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Quelle:

Johann von Alxinger's
Gedichte


Neueste Auflage
Wien 1817
Bey B. Ph. Bauer.

Oden und Gedichte 1
 

An mein Saitenspiel
Das Glück
Die Verlassene
Lina auf der Redoute
Der Abbe
Der Unglückliche an seinen Hund
Empfindungen auf einem Anstande
Der Fächer
An den Unbestand
Morgengebet
Abendgebet
Sehnsucht nach dem Geliebten
Warnung
Der Morgenbesuch
Lied einer Nonne
An Selinden
An eine verklärte Geliebte
Lied eines Hagestolzen
Zum Champagner zu singen
Linens Veilchen
Aufruf zur Freude

An mein Saitenspiel


Du nie von mir entweihtes Saitenspiel,
Das ich um Gold und Ehren nicht vertausche,
Du weckest und veredelst mein Gefühl,
Wenn ich bei dir in heil'ger Stille lausche.

Ein and'rer prang' im stolzen Marmorsaal,
Für ihn erseufze Tokay's teure Kelter,
Ihm sende Frankreich Mädchen ohne Zahl,
Rennpferde Yorkshire und Castilla Zelter.

Ich aber zieh', wenn Lunens milder Schein
Die Erde deckt, und Philomele klaget,
Mit dir, mein Saitenspiel, zum Eichenhain,
An dem die Flut des grünen Isters naget.

Da singest du die keusche Zärtlichkeit,
Die sanftes Rot auf Mädchenwangen strömet,
Des Jünglings Herz zu edlen Freuden weiht,
Und nied'rer Tierbegierden Geier zähmet:

Die Sympathie, von deren Zauberband
Zwei Seelen plötzlich sich umschlungen spüren,
Beim ersten Blick, beim ersten Druck der Hand
In mehr als einem Punkte sich berühren.

Doch wird durch dich Tyrannen nicht gefrönt,
Kein böser Glaubenszweifel aufgekitzelt,
Und wenn gleich Scherz von deinen Saiten tönt,
Kein guter Mann, auch wenn er irrt, bewitzelt.

Drum strömest du mir, Freudengeberin,
Durchs Leben oft unschuldiges Entzücken;
Und wirst noch, wenn ich längst verweset bin,
Den stillen Hügel meiner Ruhe schmücken.

Das Glück 

Fortuna nulli plus quam consilium valet
                                 Publius Syrus.


Bist du, o Glück, in schimmernden Palästen
Zu Hause? führst du auf dem Ball
Den Reigen? schenkest du bei teuren Festen
Den Cap-Wein in Kristall?

Ruhst du im Schandbett, wo bei Amors Lüsten
Uns Krampf an allen Nerven zerrt?
Ha! oder gar in eines Harpax Kisten,
Mit manchem Schloß versperrt?

Zwar sucht der Mensch dich dort, und findet Plagen,
Statt deiner, findet Überdruß
Und Ekel; — darf ich, Göttin, darf ich sagen,
Wo man dich suchen muß?

Ihr Sterblichen wohl nicht in solchen Freuden,
Die nichts sind als ein Selbstbetrug,
Dem Ekel nachhinkt, wisset, Not nicht leiden
Ist schon zum Glück genug.

So eilt der Landmann seinem niedern Dache
Und braunem Weib am Abend zu;
Mit ihr teilt er sein Brot, trinkt aus dem Bache,
Und pflegt der Lieb' und Ruh'.

Doch müßte, was mit atemlosem Munde
Der Übermut vom Glück begehrt,
Ihm werden, o so wär' in einer Stunde
Das Füllhorn ganz geleert.

Drum macht nicht mehr, Fortunen auszuplündern,
Den eitlen, lächerlichen Plan;
Sucht lieber Scheinbedürfnisse zu mindern,
Sucht der Natur zu nahn.

Reißt euch entschloss'nen Mutes aus den Klauen
Des Vorurteils, und, nicht mehr blind
Für innern Wert, sucht Gaben anzubauen.
Die in euch selber sind.

Besonders ihr, durch Adel, Macht und Schätze
Emporgehobne, gebet mehr
Der warnenden Vernunft, als dem Geschwätze
Der grollen Welt Gehör?

Spart von dem Gold, das ihr dem Prunk, den Spielen,
Dem Kitzel jeder Art geweiht,
Das Zehnteil nur euch ab, und lernet fühlen
Des Wohltuns Seligkeit.

Anstatt nach eitler Puppen Herz zu angeln
Durch geckenmäß'ge Schmeichelein,
Lernt Freundschaft; nie wird's dem an Freunden mangeln,
Der weiß, ein Freund zu sein:

Und habt ihr viel der Muße, seht, es winket
Euch freundlich manche Wissenschaft,
Und bietet ihren Wonnekelch; o trinket
Euch in die Seele Kraft!

