Der Mensch
Gebt dem Ursprung, den ihr ehrt, was Ihm vor schon zugehört.
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Hier steht ein Gottes-Bild, der Mensch, das Pracht-Geschöpfe,
Dran Gott sein Meisterstück an Leib und Seel gemacht.
Die Säulen der Gebein, der Glieder Fugen-Knöpfe,
Die Nerven, Fleisch und Haut stehn in erhabner Pracht.
Doch schöner ist die Seel, die nicht ins Auge fällt:
Weil sie den Schöpfer hier vor- nach dem Leben, stellt.
Erkennt man nun ein Bild auf echt-geprägten Münzen,
Auf welchen es die Welt durchrennet sonder Ruh?
Bringt mans an Steur und Schoß, aus allen Reichs-Provinzen;
Dem Kaiser, dem es gleicht, ganz untertänig zu?
Was liefert Ihr dann Euch der Sünd' und Höllen-Höhl?
Gebt Gott, was Gottes ist, sein Bildnis, Eure Seel.
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Die Jünglinge
Viele liegen, außen rot, an Affecten krank und tot.
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Der Jugend frischer Geist ist artig-ungebärdig,
Dringt nur auf Kleider-Pracht, auf Musik, Tanz und Spiel.
Ist magern Sorgen feind, genießt was gegenwärtig,
Sieht nur um heut besorgt, auf Morgen nicht gar viel.
Sie mehrt und spart kein Gut. Ist was erworbnes da?
So lauft es auf den Mark und dem verschwenden nah.
Sie trägt ihr heimlichs Herz ganz offen an der Stirne,
Lässt Zorn und Eifersucht frei durch die Lippen gehn.
Zeigt jedem, wie sie sind, die Grillen im Gehirne,
Und hält die Prahlerei von Frauen-Lieb für schön.
Weil nun die Jugend krank, mit so viel Fehlern kriegt,
Was Wunder, wenn sie oft dabei zu Boden liegt?
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Das hohe Alter
Der Alte kriecht allgemach, dem Ruh-Gemach des Grabes nach.
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Hier ist ein Runzel-Kreis der Haar-bereiften Greisen.
Was machen sie beisamm, Mein! sag mirs ungefähr?
Die gegenwärt'ge Zeit muß hie verworfen heißen.
Sie zögen gar zu gern die vor'ge wieder her.
Vor diesem galt noch was Witz, Tugend, Lieb und Treu;
Die Jugend legte da viel Ehr den Alten bei.
Nun aber tobt das Heer der Laster ausgelassen.
Man treibt die Sparsamkeit, durch üppigs Schwelgen aus.
Gerechtigkeit und Fried muß vor Gewalt erblassen.
Die Lieb und Gottesfurcht ist hier nicht mehr zu Haus.
So klagt der Greisen Chor. Und dennoch liegts am Tag,
Daß keiner aus der Welt mit dreien Füssen mag.
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Der Gesunde
Wer nicht gerne bleibt gesund, ist gewißlich Hirne-wund.
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Wenn unsre Lebens-Quell in starken Nerven waltet,
Und jede Feuchtigkeit fein mild-gemäßigt rinnt,
Der Mund voll Purpur lacht, die Stirne sich nicht faltet:
So tut der Leib fein frisch, was ihm der Geist ansinnt.
Da kämpft der Krieger so, wie er sich wehren soll,
Und dem Gelehrten fließt die Feder noch so wohl.
Der Handwerksmann lässt viel durch muntre Hände gehen,
Der Kaufmann wechselt gern, versticht mit Lust die War',
Der Bauer lässt den Pflug gar wenig müßig stehen;
Der wird durch Arbeit reich, und jener durch Gefahr,
Wer nun durch freche Lust, und durch Lyæns Bund,
Selbst die Gesundheit kränkt, ist wahrlich Hirne-wund.
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Der Kranke
Erb und Kranker wünschen was, aber niemand glaube das.
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Wer lind in Daunen liegt, bei schwerem Atem-holen,
Liegt, seiner Meinung nach, auf Balken oder Stein.
Ihm tut der Rücken weh, Milz, Leber, Brust und Sohlen,
Herz, Magen, Lenden, Haupt, will nicht zufrieden sein.
Bringst du ihm einen Trank? bemerk sein saurs Gesicht,
Wenn oft die Zitter-Faust das Becher-Heben bricht.
Drauf geht das Schreien an: Hilf Gott, daß ich bald sterbe!
Komm doch, erwünschter Tod, befreie mich der Pein;
Der Tod steht ferne noch; nah wacht ein schlauer Erbe.
Und Gott! du stehst hier tief in beider Falschheit ein:
Hörst du den Erben an? So geht der Kranke drauf.
Den Kranken? O so hört er bald zu sterben auf.
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Der Reiche
Midæ spitzigs Esel-Ohr guckt oft aus dem Gold hervor.
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Hier sitzt der reiche Mann, am Tisch, von Gold umstreuet;
Mehr liegt im Kasten noch tief, Schichtweis eingepresst.
Das mehrt er, wenn ers oft auf höh're Zinsen leihet,
Sein Wucher kreiset stets zu einem neuen Rest,
Und so lässt ihm das Glück mit Schachern keine Ruh.
Wer ohne dem viel hat, dem weist es mehr noch zu.
Sag Reicher, wenn ich dich darf offenherzig fragen,
Ich weiß, daß Lazarus nicht einen Heller kriegt:
Wer kriegt, was du zusamm, nach Hamster-Art getragen,
Wenn dein erstarrter Leib im letzten Schweißtuch liegt?
Du sprichst: Ich weiß es nicht. Dein Wort legt an den Tag,
Daß Kopf und Geist an dir auch Midas-Ohren trag.
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Der Arme
Niemand stehet so vergnügt, als wer so, wie dieser, liegt.
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Schau, Irus bettelt hier, von dir, nur einen Heller.
Sein Rock ist Wunden-voll, mit Pflastern bunt-bestreut.
Die Augen sitzen ihm im tiefen Stirnen-Keller.
Die Lippen stehen blaß, gleich als die teure Zeit.
Der Kranke wird von Kält wie Espenlaub bewegt;
Ob er gleich auf dem Leib all seine Kleider trägt.
Sollt der nicht elend sein, den so viel Jammer drücket?
Ach freilich elend gnug: Dann er liegt überall.
Doch nein! Recht elend ist, wer allzeit lebt beglücket:
Auf diesen loht schon zu die düstre Höllen-Qual,
Wenn Irus selig ist. Wer aller Orten liegt,
Liegt (Gott ist überall) in Gottes Schoß vergnügt.
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Der Lahme
Lahmer, nimm Geduld nur an, die gen Himmel springen kann.
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Wer etwan, durch den Fall, sein grades Bein gebrochen,
Wem eine Kugel schlug den festen Fuß entzwei,
Der nimmt im Stelzen-Stock vom Holz gemachte Knochen.
Kann er? so schnitzt er sich selbst einen Fuß dabei.
Den knüpft er sich fein fest mit hänfnen Bändern an.
Vergnügt, wenn er nur so das Land durchwandern kann.
Nichts desto minder will der Fuß gar schmerzlich stehen,
Und er verneut sein Kreuz bei jedem Tritt und Strampf.
Das nenn' ich durch die Welt auf stetem Kreuz-Weg gehen,
Und siegen mit Geduld ob Lahmheit, Kreuz und Krampf.
Du Grader, reut' und fahr, durch Gassen, Feld und Tor;
Der Lahme rennt dir doch, im Lauf zum Himmel vor.
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