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Aus der Jugend

Wie sich dunkle Wolken mischen!
Kalt und trübe bangen sie;
Doch es blitzt ein Strahl dazwischen,
Und der Strahl ist Poesie.

 

Aus der Jugend 1
 

Der junge Dichter
Stern und Lampe
Lyrik
Doppelruf
Der Dichter und die Welt
Mondschatten
Nachtigall
Nutzloser Fund
Das Blümchen am Fahrwege
Wehmut
Verwandlungen
Fabel
Einsiedler
Das Kind schläft

Der Vater mit dem Kind
 
Der Vater am Christabend
Die Lerche
Die Lerche an den Adler
Einsamkeit
In der Krankheit
Beschränkung
An die Wintersonne

 

Der junge Dichter
1819

Ich möchte gern ein Liedchen wagen,
Die Saiten rühr' ich an mit Zittern,
Und könnt' ich sie nicht tönend schlagen,
Das Leben würde mir's verbittern.

In meinem Busen ist ein Drängen,
Ein wildes Durcheinandergären,
Und nur mit Klängen und Gesängen
Vermocht' ich solchen Sturm zu klären.

Drum frischen Mut! Was hilft das Zagen!
Hinaus, mein Denken und mein Fühlen!
Ich kann es länger nicht ertragen
Dies dumpfe, dies verworr'ne Wühlen.

Sind doch, dem Ei entschlüpft, die Vögel
Mit Zittern gleich dem Nest entstiegen,
Geflügelt, ohne Ziel und Regel —
Ei, was ein Vogel ist, wird fliegen!


Stern und Lampe
1820

Stern, du blickst, ein heller Gott,
Auf die dunkle Erde;
Lampe, brennst dem Stern zum Spott,
Leuchtest mit Beschwerde.

Lampe, siehst so klug und alt,
Dünkst dich wohl die Sonne?
Still! mein Atem hätte bald
Dir gestört die Wonne.

Stern, mich hat dein Angesicht
Zu dem Lied getrieben;
Lampe, gabst mir kärglich Licht,
Da ich es geschrieben.


Lyrik
1822

Süßen Wohllaut
Gebildeter Rede,
Tiefer Empfindung
Gemäßigten Ausdruck
Heischt man vom Liede;
Schmerzenslaute,
Aufschrei des Herzens,
Stammeln und Beben
Kann ich nur geben.

Doppelruf
1824

             Der Sänger:
           
auf dem Meere
Wie es wogt und ruft und klingt!
Wie es aus den Wellen singt!
Seht, sie nahen, hold zu schauen —
Ja, es sind die Zauberfrauen!

             Sirenen:
   
schwimmen um das Schiff
Sagte man von Doppelleibern
Wohl ein altes Märchen dir?
Freund, du zählst uns zu den Weibern,
Bist du erst im Wasser hier.

             Sänger:
Wie sie locken, wie sie drängen,
Schmeichelnd mir den Raum beengen! —
Doch von Oben welche Töne
Ist's ein Klang der ew'gen Schöne?

             Musen:
        
in einer Wolke
Laß locken die Nixen und winken und schmeicheln!
Sieh, was sie dir bieten, ist nichtiges Glück;
Die reineren Lüfte die Wangen dir streicheln -—
Du wende zu uns, dem Äther den Blick!

             Sirenen:
Sei kein Tor und blick' nach Oben!
Wolk' und Äther ist nur Tand;
Komm' zu uns — du wirst uns loben;
Lieber Jüngling, deine Hand!

            Sänger:
Aufwärts — abwärts — gleiches Treiben!
Soll ich fliehen? Soll ich bleiben?

             Musen:
Leise nur rufen wir und aus der Ferne
Nimmer erfaßt uns die sterbliche Hand
Über dem Haupte hin rollen die Sterne
Himmlische Wolken sind unser Gewand.

             Sirenen:
Komm', o komm'! Du sollst nicht fliehen —
Wollen dich hinunterziehen!

             Sänger:
Götterruf darf ich vernehmen —
Laßt mich los, ihr Nixenschemen!

             Musen:
Kühner Segler, schiffe weiter!
Eos steigt dort ewig heiter
Aus der dunklen Flut empor —
Wie Ulysses schließ dein Ohr.

             Sänger:
Wie die frischen Morgenwinde
Schneller fort das Schifflein treiben!
Von dem letzten schönen Kinde
Will mir kaum ein Bildchen bleiben.


