Siegwart als
Mönch im Klostergarten
Hier, wo diese melanchol'sche Quelle
Sanft, wie Seraphim-Gelispel, rauscht,
Sitzet der, der eine kleine Zelle
Für die Erdenfreuden eingetauscht.
Sitzt auf diesen monderhellten Steinen,
Tot für jede Schönheit der Natur,
Wollte seinen Jammer gern verweinen,
Und verweint ihn mit dem Leben nur.
Jetzt da über dem beschornen Haupte
Mir der Mond glänzt, von Gewölk umwallt;
Und im Busch, der jüngst sich neu belaubte,
Nachtigallen-Zärtlichkeit erschallt;
Bluten wieder alle meine Wunden,
Denk' ich meiner ersten Jugend Glück,
Anders hingebrachter Abendstunden
Denk' ich, denk' und wünsche sie zurück.
Als ich, voll von jenen süßen Freuden,
Die der Baum unschuld'ger Liebe trägt,
Meinem teuren Mädchen noch beim Scheiden
Einen Lichtwurm auf den Hut gelegt.
Doch ich sollt' aus meiner Brust dich bannen,
Reizend Bild! ... wie? dieses sollt' ich? nein!
Nein! denn der Gedank' an Mariannen
Würde selbst Gonzagen* nicht entweih'n.
Welch ein Anblick! diese blaue Ferne
Teilet sich! bei meinem Priestereid!
Sie kommt, sie! verdunkelnd Mond und Sterne,
Flattert weit umher ihr Silberkleid:
Unverschleiert, von der Gottheit Strahle
Ganz beschienen, glänzt ihr Angesicht;
Ihre Wange glüht, die Wundenmahle
Meines Stifters glühen röter nicht.
Engel Gottes und o auch der meine!
Sieh! es weinet dein Geliebter hier.
Und es gilt dies klägliche Geweine
Dir, aus allen Heil'gen Gottes dir.
Ha! du zeigst mir deine gold'ne Krone,
Die durch Martertod erkämpfet ward;
So strahlt die auch, die zu meinem Lohne
Am Gestade der Vollendung harrt.
Segnend blickest du auf mich hernieder:
O ich brenne schon, dich dort zu sehn,
Wo wir unsern Gott durch reine Lieder,
Rein vom Mißlaut dieser Welt, erhöh'n.
Aber du Lamm Gottes, du, geschlachtet,
Uns vom ew'gen Tode zu befrein,
Blicke her! dein armer Siegwart schmachtet
Nach dem Glück, auch aufgelöst zu sein.
*Aloysius von Gonzoga hat mit neun Jahren das Gelübde
der Keuschheit
abgelegt,
und aus Ehrbarkeit seiner eigenen Mutter
nie ins Auge gesehen.
Auf Doris
Wenn Doris Stimme sich erhebet,
Und sanfter als ein Bach in Edens Tälern fließt,
Indes auf dem Klavier das schönste Händchen schwebet.
Das je, von Lust berauscht, ein Glücklicher geküßt,
Dann stellen sich um sie her in die Runde
Die Liebesgötterchen, den Finger auf dem Munde,
Vergessen Tändeln, Spiel und Scherz,
Und seh'n beschämt, daß keiner ihrer Pfeile
So sicher und so schnell das Herz,
Als jeder dieser Tön' ereile.
An Blumauer
Im Namen aller Ehemänner
Dein gestriges Collegium,
Viel mehr zu des Professors Ruhm,
Als zu der Hörer Trost gelesen.
Zeigt, Trotz der hübschen Poesie,
Nichts als ein bißchen Theorie;
In Praxi bist du nie gewesen.
Der Teufel übe da Geduld,
Wenn gegen And're Lieb' und Huld,
Mit uns allein die Weiber keifen;
Du hast gut deklamieren, du,
Dich selber drücket nicht der Schuh;
Sonst solltest du wohl anders pfeifen.
O denke dich an unsern Platz,
Und siehe, wie dein lieber Schatz,
Umringt von süßen Herrchen, sitzet,
Der witzig eine Zote sagt,
Der stets an ihren Händen nagt,
Der gar zum Kuß das Mäulchen spitzet:
Du aber auf der Seite stehst,
Und ob du schier vor Zorn vergehst,
Nicht wagst, ein schief Gesicht zu machen;
Auch wär' es nur Verschlimmerung
Des Übels, laut würd' Alt und Jung
Des eifersücht'gen Toren lachen.
