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Gedichte 2
 

Psyche's Haushaltung
An meinen kranken Freund
Der Himmel
Das Wettergespräch
Wer mich dichten gelehrt?
Die Insel der Seligen
An eine schöne Flötenspielerin
An die Gewohnheit
Die toten Schmetterlinge
An die Musen
An Ninna und Theone
Antwort
Lehren für Weiber
Voßens neueste Ilias
Der Preßburger Musenalmanach
Sappho an Phaon
An Apoll
Das Wäldchen

Psyche's Haushaltung

Psyche's Haushalt sei groß und glänzend; sie habe die Tafel
Immer voll Gäste; es sitz' jeder nach Würde und Rang.
Sittlichkeit führe das Szepter als Königin; ihr an den Seiten
Thronen Vernunft und Verstand oben am ehrendsten Platz.

Weiter seh' man für Witz und Phantasie zwei Gedecke,
Und das Gedächtnis sei flink jedem zum Dienste bereit.
Hinter der Sitzenden Stühlen wechsl' es behende die Teller;
Es besetz' Phantasie fürstlich mit Schüßeln den Tisch.

Der Verstand aber reich' ein jedes Gericht der Vernunft dar;
Sie zerlege, und prüf', welchen der Vorzug gebühr'?
Würzend bestreue der Witz die Speisen mit attischem Salze,
Noch ein Nebentisch sei für die Instinkte gedeckt.

Was Vernunft schon erwählt, wird ihnen gereicht zum Genusse,
Und der Königin Blick halt' sie in Ordnung und Zucht.
Endlich versorge Geschmack mit feinen Weinen die Tafel,
Liefre dem Aufsatz zulezt Zuckerwerk auch und Dessert.

So sei alles bestellt; doch wird die Ordnung verkehret,
Oder fehlt gar ein Gast — wehe, wie geht es dann her!
Herrscht die Königin nicht, wie schnell empört sich das rohe
Volk der Instinkte, und zwingt sich die Minister zum Dienst!

Der der curulische Stuhl gebührt, sie muß an den Boden,
Die Vernunft, und berauscht taumeln die Meuter umher.
Becher erklingen und Schädel, und Blut strömt unter den Wein hin,
Perseus Hochzeitmahl wird aus dem olympischen Fest.


An meinen kranken Freund


Lebt' ich, o Freund, in jener alten,
Nun leider längst verfloßnen Wunderzeit,
Da Wanderung in Tiergestalten
Mit dem Gefühl der vollen Menschlichkeit
Der Seele möglich war, wie uns Ovid erzählet,
Was meinst du wohl, was hätt' ich mir erwählet?

Nicht das vieläugigte Gefieder
Von Juno's Pfau, des Vogelreiches Zier,
Die Kehle nicht für Zauberlieder,
Nicht Adlers Aug und Fittig wünscht' ich mir;
Nein! ich erköre mir nur ungeschützt und simpel
Zur zweiten Hüll' das Körperchen vom Gimpel.

Von Iris und Apoll vergessen,
Hat Aesculap ihm, wie die Sage geht,
Die schöne Gabe zugemessen,
Die manches Herz umsonst vom Himmel fleht;
Die Gabe, andere von Schmerzen zu befreien,
Will es sich selbst für sie zum Opfer weihen.


So, als befiederte Alceste,
Flög' ich zu Dir an's Fenster, sicherlich
Empfingest du den Gast aufs Beste,
Er aber sög' dein Übel still in sich.
Der Freundin Herzen wär's die seligste der Freuden,
Statt nur mit dir, für dich, o Freund! zu leiden.

Der Himmel

Im Wiesengrunde hingestreckt,
Von schwanken Halmen überdeckt,
Lieg ich verborgen hier, und schau
Des himmlischen Gewölbes Blau.

Wie pranget bei Lazur und Gold
Opal und Amethyst so hold!
Welch Pinsel hat, halb aufgelöst,
Die Mischungen so sanft verflößt?

Wer kräuselte der Wolken Haar?
Wer ballte sie so wunderbar?
Hier, aufgetürmt, in Nacht getaucht,
Dort zart wie Schleier hingehaucht.

So oft der Blick sich kehrt empor,
Schwebt ihm ein neues Schauspiel vor;
Mit jeglichem Moment verwallt
Der Wolken wandelnde Gestalt.

Mit wieviel eignem Reiz erfreut
Dein Anblick jede Tageszeit!
Wie schön, wenn nach der dunkeln Nacht
Gemach der junge Tag erwacht!

Erst aus des Morgens offnem Tor
Geht schimmernd Luzifer hervor;
Mit Rosen, die sie eben brach,
Folgt leichtgeschürzt ihm Eos nach.

Sie schwebt im Horentanz heran,
Und hänget feirend auf der Bahn
Des Strahlengotts, mit leichter Hand,
Die Kränze an der Wolken Rand.

Itzt, sprühend Glut, in vollem Lauf
Fährt Phöbus Viergespann herauf;
Des Gottes Majestät erhellt
Und füllt mit Wärm' und Lust die Welt.

Mit Königspracht flammt rund um ihn
Gold, Diamant, Saphir, Rubin;
Nur an der Strahlen Widerschein
Mag sich des Menschen Aug erfreun.

Doch gleitet er die Bahn hinab,
Dann legt er mild die Schimmer ab,
Und hüllet seine Herrlichkeit
In ein goldstreifig Purpurkleid.

