zurück
Quelle:
Neueste Dichtungen
Vogel Johann
Pesth. 1843
Verlag von Gustav Heckenast
Neuer Liederfrühling
Liederfrühling, Liederfrühling,
Bist du wieder eingezogen,
In das Dichterherz, das arme,
Dem so lang' du nicht gewogen.
Dachte schon, du kämest nimmer,
Habest ganz auf mich vergessen,
Und mit doppelt reichen Blüten
Kamst du plötzlich unterdessen.
Nun, so sei mir hoch willkommen,
Da so müden Sinn du hegtest,
Wär's auch selbst nur eine Spende,
Die auf einen Sarg du legtest.
Frühlingsboten
1.
Vorgefühl
Fällt vom Dach die Traufe nieder,
Rinnt das Bächlein frei vom Eis:
Ist so frühlinghaft mir wieder,
Daß ich's nicht zu sagen weiß.
Sehe überall nur Rosen,
Wo gehäuft noch liegt der Schnee,
Und zu milder Lüfte Kosen
Wird der Nord in meiner Näh'.
Gleich der Welle, frei, lebendig,
Ist erwacht in mir der Mut,
Und, obgleich auch Nichts beständig,
Scheint mir doch jetzt Alles gut.
Wie vergess'ne Kummernächte
Schwand der Winter meinem Blick,
Und mir ist, der Frühling brächte
Selbst die Jugend mir zurück.
2.
Schwalbengezwitscher
Ich hab' der Schwalben Zwitschern
Geachtet nie zu sehr,
Als sie vor meinem Fenster
Noch flogen hin und her.
Nun möcht' ich Manches geben,
Zog' Eine nur vorbei,
Und zwitscherte wie früher,
So lebensfroh und frei.
Erwacht mit einem Male
Ist mir im Ohr der Klang,
Erwacht nach euch, ihr Schwalben,
Ist mir ein süßer Drang.
O kommt, o kommt nur schnelle
Herbei zu Haus und Hain,
Denn wo ihr zwitschert, muß es
Ja grün und sonnig st!
3.
Lenzphysiognomie
Wie ist es so ganz anders worden,
So anders in der kurzen Zeit!
Obgleich am Dach noch eis'ge Borden,
Und jede Fläche überschneit.
Obgleich noch unbelaubt die Zweige,
Und kahl und dürr ein jeder Strauch,
Noch unbetreten all' die Steige,
Gerade wie es früher auch.
Und dennoch spricht ein and'res Wesen
Aus Baum und Strauch, umhüllt von Schnee,
Mir ist, ich könnt' auf jedem lesen:
Du böser Winter, nun ade!
Es scheint die Erde mir ein Kranker,
Der zwar vom Siechtum noch bedräut,
Doch schon erfaßt den Hoffnungsanker
Und still sich seiner Rettung freut.
4.
Übergang
Was ist das für ein tolles Treiben? —
Bald Wind und Schnee, bald Sonnenschein;
Jetzt tos't es an die Fensterscheiben,
Jetzt lächelt's mild zu mir herein.
Ist's Winter noch? — wer kann es sagen?
Woher dann dieses milde Licht?
Ist's Lenz? — woher dies tolle Jagen
Von weißen Flocken wirr und dicht?
Daß du's nur weißt, 's ist keines eben,
Es ist ein bloßer Übergang,
Gerade wie der Menschen Leben,
Wo Lust und Leid nicht von Belang.
5.
Vorsicht
Bald werden wieder Blumen blüh'n,
Und rings in tausend Farben glüh'n;
Doch werden wohl auch Manche sterben,
Bevor sie diese Lust erwerben:
Und sollt' ich unter Diesen sein,
So scharrt nur tief, recht tief mich ein,
Daß nicht der Lenz, statt fremder Türe,
Des Sarges Deckel mir berühre.
6.
Frühlingsblätter
Wenn sich neu im Lenz belauben
Bergeshöh' und Talestiefe,
Seh' ich in den jungen Blättern
Lauter hoffnungsgrüne Briefe.
"Hoffe, liebe!" sind die Worte,
Die auf jedem steh'n geschrieben,
Mahnend, daß nun jedes Wesen
Möge hoffen, möge lieben.
Und die Käferchen und Vögel,
Und die bunten Schmetterlinge
Kommen hastig und erblicken
Voll Erstaunen all' die Dinge.