Doch tust du jetzt nach Eh'mannspflicht
Auf Hören und auf Sehn Verzicht,
So wird die Reih' an dich auch kommen;
So bald des Kammermädchens Hand
Mit Kleidern, Schuhen und Bouffant
Ein Drittel ihrer dir genommen;
Den Kopfturm, der die halbe Stadt
Beschattet, abgetragen hat,
Dem Busen seine Stütz' entrissen,
Der Wangen Rosen, die vermischt
Mit Lilien blühten, weggewischt
Und in den Wäschkorb sie geschmissen.
Dann magst du der Lucretia
Auch nah'n; zwar bloß die Rudera
Von ihren Reizen wirst du finden;
Proficiat! nur zugeküßt!
Daß jeder Kuß sehr teuer ist,
Wird deine Kasse bald empfinden.
Doch ja gezahlt, und still dazu!
Kein Wörtchen, liebst du deine Ruh',
Von Bankrott und Bettelstabe!
Sonst weint sie, lärmt sie, und beweist,
Daß du ein Filz, ein Neidhart seist,
Und sie an Allem Mangel habe.
Nun sprich, wie stünde dies dir an,
Zumal käm' erst ein Lucian,
Der von Geduld dir vordokierte?
Denn wiss', es glauben manche gar,
Daß alles bloß Satire war,
Und uns dein Mitleid nur vexierte.
Und ist es so, dann wünsch' ich dir,
(Verzeih' mirs Gott!) ein Weib dafür;
Und bist du dann in kurzen gelber
Vor Unmut, als ein Äpfelkoch;
So lach' ich auch, und spotte noch:
Kollega, predig' jetzt dir selber!
Die Genesung
In jener schwarzen, grauenvollen Stunde,
(Noch bebet der Erinn'rung Schmerz
Durch mein Gebein, noch blutet eine Wunde,
Nicht ganz geheiltes Herz!)
Als im Geleit von allen seinen Schaudern
Vor meines Mädchens Bett der Tod
Erschienen war, sie aber ohne Zaudern
Die Hand ihm lächelnd bot;
Da riß ich mich von ihr vor Gott zu treten:
Mein Auge tränenleer, die Zung'
Und Lipp' erlahmt; nicht weinen und nicht beten
Kann die Verzweifelung.
Und keiner, keiner, der mich unterm Hammer
Des Schicksals sah, sprach Trost mir ein;
Denn ach, sie maßen ihn mit meinem Jammer
Und fanden ihn zu klein.
Nur du, du meiner Trauten Erster, schlossest,
O Haschka, deinen Arm mir auf.
Du pflegtest liebreich meine Wunde, gossest
Des Mitleids Öl darauf.
Und lehrtest mich zu einer Höh' mich heben,
Wo nicht mehr Erdenstürme weh'n,
Und so dem Richter über Tod und Leben,
Voll Unterwerfung, flehn:
Da nimm sie weg aus diesen bangen Armen,
Worein die Liebe sie gelegt,
Du bist auch dann noch Güte, noch Erbarmen,
Wenn deine Hand uns schlägt!
Du schriebest jedes ihrer teu'ren Jahre
Ins große Buch des Schicksals ein;
Du wirst mir auch, wenn ich auf ihrer Bahre
Hinweine, Vater sein.
Und ist mein Leben ausgeweint, (hienieden
Heißt dies uns Würmern Ewigkeit,)
Dann harret mein ihr Arm und Himmelsfrieden
In wahrer Ewigkeit.
So wagt' ich Staub, dem Herrlichen zu flehen.
Und er, der schlägt und heilen kann,
Sah fern die Stunde der Genesung stehen,
Und winkte sie heran;
Sie kam, schön, wie ein Schutzgeist, angeflogen,
Goß Heilung aus der milden Hand
Auf meine Kranke; ha! da lag der Bogen
Des Todes abgespannt!
Auftrag an Amor
Fern ist mein Mädchen, fern von mir;
Drum, lieber Amor, fleug zu ihr:
Frag': ob sie mein gedenke?
Bring dies ihr zum Geschenke.
