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Aus der Jugend 3
 

Die Mutter beim toten Kinde
Die Matrone
Tod
Aberglauben
Die Zuschauer
Der Bildner
Metamorphose
In der Assemblée
Anthropomorphisch
Leichtsinn
Selbstanklage
Mahnung
Phönix
Gelegenheitsdichter
An Grillparzer
Der Kärner
Noli me tangere
Das Totenhemdchen
Die Sterntaler
König Dagobert und seine Hunde
April
Der Gebesserte
Sie in Allem
 

Die Mutter beim toten Kinde


Da liegt es mit dem blassen Gesicht,
Das arme erlosch'ne Lebenslicht!
So schweigend und kalt!
Die Andern schweigen auch —
Sie schlafen —
Doch sind sie rot und warm!
Ich wandle von dem Toten
Zu den Schlummernden,
Und von den Schlummernden
Zu dem Toten —
Und weine!

Ich zieh' dir an das weiß' Gewändchen,
Ich geb' die Blumen in deine Händchen —
Hab' ich dir vielleicht eine Blume versagt,
Als du noch lebtest? Gott sei's geklagt!
Ich muß weinen, weinen. —
Schlaft ruhig, ihr Kleinen!
Ich hab' ja nichts als euer Leben —
Das Schwesterchen wird euch als Engel umschweben!
Ach, was mir auch die Andern sind —
Das tote war mein liebstes Kind!

Die Matrone

Sie lebt so still und ruhig,
Im ew'gen Gleichmut.
Hell glänzt die Stube,
Blank ist der Estrich;
Die emsige Nadel
Streift über die Leinwand,
Tag aus, Tag ein —
Nah' ist die Kirche,
Selbst das Grab ist bestellt.

Tod

Kriechende, schleichende,
Kalte Wesen,
Würmchen und Käfer
Nagen an ihm;
Doch er gewahrt's nicht —
Er ist zu sehr in Träume vertieft.

Aberglauben

Helden sah ich abergläubisch,
Helden, Liebende und Dichter;
Helden lauschten auf die Adler,
Dichter blickten in die Wolken,
Liebende auf Blatt und Blume.
Wenn die Kraft, die Kunst, die Liebe
Sich dem Aberglauben weihen,
Mag er doch so schlimm nicht sein,
Als ihn ausschrei'n Alltagsleute!

Die Zuschauer

Wir Leute am Ufer
Wir schauen und lachen;
Da treiben die Toren
Im Wasser herum!
Sie könnten es haben
So gut wie wir —
Sicher und trocken
Stehen wir hier.

Der Bildner

Götterbilder
Darfst du schaffen,
Zeus und Juno, Cypria;
Die gewalt'gen
Marmorblöcke
Sind nicht für Geringes da!

Doch wir müssen
Dichten eben,
Was das Leben
Täglich gibt:
Wie man leidet, wie man liebt.

Metamorphose

Aus verwittertem Gestein
Üppig grünt die junge Pflanze,
Und der Sonne gold'ner Schein
Färbet sie mit frischem Glanze.

Alles, was da ist, ist gut!
Selbst der schlechte Stoff mag frommen;
Wo nur blieben Strahl und Glut,
Wird die neue Schöpfung kommen.

In der Assemblee

Saßen jüngst die Herrn und Damen
In gar glänzendem Vereine;
Machten ein Geräusch mit Worten,
Daß ich's noch zu hören meine.
Und es war der Kreis gebildet
Zum Entzücken, zum Verzweifeln;
Wünscht' ihn etwas mehr verwildert,
Oder gar zu allen Teufeln!

Anthropomorphisch

Gott Vater war ein strenger Herr,
Wie ihr wohl Alle wißt;
Doch nun ist fast die Hölle leer,
Seit der Sohn gekommen ist.

Und endlich ist der heilig Geist,
Der gar so gnädig sich erweist,
Und will nur Einer beichten,
Den wird er bald erleuchten.

Doch möcht' ich auf Mariam euch
Erst ganz und gar vertrauen;
Das sünd'ge Herz — es wird so weich
Vor frommen schönen Frauen.

St. Joseph ist der beste Mann,
Den eine Frau sich wünschen kann;
Ist fleißig, treu und fromm gesinnt,
Und nährt und schützt so Weib als Kind.