Die weite Purpurfläche bricht
Sich bald in holdes Rosenlicht;
Die Dämmrung tuscht in sanftes Grau
Des ganzen Himmels reines Blau.

Doch sieh, kaum dunkelts, so entbrennt
Ein Lampenheer am Firmament:
Wer nennt die Namen, wer die Zahl
Der Millionen Sonnen all'?

Und wer, wer malt das schöne Bild,
Hebt sich im östlichen Gefild'
Mit einem Kranz von Silberlicht
Des Mondes lächlend Angesicht?

So füllst du stets mit Lust den Blick;
Es siehet, als sein Meisterstück
Der Mensch vom Schöpfer sich geehrt,
Der seine Stirn dir zugekehrt.

Es schwimmet auf dem Äthermeer
Sein Geist so wohl und frei umher;
In diesem Wonneozean
Trifft er der Sel'gen Inseln an.

Er neidet jedes Vogels Flug
Es sagt ihm ein geheimer Zug
Der Sehnsucht, der sein Herz entflammt,
Dies sei das Land, woher er stammt,

Dies sei das Land, wohin er zieht,
Wenn er der Sterblichkeit entflieht,
Und, frei vom Zwang, zurücke strebt,
Zu dem, des Atem ihn belebt.

Ja, Sylphen oder Engel nur
Bewohnen dich, o Ätherflur!
In deinen Regionen schwebt
Kein Geist, an dem ein Mangel klebt.

Von jeher sah der Erde Sohn
In dir der Götter hohen Thron,
Und schließt ein Raum die Gottheit ein,
So kannst nur du ihr Tempel sein!

Das Wettergespräch

Kommt ein läst'ger Besuch von leerem Kopfe und Herzen,
Muß den Mangel des Stoffs füllen ein Wettergespräch;
Kommt der Freund, der mein Herz geheim, doch allmächtig beherrschet,
Muß den Drang des Gefühls bergen ein Wettergespräch.

Wer mich dichten gelehrt?

Wer mich gelehrt? Wer lehrte die Rhapsoden?
Wer lehrte Linus seine Oden?
Wer lehret in der Frühlingsflur
Ihr muntres Lied des Haines Vögel?
Die Schöpferin der Kunst und Regel,
Die treu'ste Lehrerin: Natur.

Die Insel der Seligen

Am Gestade des Sees wallt' ich gedankenvoll;
An des Ufers Gestein' brachen die Wellen sich.
Mit eintönigem Rauschen
Trieb die Flut an den Strand sie her.

Wie so mächtig getürmt eine sich näher wälzt',
An dem Klippenrand borst all ihre Größ' in Schaum;
Eine andre schon füllte
Ihren Platz, und zerrann wie sie.

Treues Sinnbild der Welt! Trauriges Schauspiel, das
Stets die Menschheit uns beut: prahlender, eitler Stolz,
Neid, Verfolgung — und endlich
Allgemein gleiche Nichtigkeit.

Trüb und ängstlich ergriff mich eine Bangigkeit,
Ein unnennbar Gefühl, gleich als verfolgte mich
An den Fersen ein Feindschwarm,
Wie der Jagdtroß des Rehes Spur.

Fort vom Lande, das mir unter der Sohle brannt',
In die Wasser hinab trieb mich mein banger Sinn;
Wie von Leucates Spitze
Einst die lesbische Dichterin,

Stürzt' ich mich in die Flut, flehte im Falle noch;
"Sende, delphischer Gott, sende den Delphin mir,
Der Arion, den Sänger
Einst dem Tode des Meers entriß!

Nereiden, und ihr, Götter der Wogen, schützt
Sowie Ino dereinst, die sie Euch anvertraut!"
Und schon schlugen die Wellen
Über mich, und bedeckten mich.

Aber pfeilschnell und sanft hob mich die Flut empor;
Und zur Seite erschien, rein, wie des Atlas Schnee,
Ein erhabener Schwan, der
Freundlich mich auf den Rücken nahm.

Gütig trug er mich fort, ruderte emsiglich.
An der blendenden Brust spielten die Wellen sanft
Weithin schwamm er, bis endlich
Aus den Fluten ein Land erschien.

Eine Insel nur war's, rundum vom Meer umwogt.
Wo kein Anker je fiel, niemals ein Segel weht',
Wie das Eiland Calypso's,
Nie betreten von Schiffenden.

Sanften Abhangs erstreckt bis an der Wellen Rand
Sich ein Blütengestad; Pappeln und Weiden stehn
Und Gebüsche in Gruppen
Auf dem samtenen Rasenplan.

Hügel ragen empor, silberner Quellen Lauf
Rieselt lieblich durchs Grün, plätschert als Wasserfall,
Wo, in marmornen Grotten,
Er kristallene Becken füllt.

Da reift Nektar, und hier der Hesperiden Frucht;
Wie die Biene mit Wachs, matteren Flügelschlags,
Säuselt, Düftebelastet,
Zephyr durch den bewegten Hain.

Hier ist Fülle der Lust! Hier ist Vergessenheit
Alles Leides und Harms, ferne der Menschenbrut,
Selbst sich wiedergegeben,
An der Brust der Natur und Ruh!

Still und einsam — doch nein! hör ich entfernete
Nachtigallchöre? Umzieht Nebel mein Auge nicht?
Schlanke, weiße Gestalten
Schweben, geistig, wie Duft umher.

