weiter
 

Die tönenden Worte, die Kammerreden,
Sie locken und sie fesseln Jeden;
Mich aber treiben sie in die Enge —
Mir ist nicht wohl in dem Gedränge.
 

Neue Zeit
(Seit 1848)
 

Altliberal
Ex trunco fit Mercurius
Ausgebraten
Der politische Wanderer
Der erwachte Brahma
Frühlingslied der Gutgesinnten
Frauenpolitik
Atta Troll's Monolog im Zwischenreich
Zur Goethefeier
Das Leben ein Tanz

Reaktion
Der Missionar
Proletarischer Unmut

 
Zahme Barbarei
Genesis der Revolution
Die Kriegslustigen
Franz Schubert
Feuilleton
Romancero I. II. III.

 

Altliberal

1848

Altliberal — ob Schimpf? Ob Lob?
Nenn's wie du willst, ich freu' mich drob!
Du kannst's in diesen Blättern lesen:
Stets bin ich freien Sinns gewesen;
Und als du noch der Macht dich beugtest,
Da trug ich schon mein Haupt so hoch!
Und als du der Gewalt dich neigtest,
Da schüttelt' ich am alten Joch.
Und denkst du jetzt dem Volk zu schmeicheln,
Ich nenne dich darum nicht frei;
Volk oder Fürst — ich kann nicht heucheln —
Ich hasse jede Tyrannei!

Ex trunco fit Mercurius

Der Baum war dürr und blätterbar,
Kein Vogel drauf wollt' sitzen;
Da dachten die lieben Leute gar
Draus einen Gott zu schnitzen.

Ich kannte einen Gesellen gut,
War immer ein Philister;
Ihn hebt das Volk in trunknem Mut,
Und macht ihn zum Minister.

Ausgebraten

Zu Pressburg in Ungaren
War großer Jubel im Land,
Da krönt' man vor achtzehn Jahren
Den König Ferdinand.

Es ritten die Magnaten
In ihrem Kalpak reich
Auf perlenden Schabracken —
Sie machen gerne Streich'!

Und Kronbeamte wie Prinzen
Saßen da hoch zu Roß,
Und schmissen die Krönungsmünzen
Hinunter in den Troß.

Da balgten sich drum die Leute,
Und traten sich auf den Leib,
Und hinkend bringt die Beute
Der Glückliche seinem Weib.

Und wie der König geritten
Auf grünem Tuche kam,
Ward's hinter ihm weggeschnitten,
Ein Jeder sein Teil sich nahm.

Und weiter dort am Platze
Fließt weiß und roter Wein,
Ein Jeder reckt die Tatze
Und will der Erste sein.

Da pufft sich der Kroate
Bis zum Gerüste hin,
Und klettert kerzengrade
Zu köstlichen Tranks Gewinn.

Er stößt die durstige Lippe
Des Vormanns weg, nicht faul.
Und an die sprudelnde Piepe
Preßt er sein breites Maul.

Doch Einer versteht es besser.
Das ist ein schlauer Kopf,
Der haut mit seinem Messer
Den Säufer auf den Schopf.

Und blutend plumpst der Trinker
Hinunter in den Hauf',
Und jubelnd schwingt ein Flinker
Zum Krönungswein sich hinauf.

So säuft und blutet zur Wette
Das Volk, der wilde Schwall;
Drein schmettert die Trompete,
Pufft der Kanone Knall.

Und Nachts am hellen Feuer —
Sagt, was da brät und schmort?
Was für ein Ungeheuer
Dreht sich am Spieße dort?

Die alte Reichshistorie
Hat euch's ja längst gelehrt:
Zur wahren Krönungsglorie
Ein gebratener Ochse gehört.

Die Sitte ist geblieben
Aus grauem Altertum;
Herr Wolfgang hat's beschrieben
Zu seines Frankfurt Ruhm.

Zu Pressburg in Ungaren
Da macht' ich die Krönung mit,
Wo man vor achtzehn Jahren
Den Krönungsochsen briet.

In Frankfurt aber am Maine
Da ist es länger her,
In Frankfurt, wie ich meine,
Da braten sie Keinen mehr.

Der politische Wanderer
Frühjahr 1849

Deputierter:
(als Wanderer)

Nun hab' ich satt das Parlament,
Die Rechte wie die Linke!
Natur, du frisches Element,
Gib, daß ich Labung trinke!
Mach' mich der Sektionen los,
Und nimm mich auf in deinen Schoß,
Worein ich süß versinke!

Wiese:
Darf ich den grünen Rücken dir bieten?
Nur keck geschritten und nichts geschont!
Zertritt nur das Gras, die Blumen, die Blüten
Solch Volk wird getreten — es ist's gewohnt.

Hohlweg:
Stets befahren mich die Wagen,
Stumpf und stumpfer wird mein Sinn;
Und so mußt du schon ertragen,
Daß ich, Zentrum, staubig bin.

Weizenfeld:
Nur Brot, nur frisches Brot!
Nur keine Hungersnot!
Bin ich's nicht, das regiert?
Schon reich' ich dir zum Nacken!
Ich seh' mich exportiert,
Ich fühl' mich schon gebacken.
Nur keine Hungersnot,
Ihr Staatsutilitarier!
Nur Brot, nur frisches Brot
Für unsere Proletarier!

Dohlen und Raben auf dem Acker:
Wie tummelt sich auf frischer Saat
Das liebe Völklein alt und jung!
Sie fressen auf den ganzen Staat —
Das ist die Gleichberechtigung!

Vogelscheuche:
So ein Stecken mit einem Hut,
Das war vor des Tellen Zeiten gut!
Wenn jetzt eine Kron' auf der Stange steckt,
Verloren haben sie den Respekt.

Mückenschwarm:
Wie wirbelt die Säule
So mächtig empor!
Im sonnigen Knäule
Ein seliger Chor.

Sie flattern so munter
Zu Jupiters Thron,
Und so kunterbunter —
Als Sturmpetition.

Kröten und Eidechsen:
Wie munter hüpft sich's,
Wie selig schlüpft sich's
Durch's Moos, das klebrig-nasse!
Fragt Niemand nach einem Passe.

Unter'm Holzapfelbaum:
So streck' ich mich im Schatten hin,
Und schau' in's Blaue, lieg' im Grase
Ich weiß, was ich dir schuldig bin:
Mein Zehent fällt dir auf die Nase.

Hochwald:
Der deutschen Wälder König,
Wo manch ein Sänger gedichtet,
Ich rausche jetzt nur wenig —
Sie haben mich stark gelichtet,
Seit sie nicht mehr untertänig.
Der Holzstoß nimmt dich Wunder?
Fast jeder Baum ist Leiche!
So brennen sie jetzunder
Im Ofen die Hermannseiche.

