Sonnenaufgang in Venedig
Erwachende Glocken. — In allen Kanälen
Flackt erst ein Schimmer, noch zitternd und matt,
Und aus dem träumenden Dunkel schälen
Sich schleiernd die Linien der ewigen Stadt.
Sanft füllt sich der Himmel mit Farben und Klängen,
Fernsilbern sind die Lagunen erhellt. —
Die Glöckner läuten mit brennenden Strängen,
Als rissen sie selbst den Tag in die Welt.
Und nun das erste flutende Dämmern!
Wie Flaum von schwebenden Wolken rollt,
Spannt sich von Turm zu Türmen das Hämmern
Der Glocken, ein Netz von bebendem Gold.
Und schneller und heller. Ganz ungeheuer
Bläht sich das Dämmern. — Da bauscht es und birst,
Und Sonne stürzt wie fressendes Feuer
Gierig sich weiter von First zu First.
Der Morgen taut nieder in goldenen Flocken,
Und alle Dächer sind Glorie und Glast.
Und nun erst halten die ruhlosen Glocken
Auf ihren strahlenden Türmen Rast.
Stille Insel
(Bretagne)
Glocken über die Fluren
Hör ich vom Lande wehn
Und kann schon die Konturen
Der runden Türme nicht mehr sehn.
Die Nacht, das Meer, zwei blaue Bänder
Durchstickt mit Sternengold,
Haben die Ränder
Der Insel in ihre Falten gerollt.
Alles wird Ferne und
Sinkendes Schweigen.
Wortlos neigen
Die Winde sich nahe an meinen Mund.
Weit und wie ohne Wiederkehr
Scheint dies alles, das mir entgleitet,
Die braunen Hügel, das blinkende Meer,
Die Bäume, die winkend im Hafen stehn,
Die Glocken, die über die Wasser wehn.
Und ich bin schon bereitet
Ins Dunkel, das sich drohend verbreitet,
Mit ihnen zu gehn
Abendallein
Mit meinem lastenden Einsamsein.
Da weht von den späten
Gehöften zwischen den Hügeln, die
Mit leisem Schritt in den Abend treten,
Noch eine schüchterne Melodie.
Und süß beklommen höre ich, wie
Kinder zu Gott in das Dunkel hinein
Um Schlaf und gütige Träume beten.
Nächte am Comersee
Von diesen Nächten, den sternelichtklaren
— Herz mit deinem ruhlosen Schritt! —
Was nimmst du von diesen wunderbaren
Nächten auf deine Wege mit?
Was du empfandest, wenn rings in der Schale
Des Teiches das Silber überschwoll
Und tief bis in die ruhenden Tale
Ein Strom von zitternden Sternen quoll?
Kann das verschatten, wie über dem Hügel
Weiße Blende in Nacht verging,
Wenn sich bläulich der eilende Flügel
Einer Wolke dem Mond umhing?
Kann das verwehn, wie die schweigsamen stillen
Blumen, die ihr heißes Gebet
Über die kunstvollen Türen der Villen
An dein atmendes Herz geweht?
Kann das verzittern, wie — leiser und blasser,
Eine sinkende Perlenschnur —
Der Mondglanz über das Wiegen der Wasser
Hinrann ins Dunkel und ohne Spur?
Bleibt dir denn nichts vom Raunen der schwanken
Zypressen hart an dem Ufergang
Und dort von all den Träumergedanken,
Eine Runde lang, eine Stunde lang?
Vielleicht nur ein Vers vom Wiegen des Windes
Und blinde Sehnsucht zurück in die Zeit,
Wie Duft gelöst in ein wehendes lindes
Gefühl unsagbarer Zärtlichkeit.
Brügge
I.
Bei Tag ist alles hier Gewöhnlichkeit.
Die Straße klingt vom Holzschuhtritt der Bauern,
Vom Lärm der Weiber, die am Markte kauern.
Allein im milden Glanz der Abendzeit
Erwacht der alten Häuser leises Trauern.
Die Glocke mahnt . . . Und in den dunkeln Mauern
Erstehn die Träume der Vergangenheit.
II.
Hier sind die Häuser wie alte Paläste,
Der Abend hüllt sie in traurigen Flor,
Die Straßen sind leer wie nach einem Feste,
Wenn sich der Schwarm frohlärmender Gäste
Schon fern in die schweigende Nacht verlor.
Die prunkenden Tore mit rostigen Klinken
Sind längst nicht mehr zum Empfang bereit,
Verstaubt und verwittert die Kirchturmzinken,
Die in den Nebel träumend versinken
Wie in das Meer ihrer Traurigkeit.
Und in den Nischen an dunkelnden Wänden,
Da lehnen Gestalten aus bröckelndem Stein,
Und reglos, in heimlichen Wortespenden
Sprechen sie leise die alten Legenden
In die tiefe Schwermut der Straßen hinein . . .
III.
Die weißen Wolken fremder Lande,
Die nie ein Turm erklommen hat,
Sie scheinen nah im Spiegelrande
Und eingestickt dem schwarzen Bande
Der stillen Wasser dieser Stadt.
Wie Mädchen, die zur Messe schreiten,
So fromm und fürchtig ist ihr Gehn.
Man sehnt sich sehr, sie zu begleiten
Und über Trauer alter Zeiten
Mit ihnen sinnend hinzuwehn . . .
IV.
Lind weht der Abendfriede in die stille Stadt,
Der Sonne goldnes Blut verströmt in den Kanälen,
Und eine Sehnsucht, die nicht Weg und Worte hat,
Beginnt nun von den grauen Türmen zu erzählen.
Die alten Glocken singen dumpf und wunderbar
Von Tagen, da ihr Jubelruf das Land umspannte,
Des Lebens Glanz tief unten in den Straßen war
Und fackelfroh das Wimpelspiel des Hafens brannte,
Von reichen Tagen wundersam und längst verglüht
Und die wie erster Kindertraum so fern geworden.
Das Ave schweigt . . . Und langsam stirbt der Glocken Lied
Und zittert aus in leise bebenden Akkorden.
Die letzten Töne nimmt ein lauer Abendwind,
Und einsam irrt der Nachhall in die toten Gassen,
Die alle schweigsam und ganz schmerzverschüchtert sind,
Ein blindes Kind, das jäh die Führerhand verlassen. —
Durchs stille Wasser streift ein wildes Schwanenpaar,
Und leise raunt die Flut, die schwingensacht erschauert,
Von einer schönen Frau, die Königin einst war
Und nun im dunklen Nonnenkleide einsam trauert . . .
Stadt am See
(Konstanz)
Schon fern, in dämmernder Verschönung
Die ernste Linie einer deutschen Stadt,
Geschmiegt in Wolken von so zarter Tönung,
Wie sie allein der Juniabend hat.
Im Uferpark Musik aus dunklen Lauben,
Ein Lied: kennst du das alte Lied nicht mehr?
So lieb, so trüb wie Saft aus schweren Trauben
Ganz langsam quillt das Lied die Wellen her.
Da klingt dein Herz, als ob es Heimweh hätte,
Und sieht doch diese Stadt zum erstenmal,
Zum erstenmal die dunkle Silhouette,
Die schleiernd tränt im fahlen Mondenstrahl.
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