Ha, wer seid Ihr? — Doch ja, ja ich erkenne Euch!
Diesen luftigen Tanz, dieses melodische
Flüstern, hört' ich, sah ich
Bei der Weihe Hecatens schon.

"Ja," (so tönet' ihr Chor) "ja, auf die Insel der
Seligen, trug dich Apolls reiner, geweihter Schwan!
Heil'gen Dichtern gestatten
Wir, schon lebend um uns zu sein.

Doch nur Augenblick', weil irdische Hülle noch
Sie umschließt; aber streift diese der Tod herab,
Dann, dann ewig und selig
Wird hier ihnen ein Aufenthalt.

Sieh schon spannt sich die Kraft ab, die hierher dich trug,
Schon ermattet der Flug — wieder zum Lande mußt
Du zurücke — doch stehet
Stets dir offen die Wiederkehr."

Wie durch Zaubermacht fand ich mich am Rande des
Ufers, aber mein Blick nahm noch die Insel wahr,
Und schon oft, seit dem Tage,
Schwamm ich wieder entzückt ihr zu.

Staunend forschet die Welt, wo diese Insel liegt;
Möchtest du sie, o Fürst, Ländereroberer,
Dir durch Wappen und Namen
Etwa stempeln zum Eigentum?

Du, unsteter Ulyß, ewiger Seemann, willst
Eine Bucht dort erspähn, wo die geschnäbelten
Schiffe ruhn, und das Schiffsvolk
Sich mit Quellen und Obst erquickt?

Und du, Sklav des Gewinns, gier'ger Phönizier,
Willst durchwühlen den Grund, ob er nicht gelblichen
Sand enthalte; dich locket
Nur der goldenen Äpfel Glanz.

O, Euch zeigt keine Kart', zeiget kein Globus sie!
Die Magnetnadel nicht, weder gewogene
Wind' noch Sterne, geleiten
Euch dem heiligen Ufer zu.

Dir nur, Freund, der du frägst, um die Glückseligkeit
Da zu suchen, nur dir zeig' ich die Bahn dahin:
Im Gehirne des Dichters,
Liegt die Insel der Seligen.

Ekelt Torheit ihn an, scheuchet ihn Laster weg,
Immer ist ein Delphin, immer ein Schwan bereit,
Der den Rücken ihm bietet,
Und stets zollfrei die Überfuhr.

An eine schöne Flötenspielerin

Als aus gelötetem Rohr sich Pallas die Flöte verfertigt,
Und den Ton nun versucht', letzet' er himmlisch das Ohr,
Aber verzerrt erschienen dabei die reizenden Züge,
Siehe, da warf sie — doch Weib! — zornig das Kunstwerk zur Erd'!
Doch als die Göttliche jüngst den Zaubertönen gelauschet,
Da du flötetest, und dir in das Antlitz geblickt,
Sah, wie zum süßesten Kuß die lächelnden, rosigen Lippen,
Hauchend schweben am Holz, wahrnahm das niedliche Spiel
Der geründeten, zarten Finger, die zierliche Haltung
Deiner Arm' und Gestalt, o wie erstaunte sie da!
Hurtig nahm sie die Flut' wieder auf, und bat nun die Charis,
Welche so hold dichs gelehrt, Lehrerin ihr auch zu sein.

An die Gewohnheit

Freundin unsres Staubgeschlechtes,
Sei, Gewohnheit, mir gegrüßt,
Die des Königs wie des Knechtes
Bittre Lose gleich versüßt:
Die vom Throne bis zur Hütte —
Alle alten Wunden heilt,
Zwar mit scheinbar trägem Schritte,
Doch gewiß, zur Hülfe eilt.

Lebensweisheit, Fassung, Treue,
Rühmt an Manchem oft die Welt:
Du nur, die dem Hang fürs Neue
In der Brust die Waage hält,
Du nur bist es, die bescheiden
Sich in diese Namen hüllt,
Und mit gleichem Mut im Leiden
Unsre schwache Brust erfüllt.

Nie mit leichter Hoffnung Flügel,
Stets zum Schwunge ausgespannt,
Trägst du, über Erdenhügel,
In ein täuschend Feenland,
Dessen Ufer immer weichen,
Das uns stets gleich ferne ist,
Oder, wenn wir es erreichen,
In ein Dunstgebild zerfließt.

Nur auf seinem Mutterballe
Leitest du den Sterblichen;
Daß er ihn vergnügt durchwalle,
Machst du das, was ist, ihm schön.
Was das Schicksal ihm beschieden,
Wird, durch dich, ihm auch genug,
Und du lehrest ihn, zufrieden
Sein, bei Brot und Wasserkrug.

Führst zum eignen Vaterherde
Jedes liebsten Wunsch zurück,
Wandelst Arbeit und Beschwerde,
Leiden selbst, in Lust und Glück.
Führest froh am Stab den Blinden,
Und den Greis, der kaum noch schleicht;
Lehrst im Siechbett Freuden finden,
Machst Galeerenruder leicht.

Feind bist du dem raschen Mute,
Welcher mehr zerstört, als schafft!
Der Tyrannen eherne Rute
Brichst du nicht mit Riesenkraft,
Doch du stumpfest ihre Spitzen
Mit des Zeitgotts Sense ab;
Endlich wird ein Streich nur ritzen,
Der sonst Todeswunden gab.