Mittelalterliche Ruine:
Das ist die Burg der Väter,
Die lange schon gestorben;
So sind die Enkel später
Denn endlich auch verdorben.

Waldhütte:
Wie romantisch ich dir scheine,
Etwas Prosa ist dabei,
Einsam bin ich, nicht alleine —
Mich bewacht die Polizei.

Sangvögelein:
Wir singen und flattern,
Wir zwitschern und schnattern:
"Waldeinsamkeit,
Die uns erfreut
So morgen wie heut'" —
Und Preßfreiheit! Und Preßfreiheit!

Sumpf:
Unk, Unk, Unk!
Beliebt ein frischer Trunk?
Hier sitzt der Frosch, die Wasserschlang',
Und quakt und zischt — sei nur nicht bang'.
Und komm' aus deiner Stub'
In unseren freien Club!
Unk, Unk, Unk —
Beliebt ein frischer Trunk?

Uhu:
Wie brütend dort der Vogel sitzt!
Er mahnt mich an die Isispriester;
Und wie's aus hohlem Baume glitzt,
Gleich rotem Gold entgegenblitzt —
Wär's etwa ein Finanzminister?

Wildnis:
Verirrter Wanderer, auf den Blick!
Ich grenze dicht an's Leben;
Dort unten steht die Spinnfabrik,
Die Eisenbahn daneben.
So aus der wildesten Natur
Entwickelt sich Kultur — Kultur!

Die Sonne:
Bin ich zu heiß?
Das ist ja gut!
Wollt's endlich doch begreifen!
Denn schien' ich nicht so absolut,
So würde gar nichts reifen.

Mond und Sterne:
Da sammelt sich das Parlament
In weiter Himmelsferne.
Willkommen Mond, Herr Präsident!
Ihr Deputierten, Sterne!

Donner und Blitz:
Nichts da! Ihr sollt nicht leuchten
Im Dunkeln und im Feuchten!
Wir spotten eurer Pracht,
Wir hüllen euch in Nacht,
Wir jagen euch davon —
Wir sind die Reaktion!

Wanderer:
(flieht nach Hause)
"Süße, heilige Natur,
Laß mich gehn auf deiner Spur" —

Schildwache:
(ruft)
Wer da?
Wanderer:
Deputierter
Schildwache:
Passiert er
Wanderer:
Was hilft mir Wies' und Wald und Flur?
Die ganze Weltfabrik?
Aus Allem klingt mir wieder nur
Die leid'ge Politik!

Der erwachte Brahma
Frühjahr 1849

Brahma schlief, der Herr des Lebens,
Einen Schlaf, dem Tode ähnlich,
Und die Bösen auf der Erde
Jubelten im frohen Mut.
Denn sie wähnten sich des Gottes
Und des Weltenhüters ledig,
Und des Rächers ihrer Sünden,
Froh der unbeschränkten Macht.

Mächtig wahrlich ist das Böse,
Aber mächtiger ist Ein's noch:
Er der ewig Ur-Ur-Ew'ge,
Anfangslose wie Endlose,
Brahma, durch sich selber seiend,
Schaffend Alles, was da ist.
Seht ihn in dem weichen Kelche
Schlummern dort der Lotosblume;
Froh des Werks, das er geschaffen,
Doch erschöpft und arbeitsmüde
Neigt er sich dem süßen Schlummer,
Denn auch Götter müssen ruhn.

Herrlich prangt' und frisch die Erde
Als der holde Gott entschlief,
Als sein letztes Wort, sein "Werde"
Wach die Völkerherzen rief.
Damals galt es dem Titanen,
Jenem wilden Herrn der Schlacht,
Mit den tausend Kriegesfahnen,
Mit der nie bezwungnen Macht.
Und da schlug des Helden Stunde,
Einsam lag er bald in Haft;
Vor dem festen Völkerbunde
Brach des Halbgotts Riesenkraft.
Und ein Jubel, nicht zu sagen,
Durch die weiten Gauen drang,
Als nach bittrer Knechtschaft Tagen
"Freiheit" holder Ruf erklang.
Frühlingszephyr koste fächelnd
Bei der Sonnenstrahlen Spiel —
Und da war's, als Brahma lächelnd
In den Blumenschlummer fiel.

Sagt, wie kann ein Gott nur schlafen,
Und die Menschen ihrem Schicksal,
Die hilflosen, überlassen,
Sie, die ewig irrenden?
Doch das ist das Weltenrätsel:
Böse Geister wachen immer,
Sinnen Arges, schaffen Schlimmes,
Wie die Sünde, ruhelos.
Und dagegen offenbart sich
Das Urwahre, das Urgute
Selten nur, wie das Urschöne —
Selten ist der Genius.
Und die armen Menschlein, denen
Nur ein lichter Strahl des Gottes
In das dunkle Herz geflossen,
Sie verlieren seine Spur.
"Wo ist Brahma?" ruft es jammernd
Rauschend nahn die bösen Geister
Und die Stiere und die Affen
Geben sich für Götter aus.

Ist ein großer Mensch bezwungen,
Kleine nehmen seine Stelle,
Herrschend so wie er den Massen,
Denn die Kleinen sind gar schlau.
Wie die Völker sich verbunden.
Weiß man dann sie zu zerteilen,
Sie zu sondern, zu entzweien —
Völkerdämmerung beginnt.
Daß sie sich's gefallen lassen?
Jedes Volk ist unentwickelt,
Jedes Volk ein Volk von Kindern,
Jedes Volk ein großes Kind.
Haben sie nicht Leiter, Führer? —
Doch die Führer sind Verräter,
Die bestochen, die bestechend.
Nur ein kleines Häuflein treu.

Regt sich irgend Geist und Willen,
Sind die Schergen gleich zu Handen,
Und Gedanke und Empfindung
Bleibt versteckt im Herzensschrein.
Aufwärts wenden sich die Blicke
Nach dem Gotte, der verborgen
In dem Kelch der Lotosblume —
"Brahma, Brahma, ach, du schläfst?"
Laßt ihn schlummern! Denn aus euerm
Bunten Treiben, Drängen, Schaffen
Weben sich des Gottes Träume,
Eure Kämpfe sind sein Spiel.
Was euch Leiden dünkt, Verderben,
Ist nur Prüfung eurer Herzen;
Was euch Widerspruch und Zwiespalt,
Löst sich ihm in Harmonie.