Und ein jedes sucht ein Blättchen,
Buchstabiert voll Hast die Zeichen,
Will nicht, eh's den Sinn verstanden
Wieder von dem Blättchen weichen.
Und der's glücklich nun enziffert,
Lehrt dem andern rasch die Worte:
Ha! welch' freudiges Gewirre,
Welch' Gewühl an jedem Orte.
Vogel, Käferchen und Falter
Fühlt das Herz voll sel'ger Triebe!
Und aus Näh' und Ferne schallt es
Hoffe! Liebe! Hoffe! Liebe!
7.
Schmäht mich nicht
O schmäht mich nicht
Daß ich die alten Dinge
Mit neuer Lust und wiederum besinge,
O schmäht mich nicht.
Es ist so schön,
Wenn rings erwacht das Leben,
Mit seinem Hoffen, seinem jungen Streben,
Es ist so schön.
Schon schlägt der Puls
In Stämmen und Gesträuchen,
Bald wird der Scheintod auch von Außen weichen,
Schon schlägt der Puls.
Bald siegt das Licht,
Das Dunkel muß verschwinden,
Nicht ewig kann es uns in Ketten binden,
Bald siegt das Licht.
O schöne Zeit
Mit deinem Himmelssegen!
Dir jauchzt mein Herz voll heil'ger Lust entgegen,
O schöne Zeit!
D'rum schmäht mich nicht,
Wenn euch mein Lied mißfallen:
Bald werden schön're Klänge zu euch schallen,
O schmäht mich nicht.
An die Sterne
Es war der Tag so heiß, so schwer,
D'rum blickt nun tröstend auf mich her,
Ihr hellen lieben Sternlein d'roben,
Die ihr im Himmel eingewoben.
Die Sonne, die so segnend blickt,
Hat nicht mein wundes Herz erquickt,
Die Lüfte selbst, mit kühlen Schwingen,
Sie konnten mir nicht Labung bringen.
So sank der lange Tag hinab,
Im Westen suchend sich das Grab,
Indessen ihr das bange Dunkel
Durchwobt mit eurem Lichtgefunkel.
O spiegelt euch, so hell ihr scheint,
In jedem Auge das geweint,
Und senkt als wahre Himmelskerzen
Ein Fünkchen Trost in alle Herzen.
Denn Jeder, der nach Trost begehrt,
Am Ende doch zu euch sich kehrt,
Wo fänden Trost auch die Verzagten,
Wenn ihn die Sterne uns versagten?
D rum blick' auf mich auch tröstend her,
Du unabsehbar Funkenmeer,
Daß, wenn zerschellt des Lebens Schäume,
Ich mindestens von Sternen träume.
Ein Traum
Es träumte mir, ich läg' im Meeresgrunde,
Gefräß'ge Haie schwammen in der Runde,
Mit spitzen Zähnen, aufgesperrtem Rachen,
Und Tiere, wie ich nie sie sah im Wachen,
Der Schwertfisch streifte mich in toller Eile,
Seeschlangen ringelten in dichtem Knäule,
Die Krabben krochen träg nach ihrer Weise,
Und ries'ge Spinnen zogen ihre Gleise,
Polypen streckten weit von sich die Arme,
Von allen Seiten kam's im wilden Schwarme,
Das war ein Ringeln, Zischen, Haschen, Schnauben,
Schon wollte mir's die Macht der Sinne rauben,
Da wacht' ich auf, erfaßt vom tiefsten Grauen,
Doch mocht' ich kaum den eig'nen Augen trauen;
Denn um mich sah ich, statt der Erstgenannten,
Die werten Vettern, Muhmen, Basen, Tanten.
Täuschung
Wie blinkt dort aus den Bäumen
Der Eine nur heraus!
Ward er aus Feenräumen
Versetzt in's Waldgebraus?
Wie ragt er dort vom Gipfel
Im hellen Sonnenschein!
Es dünkt mir Kron und Wipfel
Aus purem Gold zu sein.
Doch als ich hin nun trete,
Wie ist's so anders ganz;
Da schmückt ein Strunk die Stätte
Mit dürrem Blätterkranz.
So prangt wohl auch im Leben
Gar Manches, hehr und stolz,
Was nah' beseh'n, just eben
Nichts mehr als — faules Holz.
Allein
Ich bin so gern allein
Im Wald, auf grüner Heide,
In Trauer und in Frende,
Bei Nacht und Sonnenschein.
Ich bin so gern allein,
In freien Bergeslüften,
In dunklen Ahnengrüften,
Mit moderndem Gebein.