Daß es ein Versebüchlein ist,
Das weist du wohl, du Schalk, du bist,
So lang ich dran geschrieben,
Mir nicht vom Leib geblieben.
Eil' über Hals und Kopf, und halt
Dich nirgends auf, und bringe bald
Mir, als ein Recepisse,
Drei ihrer Honigküsse.
An eine Buhlerin
Ich seh' es wohl, du bist geschmückt, du lächelst,
Stürmst auf mich los,
Streckst weit hinvor den netten Fuß, und fächelst
Den Busen bloß.
Und doch umsonst, umsonst springt diese Miene,
Ja, stünde hier
Nackt, wie am Ufer einst, die holde Phryne,
Und winkte mir:
Ich, den Urania zu ihrem reinern
Entzücken lad't,
Verschmähete den Wink und bliebe steinern,
Wie Xenocrat.
Drum hoffe nichts; fest stehet in Gefahren
Der Tugend Stolz:
Vergebens weicht an Schwärze deinen Haaren
Das Ebenholz,
Weicht deinem Hals der junge Schnee an Weiße,
Vergebens glüht
Die Wange, lockt das Auge, welches heiße
Begierden sprüht.
Weg mit der Hand, die jetzund eine Rose
Dem Busen flieht,
Nach mir damit zu werfen, jetzund lose
Mein Kinn umspielt.
Aus ist es, ewig aus mit meinem Drange
Zum Tiergenuß.
Fort, fort! und wische nicht von dieser Wange
Selinens Kuß!
Den Kuß, nicht etwa eine Faunen-Beute,
Nein, den sie gab,
Den nehm' ich, folgt auch leider nie der zweite,
Mit mir ins Grab.
Liebesschwermut
Dahin, dahin ist meine Munterkeit!
Jetzt, da vergold't von Hespers sanftem Strahle,
Die Blumen glühn in dem betauten Tale,
Sitz' ich verstört, und fühle nur mein Leid.
Ich sehe nichts, ich höre nichts als Sie;
Sie, wenn der Tag aus roten Wellen steiget,
Sie, wenn er sich nach roten Wellen neiget,
Sie in der Stadt, in stillen Hainen Sie.
Geliebtes Bild, o folge mir nicht nach!
Was willst du hier? ich, Sohn des Unglücks klage,
Du siehst es selbst, durch lange Sommertage,
Und weine mich aus Sehnsuchtsträumen wach.
Und diese Qual, die mich in Trauer hüllt.
Die währte stets? und er, zwar nur begossen
Mit Tränen, doch zu schnell empor gesprossen,
Mein Lieblingswunsch blieb' ewig unerfüllt?
Sagt mir, ihr Freund', ich sei dazu erseh'n,
Noch in dem Lenz des Lebens hinzusterben,
Sagt mir, ihr wollt, gleich wonnetrunknen Erben,
Den Sterbetag mit einem Fest begeh'n,
Und dulden, daß ein Pfaff', ein Bösewicht
Mutwillen noch mit meiner Asche treibe:
Doch daß mein Wunsch stets unerfüllet bleibe,
Dies Einzige, dies, Freunde, sagt mir nicht.
Weiberungerechtigkeit
Nach dem Englischen
Ich war, als sich mein Abenteuer
Mit Doris anfing, lauter Feuer,
Und schwur ihr damals Stein und Bein:
Ich würde stets der Ihre sein.
Umsonst, sie wies mich stolz zurücke,
Mit hoher Nas' und dräuendem Blicke,
Und schwur mir damals Stein und Bein:
Sie würde nie die Meine sein.
Doch endlich gab sie meinem Kusse
Sich hin; ich aber im Genusse
Ward lau, dann kalt, dann ungetreu;
Wem schmeckt ein ewig Einerlei?
Nun, da ich meinen Eid vergessen,
Nun tobt, nun schimpft sie wie besessen.
Und brach zuerst doch ihren Eid,
O Weiberungerechtigkeit!
Auf einer Donau-Fahrt
Gefährte zittre nicht, wenn auch die dunklen Wellen,
Von Äols bösem Volk empört,
An der Kajüte sich mit wildem Lärm zerschellen,
Und selbst der Schiffer schwört,
Er woll' am nächsten Strand zwei Lämmchen samt der Mutter
Dem alten Stromgott, Ister, weih'n,
Wenn er nicht in die Tief' uns reißet, dort ein Futter
Des Schuppenvolks zu sein.