Der Dichter und die Welt

Dichter:
(im Traume)
Kräftig möcht' ich es erfassen,
Möcht' es außer mir gestalten.
So mein Lieben und mein Hassen
Lebend euch entgegenhalten.

Chaos:
Wähle, wähle!
Welten gären
In der Seele.
Willst die Kunst
Du bewähren,
Muß die Gunst
Dir gehören.
Die Gestalten,
Wie sie drängen,
Sich entfalten,
Dich beengen!
Misse, meide
Ihrer keine,
Doch entscheide
Dich für  e i n e.

Dichter:
(wie oben)
Wehe, wehe!
Ich vergehe!
Dieser Stoff bleibt ungebändigt!
Welche Form faßt diese Mengen?
Wie sie toben, wie sie drängen!
Wird die Schöpfung je geendigt?

Muse:
Ruhe, Frieden! —
Schau', sie steigen vor dir auf —
Folge kühn dem kühnen Lauf!
Was du greifst, ist dir beschieden.

Sterne:
Bei Tages hellem Angesicht
Magst manches du verrichten;
Doch einzig ist das Sternenlicht
Zum Lieben und zum Dichten.

Sonne:
Vor Allem sei dein Herze froh —
Das Andre gibt sich dann;
Nun ist's in rechter Klarheit — so!
Jetzt, Lieber, geh' daran.

Wolken:
Wir rauben dir das Himmelslicht,
Und können auf dein Lob doch hoffen;
Du maltest wohl die Erde nicht,
Säh'st du den Himmel immer offen.

Große Gebirge:
So stärke dir den Sinn am Ungemeinen,
Und in den Felsenmassen schau' die Welt,
Der Beste wird die Beute des Gemeinen,
Wenn er sich ferne von dem Großen hält,
Es spiegelt sich das Leben auch im Kleinen,
Doch klein nicht sei, wer Großes uns beseelt;
Sei niedrig — du wirst Glanz und Ruhm erfahren,
Doch schöner ist's, das Edelste bewahren.

Tiere:
Die Berge sind recht tüchtig, nur
Am selben Ort beständig;
Was wär' die herrlichste Natur,
Wär' sie nicht auch lebendig!

Blumen:
Sie sprechen ernst und tief, allein
Man kann nicht immer ernsthaft sein;
Laß du der Berge krause Mienen,
Und schmücke dich mit uns im Grünen.

Mädchen:
Wir nah'n, die Myrtenkränze dir
Leicht auf das Haupt zu drücken;
Beug' uns den Nacken! Glaube: wir
Verstehen uns auf's Schmücken.

Des Dichters Geliebte:
Du folgst dem Locken?
Ich konnt' es denken!
Wer gerne nimmt, den kann man bald beschenken.
Wie Schneeflocken,
So leicht und wandelbar ist dein Gemüte;
Ich weiß, du liebst allein die Rosenblüte,
Und lassest dich von Tulpen doch umgarnen —
Ich muß dich warnen!

Philosoph:
Weg mit all' den Liebeleien!
Bessrem spare deine Kraft;
Laß dich nicht mit dir entzweien
Durch die süße Leidenschaft.
Mir die Hand! Kraft und Gedeihen
Gibt dir nur die Wissenschaft.

Krieger:
Hör' die Trompete!
Die Feinde nah'n!
Den Degen kette,
Den Schild dir an!
Als Helfer und Retter
Sei Allen voran:
Ins Kriegeswetter
Gehört der Mann.

Irrlichter:
Hin und her —
Das ist die rechte Vielseitigkeit;
Die Kreuz und die Quer!
Wer vieles tut, hat zu vielem Zeit.

Muse:
Genug!
Zurück in eure Höhlen, rege Schatten,
Dort bleibt gebändigt unterm Felsgestein!
Das tobt und drängt! Und wollt' ich m e h r gestatten,
Sie drehten mich in ihren Kreis hinein.
Erwach!

Dichter:
(erwachend)
Was hab' ich gesehen?
Die Welt vor mir!
Wie drängt's mich, Liebe
Und Ruhm, nach dir!
Der Busen pocht mir
Nach euch so laut —
Werd' ich gestalten,
Was ich geschaut?

Mondschatten

Seht, um mich, wie ich da wandle
Bei dem trüben Mondenschein,
Tanzen zwölf der Schattenbrüder
Einen wunderbaren Reihn.

Diese schwebenden und stillen
Nachtgespenster schrecken mich —
Ungern bin ich eingeschlossen,
Wär's auch von dem eignen Ich.