Aber seht — der Gott, er rührt sich,
Seine Träume werden heller,
Und der laute Lärm des Tages
Klingt in seinen Schlummer ein.
Und die bösen Geister zittern.
Ahnend ihres Reiches Ausgang,
Selbst die Stiere und die Affen
Sind weit minder frech und keck.
Freue dich, du Welt der Sonne,
Freue dich, du Welt des Geistes,
Freue dich, du Welt der Freiheit,
Brahma lebt und ist erwacht!

Gott berührt euch mit dem Finger:
Wachet auf, ihr trägen Massen!
Ferner sei die Welt kein Zwinger,
Leben sollt ihr — leben lassen!
Nicht dem einzelnen Tyrannen
Gilt es jetzt zu widerstreben;
Alle seid ihr freie Mannen,
Wagt es künftig, frei zu leben.
Aneinander euch zu hetzen
Soll's die Bösen nicht gemuten,
Nach selbsteigenen Gesetzen
Leiten fürder sich die Guten.
Keines Stammes, keiner Sprache
Vorzug lasset euch gefallen,
Ist doch die gemeine Sache
Allgemeiner Vorteil Allen.
Betet zu der Götter Gotte,
Zu dem Gotte, vielgestaltig,
Keine Form verfällt dem Spotte,
Denn der Geist ist mannigfaltig.
Frei und gleich seid ihr selbander,
Euer Ziel die Menschenachtung;
Aber haltet aneinander,
So in Tun wie in Betrachtung,
Eine naht der Perioden
Jener Welterneuerungen;
Auf der Völker freiem Boden
Seht die Völkereinigungen;
Der Gedanke, so gesteigert, —
Läßt sich nimmermehr verhindern;
Was den Vätern man verweigert.

Sie erreichen's in den Kindern.
Zwar der Teufel ist geschäftig.
Darum wehrt den Widersachern,
Stemmt euch ihrem Vorsatz kräftig,
Euch die Freiheit abzuschachern.
Freiheit zahlt kein Gut der Erden,
Wie sie's ködernd auch beschreiben —
Herrlich ist es, frei zu werden,
Göttlich ist es, frei zu bleiben.
Aber Mühe braucht's, Entsagen,
Ernste Lehr' im weiten Kreise;
Wahrhaft frei in allen Tagen
Wird der Gute nur, der Weise.
Darum wahrt den heil'gen Funken,
Brahma's köstliche Gewährung;
Bald in neuen Schlaf versunken
Läßt er euch der Flamme Nahrung.
Scheidet dann der Hohe wieder,
Mög' er euch zum Werke segnen,
Steigt der Gott auf's neue nieder,
Als Beglückten euch begegnen.

Frühlingslied des Gutgesinnten
Im Mai 1849

Die Sonne lacht,
Radetzky wacht,
Rings überall ist Leben:
Der Blütenpracht
Und Wrangel's Macht
Kann Niemand widerstreben.

Der Käfer schwirrt,
Der Hecker irrt
In Wüsten und Savannen;
Die Taube girrt,
Vogt ist verwirrt,
Und Gagern zählt die Mannen.

Das ganze Land
Im Festgewand
Des wunderholden Maien —
Ein festes Band:
Belagrungsstand
Läßt Deutschland nicht entzweien.

Es grünt die Saat,
Bald blüht der Staat,
Es heben sich die Kurse;
Der Sommer naht,
Der Demokrat
Hält seine letzten Diskurse.

Der laute Schall
Der Nachtigall
Weckt alle Liebeskräfte;
Ist ein Krawall,
Kanonenknall —
Drauf macht man wieder Geschäfte.

Rings Frühlingsgruß
Und Sonnenkuß,
Die Welt wird immer bunter —

Und kommt der Russ,
Welch ein Genuß!
Deutschland geht niemals unter.

Frauenpolitik

Jung ist der Demokrat
Und jung ist der Soldat;
Sie mögen kämpfen auf Tod und Leben
So hielt's von jeher unser Geschlecht;
Dem Sieger will mein Herz ich geben.
Der Überwundne hat niemals recht.

Atta Troll's Monolog im Zwischenreich
August 1849

Atta Troll ist längst erschossen,
Wie ihr wißt, und seine Seele
Lebt nun fort im Bärenjenseits,
In dem tier'schen Fegefeuer.

Dort im Zwischenreiche hat sich
Um die brave Bärenseele
Auch ein neuer Leib gewoben,
Braun und zottig, wie auf Erden.

Doch er gilt nur provisorisch,
Etwa bis zum Jüngsten Tage —
Denn das Fegefeuer kennt nur
Lauter Provisorien.

Und so liegt der Atta, mit dem
Provisor'schen Leibe, in der
Provisor'schen Höhle, saugend
Provisorisch an den Pfoten.

Dies Scheinleben gnügt ihm nimmer.
Dies Hindämmern und Abwarten —
Wer mag ihm's verübeln, faßt ihn
Tiefe Sehnsucht nach dem Diesseits?

Denn dies vielverschriene Diesseits
Ist ihm mind'stens ein bekanntes,
Zwar ein Amalgam von gut und
Bösen Tagen, doch erträglich.

Er erinnert sich des Waldes,
Wo die Rehlein er verspeiset,
Und die Kälber zart und schmackhaft.
Und die süßen Honigfladen.

Solche Stücke von dem Diesseits
Stehn dem guten Petz vor Augen —
Ach, wer weiß, gibt es im Jenseits
So was Gut's wie Honigscheiben?

Und er denkt der schwarzen Mumma,
Seiner irdisch Heißgeliebten —
Schwerlich gibt's im ganzen Jenseits
So was Gut's wie eine Mumma!

Atta Troll ward melancholisch.
Wie ein flücht'ger Demokrat,
Dem der letzte Putsch mißlungen,
Lag er in der Höhle brummend.

Und in seiner Bärenseele
Wird der alte Menschenhaß
Wieder wach; er denkt der Streiche,
Die ihm dies Geschlecht gespielt.

Menschen haben ihn gefangen,
Ihm den Maulkorb angelegt,
Menschen ihn zum Tanz gezwungen,
Ihn geprügelt, wenn er fehl trat.

Menschen — und sie leben noch!
Sind's nicht diese, sind's doch andre;
Denn unsterblich ist die Menschheit
Und im Fortschritt stets begriffen.

"Mind'stens bilden sie sich's ein",
Ruft der Bär mit wildem Ingrimm;
"Fortschritt! Dummheit! Ei, was haben
Sie so Großes denn geleistet?

