalbe flog noch zu,
Und mancher Tag war noch heiter,
Und spät erst scheuchte die Winterruh'
Das mailiche Völkchen weiter. —
Oft meint' ich, es sei das letzte Lied,
Was meinen Lippen entquollen,
Und dachte, daß, weil der Frühling schied,
Die Lieder verstummen sollen.
Doch kaum daß Eines erklungen war,
Da kamen gar manche wieder. —
Es ist noch gute Zeit im Jahr:
So klingt denn, so klingt denn, ihr Lieder!
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