Ich aber wähl' mir ohn' Verdruß
Als Schöpfer St. Christophorus;
Ich weiß nicht, was ein And'rer tut
Er ist der  S t a r k e — das ist gut!

Leichtsinn

Der Westwind fächelt mild der Blume Haupt,
Und flüstert in den Kelch — sie nickt und glaubt;
Dann streift er munter über Busch und Baum,
Und schüttelt manche Blüte aus dem Traum.

Der Kuckuck lebt und scherzt im weiten Gau,
Und kennt nicht seine Kinder ganz genau;
Die Leut' im Walde locken ihn von fern —
Der Schalk spielt den Propheten gar so gern!

Wer kennt des Schmetterlings Charakter nicht?
Er ist ein arger, unbeständ'ger Wicht,
Und dennoch zieren ihn die Götterflügel,
Der Götterabkunft leicht erkennbar Siegel.

Ich mag nicht besser sein als Vögel sind,
Und Schmetterling und leichter Morgenwind;
Die Erde mag uns Raum und Freiheit geben,
Mit süßer Oberflächlichkeit zu leben!

Selbstanklage

Wirtshaus — wir schämen uns
Hat uns ergötzt;
Faulheit — wir grämen uns —
Hat uns geletzt.
Wir schlendern, wir springen
Im blühenden Tal:
Lachen und singen
Ist uns're Moral.

Mahnung

Es singt die Nachtigall an Feiertagen,
Die Sommerfalter halten keine Fasten;
Die hohen Adler tragen keine Lasten,
Die Taube girrt zu Ostern Liebesklagen.

Seht ihr die Vöglein sich um Nahrung plagen?
Und sammeln sie vielleicht das Korn im Kasten?
Sie essen wenig, singen viel, und rasten,
Rasch will ihr Fittig sie durch's Leben tragen.

Ihr aber wollt des Daseins Schatz nicht heben,
Ihr seid gewohnt vor Reichtum euch zu bücken.
Kein edles Selbstgefühl will euch beleben.

Wo die Erwählten sich mit Blumen schmücken.
Mäht ihr das Gras und seid zufrieden eben;
Gebor'ne Knechte, laßt ihr gern euch drücken!

Phönix

Hoch auf den Bergesgipfeln will ich thronen
Des Kaukasus mit seinen alten Palmen,
Wo nicht des niedern Herdes Dünste qualmen:
Hier waren meiner Väter Regionen.

Ihr mögt dort unten in der Tiefe wohnen.
Besorgt um eure Äcker, eure Halmen;
Die Einsamkeit — euch würde sie zermalmen!
Will mich mit himmlischen Gedanken lohnen.

Und fühl' ich einst die matten Schwingen beben,
Den Geist erlahmt, sich himmelwärts zu kehren,
So soll der Opferaltar sich erheben.

Dann möge mich die heil'ge Glut verzehren:
Aus meiner Asch' entsteigt ein neues Leben,
Es dient mein Schmerz, mich schöner zu verklären.

Gelegenheitsdichter

Was braucht's erfundene Geschichten?
Ich halte mich an Ort und Zeit;
Doch gilt's: gelegentlich zu dichten,
So gebt mir auch Gelegenheit!

An Grillparzer
(Im Sommer 1827)

Die Erde schimmert längst im reichsten Segen,
Die Frucht hat ihre Blüte schon verdrängt;
Der Sense reift die Saat bereits entgegen,
Zu Gold ihr Grün durch Sirius gesengt;
Bald wehret man dem Gang auf Bergeswegen,
Wenn reif die jetzt noch grüne Traube hängt:
Es ist die Zeit des Lebens und der Fülle,
Und jede Frucht löst, die sie barg, die Hülle.

Ja, Alles sucht auf's beste sich zu schmücken,
Fügt seinen Glanz zur allgemeinen Pracht;
Lebendig wird's im Tal, auf Bergesrücken,
Der Vogel flattert und die Blume lacht;
Dir aber schwand solch sommerlich Entzücken
Schon mehr mal hin, und hatte keine Macht:
Drei Lenze blühten schon, so reich wie immer,
Drei Lenze blühten schon — du schweigst noch immer?