Nichts! Und wenn sie uns nicht hätten,
Die sie gegen alle Sitte
Bestien nennen, wär'n sie weit
Bestialischer als wir.

Denn sie wissen nichts, als was
Sie uns abgelernt, den Tieren;
Nur Nachahmer sind die Menschen,
Nichts originell an ihnen.

Ein Mensch tut's dem andern nach,
Und so auch ein Volk dem andern —
Was sie drüben über'm Rhein sehn,
Woll'n sie hüben flugs vollführen.

In dem Land, einst uns gehörig —
Deutschland ist die Bärenwiege —
Im phlegmatischen Germanien
Ist's denn wirklich losgegangen.

Preßfreiheit und Volksvertretung,
Club und Volkswehr und so weiter
Haben sie von heut' auf morgen
Sich erschrien mehr als erkämpft.

Um zu gründen deutsche Einheit,
Stiegen viele Professoren
Vom Katheder auf die Rostra,
Machten einen deutschen Kaiser.

Und aus Gagern's Tintenfasse
Flattert der Homunkulus
In die weiten deutschen Gauen,
Und will Mensch und Kaiser werden.

Andre lachen dieser Torheit,
Machen Putsche, Barrikaden,
Dekretieren, wie auf Wartburg,
Frisch die deutsche Republik.

Und noch Andre lauern ruhig,
Bis die Wasser sich verlaufen
Wilder Volkssouveränität,
Oktroyierend ganz im Stillen.

Diese waren noch die Klügsten,
Werden's noch auf viele Jahre
Bleiben, denk' ich, wie die Menschen
Und wie ich die Deutschen kenne.

Menschen sind bequeme Tiere,
Deutsche Menschen ganz besonders;
Schon seit vielen hundert Jahren
Grübeln sie, wie man ein Volk wird.

Nun, jetzt sind sie eins geworden.
Und ein Volk, das sich gewaschen,
Und ein Volk, das man gewaschen,
Tüchtig ihm das Fell gegerbt.

Hängt sie nur und schießt sie nieder,
Schließt die Clubs, verbietet ihnen
Ihre dummen Zeitungen —
Sie verdienen gar nichts Bessres.

Laßt die Menschen sich zerfleischen —
Für uns Bären ist das Labsal, —
In dem Lande unsrer Wiege
Gegenseitig sich vertilgen.

Wenn die Barbarei von oben
Und die Barbarei von unten
Sich gehörig ausgebreitet,
Dann blüht wieder unser Weizen.

Nur die Städte brav zerschossen,
Und die Saaten rings zerstampft,
Die fatalen Universitäten
Und Gymnasien geschlossen —

Hübsch verbrannt Bibliotheken,
Auch verwandelt in Kasernen
Die Museen und Theater,
Kunst und Wissenschaft verachtet —

Daß die Bildung, wie sie's nennen,
Die Humanität — ein Gräuel den
Gutgesinnten — von der deutschen
Erde endlich sich verliere!

Wenn dann Wälder und Moräste,
Klüfte, Schlüfte, schwarze Höhlen,
Wie zu Hermann's Zeiten, alle
Deutschen Gauen rings umziehen —

Werden wir von unserm Erbteil,
Unserm teuern Vaterlande,
Wie sich's ziemt, Besitz ergreifen:
Ureinwohner — wir die Bären.

Dann ist die Reform vollendet.
Und die Freiheit eine Wahrheit,
Denn wir gründen dann die echte
Schwarze Bärenrepublik.

Stark und einig, treu und kräftig
Wollen wir zusammenhalten,
A l l e  Bären — selbst der Eisbär
Soll nicht ausgeschlossen sein.

Und wir fressen nur die Menschen,
Sei'n es Rechte oder Linke:
Radowitz wie Waldeck ist uns
Ein gleich lieber Leckerbissen." —

Also schwärmte Atta Troll im
Dunkeln Zwischenreiche, in der
Provisor'schen Höhle, saugend
Provisorisch an den Pfoten.


Zur Goethefeier
August 1849

Im Jahr siebzehnhundert vierzig und neun
Da mochten sich die Deutschen freun.
Gott — wie er von Zeit zu Zeit getan —
Schickt' ihnen einen großen Mann,
Der sollte, nach des Herrn Gebot,
Dem Volke bringen, was ihm Not.
Versteht mich recht: 's war kein Soldat,
Kein Fürst, noch Priester, Diplomat,
Und doch der Bringer neuen Lichts:
Ein Mensch und Dichter — weiter nichts.
Nur war's ein Mensch ganz eigner Art,
Der uns die Menschheit offenbart;
Ein Symbolum, was er tut und schafft,
Der ganzen schönen Menschenkraft,
Die, wie sie geistig wirkt und handelt,
Zuletzt in Dichtung sich verwandelt.

So unser Sohn der guten "Frau Rat",
Sein ganzes Leben war seine Tat;
Wie Brahma einst das Ei zersprengt,
Aus dem sich eine Schöpfung drängt,
Eine lebende Welt, eine flutende Welt,
Frisch, frei, allliebend sich gesellt —
So schafft der Brahma der Poesie:
Die Menschen sind er, und er ist sie;
Er künde Zartes oder Dreistes,
Es bleibt der Kern des Menschengeistes.
Der Mensch hat mancherlei Personen,
Wohnt in verschiedenen Regionen —
Von Werther bis zum Faust ist's weit,
Doch finden sie sich mit der Zeit,
Gehn beide doch auf derselben Spur,
Denn Lieb' und Zweifel ist ihre Natur.

Dazwischen schlägt ein kecker Degen,
Ein Götz von Berliching verwegen,
Eifrig besorgt um's alte Recht,
Bangend vor kommendem Geschlecht.
Graf Egmont folgt ihm, stark und heiter:
Die Freiheit hält die Himmelsleiter,
Ein Rosenduft hält sie umgossen,
Das Liebchen lächelt von den Sprossen.
Der Dichter hat genug gelitten,
Mit roher Außenwelt gestritten,
Gönnt ihm, daß sein Dasein sich verkläre,
Der Fürstin Liebe, von Fürsten Ehre —
Auch Haß von Hammerherrn und Zofe,
Dem Tasso an dem deutschen Hofe.
Drauf in den Urquell sich versenkt,
Der des Lebens blumige Wiese tränkt!