Forscht, sind zu diesem eures Geistes Federn
Genug gespannt, auf Newtons Spur
Und Bergmanns Weg nach den geheimen Rädern
Der heiligen Natur.

Seht, doch von nied'rer Goldgier nicht gekörnet,
Wie sie des einen Wesens Grab
Zu and'rer Wesen Wiege macht', und lernet
Ihr dies Geheimnis ab.

Doch habt ihr eine weich geschaffne Seele,
Die rasch ist, kraftvoll, leicht empört,
Und lieber eine Nachtigallenkehle
Als Roms Kastraten hört:

O so ersticket ja das heil'ge Feuer
Des Genius, erstickt es nicht!
Weiht euch Apollen, greifet nach der Leier
Mit glühendem Gesicht.

Doch ist euch Scharfsinn, ist zu Trockenheiten
Euch eiserne Geduld verlieh'n.
So geht und wagt, wie Schmidt, von Ahnenzeiten
Den Vorhang wegzuzieh'n.

Denn Dieser, dessen Geist in ernsten Stunden
Der Einsamkeit sich selbst genügt,
Nur Dieser hat des Glückes Quell gefunden,
Der ewig nicht versiegt.


Die Verlassene

Endlich bin ich ihm entgangen,
Diesem Schwarm, der mich umgab.
Legt nun, heuchlerische Wangen,
Ein erzwungnes Lächeln ab.

Heiterkeit und Ruhe lügen
Macht die Welt zur Mädchenpflicht.
Denn wir dürfen wohl betriegen,
Nur betrogen werden nicht.

Dennoch ward ich's; Himmel richte
Diesen Mann, der mich berückt,
Und doch schon die Erstlingsfrüchte
Von der Liebe Baum gepflückt!

Weh mir! was ist Männerliebe?
Nicht der Seele Hochgefühl:
Grober Kitzel, tie'rsche Triebe,
Sinnenweide, Fiebernspiel.

Wollt ihr sie von langer Dauer,
So beruhiget sie nie;
Gegenliebe macht sie lauer,
Sicherheit ersticket sie.

Eine herrische Kokette,
Die sich nur anbeten läßt,
Hält an ihrer Eisenkette
Zwanzig Männerherzen fest.

Alle dienen ihren Launen:
Jeder zittert, jeder flieht.
Wenn auf ihren Augenbrauen
Unmut sich zusammen zieht.

Aber wenn sie je gerühret,
Redlich Lieb' um Liebe gibt;
Dann wird sie tyrannisieret
Und erniedrigt und betrübt.

Drum, ihr Mädchen, lernt die Tücke
Kriechender Verräter scheu'n;
Gebet jedem süße Blicke;
Aber liebt nur euch allein.

Lina auf der Redoute

Groß, voll von Tänzern ist der Saal
Und auch an Schönen reich:
Doch sagt ihr Kenner, sagt einmal,
Ist eine Linen gleich?

Ist, wer ihr in die Augen sieht,
Nicht ein verlorner Mann?
An diesen Augen steckt Cupid
Sich seine Fackel an.

Sieh. wie der schwarze Domino
Den Schneehals noch erhöht:
Süß lächelt sie, und mildert so
Des Hutes Majestät.

Spielt bald die lose Schäkerin,
Hält alle Masken an,
Und flattert her und flattert hin,
Daß ich kaum folgen kann;

Bald neben mir in süße Ruh'
Versunken, sitzet sie;
Horcht die Musik, und schlägt dazu
Den Takt auf meinem Knie;

Bald fährt sie auf, und beut die Hand
Zum Reihentanz mir dar:
Wie rauscht der Eilenden Gewand,
Wie fleugt ihr blondes Haar!

Man drängt sich, wo sie tanzt, hervor,
Schließt einen Kreis um sie,
Und lispelt sich entzückt in's Ohr:
O seht nur, die ist's, die!

Doch führet nun der Reihentanz
Zu mir sie wieder her;
Da streut ihr Auge sanftern Glanz,
Die Wange glüht noch mehr;

Sie weilet, drücket mir die Hand,
Und nicket noch zurück:
Ich stehe da, nach ihr gewandt,
Und fühle nur mein Glück;

Kraft und Bewußtsein schwinden hin,
Am Boden starrt mein Fuß;
So, daß die nächste Tänzerin
Mich zu sich reißen muß.

Der Abbe

Dein Sohn tritt auf im Stutzerkleide,
Du siehst ihn, lächelt Mutterfreude,
O Kirche, nicht aus deinem Blick?
Wie siegreich schwebt die lange Locke
Ihm auf dem glatten Atlasrocke
Tief unter's heilige Genick!