Freund, die Olympier erbieten sich zu Leitern
Dem Dichter, lenken seinen Kahn,
Und finden dich am Fels, wo And'rer Schiffe scheitern,
Ihm eine sich're Bahn.
Schwamm nicht das erste Schiff durch manche kahle Klippe,
Die es umtanzt', und Wogendrang,
Indes von Orpheus Leier und von Orpheus Lippe
Ein lauter Päan klang?
Bot dem Arion nicht, (das böse Schiffvolk dachte,
Er sei begraben in der Flut,)
Ein gütiger Delphin den Rücken dar, und machte
Der Menschen Frevel gut.
Vergebend drohen uns laut tobende Charybden,
Und öffnen ihren Schlund zum Raub,
Nie ward die Tochter Zeus, Albene, den Gelübden
Der Musen-Freunde taub.
Sie faßt mit starker Hand das schwanke Schiff am Kiele,
Und hebt es über Wogen hin;
Kleingläub'ger, zage du! mit hohem Saitenspiele
Preis' ich die Retterin.
Die Freiheit
Wohl drei Mal selig ist der Mann.
Der, frei zu sein, sich rühmen kann,
Den Tyrannen nicht hudelt.
Der unbelauschet von Verrat,
Doch nie durch eine niedre Tat
Sein edles Herz besudelt.
Ihn blendet nicht der Höfe Tand,
Ein Sternchen, ein Paar Ellen Band,
Nicht Gold - und Silberklumpen;
Nur Tugend ist es, was er ehre;
Die bleibt ihm gleich verehrenswert
Im Purpur und in Lumpen.
Der Edle wird die Wahrheit nicht
Mit sklavisch fürchtendem Gesicht
Ins Ohr der Freunde raunen;
Er kann zu seiner Brüder Heil,
Fern von Gefahr und Vorurteil,
Sie in die Welt posaunen.
Er darf nicht fremden Übermut
Mit seiner Habe, seinem Blut
Befördern oder büßen,
Darf nicht, der niedern Politik
Getreu bis an den Tod, den Strick,
Der bald ihn würget, küssen.
Er steht auf seinem Ährenfeld,
Das eig'ne Hände wohl bestellt.
Den Geber fromm erhöhend;
Hat hinterm Pflug für sich geschwitzt;
Kein Amtmann und kein Pfarrer spitzt
Auf Umgeld sich und Zehend.
Wohl jedem, der sein Lob erhält,
Es ehret bei der Enkelwelt,
Denn er kann Taten wagen,
Er dringet in der Dinge Mark;
Was ist Panegyristen-Quark
Und Schranzenlob dagegen?
Drum nur wenn er sie pflanzt, gedeiht
Die Blum' Erkenntnis, sproßt und streut
Geruch in alle Lande;
Hingegen legt, sagt, was ihr wollt,
Tyrannendroh'n, Tyrannengold
So Geist als Leib in Bande.
Mein Entschluß
Ja, Hofmann, zittre du bei jedem Tone
Von meinem Lied, das Hochverrat dich dünkt,
Und schüttelt ihr das Haupt, o Fürsten, daß die Krone
Von eurer Scheitel sinkt;
Straft mich, (zwar straft ihr mich mit sanften Worten.)
Ihr Freunde selbst; fest stehet mein Entschluß
Und unerschüttert, wie die diamantenen Pforten
Des strengen Erebus,
Mein heiliger Entschluß die gold'nen Saiten
Nie zu entweih'n, die Pierinnen nie
Zu einem stolzen Zepterschwinger zu geleiten,
Der niederblickt auf sie.
Und wer, beim Himmel, wer darf niederblicken
Auf Deutschlands Musen? Hohn dem Stolzen, Hohn,
Und wenn auch Ölzweig' ihm die Stirn und Lorbeer schmücken,
Wenn auch von seinem Thron
Sich auf den ganzen Erdball Glanz verbreitet;
Hohn ihm! kein Griff ins Deutsche Saitenspiel
Verherrliche sein Leben, nicht vom Lied begleitet
Erreich' er dessen Ziel.
Wie? sollen Zeus Kronions edle Tochter,
Stets ausgesetzt der Hofluft falschem Wehn,
Verschämt im Vorgemach durchlauchtigster Verächter
Beim Ordenspöbel stehn.