Ich bin so gern allein,
Der Abgeschied'nen denkend,
In Träume mich versenkend.
Von dem, was einstens mein.
Ich bin so gern allein,
In fernen Weiten schwebend,
In künft'gen Tagen lebend,
Und glücklicher'm Verein.
Ich bin so gern allein,
Zu ihm das Aug' gerichtet,
Der Alles lenkt und schlichtet,
Und fühle keine Pein.
Ich bin so gern allein,
Dem Treiben fern, dem bunten,
D'rum, denk' ich, wird mir d'runten
Im Grab am wohlsten sein.
Botenlied
Es hat der Herr mich ausgesandt,
Doch ist das Ziel mir unbekannt,
Er sprach zu mir nur dieses Wort:
Du junger Bote, wand're fort.
Da zog ich hin nach Botenart,
Zuweilen wohl da fiel mir's hart,
Doch dacht' ich oft in meinem Frohn:
Am Ziele wartet dein der Lohn.
Der Boten sah ich vielerlei,
Die zogen rings an mir vorbei,
Der Eine trüb, der And're froh,
Doch jeder fragte: Wo, ach, wo?
Nun bin ich müd', wie nie ich's war,
Und wand're ach, noch immerdar,
Doch blinkt's vor mir wie Hoffnungsschein:
Nun wirst du bald am Ziele sein!
Nur Eines wüßt' ich gar so gern,
Wenn ich dem Pfad, dem rauhen fern, —
Ob's dann wohl Einer nimmt in Acht,
Daß ich vor ihm den Weg gemacht?
Andere Zeiten, andere Lieder
Nicht sollt ihr euch der Welt verschließen,
Die ihr der Lyra Saiten rührt;
Nicht soll er euch vorüberfließen
Der Strom, der Lust und Leid entführt.
Nicht müßig heißt's am Ufer stehen,
Wenn grimm und wild die Brandung tobt,
Im Flutenkampf, im Sturmeswehen,
Nur wird des Manneskraft erprobt.
Was Groß nur, sollt allein ihr preisen
Mit lautem Mund, mit Hellem Klang;
Wie Adler in den Lüften kreisen
Erhebe kühn sich euer Sang.
Gleich einem Geier aber fahre
Er nieder, wo sich Schlechtes beut,
Zerreiße, wo er sie gewahre,
Die Schlange, die vor'm Licht sich scheut.
Nicht ist's mehr an der Zeit, zu singen
Im Liebeston der Nachtigall: —
Die Zeit ist ernst und ernster klingen
Soll darum auch des Liedes Schall.
Das preis' ich als ein Sängerstreben,
Das seiner Zeit zum Frommen strebt;
Denn, die mit ihrer Zeit nicht leben,
Die haben nun und nie gelebt.
Lebensfragen
Was ist wahr, was ist es nichts,
Was ist Nacht und was ist Licht,
Was ist Welle, was ist Luft,
Was die Blume, was ihr Duft?
Was ist Frucht und was der Kern,
Was die Wolke, was der Stern,
Was der Fels und was der Baum,
Was das Wachen, was der Traum?
Was dein Leib und was dein Blut,
Was dein Geist und was dein Gut
Alles Täuschung, Rätsel, Schein,
Aber wo wird Lösung sein? —
Mühlenlieder
1.
Es braust das Mühlrad fort und fort,
Es brauset ohn' Ermatten,
Doch sagt's dabei ein mahnend Wort,
Das komm' euch wohl zu Statten.
Es bleibt das Mühlrad nimmer still,
Wozu auch sollt' das führen?
Es sagt: Wer Tücht'ges schaffen will,
Muß sich auch tüchtig rühren.
2.
Du liebliches Mühlengeklapper,
Wie horch' ich so gerne dir zu!
Dein lustiges Sausen und Brausen,
Das wiegt erst das Herz mir in Ruh.
Es ist mir, als würd' ich vom Wasser
Mit fröhlichen Armen gepackt,
So schlägt's in der Brust mir, so pocht es
Mit dir im harmonischen Takt.
O klappre, du Mühle und brause,
So lang es der Meister nur will,'
Es ist wohl die Zeit nicht mehr ferne,
Dann stehen mit einmal wir still.
3.
Immer zu, immer zu,
Rad an der Mühle!
Sause du, brause du,
Fern vom Gewühle.