Und sein Toppeh, (ha! Deutschen Händen
Gelangs, das Wunder zu vollenden,)
Beschämet selbst Pariser-Witz:
Denn seht ihr nicht? ein jüng'rer Bruder
Des Eypripor, bedeckt mit Puder,
Hat hierin seinen Lieblingssitz.

Doch fleugt der Gott auch, will er freier
Aussehen, abwärts, macht den Schleier
Der Täfelchen zu seinem Thron.
Der war einst Venus Trauerschleier,
Bei des Äneas Leichenfeier,
Beim Requiem für den Adon.

Das Mäntelchen durchwallt die Lüfte,
Es streut umher Lavendeldüfte;
Auch stecket jede Zauberkraft,
Die Acidalien umschwebet,
Dem Wundergürtel eingewebet,
In seinem Florentiner Taft.

Wie prangt sein Chiffre-Ring mit Haaren,
Die kurz vorher so lockig waren,
Man schnitt sie seinetwegen ab;
Wie wallet ihm in gleichen Faden
Die runden, hoffnungsvollen Waden
Neapels luft'ger Strumpf hinab.

Schon seh' ich ihn, trotz allen Spottes
Altmodischer, im Dienste Gottes
Als Pfarrer oder Dechant glühn,
Sein Licht vor allen Mädchen leuchten,
Und junge Weiber, ihm zu beichten,
Prozessionenweise ziehn:

Ich seh', wie innigst er sie rühret,
Belehret, stärket, absolvieret,
Und zwar, in quantum indigent.
Ihr, die ihr die Gesalbten schmähet,
Und nicht der Salbung Kraft verstehet,
Freigeister, sagt, ob ihr es könnt.

Der Unglückliche an seinen Hund

Diffugiunt cadis
Cum faece siccatis amici,
Ferre jugum pariter dolosi.
                               Hor.


Hier, wo vor kurzem erst ein Schwarm
Erkaufter Sklaven mich umschwebte,
Wo meinem Winke jeder Arm
Geschäftig vorzukommen strebte;

Wo Tokay's Nektar aus Kristall
Dein Tafelfreund entgegen glänzte,
Der mich dafür bei Schmaus und Ball
Mit früh verwelkten Rosen kränzte;

Hier sitz' ich Armer, den Verdruß
Und lange Weil' und Mangel quälen:
Nun rauscht des Tanzes leichter Fuß
Nicht mehr in diesen öden Sälen.

Denn wehe mir! urplötzlich flog
Das Glück von der ihr werten Stätte,
Und alle meine Trauten zog
Es mit an seiner goldnen Kette.

Sie sehen starr mir ins Gesicht,
So starr, als ob sie mich nicht kennten.
Nur du, mein Hund, berechnest nicht
Den Wert der Freundschaft nach Prozenten.

Du wartest noch allein mir auf,
Du wedelst dankbar mit dem Schweife,
Beutst mir dein Köpfchen, daß ich drauf
Dir mit gefäll'gen Händen greife.

Der Menschen böser Undank trübt
Mir jeden meiner Lebenstage;
Du bist's allein noch, der mich liebt,
Und dem ich meine Leiden klage.

So laß mich denn, von dir allein
Begleitet, durch das Leben eilen;
Laß mich, und soll's das letzte sein,
Mein Brot mit dir, du Liebling, teilen.

Empfindungen auf einem Anstande

Hier, wo der Boden sich mit gelben,
Dem Baum entsunk'nen Blättern deckt.
Nackt über mir sich Äste wölben,
Lieg' ich im Rasen hingestreckt.

An einer alten Eiche lehnet
Mein ungeladenes Gewehr;
Wer sich nach sanften Freuden sehnet,
Wer zärtlich liebet, mordet der

O Gott! wie wenn, statt schneller Rehe,
Sich meine Lina nähert'; ich
Sie dort an jenem Busche sähe,
Die Arme breiten gegen mich;

Hinflöge, selbst geküßt, sie küßte,
Fern von der Etikette Zwang,
So laut, daß Echo wieder küßte
Durch dieser Bäume Säulengang.

Ihr Milchbrot böt' aus meiner Tasche;
Selbst äße, wo's ihr Zahn verletzt,
Und tränk' aus dieser Jägerflasche,
Die erst ihr süßer Mund benetzt.

Unglücklicher, wozu die Träume!
Ach meilenweit entfernt ist sie,
Und in dem Säulengang der Bäume
Nur Schweigen und Melancholie.