Und lauschen, ob mit wolkenloser Stirne
Der, so sie nicht verstehet, ihnen nickt,
Und lächeln, wenn er sie gleich einer feilen Dirne
Mit Schmach zurücke schickt.
Halt' ein, o Ramler, Mitgenoß der Schwäne
Von Thebe, Lesbos und von Latium,
Halt' ein! nein, wälze fort die unerreichten Töne,
Doch nur zu deinem Ruhm.
Wenn des Besungnen Schloß, (mein Lied befleckt
Des Deutschen Schlosses fremder Name nicht,
Aus einer Sprach' entlehnt, die halb mit Schafsgeblöke
Halb mit Gegrunze spricht.)
Wenn Friedrichs Schloß, jetzt mit dem Gold gezieret,
Das, ach! für ihn der Schemnitzer gewann,
In Schutt zerfiel, den Grund die Pflugschar ritzt, geführet
Vom heißen Ackermann;
Dann wird, wie jetzo deine Zeitgenossen,
Bei deinem Lied der Enkel glühn,
Und fragen: "viel tat er für Friederich den Großen,
Doch was tat der für ihn?"
Und wenn er hört – doch laßt uns nicht vollenden!
O großer König, schlaf' in sich'rer Ruh'
Denn deine Blöße deckt, wie Sem, mit frommen Händen
Dein edler Neffe zu.
An — —
Dein grauer Schatz, der arme Narr!
Schläft itzo, Dank sei dem Katarrh,
Vom steten Husten matt.
Drum komm, du weißt doch noch wohin?
Komm, liebes Weibchen; wiss' ich bin
Des langen Wartens satt.
Drei ew'ge Tage lässest du
Mich Armen fasten; siehe zu!
Denn ich gesteh' es frei:
Das treuste Herz auf Gottes Welt,
Das gar nichts hat, woran's sich hält,
Wird endlich ungetreu.
Drum komm, hilf meiner Treue nach!
Dein harrt ein dämmerndes Gemach,
Champagner, der moussiert,
Und ein Fasan, wie Mönche fett,
Und ein geräumig Ruhebett,
Wo kein Katarrh regiert.
Glück und Unglück
Nach dem Französischen
Die Brüder Glück und Unglück lebten immer
Unbrüderlich:
Doch beider Eltern Zufall und Fortuna
Vertrugen sich.
Dem Unglück mit der stets umwölkten Stirne
War niemand gut;
Doch Glück war ein verzognes Muttersöhnchen.
Voll Übermut.
Die Zeit der Kindheit und der ersten Spiele
War Jetzund um.
Man tat sie, zu studieren, in das nächste
Gymnasium.
Glück brachte vornehm, ohne was zu lernen,
Das Schuljahr hin,
Doch Unglück hatte früh und spät das Näschen
In Büchern drin.
Ins Glück verliebte sich zum rasen Jungfer
Philosophie;
Sie wollt' es durchaus lebenslang zum Gatten,
So brannte sie.
Doch Glück, das nie Pedanterien liebte.
Verhöhnt sie nur;
Vergaffet sich in Torheit, und ist immer
Der auf der Spur.
Das Unglück, häßlich, häßlich zum Erschrecken,
Bleibt ungeliebt.
Doch tröstet es sich selbst mit jenem Stolze,
Den Wissen gibt.
Glück im Genusse viel zu hastig, altert
Noch vor der Zeit,
Wird flatterhaft, wird furchtsam, und versinket
In Weichlichkeit:
Doch Unglück bleibt bei manchem harten Schlage,
Bei manchem Strauß,
Doch immer festen, ungebeugten Mutes,
Und harret aus.
Nun suchten beide Brüder sich ein Weibchen,
Und jeder hat
Ein Weibchen bald gefunden; doch wie wandte
Sich schnell das Blatt.
Glück wurde jetzt unglücklich; denn es freite
Miß Unbestand,
Und Unglück glücklich, weil's mit Fräulein Hoffnung
Sich klug verband.
Liebeserklärung eines Mädchens
Aus dem Französischen
O daß dir nicht unbemerket bliebe,
Was für dich in meinem Herzen spricht!