Bade in Well' und Schaum
Nabe und Felgen,
Hast du doch Zeit und Raum,
Fröhlich zu schwelgen.
Fort nur mit frischem Mut!
Schwach, wer da säumet,
Da noch des Bächleins Flut
Brauset und schäumet.
Künd' es dem Waldrevier,
Rufs in's Gehege,
Daß sich ein Mühlrad hier
Lustig bewege.
4.
Auf und ab und ab und auf,
Geht des Mühlrad's rascher Lauf,
Immerdar nach alter Weise
Dreht sich's im gewohnten Gleise
Auf und ab und ab und auf.
Auf und ab und ab und auf
Geht der Wasser rascher Lauf,
Perlen stäuben, Perlen blinken,
Die im nächsten Nu versinken,
Auf und ab und ab und auf.
Auf und ab und ab und auf
Rollt die Zeit in ihrem Lauf,
Reißt die Menschenkinder alle
Fort mit sich in raschem Schwalle,
Auf und ab und ab und auf.
Auf und ab und ab und auf
Geht des Lebens-Wechsel-Lauf,
Zeigt uns öfters bunte Träume,
Die nicht mehr als Wogenschäume,
Auf und ab und ab und auf.
Auf und ab und ab und auf
Geht der Sterne ew'ger Lauf,
Doch ihr Kommen und Entschwinden
Deutet auf ein Wiederfinden,
D'rum nur rüstig: Ab und auf!
5.
Ein Mühlrad hör' ich gehen
In einsam stiller Nacht,
Wenn Frühlingslüfte wehen,
Im Sturm die Eiche kracht.
Ich hör' es klappern, sausen,
Mit ewig gleichem Schall,
Ich hör' es donnern, brausen,
Im wildbewegten Fall.
Mir ist, als zürn' die Welle
In ihrem raschen Gang,
Daß ich noch nicht zur Stelle
Wie sonst am Felsenhang.
Daß nicht mein Lied begleitet,
Wie vormals, ihr Gebraus,
Und nur der Müller schreitet
Gleichgiltig ein und aus.
O Mühle, liebe Mühle,
Bei dir wohl wär' ich gern,
Bei deinem Bächlein kühle,
Das mir nun fließt so fern.
Doch ach, wer weiß, o Mühle,
Ob wir uns jemals seh'n:
Im regsten Flutgewühle
Bleibt oft ein Mühlrad steh'n.
Gruß in der Fremde
Kam vor vielen, vielen Jahren
In ein lachend grünes Tal,
Und ein Kind mit blonden Haaren
Fand ich dort im Morgenstrahl.
"Guten Morgen!" sprach die Kleine,
"Guten Morgen!" und entschwand,
Doch der Ton, der silberreine,
Folgte mir von Land zu Land.
Bin nun müd' der langen Reise,
Und ich wollt', es wär' vollbracht,
Sagte nur so milder Weise
Sie noch früher: "Gute Nacht!" —
Herbstfrage
Was faßt am Blumenbeete
Mich gar so trüber Sinn?
Nur gelbe Blätter gaukeln
Vor mir am Boden hin.
Du Rose meiner Liebe,
Du Jugendkönigin,
Wohin mit Duft und Blüte
O Rose, sprich, wohin?
O Tulpe, Bild des Ruhmes,
Die mir unwelkbar schien,
Mit deinen bunten Flammen,
O Tulpe, sprich, wohin?
Du schlanke Kaiserkrone,
Du stolze Prahlerin,
Die mir das Glück bedeutet,
O Krone, sprich, wohin?
Verödet steht der Garten,
Kein Blümchen ist darin;
Nur gelbe Blätter gaukeln
Vor mir am Boden hin.
Weihnachten
Die schönste Nacht der Erde
Umschattet Land und Flut,
Damit erhoben werde
Auf's Neu, des Menschen Mut.
Viel stille Geister ziehen
Durch's Dunkel dieser Nacht,
Und singen Melodien
Gar lieblich fromm und sacht.
Nur Wen'ge aber hören
Den seltsam fremden Ton
Von jenen sel'gen Chören
In diesem Leben schon.
Der Meisten Ohr verschließet
Die Sucht nach ird'schem Tand,
Der gleich dem Schaum zerfließet
In eines Menschen Hand.
Darum auch angezündet
Hat Gott im Himmelsraum, —
Daß er vom Sohn verkündet, —
Den größten Weihnachtsbaum,
Mit Miriaden Sternen
Hat er den Baum erhellt,
Daß er durch alle Fernen
Hinleuchte durch die Welt.