Wo reine Menschheit ausgebreitet,
Dort wo die Griechenjungfrau schreitet,
Die Ehrfurcht fand — ihr habt's erfahren —
In Tauris selbst bei den Barbaren.
Dann wieder in moderne Irrung,
In staatschaotische Verwirrung,
In der Empörung Strudel reißt
Den Dichter Brahma, der mächt'ge Geist,
Und brausen die Fluten noch so wild,
Sie schonen ein zartes Frauenbild:
Dem Verderben entrückt Eugenie,
Die moderne Iphigenie.
Und es braust der Geist in den zürnenden Massen
Wer kann ihn halten, wer mag ihn fassen?
Die Mächtigen, die Fürsten zittern —
Es naht der Herr in Ungewittern.
Weltbrand beginnt — ihr mögt euch scharen,
Das heilige Feuer zu bewahren,
Das nimmermehr erlöschen soll.

Inmitten Völkerschlacht und Groll
Hat Gott den Rechten auserlesen
Und ihn getaucht in deutsches Wesen.
Der singt aus seiner Feuerwolke
Vom schlichten Mann euch aus dem Volke,
Der ernst, verschlossen, stark und zart;
Er trifft die Jungfrau, ihm gleich an Art,
Und wie sie stehen Hand in Hand,
Sie halten fest am Vaterland,
Und sind die Tausende wie die,
Solch Volk wird untergehen nie. —

Die Zeit wird immer schwerer, trüber,
Doch gut wie bös — es geht vorüber;
Und wie ihr streitet, wie ihr handelt,
Die Welt wird immer neu verwandelt.
Der Dichter mit dem edlen Willen
Macht die Verwandlung mit im Stillen
Und aus dem großen Troß und Braus
Wählt er sich einen Menschen aus.
Bildsam, nach Bildung heiß begehrend,
Versuchend, lernend, sich belehrend
Wie oft verführt von falschem Glanz,
Treusittlich — kurz, ein Deutscher ganz,
Ihr selbst wie eure ersten Geister:
Die Deutschen sind lauter Wilhelm Meister
Und wie sie vor sich selber fliehn.
Um nach Amerika zu ziehn —
Das Nahe däucht sie meist das Schale
Das Ferne gleicht dem Ideale —
So floh der Dichter auch nach Osten,
Um — "Patriarchenluft zu kosten".
Doch wollt' er erst von seinem Streben
In losen Blättern uns Kunde geben,
So weit er selber sich's erlaubte,
Er Niemand zu verletzen glaubte.
Verschwieg er uns vielleicht das Beste?
Ihr wißt, versiegelt sind die Reste;
Doch werden sie nach wenig Jahren
Uns sein Geheimstes offenbaren
Das allerköstlichste Vermächtnis —
Er selber feiert sein Gedächtnis.

Im Jahr achtzehnhundert vierzig und neun
Da durften die Deutschen sich wenig freun.
Ein mächtig gären, ein groß Bewegen
In allen Gauen, auf allen Wegen —
Die Seele ward, das Herz so weit —
Die Losung: Freiheit und Ewigkeit!
Wie hold das klingt, wär's auch ein Wahn!
Ach, daß ihr einschlugt falsche Bahn!
Denn Fehler unten und Fehler oben
Sie haben das herrliche Ziel verschoben
Erreichen werdet ihr's nie oder spät.
Da ihr statt Liebe Haß gesät.
Gott segne, die erst heut geboren!
Ein Menschenalter ging verloren. —
Doch still! Durch Tages Feldgeschrei
Und durch die Stimme der Partei
Weht uns ein Hauch des Friedens an.

Wir feiern den letzten großen Mann,
Vor hundert Jahren sein erst Erscheinen —
Hilf Gott, wir brauchten bald wieder Einen!
Wenn Einer aus innerstem Herzen schuf
In seinem himmlischen Beruf —
Er war's! Er hat euch frei gemacht,
Euch vorgefühlt, euch vorgedacht,
Euch vorgelebt, euch vorgeschrieben.
Und treibt ihr's nur, wie er's getrieben.
Auch ohne seinen Dichterkranz.
Wärt ihr, was Not tut — deutsch und ganz.
Drum folgt ihm nach — er gab die Richtung
Der Lebensweisheit wie der Dichtung:
Dort ist der reinen Menschheit Quelle —
Taucht frisch hinein und teilt die Welle!
In Froschpfuhl all das Volk verbannt,
Das seinen Meister je verkannt!


Das Leben ein Tanz
Zum 27. September 1849*

Wien, du Hauptstadt der Phäaken,
Sprich, was bist du so verwandelt?
Einöd' ist dein Wurstelprater,
Wie dein neues Karltheater.

Und dein "Spaß", der allberühmte,
Klingt von keiner Lippe wieder,
Scholz und Nestroy, deine Liebling',
Zwingen dir kein Lächeln ab mehr.

Ernsthaft schreiten meine Wiener,
Sitzen ernsthaft selbst im Bierhaus:
"Lloyd" und "Presse" in der Hand,
Nippen sie kaum aus dem Glase.

Ei, du altes, dickes Wien,
Fallstaff du der deutschen Städte,
Muntrer, sorgenloser Schlemmer,
Viel beneidet von den Andern —

*Am Begräbnistage des Walzerkomponisten Strauß.

Sag', was hat dich so verwandelt?
Sag', was ist aus dir geworden?
Und was soll aus dir noch werden.
Wenn du fortfährst, so zu maulen?

Sieh, das waren schöne Zeiten,
Als du noch voll Unschuld lasest
Bäuerle's Theaterzeitung,
Und der Müller applaudiertest.

Selig pochte dir das Herzchen,
Wenn das Blatt mit grünem Umschlag
Dir in's Haus geschmuggelt ward,
Die "Grenzboten" — weißt? Aus Leipzig.

Und wie munter war's im Gasthaus!
Damals tatst du rasche Züge,
Und schlugst herzhaft auf den Tisch:
"Anders muß es werden!" riefst du.

"Und Reformen müssen kommen!
Und die alten Herren sollen
Uns nicht länger eujonieren,
Oder — Kellner, noch ein Seidel!" —

Nun, jetzt ist ja Alles anders,
Die Reformen sind gekommen.
Statt der alten Herren neue,
Was dein Herz verlangt — und mehr.

Scheint's doch fast, als wär' das Neue
Dir zu viel, das Alte besser.
Wo du lebtest seligfroh, halb
Kinderspiel', bald — nichts im Herzen.

Arme Menschlein, die nicht wissen.
Was sie wünschen, die nicht wünschen.
Was sie sollen, und für die ein
Andrer wollen muß und handeln.

Menschen brauchen Leiter, Führer,
Und die Führer sind gar selten;
Doch das gute, alte Wien
Hatte einen prächt'gen Leiter.

Strauß mit seiner Zaubergeige
Führte sie zu Sang und Tanze,
Strauß mit seiner Wienergeige
In Paris berühmt und London.