Was der Stoa Geist vergebens
Nur durch Sätze lehren will,
Das gelingt durch dich: des Lebens
Last zu tragen froh und still.
Möchtest du mein Herz auch stählen!
Möchte froh des innern Glücks,
Nie der Bosheit List mich quälen,
Nie die Laune des Geschicks!

Alles mildere dein Schleier,
Dichter von der Zeit gewebt,
Nur ersticke nie das Feuer,
Das die Brust fürs Gute hebt,
Hemme nie des Anteils Träne,
Birg' der Sterne holdes Licht,
Die Natur in ihrer Schöne,
Und der Freundschaft Lächeln nicht!

Die toten Schmetterlinge

Des jungen Lenzes holde Schmetterlinge,
Wo flattertet ihr hin?
Ihr regt nicht mehr die buntbemalte Schwinge,
Im Busch, wo Rosen blühn.

Der Beeten Schmuck verscheuchten rauhe Wetter,
Den Zephyr Nordenluft;
Gefallen sind der Rose leichte Blätter,
Verweht der Nelke Duft.

Vorüber ist auch euer frohes Schweben;
Ein Hauch war euer Sein.
Ihr wolltet klug nur schöne Tage leben,
Und sterbt, wenn Stürme dräun.

O stürb' ich auch mit euch im Kelch der Rose!
Wer will des Lebens Rest? —
Umsonst! es zog ein Gott mir härtre Lose,
Und hält mein Dasein fest.

Entgegen tragen muß ich, wie die Eichen,
Dem Winterfrost mein Haupt;
Fest hält mich das Geschick; ich darf nicht weichen,
Obs mir auch alles raubt.

Doch samml' ich so wie euch, ihr holden Wesen,
Verlebte Freuden ein,
Und will — sei auch ihr Schmuck nur Staub gewesen —
Mich ewig ihrer freun!

An die Musen
nach dem Tode meines Vaters

Wie lange weilt, o Töchter Mnemosynens,
Ihr von mir ferne? Habt Ihr der Freundin ganz
Vergessen? Scheuchet Euch das blasse
Antlitz, das tränende Aug zurücke?

Als noch mein Frühling; blühte, als Scherze noch
Um meine Wange spielten, da kanntet Ihr
Theonen wohl. Vom Arm des besten
Vaters umfaßt, war sie kühn und glücklich.

Doch nun, da meine Liebe, mein Stolz und Schutz
Der Krankheit Pfeilen (schonte doch Mavors sein!)
Gefallen ist, und ich alleine
Da steh, verwaist, wollt auch Ihr mich fliehen?

Ging auch die Leier, welche die Schatten selbst
Zurück gezaubert, unter in Hebros Flut:
Habt Ihr kein Trostwort für Betrübte?
Keine Gesänge, den Schmerz zu bannen?

Den Schmerz zu bannen? Will ich das? Nimmermehr!
Nein, seine Träne fließe, nur zu gerecht!
Doch helfen sollt Ihr mir, Zypressen
Um des Vollendeten Urne winden.

Nur noch ein Totenopfer! Ein Klaggesang
Nur noch am Grabe. Komm mit der Tibia
O Calliope! einen Helden
Hast du zu singen, des Nachruhms würdig.

Vergebens! Nein, ich kann in die Chöre nicht
Einstimmen! Weinen, Schluchzen wird mein Gesang.
Der teure Schatten schwebt vor meinem
Schwimmenden Blick noch zu hell, zu lebhaft.

Zu deutlich seh ichs noch, wie sein Auge bricht,
Und brechend lächelt; wie nun allmählich Puls
Und Atem stocken; wie der letzte
Seufzer, der letzte! der Lipp entfliehet.

Sie liegt vor mir, die heiige, ehrwürdige
Gestalt des Toten, hold, als ob Schlummer nur
Das Aug ihm schlösse, doch auf ewig
Schweigend, und taub seiner Kinder Flehen.

Noch ist es warm, dies Herz, das nun nimmermehr
Sich regen wird — es scheint die Lippe noch
Den Kuß zu fühlen — doch auf ewig
Drückt ihr schon, bläulich und starr, der Tod auf.

Ich seh, entrissen unsern Umarmungen
Den teuren Rest in festlichem Trauerzug
Zum offnen Grabe, auf den Schultern
Weinender Krieger, hinunter wallen.

Still wallt der Zug. In Seufzer der Freundschaft, in
Der Waisen Schmerz, in Klagen der Armut, stöhnt
Mit abgebrochnen Trauertönen
Dumpf und verstimmet, die Feldtrompete.

Itzt sinkt der Sarg hinunter — zum letztenmal
Blickt ihn der Tag an — Donnernd bedecket ihn
Schon stürzend Erdgescholl — Die Krieger
Senken zu Boden die blanke Waffe.

Schon füllt die Gruft sich —siehe, vom Angesicht
Der Erde tilgt sich jegliche Spur von ihm!
Ein kleiner Hügel zeigt den Ort kaum,
Wo des Entschlaf'nen Gebeine ruhen.

Der Zug zerstreut sich — aus ist das Trauerspiel
Des Menschenseins. Die Zuschauer kehren heim
Mit leichter Rührung, und auf ewig
Rauscht er herunter, der schwarze Vorhang.

So düstre Bilder schweben der Seele vor.
Wollt' ich ihn singen, Schluchzen würd' mein Gesang!
Es hange dann am eisbereiften
Dornstrauch des Grabes indes die Leier.