Daß sie, die ihn nicht hören,
Den Herrn im Bilde schau'n,
Und Zweifel nicht betören
Ihr kindliches Vertrau'n.
Und jeglich Sternlein lächelt
Auf Einen mild herab,
Daß Hoffnung ihn umfächelt
Bis Ruh ihm wird im Grab.
Das ist die heil'ge Stunde,
In der der Vater spricht
Mit stummbewegtem Munde:
"Vergeßt des Sühners nicht."
Die Post
Horch auf! horch auf! das Posthorn schallt,
Ha, wie mir's Blut zum Herzen wallt!
Was zittert mir nun Hand und Fuß?
Ist doch das Horn ein holder Gruß.
Es sagt: Ich bring mit hellem Klang
Was du ersehnt so schmerzlich bang.
Darum nur rasch zum Posthaus fort,
Vielleicht ist heut' ein Briefchen dort.
Ein Briefchen, das mein fernes Lieb
Mit ihrem weißen Händchen schrieb.
Von süßen Worten überdeckt,
Die just nicht alle ganz korrekt.
Ein Briefchen, d'raus man's klar erkennt,
Daß uns nicht Berg noch Wasser trennt.
Heidelieder
1.
Auf einer Ungarhaide
Unabsehbar ist die Fläche:
Nicht ein Bäumchen, nicht ein Strauch,
Keine Blumen, keine Bäche,
Selbst nicht einer Hütte Rauch.
Sand, wohin das Auge blicket,
Sand, was hier Natur erschuf;
Hier und dort nur eingedrücket
Eines flücht'gen Roßes Huf.
Und durch diese weite Wüste
Zieh' ich einsam und allein,
Und mir ist gerad', als müßte
So es, und nicht anders sein.
Gleicht es ganz doch meinem Innern,
Arm an Freude und an Qual,
Dem als trauriges Erinnern
Eingedrückt manch schmerzlich Mal.
2.
Heidenebel
Es rieseln kalte Schauer
Herab auf's öde Land,
D'rüber voll stummer Trauer
Der Himmel ausgespannt
In feuchte Tränenflöre
Hüllt er die Flächen kahl,
Und raubt sogar der Sonne
Den segensvollen Strahl.
Es ist, als wär' verschwunden
Was je an's Licht gestrebt,
Als läge hier begraben
Was jemals hat gelebt,
Und über die Gräber hin kröche
Langbeinig, träg' und matt,
Die Sonne als riesige Spinne
Nun selbst des Lebens satt.
3.
Das Grab auf der Heide
Sieh' ein Grab hier auf der Heide,
Ohne Kreuz und ohne Kranz,
Streute nicht als weiße Rosen
Mond darauf den Silberglanz.
Wen wohl mochten sie begraben
Hier so einsam und allein?
Senkten ihn wohl in die Tiefe
Ohne Lied und ohne Schrein.
Nur sein Sehnen und sein Lieben
Nur sein Wollen und sein Tun,
Nahm er mit um einsam d'runten
Wie kein Zweiter auszuruh'n.
Schlaf im Frieden, du, der doppelt
Hier dem Tode angehört;
Keiner wird dem Grabe nahen,
Der den Schlaf dir frevelnd stört.
Nur vielleicht, daß sich ein Reicher
Von dem See mit einem Fisch
Herverirrt, der sich den Hügel
Für sein Mahl erwählt zum Tisch.
Windisches Volkslied
Es sang eine schwarze Amsel
Im grünen Buchenwald,
Die möcht' ein Jäger schießen
Aus seinem Hinterhalt.
"O schieß' nicht, du junger Jäger, —
Drei Länder nenn ich mein,
In jedem steht ein Schlößchen
D'rin wohnt ein Liebchen fein.
Eine Schreiberin ist die Erste,
Verwalterin die Zweit',
Die Dritte ist nichts als mein Liebchen,
Mein Liebchen zu jeder Zeit.
Bei der Ersten aß ich Braten,
Bei der Zweiten trank ich Wein,
Mit der Dritten hab' ich genossen
Nur Brot und Wasser allein.
Bei der Ersten ruht' ich auf Kissen,
Bei der Zweiten auf Flaumen gar;
Auf Stroh lag ich bei der Dritten, —
Dort schlief ich am besten fürwahr."
Traumwelt
Einen Hafen weiß ich offen,
Der das Schiff gesichert hält,
Sei der Mast vom Blitz getroffen
Und das Ruder auch zerschellt.