Ja so etwas Zärtlich's hat die Liebe,
So was Süßes hat die Freundschaft nicht.
Fern von dir, wie fühl' ich's ängstlich schlagen!
Nah bei dir, wie ist es so verzagt!
Dieses, Damon! hatt' ich dir zu sagen,
Und vielleicht hab' ich zu viel gesagt.
An Johann von Haring
O Jüngling! deine Geige
Wie voll von Harmonie!
Und unter deinen Fingern
Wie lieblich tönet sie!
Jüngst, als der Kenner viele
Dir klatschten, und ihr Ohr
Von deinen Zaubertönen
Nicht Einen Ton verlor,
Da stand ich mit der Freundschaft
Teilnehmendem Gefühl
Dicht hinter dir, und letzte
Mich auch an deinem Spiel.
O Jüngling! diesem Spiele
Laß' gleich dein Leben sein;
Es halle nie der Mißlaut
Von einem Laster drein.
Nimm, lang es auszuhalten,
Nie allzu fein den Ton,
Und nur das Lob des Weisen
Sei dir ein süßer Lohn.
Wenn das und dein Bewußtsein
Dich vor dir selber ehre.
So spiele fort des Lebens
Harmonisches Konzert;
Und sieh nach Pöbellobe
Dich niemals ängstlich um:
Ein Midas-0hr ergetzen
Ist eher Schand', als Ruhm.
An Doris
Bei Überschickung eines Apfels
Nimm, Doris diesen Apfel,
So voll, so glatt, so bunt;
Natur ließ ihn gedeihen
Für deinen schönen Mund.
Er reize deinen Gaumen,
Er kühle sanft dein Blut,
Und mache so die Streiche
Von seinen Brüdern gut.
Denn ach! ein böser Apfel,
Wie F a s t dich lehren kann,
Macht uns und Proserpinen
Der Höllen untertan.
Ein andrer brachte Hörner
Auf Atreus jüngern Sohn,
Brand !n den Kopf der Griechen,
Und Brand nach Ilion.
Doch fürchte dich vor diesem
Gutmüt'gen Apfel nicht;
Sieh! hat er wohl die Miene
Von einem Bösewicht?
Auch stammet er von jenem,
Der die jungfräuliche
Cydipp' in Liebesarme
Wohltätig lieferte;
Und gibt mir, o der Freude!
Gibt mir, kann er auch dies,
Was mir sein ältrer Bruder
Verscherzt' — ein Paradies.
Kalliopens Gesang
Von dem Fürsten
von Kaunitz-Rittberg
Solus enim tristes hac tempestate Camoenas Respexit.
Juven.
Kalliope stand auf, die Schwestern horchten alle,
Kein leiser West durchlispelte
Die Lorbeerhaine, stille ward's am Wasserfalle,
So sang die Göttliche:
Der Edle, der schon früh zu jedem Weisheitlehrer
Sich hindrang, und so sehr er lieb
Des Galliers Witz gewann, doch immer ein Verehrer
Des deutschen Geistes blieb;
Der wieder Ruhe müden Völkern auszuspenden,
In allen Friedenskünsten groß,
Theresiens Vertreter zog, mit starken Händen
Des Janus Tempel schloß;
Dann ruhig, wie ein Gott im Schwalle von Geschäften,
Der steile Bahn Sülly's betrat,
Und Werke der Unsterblichkeit mit Jünglingskräften
Und Greisenweisheit tat;
Mein Kaunitz liebt uns noch, in Stunden seiner Muße
Geht er in unser Heiligtum
Ein Eingeweihter, horchet unserm Jubelgruße,
Heißt Harfen, welche stumm
An braunen Wänden hingen, wieder neu besaiten,
Und sie durch unsern Lorbeerhain
Gewaltig tönen, sie den spätsten Folgezeiten
Ein seltnes Muster sein.
Und wenn nun deine Künstler auch dem Steine Leben,
Und menschliche Gestalt dem Erz,
Und Ausdruck und Gefühl der toten Leinwand gebe,
Wenn nun Thaliens Scherz,
Und Melpomenens Klag' auf deiner feinern Bühne
Die ekle Farce ganz verdrang,
Mit welcher der Geschmack wie Rüdiger der kühne
Mit Erifilen rang;
Wenn meiner Söhne sanfte Stimm' jetzt deinem Ohre,
Das lang sich ihr verschlossen hat,
Bemerkt wird, jeder Kunst geöffnet deine Tore,
Ihm dank' es Kaiserstadt!