Vielleicht, daß, wenn des freundlichen Frühlings Hand
Den Strauch in Hoffnung abermals kleidet, ihn
Mit Rosen schmückt, der Kehl' und Saite
Töne gemilderter Wehmut glücken.

An Ninna und Theone
von einem Unbekannten

Es sproßten, treugepflegt von Euren Händen,
Der holden Blumen viel in Ungarns Fluren,
Im Strauß gesammelt, blühn die edlen Spuren
Verwandter Geister uns als werte Spenden.

So glänzt, wenn wir empor die Blicke wenden,
Unsterblich das Gestirn der Dioskuren!
Ihm gleicht Ihr! Seltne Eintracht der Naturen
Kann Weiblichkeit zu höherm Preis vollenden.

Zum Lande der Karpaten, zu den Hügeln
Wo Tharzals Trauben reifen, süß und golden,
Süß, wie Gesang von Ninna und Theone,
Dorthin eilt auf der Phantasien Flügeln
Mein Dank, mein Lied, weissagend Euch, Ihr Holden,
Statt Blumen — jeder eine Lorbeerkrone!

Antwort

Mag sich ein Held, der nie des Sieges Gunst verlor,
Mag sich der Liebling der harmonischen Camöne,
Den zur Unsterblichkeit Apollens Wahl erkor,
Mit Findus heiligem Laub die hohe Stirne krönen:

Wir sehn vermessen nicht nach solchem Preis empor
Lauscht unseres Gesangs noch unvollkommnen Tönen
Nur unser Vaterland mit horchbegiergem Ohr,
Und neiget mehr den Sinn zum Guten und zum Schönen.

Doch himmlisch ist der Lohn; wenn, gleich der Echo Klang,
Uns aus der Ferne her verwandter Dichter Sang
Mit süßem Schmeichellaut des Beifalls widerhallet.
Wenn in Elysium der Dichter Chor einst wallet,
Erkennen wir den Freund am lieblichen Accord,
Und wandeln froh mit ihm um Lethe's Lilienbord.


Lehren für Weiber

Willst du leiten den Mann, bist du ihm Aug' gegen Auge
Daß kein Liebesgedank' ihm in dem Herzen erwach'?
Dann, gebildetes Weib, philosophiere, vernünftle,
Rede vom Staatenverein, Taktik und Metaphysik.
Regt sich des Mannes Verstand, verstummen Herz ihm und Sinne;
Sitzet der König beim Mahl, hungert nur schweigend der Knecht.
Um wie männlicher du den Schluß den Gründen entwickelst,
Desto sichrer vergißt er des Geschlechtes in Dir.
Aber willst du mit Zauber der Lieb' den Jüngling umstricken,
O, dann hüte dich klug, geistiger Zwitter zu sein!
Tausche Gedank mit Gefühl, verkehre Wissen in Ahnen;
Reine Weiblichkeit nur raubet dem Manne das Herz.

Voßens neueste Ilias

A.   Wo ist ein Übersetzer, der
      Die Kunst so weit getrieben?
      Voß gab uns wahrlich den Homer,
      Wie er sich selbst geschrieben.

B.   Ja wohl! Auch übersetzt ist er
      Ganz griechisch noch geblieben.

Der Preßburger Musenalmanach
von 1800

Lichterloch brenne, sagt Ihr, der Almanach ungarischer Musen?
Fürchtet den Brand nicht! Es ist Wasser die Fülle auch hier.

Sappho an Phaon

Ha, so ist es denn entschieden,
Was mein Herz so ungern glaubt,
Was auf ewig mir den Frieden
Des verlaßnen Lebens raubt:
Du, den unter allen Wesen,
Die mir je mein Blick gezeigt;
Ich zum Einz'gen auserlesen,
Hast dein Herz mir abgeneigt!

Muß sichs denn nicht liebend regen;
Wenn dir meins entgegen pocht?
Kann dein Blut sich kalt bewegen,
Wenn das meine wallend kocht?
Darf dein Aug sich von mir kehren,
Wenn nach dir nur meines späht,
Und in kaum verhaltnen Zähren
Meine Qual dir eingesteht?

Bin ich denn ein Ungeheuer?
Ist mir keine Charis hold?
Schmachtend flehte mancher Freier
Schon um meiner Minne Sold.
Nur für Einen wünscht' ich Reize;
Möcht ich allen häßlich sein!
Er, nach dem ich einzig geize,
Er nur haßet mich allein!

Hat dich frischre Blüt' gebunden?
Ach, die Blume welkt auch einst!
Und dann kommen Rachestunden,
Wo du fruchtlos um mich weinst.
Höhere Schönheit magst du finden,
Doch kein Herz das diesem gleicht,
Das im Lieben und Empfinden
Diese Glut und Treu erreicht.

Du nur tünchest meine Wangen,
Blühend sonst, mit krankem Weiß;
Du nur gibst den Geist den Schlangen
Wütender Erynnen Preis.
Ich, ich schau es selbst mit Grauen,
In mein sonst so sanftes Herz
Schlägt die schwarzen Höllenklauen
Eifersucht mit wildem Schmerz.

Warum tauschte Wechselpfeile
Nicht für uns Dionens Knab'?
Warum sandt' er einem Teile
Feindliches Geschoß herab?
Was mich liebet, muß ich meiden,
Was ich liebe, flieht vor mir:
Amor, sind so bittre Leiden
Ein ergötzend Schauspiel dir?