Sagt, geheimnisvolle Brüder,
Sagt, warum ihr mich umschließt?
Sagt, ihr Schatten meines Schattens,
Wer von euch der rechte ist? —

Und da trennten sich die Wolken,
Daß der Mond hell durch sie brach;
Elf der Brüder floh'n - ich selber
Ging dem alten Schatten nach.

Nachtigall

Wie gerne mag ich schreiten durch die Nacht,
Wenn Ruhe waltet und Selene wacht!
Da — horch! ertönt der Ruf der Nachtigall,
Zum Schlag verstärkt sich bald der schwache Schall!

Er steigt, er fällt — er hebt sich und zerfließt,
Bis er in  e i n e n  Ton sich hell ergießt —
Die Kehle, die ihn singt, versteht ihn nicht,
Ihn fühlt die Menschenbrust, der er gebricht!

Nutzloser Fund

Ich streift' am Frühlingsmorgen
So munter durch die Au —
Da hatte sich's verborgen
Im Grase zart und blau.

Das erste Märzenveilchen!
Es duftete so rein;
Ich schaut' es an ein Weilchen —
Es lud zum Pflücken ein.

Und soll ich dich denn pflücken?
Blüh' immer fort in Lust!
Kann doch mit dir nicht schmücken
Eine geliebte Brust.

Das Blümchen am Fahrwege

An staubbedeckter Straße
Vergeh' ich hier in Qual;
Ich seh', die einzige Blume,
Im heißen Sonnenstrahl.

Dort lacht das kühle Wäldchen
Die Schwestern blühen d'rin!
Ich Ärmste muß es dulden,
Daß ich hier einsam bin.


Wehmut

Oft sitzt man so an trüben Feiertagen
Und sieht die Leute fröhlich geh'n und weilen.
Hört fernes Rauschen, rollen leichter Wagen,
Sieht Kinder, Mädchen hell gekleidet eilen.

Und will das Herz doch nimmermehr sich wenden
Zu jener Freude, die sich regt in Allen,
Ob es sonst liebt, die Träne zuzusenden
Dem Weinenden, dem Frohen Wohlgefallen.

Vielleicht durchzieh'n es halbvergess'ne Leiden,
Wie Wolkenschatten über Täler streichen;
Vielleicht will Ahnung düst're Bilder kleiden,
Aufdämmernd aus der Zukunft Nebelreichen.

Verwandlungen

Raupe:
Immer nur am Boden kleben
Ist ein gar erbärmlich Los;
Wie der Falter fröhlich flattert —
Und ich Ärmste krieche bloß!

Ja, ich muß sie mir erwerben
Solche Flügel, leicht und klar,
Spinnen solch ein Kleid, und flattern
Mit der andern frohen Schar.

Puppe:
Ach, ich durft' es nicht erringen!
Arm, verlassen häng' ich hier;
O, wo seid ihr, bunte Schwingen?
Wonnevolles Luftrevier?

Kroch' ich noch auf kahler Erden
Als ein Würmlein klar und licht!
Was ich war, darf ich nicht werden,
Was ich strebte, werd' ich nicht!

Schmetterling:
Wie lockt es, wie duftet's
So blütenschwer!
Sonnige Bläue
Rings umher!
Wo seid ihr, Leiden
Der Prüfungszeit?
Ich taumle, ich schwelge
In Seligkeit!


Fabel

Einst pflügt ich ein Blümchen,
Darin saß in Ruh'
Die fleißige Biene —
Die pflückt ich dazu.

Huschte das Bienchen
Eilig davon,
Ließ auf der Blume
Den Honig zum Lohn.

Einsiedler

Meint ihr, ein Siedler
Dürft nicht rasten,
Nie sich erfreu'n?
Müsse nur fasten,
Stets sich kastei'n?

Glaubt mir, ich schwelge
In Waldes Mitte,
Ruhebewußt;
Klein ist die Hütte,
Groß ist die Lust!

Heilige Schriften
Sind mir geblieben,
Liebe dazu;
Kannst du noch lieben,
Was klagest du?

Bin von dem Leben
Auf immer geschieden:
Beglückt, wer verläßt!
Erst seit ich's vermieden,
Hab' ich es fest.


Das Kind schläft

Die Mutter lullt den Knaben
Mit süßen Liedern ein;
Er will's nicht anders haben,
Sie muß am Bettchen sein.

Wie kann's der Schelm nur wissen,
Ob sie am Bette sitzt,
Der kaum aus seinem Kissen
Mit halbem Auge blitzt?