Der Fächer

Der Fächer, den die Mode
Den Mädchenhänden gab,
Der mehr gilt, als ein Zepter
Und ein Kommando-Stab,

Ist ein Vasall der Schönheit,
Den sie mit Undank lohnt,
Und leider oft so wenig,
Als Männerherzen, schont.

Doch sonder ihn wie stünd' es
Um unsre schöne Welt,
Worin er Recht und Ordnung
So lange schon erhält?

Zwar wähnt der rohe Pöbel,
Ein Fächeramt besteh'
Nur darin, daß er schirme,
Und darin, daß er weh':

Allein das Wehn und Schirmen
Ist eine Kleinigkeit;
Erhab'nerer Verrichtung
Hat Amor ihn geweiht.

So oft die lange Weile
Um große Zirkel schwebt,
Bevor als die Spadille
Die Mohrenstirn erhebt;

Dreht ihn die Nymph', entfaltet
Und breitet ihn auf's Knie,
Mit so viel Ernst und Würde,
Gerad' als dächte sie,

Bei süßer Herrchen Zoten
Verhüllt er ihr Gesicht;
Da kann sie nach Gefallen
Erröten, oder nicht.

Durch ihn ergeht auf Scharen
Verehrer ihr Gebot;
Er billigt, straft, ermahnet.
Bringt Leben oder Tod.

Und du, der Fächer König,
Du, den mein Mädchen trägt,
O Stern, nach dessen Leitung
Mein Liebsschiff sich bewegt;

Ich fleh' voll Ehrfurcht, rausche
Mir niemals fürchterlich;
Sei stets ein Friedensbote,
Lob' und ermuntre mich.

Sitz' ich bei meiner Lina
Und les' ihr Verse vor;
So hebe sie zum Zeichen
Des Beifalls dich empor.

Und wenn ihr meine Rechte,
Um Hals und Wange spielt,
Ja gar in der Trompeuse*
Mit kühnen Fingern wühlt;

Dann laß sie ja nicht zürnen,
Dann, Fächer, sage du
Mir durch gelinde Schläge
Ein tröstliches - Nur zu!

Für diese Liebesdienste
Soll Venus hold dir sein,
Soll eines ihrer Söhnchen
Zu deinem Schutze weihn.

Und bei der Göttin Mode,
Die unumschränkt regiert,
Bewirken, das mein Mädchen
Noch lange Zeit dich führt.

Und einst, weil doch das Schicksal
Kein dauernd Glück gewährt,
Und streng' jetzt einen Fächer,
Jetzt einen Thron zerstört:

So werd' aus allen Toden
Der wünschenswertste dir,
Stirb unter Lina's Händen,
Und stirb, beweint, von ihr.

*eine Gattung Busentuch.

An den Unbestand

Sunt quoque translato gaudia servitio.
                                     Probertius.


Wohltätigster der Götter,
O weiser Unbestand!
Dich hat uns zum Erretter
Der gute Zeus gesandt:
Denn wider Mädchenstücke,
Die oft den Edlen trifft,
Hast du zu unserm Glücke
Doch noch ein Gegengift.

Gibt Doris meinen Klagen
Und Versen kein Gehör,
Ei! wer wird drum verzagen?
Der Mädchen gibt's ja mehr.
Nur Mut und frisch gewählet,
Rätst du mir väterlich;
Ein Narr ist, der sich quälet,
Der Weise tröstet sich.

Kaum rauschet wo der Flügel,
Den Zephyr dir geliehn,
So deckt sich jeder Hügel
Mit einem frischen Grün,
Und manches Lied erklinget
Im freien, leichten Ton,
Wie Hagedorn uns singet,
Gleim und Anakreon.

Elegisches Gewinsel
Beleidigt dort kein Ohr;
Und kein Petrarchscher Pinsel
Heult sein Gefühl uns vor;
Dort liegt auf keinem Grabe
Ein Kapuziner tot;
Noch weinen um Combabe
Sich Nonnenaugen rot.

Du bringst beklemmten Herzen
Zufriedenheit und Ruh',
Du linderst ihre Schmerzen,
Heilst ihre Wunden zu.
Oft hast du Giftphiolen
Verschüttet, und den Hahn
Auf Werthrischen Pistolen
Oft in die Ruh' getan.

Ihr Sterblichen entsaget
Der ew'gen Treue nur;
Glaubt ihr nicht mir, so fraget
Die weisere Natur.
Sie heißt das Herz entwöhnen
All' dem romant'schen Schwung,
Und zeigt in ihren Szenen
Selbst nur Veränderung.

Drum folgt, wohin sie winket,
Und lernet billig sein;
Nur einem Gecken dünket
Sein Mädchen schön allein.
Eßt nicht an Einer Speise
Euch satt, wie Bauern; küßt
Auf kurzer Lebensreise,
Was immer küßbar ist.