Alles rührt sonst meine Leier,
Die vom Gott des Findus stammt;
Singet sie der Liebe Feuer,
Wird das kältste Herz entflammt.
Dich nur kann sie nicht bewegen,
Nur aus deiner Brust von Erz
Kommt ihr kein Gefühl entgegen,
Klagt sie rührend meinen Schmerz!

Hunger nagt, und Feuer brennet,
Zentnerlasten drücken schwer;
Wer verschmähte Liebe kennet,
Höhere Qualen kennet der.
O du Flamme, ihr Gewichte,
Du o Natter ohne Rast,
Machet doch dies Herz zunichte!
Tötets unter Eurer Last!


Nein! Noch will ich mich ermannen,
Eitler, triumphiere nicht!
Diese Liebe will ich bannen,
Ob mein Herz darüber bricht.
Ach, was kann es sonst, als brechen?
Brechen, ja, nichts kann es mehr.
Durch Verachtung sich zu rächen,
Fällt bereits ihm allzuschwer.

Kann ich nicht mir selbst genügen?
Dank ich, fremder Laune Spiel,
Meinen Schmerz und mein Vergnügen,
Einer andern Brust Gefühl?
Meine war ja sonst die Quelle,
Wo mir Wohl und Weh entsprang;
Ach, versiegt ist jede Welle
Vor'ger Kraft, in Tränen lang!

Brennend heiß ist meine Stirne;
Meine armen Augen glühn:
Schmerzhaft tobets im Gehirne,
Stechend Weh zuckt her und hin:
Alle Bilder und Gedanken
Drehn sich wirbelnd ohne Zahl;
Tod nur oder Wahnsinn — schwanken
Kann in beiden nur die Wahl.

Und mein Herz ist hingegeben;
Und ich habe keins zurück:
Ohne Herz, wie kann ich leben?
Sterben — ja du willst's, Geschick.
Nur von Lethe's Taugestaden
Winket mir noch Seligkeit;
Da will ich Sein Bildnis baden;
Tief in dir, Vergessenheit.

Ha, auf welche Felsenspitze
Trug mich itzt mein irrer Lauf?
Hier, so nah am Göttersitze,
Raffe noch einmal dich auf.
Blick umher! Nur Flut und Äther; —
Hinter dir verpestet Land —
Er bewohnets, der Verräter —
Rings um dich der jähe Strand.

Weit ins Meer hinaus gebogen
Springet diese Klipp' hervor:
Unten brausen tiefe Wogen,
Und die Brandung schäumt empor.
Nimm all deine Kraft zusammen!
Hier ists schauerlich und hehr!
Tauch — o lösche deine Flammen
In dem ungemeßnen Meer.

Ja, hinab denn in die Fluten,
Unter denen Lethe quillt!
Einzig Wasser, das die Gluten
Des verzehrten Herzens stillt.
Noch im Stürzen zeigt das Wasser
Mir sein Bild — hinab, hinab!
O umfange mich, du nasser
Tod, du lieblich wogend Grab!

An Apoll

Nicht verlassener rief auf Naxos Felsengestade
Minos Tochter dem Mann, dem sie durch Meere gefolgt,
Ob vielleicht eine Bucht im Bad ihn umfange, ob etwa
In den Grotten der Schlaf müde den Helden beschlich —
Während fern schon der Kiel des Verräters die Woge durchschneidet,
Und aus Grotte und Bucht Echo nur seufzet zurück!

Nicht verlaßner als ich in Hainen des Frühlings und Sommers
Rufe dem treulosen Gott, welcher mir Liebe verhieß.
Ihm, der täglich mich sonst besucht' in einsamer Kammer,
Spüret die Liebende nun fruchtlos überall nach,
Jeden glücklichen Platz, das Tal der lieblichen Wiese,
Wo unter Weiden der Quell murmelnd sich schlängelt dahin,

Und die sonnige Höh mit herzerhebender Aussicht,
Und den begeisternden Hain, welchen der Gießbach durchrauscht,
Wo ich oftmals entzückt an seiner Seite gewandelt,
Oder ihn ungehofft fand, hab' ich vergebens durchspäht.
Kein melodischer Ton, von Zephyrs Flügeln getragen,
Kein verhallter Accord zeigt mir des Göttlichen Spur.

Kann so wandlender Sinn auch in den Himmlischen wohnen?
Treiben mit Wort und Gelübd' auch die Olympier Scherz? —
Wie er einst mich bestürmt' mit heißen Bitten, und ew'ge
Lieb', unsterbliche Treu mir ungefordert gelobt'!
"Weder Alter noch Zeit", so sprach er, "raubt meine Gunst dir,
Wankelmut heget kein Gott, wie sie der Sterbliche hegt.

Nur das Bleibende liebt der Himmlische auch an den Irdschen;
Decken auch Runzeln dich einst, bin ich, wie heute, noch dein."
Also sprachst du, und schwurst bei den stygischen, dunkeln Gewässern;
All meine Zweifel entflohn, zärtlich ergab ich mich dir.
Unbedingt, ohne Lohn. Nicht wie das kumische Mädchen,
Jahre, so zahllos wie Sand, fordernd von deiner Gewalt,


Noch der künftigen Zeit Geheimnis' enthüllt, wie Kassandra;
Nur um Lieb' und um Treu' gab ich dir Treue und Lieb'.
Brach ich wohl mein Gelübd'? — Vergebens böte mir Krösus
Seine Rechte, den Thron, Packtolos blinkendes Gold;
Wünschte, mit siegendem Reiz geschmückt, der Hirte von Ida
Mich zu gewinnen — umsonst wäre die Mühe verwandt.