Übern Ozean hinüber
Klangen seine stürm'schen Walzer,
Lockend die erwünschten Dollars
Aus der Yankees schwerem Geldsack.

"Das ist Strauß, das ist der Wiener,
Das ist Wien", so hieß die Losung,
Und man konnte Wien nicht denken
Ohne Strauß und ohne Sperl!

Armes Wien! Die Götter haben
Dich nicht lieb mehr, denn sie nahmen
Dir dein Liebstes — deinen Strauß,
Deinen letzten Trost und Ruhm.

Recht ist's, daß die Straßen wimmeln,
Daß die Trauerglocken tönen,
Daß die Kunstgenossen klagend
Ihres Meisters Hülle tragen.

Was da singt und klingt und springt,
Alle harmlosfreud'ge Lust,
Heute fördern wir's zur Ruh, heut
Wird das alte Wien begraben.

Schmückt den Hügel, der es birgt,
Immer frisch mit Blumenkränzen,
Und das holde Wort: "Das Leben
Ein Tanz!" zeichnet auf das Denkmal.

Ja, das Leben ist ein Tanz!
Und ein Waffentanz mitunter,
Und ein Totentanz bisweilen —
Ein Charaktertanz gar selten.

Altes Wien, dir war's ein Walzer,
Der zuletzt im tollen Rasen
Bis zum Veitstanz umgeschlagen —
Und jetzt liegst du da, ermattet!

Aber frischen Mut und sammle
Deine Kräfte! mit dem Hopsen
Ist es freilich jetzt vorüber —
Neuen Kunsttanz mußt du lernen.

Doch nicht vor der Bundeslade,
Vor dem goldnen Kalb nicht sollst du
Mit den Börseleuten springen —
Pfui, das würde dir nicht ziemen!

Nein! Der neue Tanz ist ernsthaft.
Eine Gattung Eiertanzes,
Daß du nimmermehr zertretest
Junger Freiheit erste Saaten.

Knüpfe feierlich den Reigen
Hand in Hand mit allen Besten,
Und in edlen Gruppen suchet
Euch harmonisch zu bewegen.

Keine niedrige Gebärde
Darf der neue Tänzer zeigen;
Hat er erst die rechte Haltung,
Takt und Tempo wird sich finden.

Viele Mühe braucht's und Übung,
Sich die Schritte anzueignen,
Und daß Einer tanzen könne,
Muß er erstlich — gehen lernen.

Doch ein Kind mit Gottes Hilfe
Lernt wohl gehen, endlich laufen,
Bis es sich im Festestanze
Herrlich, rhythmisch-frei bewegt!

Neues Wien, drum fasse Muth!
Laß dich aus dem Kreis nicht schleudern,
Bloß um zuzuschauen, wie
Die "Dreikönigstänzer" meinen.

Nichts da! Du gehörst zum Ganzen,
Ohne dich war' eine Lücke,
Und du sollst mir noch, das schwör' ich,
Ehrlich deinen Deutschen tanzen!

Reaktion
1850

Lag Einer im Fieber und träumte schwer —
Kam gleich ein gelehrter Doktor her,
Der gab ihm Mittel und trieb den Schweiß,
Und reagierte auf Kopf und St —;
Bald war vorbei das Delirium,
Der Kranke schlug nicht mehr herum,
Lag ruhig da und atmet' kaum.
Es wich das Übel, es wich der Traum,
Stolz saß der Doktor am Krankenbett,
Es dankten ihm Alle um die Wett'; —
Der Patient im süßen Frieden
Indessen war aus Schwäche verschieden.

Der Missionar

Mitten unter wilden Völkern
Hielt er mutig eine Rede,
Wie so schlecht und unmoralisch
Das Geschäft des Menschenfressens,
Und sie hören zu, aufmerksam.
Und zum Schlusse sagt ein Wilder,
Naß das Auge, tief gerührt:
"Kann's nicht lassen — schmeckt zu gut!"

Proletariers Unmut

Wie die Reichen mich verdrießen.
Die den Mammon, den ererbten,
Unbarmherzig frech genießen,
Die Selbstsüchtigen, Verderbten. —

Also ärgern mich die kleinen
Bürger, die sich müh'n und plagen,
Und vergnügt, zufrieden scheinen,
Wenn sie just sich durchgeschlagen.

Und die Leute mit Talenten,
Sogenannte Literaten,
Die bei ihren Geistesrenten
Gar nicht übel sind beraten —

Die mit Armut kokettieren,
Diese Kecken, diese Dreisten,
Die sich lassen honorieren.
Diese ärgern mich am meisten.

Brauchen wir die Talentierten,
Die an Adels Stelle treten?
Oder auch die Deputierten
Mit den ewigen Diäten?

Ich bin Mensch und weiter gar nichts,
Menschenwürde muß man ehren;
Ich besitze nichts und spar' nichts,
Darum soll man mich ernähren.

Arbeit scheu' ich, das versteht sich!
Ordnung mag ein Andrer loben!
Doch Geduld — die Welt, sie dreht sich,
Und wir kommen noch nach oben.

Ist der Kommunismus fertig,
Freut euch dann, Aristokraten!
Seid des Schlimmsten nur gewärtig,
Reiche, Krämer, Literaten!

Zahme Barbarei

Perikles und die Medicis
Waren große Männer gewiß:
Sie führten's Volk an der Nase fein,
Genaseführt will's immer sein;
Sie legten's an Ketten, doch von Rosen,
Und schufen dabei im Ganzen, Großen;
Da herrschten Schönheit, Kunst und Ruhm
Wir haben nichts als Beamtentum,
Und Eisenbahn, Gendarmerie,
Kein bisschen Feuer der Phantasie!
Kein Werk, kein leuchtender Gedanke
Durchbricht des Daseins hölzerne Schranke;
Es fehlt die Dichtung, fehlt der Glauben
Bloß Kammerreden und Pickelhauben!
Ein Leben, weder schön noch frei —
's ist eine zahme Barbarei!