Morgengebet

Die Schatten fliehn, der Morgen lacht,
Die Lerche grüßt dich, Herr, durch Lieder;
Und ich, wie sie vom Schlaf erwacht,
Ich grüßte dich nicht auch, und sänk' in Staub nicht nieder!

Ja niemals glänz' ein neues Licht,
Daß ich nicht froh gen Himmel sehe.
Dir Dank zu opfern, daß ich nicht
In glühendem Gebet um deinen Segen flehe.

Wenn Krankheit ihren Bogen spannt,
So schütze mich; doch willst du schlagen,
Anbetend ehr' ich deine Hand;
Nur gib mir festen Mut, mein Übel zu ertragen;

Gib mir, wenn meiner Feinde Neid
Im Dunkeln mir zu schaden, lauert,
Ein Herz, das ihnen gern verzeiht.
Mit Gutem Böses lohnt, sie liebet und bedauert;

Laß mich, sind Schätze mir gewährt,
Mit kluger Sorgfalt sie verwalten,
Und, was zur Notdurft nicht gehört,
Stets für ein Eigentum schuldlosen Armuts hatten,

Auch nichts mit stürmischer Begier
Verlangen, alles froh genießen,
Und so dies Tröpfchen Leben mir
Still, doch nicht ungenützt, ins Meer der Zeiten fließen.

Abendgebet

Herr, so manches Herz voll Kummers
Wiegst du nun in süßer Ruh',
Deckst mit Fittichen des Schlummers
Manch beträntes Auge zu.

Doch eh' meins der Schlaf erfrischet.
Sieht es noch zu dir empor;
Meines Dankes Stimme mischet
Sich in deiner Engel Chor.

Gutes kam an diesem Tage
Mir so viel aus deiner Hand,
Manche Sorge, manche Plage
Hast du schonend abgewandt.

Aber tat auch ich an Andern,
So wie du an mir getan,
Die mit mir durch's Leben wandern,
Sah ich sie für Brüder an?

War ich allen, die mich hassen,
Herzlich zu verzeihn bereit?
War ich in dem Glück gelassen,
Stark in Widerwärtigkeit?

Nie in eitlen Stolz versunken,
Nie aus Eigenliebe blind.
Noch von Erdefreuden trunken.
Die wie Rauch vergänglich sind?

Wehe mir! statt edler Taten
Bring' ich dir nur Reue dar.
Fühl' es, daß ich ungeraten,
Dein Feind und mein eigner war.

Doch ich war's zum letzten Male;
Greif' um deine Waage nicht,
Oder wirf in meine Schale
Deiner Vaterhuld Gewicht.

Sehnsucht nach dem Geliebten

Mein Geliebter, bittres Scheiden!
Mußte ziehn; ich floh die Stadt,
Die für treuer Liebe Leiden
Keine Mitempfinder hat.

Aber ihr, verschwiegnen Haine,
Bietet eure Nacht mir dar.
Daß ich hier auch einsam weine,
Wo ich einst so glücklich war.

Hier, wo ich in Wonnestunden
Auf dem blumenreichen Gras,
Von des Teuren Arm umwunden
Und berauscht von Küssen, saß:

Wenn er dann mir in die Ohren
Gern geglaubte Schmeichelein
Sanft geflüstert und geschworen.
Niemals wandelbar zu sein;

Hatt' ich unter Händedrücken
Leis' erwidert seinen Schwur,
Und der Liebenden Entzücken
Feiertest du selbst, Natur!

Abendwind und Silberquelle
Schwatzten Zärtlichkeit uns vor,
Grüner ward die Rasenstelle,
Blumen sprosseten empor.

Aber jetzt klagt die Quelle,
Seufzt der Abendwind um ihn,
Auf der welken Rasenstelle
Schrumpfen Blumen und verblühn.

Über Felder, über Klippen
Walle schnell hierher dein Kuß!
Fühl', es lechzen diese Lippen
Nach dem lang' entbehrten Kuß!


Warnung

O Jüngling, liebst du Glück und Ruh',
So schließ dein Herz, fest schließ es zu,
Und trau den Schönen nicht.
Steh ein Noviz vor ihnen da;
Antworte nichts, als nein und ja,
Wenn eine mit dir spricht.

Singt sie an ihrem Saitenspiel
Dir mit geheucheltem Gefühl
Ein zärtlich Liedchen vor:
So denk', es ist Sirenen-Ton:
Denk' an Laertens weisen Sohn,
Und stopfe Wachs ins Ohr.