Doch dem Ruf deines Sangs, ihm folgt' ich zur Tiefe des Meeres,
Durch den Schlot des Vesuvs folgte zum Orkus ich ihm.
Rief er doch mich dahin! Verhaßt schon ist mir des Tages
Glanz, der Schimmer der Nacht, ohne Gesang, ohne dich.
Lieber vermehrt' ich den Schwarm der bleichen, gleichgültigen Larven,
Als, daß zum Grame mir nur meine Empfindung noch bleibt.

Taumelnd vom Lethe, vergeß' ich deiner unsterblichen Schönheit,
Meines verlorenen Glücks, deiner Eidbrüchigkeit doch.
Törin, die ich auch war, zu einem Gott meine Blicke
Zu erheben! Sind nicht Sterbliche stets nur ihr Spiel?
Glücklich hätt' ich, vereint mit einem lieblichen Jüngling,
Mögen saturnische Tag' leben in friedlicher Hütt';

Wenig Bedürfnis', den Blick nie über der Gegenwart Grenzen,
Wäre Ruhm nicht, doch Ruh schön mir gefallen zum Los.
Aber mit trügender Kunst beschrieb er die seligen Bande
Hymens, mir drückend und eng, wußte mit schmeichlender List
Mich zu betören, als sei, dies lese sein Blick in der Zukunft,
Mir ein seltnes Geschick unter den Frauen bestimmt.

"Mögen andere frein, der Wirtschaft sorgen, gebären,
Sterben und modern, kommts hoch, noch von den Enkeln gekannt,
Wird der Geliebten Apolls unsterblicher Name zum Himmel
Fliegen, der Nachwelt zur Lust, ihrem Geschlechte zum Stolz."
Hätt' ich verschlossen mein Ohr doch diesen verführenden Worten!
Hätt' ich doch nimmer gehört ihren bezaubernden Ton!

Seine Stimme entriß ja Steine dem Innern der Felsen,
Hieß sie, sich willig von selbst fügen zu Ilions Wall,
Lockt' aus dem Dickicht des Hains die tiefgewurzelten Eichen,
Könnte ein Mädchenherz nur trotzen dem magischen Klang?
Ha, was hör' ich! Sie ists! — Sie ruft der Verlaßnen mit süßen
Namen, im vorigen Ton! Wiederum naht er sich mir!
Ich vernehm', ich erblick' ihn! Vergessen ist jegliche Kränkung —
Komm, o Göttlicher, komm an mein hochklopfendes Herz.


Das Wäldchen

Sei mir gegrüßt, o Hain mit prächtigen Wipfeln, mit dichten
Lauben und leichtem Gesträuch vom zierlichsten Farbengemische!
Alle Geschlechter des Walds ernährst du in holder Vereinung;
Deine Gipfel beherrscht die Wolkenragende Eiche,
Pappeln, mit silbernem Stamm und zwiefach bemalten Blättern,
Eschen mit zierlich gefiedertem Laub und nächtliche Rüstern;
Unter dem hohen Gezweig verbreiten sich Haselgebüsche,
Ausgezackter Maßholder, blau überreifete Schlehen,
Und vor allen ihr Zierden des Hains, voll schimmernder Trauben,
Du, hochrankende Reb', du, purpurbeer'ge Calinthe,
Seid mir alle gegrüßt mit euren schützenden Göttern,
Den Dryaden und Pan, den Faunen und freundlichen Nymphen;
Ihnen rauscht von den Saiten mein Spiel und mein Lied aus der Kehle.

Ha, wie belebet sich plötzlich der Wald! Es blicken Dryaden
Aus den Wipfeln und Spalten der Bäum'; mit lauschendem Ohre
Hüpfen Faunen hervor, und wagen sich Nymphen aus Büschen.
Euch hat wohl noch kein Lied gefeiert, Unsterbliche! Fühllos,
Eurer Ahndung nicht wehrt noch fähig, saht ihr ein rohes
Steingeschlecht nur bisher durch Eure Schatten hin wandeln,
Oder nur weilen, mit glänzendem Beil der weinenden Dryas
Zweige zu stümmeln, ja gar den Stamm an der Wurzel zu fällen.
Wo ein Dichter erscheint, da belebt sich plötzlich die Schöpfung,
Die Unsterblichen treten hervor aus den deckenden Nebeln,
Reichen ihm freundlich die Hand, und erkennen in ihm den Verwandten.
Dank, o Dank sei der Mus', die früh mir das Auge gesalbet,
Daß ihm die Schuppe entfiel, die Götter den Menschen verbirget!

Kommt, versammelt um mich euch auf dem freieren Platze,
Um die Baumgruppe hier, die aus der alternden Wurzel
Mit sechs Stämmen gesproßt, und sanft die Runde beschattet!
Singen will ich die Reize des Hains, eures lieblichen Wohnorts.
Selig, o Götter seid ihr, die des Waldes dunkle Umschattung
Sich zum Tempel gewählt, und zum Schutz die Geschlechter der Pflanzen!
Nach dem wechselnden Tanz der Horen dem stillen Gesetze
Ew'ger Verwandlungen folgend, seht ihr eure Erwählten
Nie widerstreben der Bahn, die euer Will' ihnen, anwies
Stets mit Segen gelohnt die angewendete Sorgfalt.
Freundlich tränkt ihr den Keim mit schwellenden Tropfen, und locket
Aus der Knospe das Blatt, und aus dem Auge den Sprößling.
Zieht das Stämmchen empor, und schmückt es mit Laub und mit Früchten.