Genesis der Revolution
Tractatus historico — politicus in nuce

Raubritters Söhn' — man nennt sie Ständ', —
Die haben zuerst sich aufgelehnt;
Hofräte setzten sich zur Wehr,
Und Aktenstaub flog hin und her.
Kam drauf die kecke Jugend frisch
Und schmiß die Akten unter'n Tisch,
Zerbrach auch einige Fensterscheiben —
Im Ganzen war's ein lustig Treiben.
So ward befreit das Volk, der Thron —
Man heißt das: Konstitution;
Volkswehr und Preßfreiheit dabei,
Verbrüderung und noch Allerlei!
Da setzten in geschäft'ger Regung
Die Gänsekiel' sich in Bewegung,
Und tunkten ohne Unterlaß
In's demokratische Tintenfaß.
Und derbe Fäuste mit Stang' und Spieß
Die wachten über die Freiheit süß;
Durch die weiten Lande ein Jubel groß,
Die Stände krochen in's Ahnenschloß;
Die Hofrät' nahmen Urlaub fein
Und strichen ihre Besoldung ein;
Die Proletarier, nicht faul,
Steckten, was ihnen vorkam, in's Maul;
Der Klerus schwieg und schien verlegen,
Und predigte damals nicht dagegen.

Indes regierte, man wußt' nicht, wer,
Und wo der Koch und Kellner wär':
Ein Jeder verlangte, man wußt' nicht was,
Warf Einer auf den Andern Haß;
Das Ding ging weiter, man wußt' nicht wie,
Hieß demokratische Monarchie.
Das Durcheinander war recht artig —
Doch allzu scharf macht eben schartig;
Und kam just die Armee nach Haus,
Da war der ganze Jubel aus,
Bald gab's ein Ministerium kräftig,
Das macht Gesetze, vielgeschäftig;
An Ruh' und Ordnung es nicht fehlt,
Doch leider sehr an barem Geld;
Dafür wird viel organisiert,
Und auch der Jud' emanzipiert.
Ernannt der Rat und Sekretär
Das ganze liebe lange Jahr.

Drum, wer nicht allzusehr beschwert ist,
Wer nicht erschossen und eingesperrt ist,
Der sucht ein Ämtchen zu erhaschen.
Und füllt so gut er kann die Taschen;
Und über Nacht, das geht gar schnell,
Wird Jeder konstitutionell.
Und so bekommt noch seinen Lohn,
Der erst gemacht Rebellion
(Jetzt träumt er von Pairien schon),
Raubritters edler, reuiger Sohn —
Das ist die Genesis der Revolution.

Hat Einer drüber ein Buch geschrieben
's wär' besser in der Feder blieben.


Die Kriegslustigen
Leitender Artikel in Versen
Oktober 1850

Überall, wohin ich blicke,
Herrscht ein ekler Katzenjammer;
Einheit suchten wir und haben
Selber uns verloren, scheint es.

Im politischen Prozesse
Ist als Niederschlag geblieben
Ein verwünschter Dualismus,
Der im Schimpfen jetzt sich Luft macht.

Aber soll's denn also bleiben?
Soll der Franke, soll der Brite
Über uns in's Fäustchen lachen,
Während wir die Faust uns zeigen?

Saget nicht: "Das sind nur Worte!
Laßt sie in Journalen schimpfen!" —
Irrtum, Freunde! Schimpf ist Schande,
Und von Worten kommt's zu Taten.

Freunde, die sich erst zerzanken.
Werden Feinde, bitterböse;
Braucht der Nachbar nur zu schüren,
Und die Flamme schlägt beim Dach aus.

Aber kommt ein kluger Mann,
Der die Welt kennt und die Menschen,
Und die früheren Geschicke
Seines Vaterlands im Aug' hat,

Und er spricht ein kluges Wort,
Und das Wort zur rechten Zeit —
Trägt er leicht sein Scherflein bei,
Daß die Gegner sich verstehen.

Drum so lass' den Mann ich sprechen.
Sagt, wer seid Ihr? — "Ich? Ein Preuße."
Nun, und du? — "Ein Österreicher."
Beide deutsch? – "Ich bin's." – "Ich weiß nit."

Aber beide sprecht ihr deutsch doch?
"Ich das schönste Deutsch, so mein' ich." —
"Nun, ich red', so gut ich's kann halt." —
Ei, mehr kann man nicht verlangen!

Also Brüder Eines Stammes,
Einer Mutter, deren schönes
Reiches Erbteil ihr verwaltet,
Lebt ihr brüderlich, im Frieden?

"Brüder? Ja — das heißt! — der drüben
An der Donau, an der Save,
An der Moldau — und wo sonst noch?
Hat schon seine Herren Brüder —

Und die sind von vielen Vätern,
Auch von etwas plumpen Sitten;
Ich bin fein und hochgebildet.
Und bin reines deutsches Vollblut." —

"Schau', du wirst mich wieder ärgern",
Sagt der Andre, Fäuste ballend
Und mit rascher Röt' im Antlitz;
"Schwatzen kann ich nicht wie du,

Und man hat mich in der Jugend
Leider wenig lernen lassen." —
"Und doch willst du mich beherrschen?"
Höhnt der Erste, achselzuckend.

"Weil ich älter bin als du!" —
"Jahre geben nicht die Weisheit." —
"Weil ich stärker bin als du." —
"Durch die fremden Herren Brüder?" —

"Ei, die fehlen dir wohl auch nicht!"
Meint der Andre, pfiffig lächelnd. —
"Und sie brachten, was dir schmeckte:
Jene Fetzen dort von Polen." —

"Kurz, ich lasse mir von dir
Nicht befehlen — damit Punktum!"
Unterbricht ihn rasch der Erste,
Und der Andre steht verblüfft.

Aber Groll im Herzen Beide,
Blicken sie mit scheelem Auge
Jeder auf des Andern Einfluß,
Und sie scheiden — ernst und wortlos.

Was sich fern bleibt, wird sich fremde;
Wo das Wort nicht mehr lebendig
Tönt, da greift man zu der Feder,
Und es gibt gar schlimme Federn!

Jene Brüder, Gegner worden,
Werden nicht des Schreibens müde;
Ihre Sekretär' ergehn sich
In unendlich langen Noten.

Ängstlich harren die Verwandten,
Die Familie, die Freunde;
Denn wo erst die Häupter hadern,
Blüht dem ganzen Haus kein Segen.

Das verdrießt den guten Mittler,
Jenen klugen Mann, der gern ein
Kluges Wort zur rechten Zeit sprach,
Und sein Sinn wird ernst und traurig.

Denn er blickt in nahe Zukunft,
Und die Bilder längst vergangner
Trüber Zeiten scheinen da sich
Blutig wild zu wiederholen.

Und das drückt dem Mann das Herz ab,
Worte helfen wenig, denkt er,
Doch ein letztes Wort ist Pflicht — und
Also spricht er zu den Gegnern:

"Daß ihr Brüder seid, ihr habt es
Eingestanden; daß ihr deutsch sprecht.
Wenn auch im Akzent verschieden,
Hat mein Ohr mit Lust vernommen.