Wenn ihre Hand die deine streift,
Ja sie zuletzt wohl gar ergreift,
So flieh ein scheinbar Glück:
Wie hart auch die Beraubung ist,
Schieb' ungedrücket, ungeküßt
Die schöne Hand zurück.

Ein Mädchenherz, o merkt es euch!
Ist einem Spiegelglase gleich:
Es blendet durch den Schein,
Ist schlüpfrig, bleibet immer kalt,
Nimmt willig jegliche Gestalt,
Und keine prägt sich ein.

Stolz, Eitelkeit und Eigensinn
Regieren unumschränkt darin.
Doch bleiben die verkappt,
Bis daß ein Mann, der mit Mama
Sich erst berechnet, durch ein Ja
Sich am Altar verschnappt.

Dann ändert schnell die Dame sich,
Sie spielt, sie, die erst minniglich
An ihrem Ritter hing,
Mit Andern jetzt den zweiten Akt,
Gesichert durch den Eh'-Kontrakt
Und den fatalen Ring.

Vergiß nicht, wie's im Sprichwort heißt:
Es ist nicht alles Gold, was gleißt!
Flieh weiblichen Betrug,
Flieh die zu teuren Schmeichelein;
Sich zu erhenken und zu frein
Ist's immer früh genug.

Der Morgenbesuch

Wenn ich noch vor Titans Strahl
Mich nach meiner Lina Garten,
Unbelauscht von Neugier, stahl,
Fand ich schon am Tor sie warten.

Neidisch sah das Morgenrot,
Das nun eben aufgegangen,
Auf den Mund, den sie mir bot,
Auf die jugendlichen Wangen.

Flatternd war ihr Nachtgewand,
Leicht bedeckt der Busen schönster,
Durch den Halsstreif von Brabant
Guckt' er wie durch tausend Fenster.

Eine Bänderleiter hing
Vorn an dem batistnen Leibchen,
Weit ging sie hinab, sie ging
Bis zum Nest für Venus Täubchen.

Deine Leiter gönnt' ich dir.
Großer Patriarch und Ringer!
Reizender ward diese hier
Und behüpft von meinem Finger.

Bei verliebter Vögel Sang,
Bei der leisen Winde Wehen,
Schlenderten wir stundenlang
Arm in Arm durch die Alleen;

Haschten Schmetterlinge viel
Von der breiten Blumenstätte,
Hüpften, trieben unser Spiel
Wohl mit ihnen in die Wette:

Bis uns Milch so weiß, wie Schnee,
Zuckernüsse, Mandelbogen
Und die Kanne voll Kaffee
In die finstre Laube zogen.

Dann, o wie ein König groß.
Saß ich bei dem kleinen Mahle,
Hatte sie auf meinem Schoß,
Trank mit ihr aus Einer Schale.

Jeder Seufzer ward erhört,
Jede Freiheit ward gelitten,
Alles, was ich bat, gewährt.
Und ich wagte viel zu bitten.

Manchmal zankten wir uns auch,
Sie entfloh, um mich zu necken;
Aber selbst im dicksten Strauch
Half mir Amor sie entdecken.

Still, gebücket saß sie da
Ganz mit Blüten überschneiet;
Doch so bald die Lose sah,
Daß nun nichts mehr sie befreiet,

Lächelte sie ängstlich, bat,
Wollte gern mit Mäulchen büßen;
Doch so eine Freveltat
Tilgt man nicht mit leeren Küssen.

Das Gebüsch ward groß und traut,
Amor hielt am Eingang Wache,
Und er selbst rief überlaut:
Räche dich! süß ist die Rache.

Lied einer Nonne

Bittre Tränen, deren Quelle
Nie versieget, fließet hin,
Überschwemmt die öde Zelle,
Wo ich eingekerkert bin.

Tränennaß, mit blassem Munde,
Welker Wange fleh' ich hier
In der grausen Geisterstunde,
Mein Gekreuzigter, zu dir.

Ach ersticke dieses Feuer,
Das mein Innerstes verzehrt,
Dem kein Skapulier, kein Schleier,
Kein geweihtes Wasser wehrt!

Sieh! an meinen hagern Lenden
Naget das Cilicium,*
Und, den Psalter in den Händen,
Irr' ich durch dein Heiligtum.

Säe mir, wie Adelheide,**
Spitze Dornen in mein Bett;
Geißle, von dem Büßerkleide
So schon wund, noch zum Skelett.

Aber alle diese Schmerzen,
Frömmigkeit und Ordenspflicht
Bannen doch aus meinem Herzen
Selmars Angedenken nicht.

Wenn ich meine Horas bete,
Nenn' ich statt der Heil'gen ihn,
Wenn ich zum Altare trete,
Seh' ich statt des Priesters ihn.