Ihm dankt es, Schwestern! eilt des Weisen Bild zu krönen,
Das Delius hier aufgestellt,
Und von bekränztem Spiel laßt seine Taten tönen;
Doch staunt die Enkelwelt,
Weil sie nun nimmermehr mit einem Kaunitz pranget,
Als Fabeln eure Lieder an,
So lehrt sie die Geschicht' daß ihr nur Wunder sanget,
Er aber sie getan.
An die Zeit
Der Mensch macht sich die Welt zur Hölle,
Zur bösen Fee dich, arme Zeit!
Bald klagt er über deine Schnelle,
Bald über deine Langsamkeit.
Du dünkst zu eilig dem Vergnügen,
Wie du dem Gram zu langsam dünkst,
Du scheinest dem Genuß zu fliegen,
Doch das Verlangen klagt, du hinkst.
Ich mehre nicht die Klagelieder,
Da Lieb' und Freundschaft mich beglückt.
Die Liebe senget dein Gefieder
Mit ihrer Fackel; Freundschaft schmückt
Die Sichel dir mit mancher Blume:
Mir fliehst du, all Beglückerin,
Halb in der Erstern Heiligtume,
Halb in der letztern Tempel hin.
Der Tor, gewohnt sich selbst zu plagen,
Will bald mit nichtigem Bemühn
Dich ungeduldig vorwärts jagen,
Bald ängstlich dich zurücke ziehn?
Der Weise folgt mit gleichem Mute,
Mit gleichem Schritt dir, und genießt
Die gegenwärtige Minute,
Weil diese nur sein eigen ist.
Alte Liebe rostet nicht
Bei der Vermählung eines Freundes
Sie liebt' ihn schon in Kinderjahren
Mit treuer Zärtlichkeit, und er
Bekriegte kühn die Janitscharen;
Vor Amorn streckt' er das Gewehr.
Nun aber glänzend're Partien
Das Glück laut prahlend ihr verspricht:
Beschloß er edel, sie zu fliehen,
Doch — alte Liebe rostet nicht.
Seit diesem ging in ihrem Herzen
So mancher Jüngling aus und ein.
Besonders stahl bei Spiel und Scherzen
Sich einer ziemlich tief hinein.
Doch kam, den sie zuerst geliebet,
Ihr etwa wieder zu Gesicht;
So seufzte sie, und rief betrübet:
Ach! Alte Liebe rostet nicht.
Das Glück, das ihr so viel versprochen,
Hat, einer Törin nachzuziehn,
Dem guten sind sein Wort gebrochen;
Allein ihr edler Freund erschien.
Komm, sagt er, teile, was ich habe;
Sie reichet ihm die Hand, und spricht:
Dein Lebelang! aus unserm Grabe
Steh: A l t e L i e b e r o s t e t n i c h t!
Was hilft's?
Des Glücks Palast, das wünschenswerte Ziel,
Nach welchem stets im seltsamsten Gedränge
Die Menschen ziehn, ist wirklich nicht so enge,
Als Milzsucht wähnt, und hat der Toren viel.
Allein was hilft's? Despotin Liebe, du!
Sperrst bis auf Eins mir alle Tore zu.
Sonst wallt' ich gern auf Fluren hin und her,
Sah gern, was selbst der Murrkopf in der Tonne
Zu sehn gewünscht, den Glanz der milden Sonne,
Und labte mich in ihrem Strahlenmeer.
Allein was hilft's? Nun strahlt umsonst ihr Licht,
Ich sehe sie vor Minna's Augen nicht.
Der Gläserklang erwecket Fröhlichkeit,
Und trefflich schmeckt nach klug gebrauchtem Tage
Der Abendpunsch beim munteren Gelage;
Es wird hierdurch auch Weiser Herz erfreut.
Allein was hilft's! Mich stört ein and'rer Wunsch!
Ach! ohne sie schmeckt ekelhaft der Punsch.
Schön ist's, berühmt, das ist, geliebt zu sein,
Und trüget nicht der Spruch gelehrter Richter,
So wird vielleicht beim Namen größ'rer Dichter
Der meinige nicht ganz vergessen sein.