Daß ihr euch zum ew'gen Bunde —
's ist nicht lange her — vereintet.
Als es galt dem Weltdespoten,
Dran erinnern mich die Narben

Unsrer Väter, unsrer Freunde,
Die sie stolz den Kindern weisen;
Dran erinnern mich die Schriften,
Die euch binden, die Verträge.

Doch ihr meint ja, die Gefahr
Sei vorüber jetzt; drum könne
Jeder seine Straße wandeln,
Unbekümmert um den Andern.

Und ist's nur Gefahr, was bindet?
Nicht der Frieden auch, der Segen
Reichen, tiefen Geisteslebens,
Der Verwandte macht zu Freunden?

Haben euch die letzten Zeiten
Keine Wunden denn geschlagen?
Besser wär' es, sie zu heilen,
Als nach neuen zu verlangen.

Habt ihr denn in euern Landen
Keine Steppen zu bebauen?
Ist denn euer Handel gar so
Blühend, gar so weltbeherrschend?

Sind denn eure Schulen Muster
Für den Fremden schon geworden?
Strotzt der Säckel euch von Golde,
Daß ihr's nur verschleudern dürftet?

Ist der neue Staat schon fertig,
Den zu bauen ihr versprochen?
Oder wollt ihr, lahmen Geistes,
Rückwärts wandeln in den alten?

Nichts von alledem — so fürcht' ich;
Nichts von alledem — so hoff' ich.
Und doch grollt ihr Eins dem Andern,
Und doch hemmt ihr Eins das Andre!

Euer Zwist — er gilt der Herrschaft.
Was ist Herrschaft? Mäßigung;
Die Gerechtigkeit, die Weisheit —
Nimmer herrschet, wem die fehlen!

Wie ihr euch gebärdet, find' ich
Diese Tugenden bei Keinem;
Große Herren wollt ihr spielen,
Doch hier gilt es: Große Männer.

Ist's nicht anders, nun so sei's denn!
Teilt die Herrschaft — doch im Frieden!
Wahrt des Volkes heil'ge Rechte,
Eintracht haltend miteinander.

Teilt die Herrschaft — mit der Weisheit,
Mit der Ehrlichkeit; ich meine:
Zwei, die ehrlich sind, die können
Miteinander auch regieren.

Aber denkt: es rollt die Stunde
Unaufhaltsam durch den Tag;
Wer die gute sich versäumte,
Jenem wird die böse schlagen.

Drum, ihr Herrscher meines Volkes,
Achtet seiner großen Sendung!
Wahrlich, deine Zeit ist kommen —
Drum, mein Volk, benutze sie!

Denn wenn einmal noch ihr Schwert, wie
In den Tagen deiner Schmach,
Wegen ihre eignen Busen
Deine Brüder sollten kehren —

Dann bist du verloren, dann
Such' den Herrn dir in der Fremde —
Deiner nächsten Spaltung harrt er
Hier im Westen, dort im Osten!

Und dein Namen wird verschwinden,
Und du selber wirst verwehn.
Ein Gespenst, ein leerer Schatten,
Und du bist ein Volk — g e w e s e n!"

Also mahnt der gute Mittler;
Doch er fürchtet sehr, es werden
Nicht die Völker, nicht die Fürsten
Sich an seine Warnung kehren.

Franz Schubert
1851

Dank' Gott, daß du gestorben bist!
Dein Ruhm ist dir gewiß,
Seit dich gelobt der berühmte List
Und das leichtsinnige Paris,
Ein echter Wiener — und ein Genie!
Es staunt das ganze Land;
Die Wiener selbst erfuhren's nie,
Als nur aus dritter Hand.

Dank' Gott, daß du gestorben bist!
Du hätt'st es nicht weit gebracht;
Sie hätten dich nicht in Lebensfrist
Zum Hofkapellmeister gemacht.

Feuilleton

Es hat mich da Einer herunter gemacht,
Weil ich das Französische lobte,
Und weil ich mit keinem Lobe bedacht
Das vaterländisch Erprobte.

Mein Gott, der Eine lobt die Kuh,
Der Andre lobt die Kälber,
Der Dritte noch den Ochsen dazu,
Ein Vierter lobt sich selber.

Das deutsche Theater lobesan,
Es greift ja in fremde Taschen,
Und wenn ich's vom Urquell schöpfen kann,
Was brauch' ich euere Flaschen?

Den deutschen Heine halt' ich hoch.
Die fränk'sche Rachel nicht minder;
Wo kein Genie ist, da bleibt ein Loch —
Bedenkt das, liebe Kinder.

Romancero

                     I.
Daß der Herr sich dein erbarme!
Du bist fromm geworden gar;
Wirfst dich in Jehova's Arme,
Du, der Hegel's Schüler war.

Fromm sein — treffliche Bescherung!
Reue, Buße, inn'res Licht;
Doch es glaubt an die Bekehrung
Jener alte Zorngott nicht.

Zwischen Rosen, mit dem Becher,
Lag der Greis Anakreon,
Und die Seele schwebt dem Zecher
Mit dem letzten Zug davon.

Deine Rosen sind verblichen
Und ein Zecher warst du nie,
Armer mit den Dornenstichen,
Heiland du der Poesie!

Nimmer beugt der Schmerz dich nieder,
Noch die Qual der trüben Zeiten;
Gott des Spottes, Gott der Lieder,
Schlägst du sterbend in die Saiten.

Gerne tauschten wir Gesunden
Mit dem armen kranken Heine;
Denn mit allen Schmerzenswunden
Bist du noch der einzig Eine!

                     II.
Die Heiligen sind dir ein Graus
Mit ihren gebändigten Trieben —
Genier' dich nicht, sag's nur heraus:
Du bist ein Heide geblieben.

Gern liefest du in's muntre Haus,
Gern möchtest lachen und lieben —
Genier' dich nicht, sag's nur heraus:
Du bist ein Schalk geblieben.

Du gibst uns fetten Gedankenschmaus,
Die Witzesfunken stieben —
Geniert euch nicht, sagt's nur heraus:
Er ist ein Dichter geblieben!

                     III.
Doch sag' ich Eins, das Andre auch
Darf nicht verschwiegen bleiben:
Du neigest dich — ein schlimmer Brauch!
Maßlosem Übertreiben.

Und nicht in keckem Jugendmut
Verhöhnst du Helden und Götter —
Dein Zorn hat was von Fieberglut,
Du bist ein kranker Spötter.

Dein halbes Buch ist krank und voll
Von deinen irdischen Plagen —
Doch die gesunde Hälfte soll
Dich zu den Sternen tragen!