Wenn ich auf dem Antlitz liege,
Hebet er mich tröstend auf,
Knie' ich auf der heil'gen Stiege***
Kniet er vor mir hinauf.

Selbst aus blassen Leichensteinen
Tont mir seine Stimm' ins Ohr,
Zwischen modernden Gebeinen
Steigt sein Zauberbild empor.

Von Gedanke zu Gedanke
Fortgerissen, steh' ich hier,
Herr, vor deinem Kreuz, und wanke
Zwischen ihm und zwischen dir.

Ja in diesem schweren Streite,
O verzeih mir Sünderin!
Zieht mich oft auf Selmars Seite
Meine bange Sehnsuche hin.

Drum so tilge du dies Sehnen,
Das mein Herz nicht selbst sich gab,
Oder trockne meine Tränen
Durch die Hand des Todes ab.

*Cilicium heißt bei den Mönchen ein Gürtel der entweder hären,
oder von Messingdraht und mit stumpfen Stiftchen versehen ist.
Diesen tragen sie, besonders an Bußtagen.

**
Adelheide, Äbtissin, erst in Villach, dann in Köln. Sie lebte sehr
strenge, und wirkte Wunder.
Ihre Maulschellen gaben heiseren Nonnen die helle Stimme wieder.

***
Die heilige Stiege ist eine Treppe, in deren Stufen Reliquien
eingegraben sind, und die man hinauf kniet.


Ja in diesem schweren Streite,
O verzeih mir Sünderin!
Zieht mich oft auf Selmars Seite
Meine bange Sehnsuche hin.

Drum so tilge du dies Sehnen,
Das mein Herz nicht selbst sich gab,
Oder trockne meine Tränen
Durch die Hand des Todes ab.

An Selinden

Es ist geschehn! verschenkt ist diese Hand,
Auf der mein Mund oft ganze Stunden klebte;
Zerrissen ist, was Liebe selber webte.
Und um uns schlang, das goldne Freudenband.
Selinde schwört den fürchterlichsten Eid,
Und wirft sich weg um Tand und Eitelkeit.

Geh, Falsche, geh in eines Greises Arm;
Verschwend' an ihn dein lüsternes Entzücken
Und trunkne Blick' und Küss' und Händedrücken;
Er wird doch nie von deinen Flammen warm.
Du aber fühlst, was einst am Tiber-Strand
Die, so Mecenz an kalte Leichen band.

Die Welt ist dann so kahl um dich, so leer:
Du siehest dich geäfft von falschem Schimmer,
Bemerkst das Gold der ungeheuren Zimmer,
Juwelenglanz und Prunkgerät nicht mehr,
Und sagst dir selbst, mußt' ich die Lieb' entweihn!
Ich war geliebt, und war's nicht wert zu sein.

Jetzt rollst du, voll von deinem Hoheitstraum,
Den Prater durch in goldener Karosse,
Die Albión mit vier der schönsten Rosse
Bespannen muß, und siehst die Büsche kaum,
Wo einst dein Haupt, wenn lange schon der Tag
Entschlüpft war, noch auf meiner Schulter lag.

Und steigst du ab beim Schauspielhaus, so greift
Schnell ein Lakai um deine lange Schleppe,
Ein andrer eilt vor dir hinan die Treppe,
Ein dritter ruft, der Logenmeister läuft,
Fügete Händ' auf Händ' und Antlitz auf Antlitz.
Eröffnet dir die eigne Loge, bückt
Sich tief vor dir, die mit dem Kopfe nickt.

Einst saßest du dem letzten Platze nah',
Doch so vergnügt, so fest an meiner Seite,
Und unterdes ein Haufen müß'ger Leute
Mit starrem Blick auf das Theater sah,
Hat deine Hand bald um mein Knie gespielt,
Und bald die Stirn durch Fächeln mir gekühlt.

Doch still! nie soll ein Seufzer deinem Mund
Noch jenem Glück, das du verscherzt, entzittern,
Er würde nur dein jetzig Glück verbittern;
Und dieses ruht ja so auf schwachem Grund:
Denn laßt das Glück erschöpfen seinen Schatz;
Nie hat es doch für wahre Lieb' Ersatz.

An eine verklärte Geliebte

Hier wo gewöhnlich noch dem Morgenrote
Mein Aug' entgegen weint,
Beschwör' ich dich, erscheine, meine Tote,
Erscheine deinem Freund.

Verschmäh' auch jetzt nicht diese kleine Kammer,
Wo ich bei dir einst saß,
Und Lebensmüde, Sorg' und Erdenjammer
An deiner Brust vergaß.