O des schönen Erfolgs! Die wohlgeratenen Schützling
Streben schon hoch in die Luft mit leichten, beweglichen Blättern;
Säuselnd durchspielt sie der Wind, vereint sie itzt, biegt sie itzt neckend
Auseinander, und rauscht hindurch mit melodischem Fittig.
Kühle! Ruhe! Für euch ist hier ein Tempel errichtet;
Seine Säulen, es sind die Stämme mit Kränzen von Eppich
Zierlich behangen; die Kuppel, es ist das grünende, dichte
Zweiggewölbe, wodurch kein Strahl des Tages hereindringt,
Und sein Altar — o sieh dies ragende, moosige Felsstück! —
Hier, im Schatten gestreckt, wer denkt des Treibens der Menschen?
Eine andere Welt lockt hier das Aug des Betrachters!
Alles wimmelt, und summt, und regt sich in Fülle des Lebens.

Durch gefallenes Laub am Boden raschelt die Eidechs
Und mit schadlosem Zahn die buntgeringelte Natter.
Unter Gräsern dahin — für sie hochwipfliche Eichen —
Wandeln Käfer, bedeckt mit festem Harnisch, wie Kämpfer
Ausgerüstet mit Waffen, und stets zur Gegenwehr fertig.
Schlicht trägt dieser von Stahl den Panzer, mit Silber besäumet
Hat ihn jener, und der von Goldgrün schillerndem Schmelze.
Jenes kleine Geschöpf, was itzt kein Auge auf sich zieht,
Wird, wie die Dämmerung sinkt, zum fliegenden Sterne sich wandeln.
Sieh, hier schlingt sich am Grund die stets betretene Straße
Des geschäftigen Ameisenvolks; mit mancherlei Lasten.
Ziehn die Waller herauf und hinab; betriebsame Bürger

Der am Fuße des Baums gehügelten wimmelnden Pflanzstadt.
Aber zur Seite des Weges lauert ein Räuber, ein loser
Feind im Sand' ihnen auf, und gräbt ihnen tückische Abgründ';
Wehe denen, die sorglos hinab, zur Beute ihm, stürzen!
Selbst zur Tiefe hinunter, ins Dunkel der heiligen Erde,
Führen zahllose Gäng' und Schachten; durchhöhlt und durchadert
Lebt's um die Wurzeln der Bäum', wie hoch um die wankenden Gipfel.
Aber unförmlich noch ists und unreif, was unter dem Lichte
Kreucht; entpuppt und entlarvt erscheinets am freundlichen Tage,
Zeigt das veredelte Sein, und freut sich des höheren Lebens.
Siehe, da flatterts und schwebts, und gaukelt um Halmen und Blüten.

Fliegen, mit glänzendem Schild und zartgeädertem Fittig,
Summen umher, und die scharf bewaffnete Horniß und Wespe:
Süße suchet die Bien', es schwebet die leichte Libelle
Mit den Flügeln von Flor um blaue, wankende Glocken.
Aber der König des leichtbefiederten Volkes, in stolzem
Putze, voll Perlen und Gold, Demanten und hohem Lazurblau,
Wählt sich Purpurnelken zum Thron, und beschämt, ihren Samet.
Höher heb' ich den Blick am Stamm des alternden Baumes,
Tausend Wohnungen hegt die moos'ge, geborstene Rinde.
Zwischen weißlichen Flechten, und dunklem Epheu, und tiefen
Spalten des Splints, welche Welt im Kleinen! Mancherlei Ansehns
Winden Raupen sich durch die Ritzen aufwärts  und abwärts.
Weich schiebt diese hier fort die glatten', farbigen Ringe;

Streifen zieren die hier; es starret jene von Stacheln;
Diese decket ein Kleid von dichtem, dunklem Pelzwerk.
Lüstern steigen sie auf nach den zarten Sprossen der Zweige;
Sättigung winkt ihrer Lust, allein es drohn auch Gefahren!
An dem Aste dort hängt das Nest der zwitschernden Grasmück';
Sieh, ihr Schnäbelchen pickt behende die lüsternen Näscher,
Trägt sie zum Neste, besäumt mit halbbefiederten, Köpfchen,
Die mit frohem Gepiep begrüßen die Beute der Mutter.

Ja, ein edler Geschlecht, als unten kriechet und flattert,
Schwebt um die Wipfel der Bäum', und wiegt sich auf blühenden Ästen,
Halb nur irdisch, und halb gehörend dem himmlischen Äther.
Süße Laute des Hains! Verkörperte Töne! Ihr holden
Bilder der leichten Freiheit, des kühnen Aufschwungs vom Staube,
Euch, in der ganzen Natur am liebsten, vergleicht sich der Dichter!
So wie ihr, singt er bald des Baches murmelnde Kräusel,
Bald die Perlen des Taus, und bald die bunten Gewölke.
Doch am besten gefällt er sich in den heimlichen Schatten
Eines säuselnden Hains, und singt seine zaubrischen Reize.