Was hilft die Pracht der Blumen und der Früchte?
Was hilft die segenspendende Natur?
Sie lebt nicht, gibt uns leere Schaugerichte,
Der  S a n g  begreift, belebt ihr Leben nur;
Der Geist ist da, daß er die Gaben sichte,
Und leite den Genuß auf beßre Spur:
Was hilft mir's, wenn ich alle Sinne labe,
Und meine Seele fern von Allem habe?

Du aber schweigst — so muß ich wieder rufen,
Du schweigst, der Beste, der da reden soll?
Der Priester auf des Tempels obern Stufen,
Der ihn betreten darf, der Gottheit voll:
Du, den die Götter uns zum Sprecher schufen,
Entziehst dich uns, wie im verhalt'nen Groll?
Wir sollen, die wir deines Sangs uns freuen,
Die süßgewohnte Freude nicht erneuen?

Hältst du für der erhab'nen Lyra Klingen
Uns eine unempfänglich rohe Schar?
O gern erkennt die Menge das Gelingen,
Und reicht dem Mitgebor'nen Kränze dar.
Hältst du vielleicht, sie singend zu vollbringen,
Die Zeit zu ernst, den Sinn zu wandelbar?
Es kann, was immer auch für Kräfte gären,
Doch des Gesanges keine Zeit entbehren.

Die Lust an ernsten und an bunten Bildern
Wächst mit dem Kinde, mit dem Knaben groß;
Die Leiden singen heißt die Leiden mildern,
Gemalter Schmerz macht uns des wahren los;
Ein doppelt Leben ist's: das Leben schildern,
Die Kunst ist eines neuen Lebens Schoß,
Aus dem Gestalten, bunt und herrlich, sprießen,
Und, Geistern gleich, in leichte Lüfte fließen.

Wie, und erfreu'n dich nicht mehr die Gestalten,
Und lockt's dich nicht, sie aus dem Nichts zu zieh'n?
Befreie sie der Bande, die sie halten!
Die Rosen warten auf der Sonne Glüh'n:
Willst du nicht Sonne sein, sie zu entfalten?
Nicht Zephir, dem sie ihre Düfte sprüh'n?
Willst du der See nicht sein, in dessen Dunkeln
Das Erdgrün und die Sterne schöner funkeln?

O halte dich nicht länger mehr verborgen,
Brich los, ein Bergstrom, mit gewalt'gem Wort,
Und was es wirke, laß die Hörer sorgen,
Und haftet's nicht, so reißt's doch immer fort!
Bedenk': nicht jedes Heut' hat auch sein Morgen,
D'rum hebe frisch des Liedes goldnen Hort.
Erschütt're sie — sonst glaubt das Volk, das plaudert,
Es tue mehr als du, der edel zaudert.

Laß die Mißgunst und den Neid nicht grämen,
Fürwahr, dem neid' ich's nicht, den Niemand haßt!
Auch wird's der Krähe bald die Flügel lähmen,
Kreischt sie dem Adler nach, mit tör'ger Hast! —
Doch sollten dich die heisern Stimmen zähmen,
Und ist's Geschwätze, das dich schweigen laßt?
Die Schlange spritzt auf Blumen gern den Geifer:
Blüht d'rum die Blume wohl mit mindern Eifer?

O sieh! der Lenz und seine Blüten schwinden,
Unhaltbar folgt der Tag dem Tage nach,
Bald lagert sich der Schnee auf diesen Gründen,
Wo ein Beglückter dunkle Veilchen brach;
D'rum laß dich schnell bereit zum Worte finden,
Das länger als der Mund währt, der es sprach;
Uns aber, die wir dich dazu getrieben,
Uns zürne nicht, und denk', daß wir dich lieben.

Der Kärner

Einsam zieht der arme Kärner
Hinter seiner Bürde her:
O wie lastet's auf den Händen,
Auf den Schultern — o wie schwer!
Trauernd schaut er auf zum Himmel,
Und beseufzet sein Geschick;
Neben, vor ihm ziehen Leute —
Wer gewahrt den Trauerblick?

Mutig trabt der arme Kärner
Hinter seiner Bürde her,
Leichter dünkt ihn seine Mühe,
Und doch lud er etwas mehr;
Denn auf den gewohnten Waren
Sitzt ein Flachskopf fest und lacht;
Ob wohl der dem armen Kärner
Seine Mühe leichter macht?