Und wie er ohne Kummer
Frisch atmend, rosig liegt!
Das ist ein süßer Schlummer,
Worein die Lieb' uns wiegt.

Der Vater mit dem Kind

Dem Vater liegt das Kind im Arm,
Es ruht so wohl, es ruht so warm,
Es lächelt süß: "Lieb Vater mein!"
Und mit dem Lächeln schläft es ein.

Der Vater beugt sich, atmet kaum,
Und lauscht auf seines Kindes Traum;
Er denkt an die entschwund'ne Zeit
Mit wehmutsvoller Zärtlichkeit.

Und eine Trän' aus Herzensgrund
Fällt ihm auf seines Kindes Mund;
Schnell küßt er ihm die Träne ab,
Und wiegt es leise auf und ab.

Um einer ganzen Welt Gewinn
Gäb' er das Herzenskind nicht hin; —
Du Seliger schon in der Welt,
Der so sein Glück in Armen hält!


Der Vater am Christabend

Ei, wie wimmeln nur die Straßen
Von den froh bewegten Mengen!
Durch die dichtgereihten Massen
Will sich auch ein Stiller drängen.

Seht, ein Bäumchen in den Händen,
Biegt er um des Hauses Ecke,
Eilt, daß er das Werk vollende,
Und zur Zeit es noch verstecke!

Was nur will sein Lächeln meinen,
Wie er zündet jetzt das Licht?
Allen Jubel seiner Kleinen
Trägt er schon im Angesicht.

Die Lerche

"O hätt' ich Flügel so wie du,
Ich schwänge mich hinauf,
Ich schwänge mich ohne Rast und Ruh'
Bis zu der Sterne Lauf,

Wie lieblich hier im sonnigen Blau,
Das mich so mächtig zieht!
Mein kleines Leben taugt genau
Zu einem kleinen Lied."

Die Lerche an den Adler

Ich singe gern mein frohes Lied
Und flatt're über's Tal,
Wenn's dich, mein Adler, höher zieht
Zu Phöbus heißem Strahl.

Ich singe fort, du schwingst dich fort,
So Mancher staunt uns an;
Uns hindert nicht des Pöbels Wort,
Wir geh'n nicht seine Bahn!

Und ob wir uns auch selten nah'n,
Sind uns doch treu gesinnt:
Man kennt's uns an den Flügeln an,
Daß wir Verwandte sind.

Einsamkeit

Soll ein großes Werk gelingen,
Muß uns Einsamkeit umfächeln,
Denn nur nach dem stillen Ringen
Kann uns die Vollendung lächeln.

Und zum allergrößten Werke:
Selbst zu sein im Denken, Handeln,
Fehlte dir der Mut, die Stärke?
Laß die Hunderttausend wandeln!

In der Krankheit

Decke mich mit deinen Schwingen
Jetzt, du starker Tod, noch nicht!
Manches möcht' ich gern vollbringen,
So im Leben, im Gedicht.

Manches Mannes Lieb' erwerben,
Küssen manchen schönen Mund —
Götter! lasset mich nicht sterben,
Himmlische! macht mich gesund.

Beschränkung

Kannst du das Schönste nicht erringen.
So mag das Gute dir gelingen.

Ist nicht der große Garten dein,
Wird doch für dich ein Blümchen sein.

Nach Großem dränget dich die Seele?
Daß sie im Kleinen nur nicht fehle!

Tu'  h e u t e  recht — das ziemte dir;
Der Tag kommt, der dich lohnt dafür.

So geh' es Tag für Tag: doch eben
Aus Tagen, Freund, besteht das Leben.

Gar Viele sind, die das vergessen:
Man muß es nicht nach Jahren messen.


An die Wintersonne

Es schläft der Strom; sollst ihm die Ruh' nicht stören,
Und ihn mit süßen Küssen nicht betören;
Im Innern schafft und waltet er so still,
Drum laß ihn Sonne, weil er träumen will.

Er beut mir seinen starken, schönen Rücken,
Leicht soll ihn nur das blanke Eisen drücken,
Und weit hinab, wo sonst der Nachen wallt,
Treibt mich des Eises schwellende Gewalt.

Ei komm' nur, Sonne, mit den süßen Blicken!
Du wirst mir nimmer meinen Strom berücken;
Kalt ist dein Buhlerkuß! Der Strom, ein Mann,
Schmilzt keinem Kuß, der nicht erwärmen kann.