Doch ja, du kommst, als Trösterin im Leide,
Du Holde nahest dich,
Wie Engel schön, im weißen Totenkleide,
Und so umschwebst du mich,

Verheißest mir, was ich so sehr verlange,
Ein kühles, sanftes Grab,
Und trocknest mir die tränennasse Wange
Mit deinem Schleier ab.

Doch bald versiegt ist diese Tränennässe;
Mein sterbend Auge bricht,
Die Wange sinkt, und kalte Totenblässe
Umzieht mein Angesicht.

Auch ich, wohl mir! werd' auf der Bahre liegen,
Frei von des Lebens Last;
Auch ich die schöne Palmenkron' ersiegen,
Die du ersieget hast.

Indes verrinnt, ihr bangen Lebensstunden,
Von tausend Seufzern schwer,
Verrinnt ein Mahl, dann bluten meine Wunden
In Ewigkeit nicht mehr,

Dann werd' ich, wie die Sonn' aus Finsternissen,
In Selma's Arme gehen
Und Sterne glänzen unter meinen Füßen
Und Menschen weinen sehn.

Lied eines Hagestolzen

Wagt auf Amors Kosten nicht
Seinen Bruder mir zu rühmen!
Amor ist ein Bösewicht,
Doch ein größrer noch ist Hymen.

Amor herrscht durch die Natur,
Hymen durch Conventionen;
Jener schlägt mir Ruten nur,
Dieser peitscht mit Skorpionen.

Amor mischt doch Süßigkeit
Zu der Qual; aus seinen Ketten
Kann man durch Vernunft und Zeit
Und Zerstreuung sich erretten;

Doch beim bösen Hymen droht
Nach den ersten Flitterwochen
Gram und Knechtschaft, bis der Tod
Endlich kommt, uns abzujochen.

Toren, die ihr Amors Weh
Länger nicht ertragen könnet,
Doch dafür dem Gott der Eh'
In die Molochs-Arme rennet;

Nicht bedenket, wie er meist
Seine besten Freunde narret,
Und aufs Glück, das er verheißt,
Mit getäuschter Seele harret;

Schmiedet nur euch selber an,
Rudert an der Eh'galeere
Unterdes ich freier Mann
Eure Ketten klirren höre.

Zum Champagner zu singen

Schenkt ein, doch gießet nicht daneben,
Und, Freunde geht auch mit dem Leben
Sorgfältig um, wie mit dem Wein:
Teilt und genießt, was Gott beschieden,
Denn Wohltun nur ist Pflicht hienieden,
Und nichts ist Weisheit, als sich freun.

Linens Veilchen

O nullis tutum credere blanditiis!
                             Propertius


O Lina, diese Veilchen,
Die du mir selbst gepflücket,
Heut morgen erst gepflücket,
Die ich an deinem Busen
Andächtig angerühret,
Andächtig wie ein Pilger
Zu Zell sich Rosenkränze
Am Wunderbildnis anrührt,
O Lina, eh' der Abend
Vom Himmel niederschaute,
Verwelkten diese Blumen,
Betrübt sah ich sie welken;
Wie wenn es Ahnung wäre,
Wie wenn es Warnung wäre.
Daß Lina, eh' der Abend
Vom Himmel niederschauet,
Des Morgens schon vergessen,
Und Blumen einem Andern,
Wiewohl noch ihre Schwüre
Mir in dem Ohre tönen,
Wiewohl noch ihre Küsse
Mir auf der Wange glühen,
Doch einem Andern pflückte.

Aufruf zur Freude

Genießet des Lebens,
Ihr Freunde, genießt!
Daß ja nicht vergebens
Die Jugend verfließt!
Umfasset die Freude,
Sie bietet sich dar
Im festlichen Kleide,
Mit Blumen im Haar.

Ein Wuchrer verüble
Mir Freiheit und Luft,
Der rechne, der grüble
Mit keichender Brust,
Erknick' und erwerbe
Sich fürstliches Gut,
Das nächstens der Erbe,
Nein spottend, vertut.

Ha! hört ihr ertönen
Die volle Musik?
Uns winket der Schönen
Bedeutender Blick:
Auf! hurtig mit Kränzen
Die Stirnen umlaubt,
Und unter den Tänzen
Brav Küsse geraubt!

Komm, schönste der Braunen
Auf's Sofa zu mir!
Doch weg jetzt mit Launen
Und Tugendgezier!
Verlache die Blonde,
Die siegwartisiert,
Und zärtlich dem Monde
Eins vorlamentiert.

Uns tobet Verlangen
In Augen voll Glut,
Uns strotzen die Wangen
Von siedendem Blut;
O laß mich genießen,
Genieße mit mir!
Wozu als zum Küssen
Sind Sterbliche hier?