Eine Welt ist's, die im Schwunge
Dich entreißt der Erde Pein,
Traumwelt nennt sie uns're Zunge,
Himmel sollt' ihr Name sein.
Märchenhafte Huldgestalten,
Wie sie malt der Dichtung Wort,
Zieh'n mit zaub'rischen Gewalten
Dich in ihre Reigen fort.
Wüsten werden Paradiese,
Stürme werden zum Zephir,
Und der Schmerz, der grimme Riese
Liegt im Staub zu Füßen dir.
Hinter dir in Nebelfernen
Sinkt die Welt, der du entfliehst,
Während du von Stern zu Sternen
Als ein sel'ger Träumer ziehst.
Den Feinden
Glaubt es mir, ich scheu' euch nicht;
Treff' ich euch auf meinen Wegen,
Tret' ich sicher euch entgegen,
Blicke fest euch in's Gesicht,
Glaubt es mir, ich scheu' euch nicht.
Glaubt es mir, ich schmäh' euch nicht;
Seinen Feind im Rücken schmähen
Heißt sein Unrecht selbst gestehen;
Seid ihr gleich so redlich nicht,
Glaubt es mir, ich schmäh' euch nicht.
Glaubt es mir, ich weich' euch nicht;
Kämt ihr mit der Hölle Mächten,
Würd' ich doch mein Recht verfechten
Bis mein Auge sterbend bricht,
Und selbst dann noch weich' ich nicht.
Varietas
Und steh ich dir nicht zu Gesicht
Magst du nach andern seh'n,
Es ist ja grad' so nötig nicht,
Daß wir zusammen geh'n.
Es wächst nach seiner eignen Art
Empor ein jeder Baum,
Der Eine rauh, der And're zart
Wie's Zeit erheischt und Raum.
Nicht ford're von der Fichte d'rum
Der Palme stolze Pracht;
Der liebe Herrgott weiß, warum
Jedwede so gemacht.
Das schlimmste Wort
Kennst du den grimmsten Folterknecht,
Der an dir übt sein grausam Recht,
Kennst du das Gift, das ewig wühlt
Und das kein ird'scher Balsam kühlt?
Den Dolch, der stündlich hundertmal
Bereitet dir des Todes Qual;
Die Kette, die dich hält in Haft
Bis dir versiegt die letzte Kraft;
Die Glut, die durch dein Inn'res brennt
Und nie — ach nie ein Ende kennt;
Den Frost, der jede Blüte würgt,
Die dir nur eine Frucht verbürgt;
Das Grab, das ewig dir verschließt,
Was je dir teuer war und ist;
Die Nacht, die nie ein Morgenlicht
Mit seinem milden Strahl durchbricht —
Kennst du den größten, tiefsten Schmerz,
Dem je erlag ein Menschenherz? —
Dies Alles nennt ein Wörtchen bloß,
Das schlichte Wörtchen: — "H o f f n u n g s l o s."
Des Geistes Nachtlied
In stürm'scher Nacht auf seinem Turm
Der tote Meister steht,
Vom Trümmerwerk hinaus, im Sturm,
Sein weiter Mantel weht.
Die Harfe, die er in der Hand,
Begleitet seinen Sang,
Der schallt hinab zu Strom und Land
Mit wunderbarem Klang:
Was groß ihr wähnt, wie ist's so klein!
Was stark ihr glaubt, wie schwach!
Wo Nacht, da seht ihr Glanz und Schein,
Und Ruhm, wo oft nur Schmach.
Was wertvoll eurem Blick, ist Schaum,
Was dauernd, nur ein Hauch;
Doch träumt nur fort den alten Traum,
O träumt, ich tat's ja auch.
Am Klosterbrunnen
Im düstern Klostergarten
Ein einsam Brünnlein steht,
Das plätschert leise, leise,
Von Blätterduft umweht.
Es klingt wie heimlich Beten,
Es klingt wie süßer Gruß,
Es klingt, als wie ein letzter,
Ein bitt'rer Liebeskuß.
Es klingt wie stilles Weinen
Als wie ein ferner Sang,
Es stimmt die Brust so wonnig,
Und doch so wehmutbang.
Von Düsterkeit umgeben,
Wie horch' ich nur allein
Dem Quell, der so bezaubernd
Jn's Becken quillt hinein.
Wie fern von hier, wie ferne
Sind Leben, Lust und Schmerz!