Allein was hift's? Der Beifall einer Welt
Ergetzt noch nicht, wenn ihr mein Lied mißfällt.
Sonst hatt' ich kaum ein süßer Glück gekannt,
Als im Homer, den wie ein höhers Wesen
Mein Geist verehrt, das Lob Achills zu lesen.
Zwar nehm' ich noch sein göttlich Buch zur Hand.
Allein was hilft's? Lob' er, so schön er will,
Ich lese draus nur Minna statt: Achill.
Sonst sandt' ich gern auf Kundschaft meinen Blick;
Er schweift' umher im Zirkel schöner Frauen,
Nicht unbelohnt; noch, wenn mein Selbstvertrauen
Mich nicht betriegt, erwürb' er Liebesglück.
Allein was hilft's? Mich dünkt nur Minna schön,
Sie will ich nur, sie will ich ewig sehn.
Die Freundschaft goß in dieses gute Herz
Sonst Linderung; voll zärtlichem Erbarmen
Winkt sie mir noch, sie ruft mit off'nen Armen:
Komm, Trauriger, ich mildre deinen Schmerz!
Allein was hilft's? Denn Minna ist mir mehr,
Als eine Welt von lauter Freunden wär'.
Wahre Zärtlichkeit
Umsonst, daß ich's verhehle!
Ich liebe, liebe dich:
Aus meiner vollen Seele
Reißt das Geheimnis sich.
Weh mir, wenn deine Stirne
Nun finstern Unmut spricht!
O sei gerecht, und zürne
Mir Unglücksel'gen nicht!
Dem Schicksal und dem Tode
Beut meine Liebe Trutz.
Ich liebe nicht aus Mode,
Aus Stolz, und Eigennutz;
Nicht wie die rasche Jugend,
Die ungestüm begehrt:
Nein! so wie man die Tugend,
Wie man die Gottheit ehrt.
Nie werd' ich mich erkühnen,
Und Gegenliebe flehn;
Kann die ein Mann verdienen
Aus allen Sterblichen?
Nur dieser Wunsch: mein Leben,
Das dir allein gehört,
Für dich dahin zu geben,
Nur der sei mir gewährt!
Dann würdige zu wallen
Nach meiner stillen Gruft,
Begrüßt von Nachtigallen,
Umhaucht von Blumenduft.
Ein heil'ger Schauer wehe
Dich an mit sanftem Schmerz.
Verweilend nun, gestehe:
Hier ruht ein zärtlich Herz!
An meine Leier
Trost in allen meinen Leiden,
Geberin der besten Freuden,
Gold'ne Leier, höre du
Deinem Freund gefällig zu!
Jener Weg, den wir gegangen,
Leitet irre, wir gelangen
Hierauf nimmermehr zum Glück;
Drum so wandern wir zurück.
Als wir Ruhm und Nachruhm suchten,
Wahrheit lehrten, Pfaffen fluchten;
Sage selbst, was nützte sie,
Diese Don Quixotterie?
Ruhm ist eine Seifenblase,
Mancher Geck mit hoher Nase
Dünkte sich ein großer Mann,
Denn ihn räuchert Alles an;
Doch dafür bleibt ungeschätzet
Manch Verdienst, tyrannisch setzet
Die parteiliche Kritik
Ihm die Fers' in das Genick.
Zwar die weise Nachwelt sichtet
Rezensenten-Lob, und richtet
Billiger, doch in das Grab
Tönt ihr Ausspruch nicht hinab.
Wahrheit lehren ist gefährlich;
Meine man es noch so ehrlich,
Kreuz' und Schierlingsbecher sind
Alles, was man hier gewinnt.
Ja, der Weg, den wir gegangen,
Leitet irre, wir gelangen
Hierauf nimmermehr zum Glück;
Drum so wandern wir zurück.
In den ersten Jugendzeiten
Seufzt' um deine gold'nen Saiten
Ganze Sommertage lang
Nur ein zärtlicher Gesang.
Diesen, Leier, töne wieder;
O vielleicht, daß auf die Lieder,
Welche Liebe dich gelehrt,
Meine stolze Lina hört;
Sanft gerührt dir Beifall nicket.
Mir die Hand teilnehmend drücket
Und mit Engelsgüte spricht:
Armer Jüngling, weine nicht!
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