Noli me tangere

In den zarten Blumenkelch
Flog ein kleines Käferchen,
Und der Kelch verschloß sich schnell.

In dem Dufte schwelgt und stirbt
Luftlos der betäubte Käfer.

Bei der nächsten Morgensonne
Erstem Glühen öffnet wieder
Ihren Kelch die zarte Blume;
Und des kleinen Tierchen Körper
Hatte sich in ihre Adern
Dicht verwoben, selbst zur Blume
War der Blume Frevler worden:
Frischer, voller schien die Blume,

Ach, den zartesten der Kelche
Rührte eine rohe Hand,
Und der Kelch verschloß sich schnell.

Aber an dem nächsten Morgen
Öffnete der Kelch sich nimmer;
Frischer Tau entquoll dem Boden,
Milde leuchtete die Sonne —
Doch der Kelch erschloß sich nimmer,
Und die Blume war verdorrt.

Das Totenhemdchen
(Musik von Schubert)

Starb das Kindlein.
Ach, die Mutter
Saß am Tag und weinte, weinte,

Saß zur Nacht und weinte.
Da erscheint das Kindlein wieder,
In dem Totenhemd, so blaß;
Sagt zur Mutter: "Leg' dich nieder!
Sieh, mein Hemdchen
Wird von deinen lieben Tränen
Gar so naß,
Und ich kann nicht schlafen, Mutter!"

Und das Kind verschwindet wieder,
Und die Mutter weint nicht mehr.

Die Sterntaler

Es zog ein kleines Mädchen
Wohl über Feld und Land,
Und hatt' ein bißchen Essen,
Das trug es in der Hand.

Da weint' es schwer und bitter:
"Wie bin ich doch allein!
Ach, ohne Vater, Mutter —
Und bin so schwach, so klein!"

Und wie sie also seufzet,
Da naht ein alter Mann
Auf Krücken, und er fleht sie
Um eine Gabe an.

Sie gibt ihm gleich ihr Essen;
Der läßt sich wohl gescheh'n; —
Bald sieht sie d'rauf ein kleines,
Barhauptes Kindlein steh'n.

Dem gibt sie ihre Mütze;
Und weiter fort am Fluß
Sitzt ein halbnacktes Mädchen,
Das wohl recht frieren muß.

Dem gibt sie gleich ihr Leibchen,
Und hüllt es selber ein,
So schenkt sie auch ihr Röckchen
Einem Bettelkindelein.

Und wie sie in den Wald kam,
Da lag ein krankes Kind,
Das schauderte gar bänglich
Vor jedem schwachen Wind.

"Ei", denkt das fromme Mädchen,
"Es ist ja eitel Nacht!"
Und gab das Hemd vom Leibe —
Das hat sie gut gemacht.

Da plötzlich zog der Nebel
Hernieder auf das Land,
Und wob ihr um den Körper
Das niedlichste Gewand,

Und funkelhelle Sterne
Dreh'n sich vom Himmel los,
Und roll'n als blanke Taler
Dem Mädchen in den Schoß.

König Dagobert und seine Hunde

Als König Dagobert g'nug gessen,
Ließ er auch seine Hunde fressen.

Als Dagobert zum Sterben kam,
So redet' er seine Hunde an:

"Keine Gesellschaft ist so gut,
Aus der man nicht endlich scheiden tut."

Da weinten die Höfling', die klugen Gesellen
Die Hunde fingen an zu bellen.

April

Wenn der Maien golden schiene,
Sollte sie die Meine sein;
Bebend späht' ich, ob es grüne —
Da wehte der Schnee zum Fenster herein!

Der Gebesserte

Wie lange kenn' ich diesen Mann!
Man sieht ihm gar nichts Kluges an;
Doch wie  s i e  freundlich mit ihm spricht,
Verklärt sich mir der ganze Wicht;
Es geht aus  i h r e m  Aug' ein Strahl:
E r  ist belebt zum ersten Mal.

Sie in Allem

O wie mich mein Geschäft entzückt!
Sonst hab' ich's düster angeblickt;
Wie reich ist, was ich tu' und bin.
Wie unerschöpflich ist mein Sinn!
Wie fröhlich lebt sich's mit den Leuten!
Wie hat ein jeder sein Bedeuten!
O habe Dank! Du lehrtest mich
Die Welt erkennen, so wie mich.