Es regt sich nur der Brunnen,
Es regt sich nur mein Herz.
O Herz! — hör auf zu schlagen,
Versieg', o Brünnlein du!
Dann wäre wohl im Garten
Daheim erst recht die Ruh'.
Am Allerseelentag
Euch preis' ich glücklich, die das stille Grab
Umschließt in seinen düstern Friedenshafen,
Die einem schöner'n Sein entgegenschlafen,
Nicht wandelnd mehr am irren Pilgerstab.
Die Jugend nur hat ihren goldnen Traum,
Und einmal nur im Frühling blüh'n die Rosen,
Der Sommer naht und sieh', die Stürme' tosen
Und wenig des Erhofften bleibt am Baum.
Bevor du's denkst, wird welk das grüne Laub,
In Nebel füllen sich der Hoffnung Sterne,
Der Kindheit Traum versinkt in trüber Ferne,
Und deine Rosen sind der Stürme Raub.
Nur daß die Sendung du erfüllt, die Pflicht,
Kann Tröstung noch in deine Brust dir senken,
Und ober dir als: Gottesdeingedenken,
Ein ewig schimmernd Allerseelenlicht.
Zu diesem heb' den Blick, von Tränen schwer,
Am Ird'schen ist kein Haften und kein Halten;
Hier muß sich Alles ewig neu gestalten,
Unwandelbar und ewig — ist nur er!
Schmiedelieder
1.
Wenn die Arme schwarzberußt
Kräft'gen Schwung's den Hammer schwingen,
Wenn um's Haupt die Funken springen,
Fühlt sich wohl des Mannes Brust.
Manchen gibt's, der schmiedet auch
Schale Reime auf die Schönen,
Die nicht sprühen, die nicht tönen,
Und verweh'n wie Essenrauch.
Heimlich schmiedet manch ein Wicht,
Nur daß er den Nächsten kränke,
Giftdurchhauchte böse Ränke; —
Solch ein Schmiede bin ich nicht!
Pläne schmiedet auch ein Tor,
Die sich nie verwirklicht weisen,
Greif zum Hammer, schmiede Eisen,
Ziehst es bald dem Grübeln vor.
Eisen, ja das ist's allein,
Was ich schmiede, was ich zwinge,
Wenn ich hoch den Hammer schwinge
Bei der Esse Wiederschein.
Ha, wie von der wilden Kraft
Amboß da und Wände beben!
Das ist Frende, das ist Leben,
Wenn ein Starker wirkt und schafft.
2.
Soll das Eisen rasch erglüh'n
Und die Arbeit dir gelingen,
Mußt du stets in gleichem Takt
Nach wie vor den Hammer schwingen.
Nur wo Ordnung und Gesetz,
Kann der Menschen Werk gedeihen;
Ohne diese wirst du nur
Samen in die Winde streuen.
D'rum in immer gleichem Schwung
Laß des Hammers Schlag erschallen,
Und der Sieg ist deiner Kraft,
Und es wird dein Werk gefallen.
3.
Schon in aller Morgenfrühe
Gibt der munt're Schmied sich kund;
Seines Hammers Schläge klingen,
Noch bevor die Lerchlein singen
Über'm grünen Wiesengrund.
Wohl so Mancher hebt mit Grollen
Sich von seinem Pfühl empor,
"Hol' der Geier alle Schmiede!
Ist doch nirgendwo ein Friede
Vor dem höllischen Rumor."
Doch ein Andrer denkt dagegen:
"Traun, das ist ein wackrer Mann,
Seine Klugheit muß ich preisen
Früh schon schmiedet er sein Eisen,
Daß er Abends ruhen kann."
Aber auch manch hübsches Dirnchen
Horcht dem Schall im Morgenschein,
Denkt sich: "Ei, der Junggeselle,
Der so rüstig stets zur Stelle,
Muß wohl flink beim Küssen sein!"
4.
Lustig ist's im Schmiedehaus,
Früh und Abends Saus und Braus,
Bälge blasen, Essen glühen,
Hämmer donnern, Funken sprühen,
Und der Arbeit nimmer müd'
Singt der Schmied dazu sein Lied.
Ach, was wäre das für Pein
Andres als ein Schmied zu sein!
Als ein Schneider krumm zu sitzen,
Als ein Schreiber Federn spitzen,
Als ein Dreher Horn zu dreh'n,
Und als Krämer müßig steh'n!
Lieber hier nach Schmiedebrauch
Schaffe ich bei Glut und Rauch,
Bar des Kleid's bis an die Lenden,
Hammers Wucht in starken Händen,
Schmiedend mit gewalt'gem Schlag
Was ich schmieden kann und mag.
So auch jeder gern erfaßt,
Was für ihn just taugt und paßt,
Schwache lieben still'res Wirken
In begrenzteren Bezirken;
Aber üben, wo er kann,
Soll und muß die Kraft der Mann.
5.
Weißt du den Hammer
Rüstig zu führen,
Wirst du vom Kummer
Wenig verspüren; —
Frisch nur geschmiedet,
Da es noch glüht,
Sei es nun Eisen
Oder Gemüt.
Schmieden doch Alle,
Die da auf Erden,
Hoffend des Spröden
Meister zu werden,
Schmieden fast immer
Sich ihr Geschick,
Aber nicht Einer
Schmiedet sein Glück,
Schmiedet, o schmiedet
D'rum nur behende
Fleiß und Beharren
Fördern das Ende;
Tut nur als Schmiede
Was euch zur Pflicht,
Und, glaubt, — vergebens
Schmiedet ihr nicht.
Das Jägerhorn
Das Tal ist stumm,
Kein Blättchen rauscht;
Umsonst mein Ohr
Zur Ferne lauscht.
Der Abendstern
Aus hoher Luft
Nur schaut herab
Durch Nebelduft.
Der Friede zog
In jedes Haus,
Die Sorge trieb
Er weit hinaus.
Da tönt vom Wald
Durch Busch und Dorn
Mit lindem Schall
Des Jägers Horn.
Doch klingt's nicht wild
Als wie am Tag,
Es klingt als künd'
Es tiefe Klag'.
Es klingt und schallt,
Vom Schmerz belebt,
Daß Busch und Wald
Und Herz erbebt.
O schweig, o schweig
Doch allgemach,
Und ruf das Wild
Im Wald nicht wach.
Das Wild, das nun
Im Schlafe ruht,
Den Schmerz, den Schmerz
Mit seiner Glut.
Vergangenheit und Gegenwart
Der Winter wirft den Schnee mir an das Fenster,
Mit Zacken ist betresst des Daches Saum,
Und schaurig zieht die Stunde der Gespenster
Ob meinem Haupte hin ein finstrer Traum.
Ich aber träume bei der Stürme Tosen
Vom Frühlingsschein, der durch mein Fenster fiel,
Und von der Pracht und von dem Duft der Rosen,
Und von der Weste schmeichlerischem Spiel.
Da kommt der Frühling wirklich, der erträumte,
Und bringt so West als Duft und Rose mit,
Und säumt die Pfade, wie er sonst sie säumte,
Mit Blumen rings, wohin er lenkt den Schritt.
Doch sieh', da träume ich, umlacht von Blüten,
Vom Winter wieder, der vorüberzog,
Und von der Stürme lustigwildem Wüten,
Und von der Flocke, die an's Fenster flog.
So leb' ich meist nur dem, was mir entschwanden,
Als hätt' ich das Entschwund'ne nur geliebt,
Und denke kaum, daß uns zu allen Stunden
Die Gegenwart doch nur das Schönste gibt.
Mein Allerseelenlicht
S' ist Allerseelen heute
Und jedes das nur kann
Es zündet einem Teu'ren,
Ein kleines Lichtlein an.
Möcht' auch ein Lichtlein setzen,
Wem Teu'ren auf das Grab,
Doch weiß ich nicht den Toten,
Weil ich so viele hab.
So mög' das Licht denn brennen
Als wie ein stumm Gebet,
Den Seelen meiner Lieder,
Die ungeahnt verweht.
Letztes Gedicht der Maria Stuart
(Wenige Stunden vor ihrer Hinrichtung von ihr geschrieben)
O Domine Deus!
Speravi in Te:
O care mi Jesu!
Nunc libera me;
In dura catena,
In misera poena,
Desidero Te;
Languendo, gemendo,
Et genu flectendo
Adoro, imploro,
Ut liberes me!
Auf dich o mein Vater
Nur hofft' ich allein,
Geliebtester Jesu!
Woll'st Retter mir sein
Nach dir ist — in Banden,
In strafenden Schanden,
Mein Sehnen allein;
Der Ohnmacht zum Raube,
Verehrend im Staube
Lieg' hier ich und flehe:
Du mögst mich befrei'n!