weiter
 

Poetisches Tagebuch II.
 


Der Eine treibt's,
Der Andre schreibt's.
So leben wir ein Jeder:
Der von der Gans, Der von der Feder.

Wann ich am glücklichsten gewesen?
Beim Schreiben oder Lesen.

Ihr habt recht: es ist ein Dichter
Nicht zu brauchen zu Geschäften;
Jedes Amt will ihn vereinzeln,
Und er lebt mit allen Kräften.

Tönen nicht mehr deine Lieder?
Ei, ein Andrer spielt die Geige!
Kommst du später einmal wieder,
Ist der Beifall auf der Neige.

Gebt euch mit Versen keine Müh',
Hübsch breit und platt ist uns weit lieber;
Dann ist's die populäre Poesie,
Die auch versteht ein Karrenschieber.

Der Glückliche ist objektiv.
Der Unbeglückte subjektiv;
Der Künstler, der ist beides:
Er hat genug der Lust, des Leides.

Neulich spielten wir das Spiel:
Mit den Kartenblättern rauschen; —
Fast wär's ein begehrlich Ziel,
Poesie mit Glück vertauschen!

Ward euch von Achilles' Speer die Kunde?
So ist's mit der Poesie:
Jede tiefe Herzenswunde,
Die sie schlägt, die heilet sie.

Wer ist größer: Schiller? Goethe? —
Wie man nur so mäkeln mag!
Himmlisch ist die Morgenröte,
Himmlisch ist der helle Tag!

Wie deutsch der alte Goethe war,
Das werden die Deutschen erfahren,
Wenn sie erst Deutsche geworden sind
Nach einigen hundert Jahren.

Wenn Börne über Goethe schimpft,
Er tut's in seinem Glauben;
Doch wenn Herr M * * * die Nase rümpft,
Der darf sich's nicht erlauben.

Gern mach' ich meine Reverenz
Nachträglich unserm wackern David Strauß;
Stets unbegreiflich schien mir Shakespeares  E x i s t e n z
Mit einer Shakespeare-M y t h e  komm' ich d'raus.

Was hilft mich die Antigone
Und Sommernachtstraumgaukeln!
Die alten Kinder wollen sich
Auf hölzernen Pferdchen schaukeln.

Was sagst du zu Herrn Ludwigs Versen?
Du stehst schon da mit krit'schem Messer! —
Nicht doch! Für einen König sind sie gut —
Ein Kaiser machte sie nicht besser.

Was ist's nur mit dem Theater?
Es kommt ja nichts vom Fleck!
Thespis, dem alten Vater,
Steckt der Karren im Dr—.

Es gibt keine Bühnenkünstler mehr!
So hört man klagen von Vielen;
Und wenn ein Jeder ein Garrick wär',
Was sollten sie denn spielen?

Das ist der Zeiten Stempel:
Wohin du blickst, nur blauer Dunst!
Sie baun Theater und Gottestempel,
Und fehlt der Glaube, fehlt die Kunst.

Was soll der tolle Firlefanz?
Ihr nennt's den Geist des Briten?
Es ist der deutsche Pegasus,
Shakespearisch zugeritten.

Doch das wackre Roß aus Holstein —
So behaupten alle Kenner —
Wird, wie man es auch dressiere,
Nie ein engländ'scher Renner.

Ja, die Sänger und die Mimen
Die erhalten höchste Ehre,
Als ob Cäsar auf der Bühne
Über dem im Leben wäre.

"Ein schönes Stück!" — "Ein schlechtes Stück!"
Das ist doch die vernünftigste Kritik!

Victor Hugo ist abgestorben,
Und Alexander Dumas auch;
Sie malten nur die Welt verdorben,
Die Poesie war Todeshauch.

Das  S c h a f f e n  einzig bringt Gewinn,
Was nützt das wärmste Fühlen?
Wenn ich ein junger Romeo  b i n,
Ich kann ihn drum nicht  s p i e l e n.

Ei, sagt in Himmels Namen,
Wo die Kritik ihr sucht?
Es liegt die Frucht im Samen,
Der Samen in der Frucht.

Nach allen Zeichen
Wirst du dein Ziel erreichen;
Dir lacht der Muse Huld,
Wenn sich die Haare bleichen —
Darum Geduld, Geduld!
Du mußt nur hübsch beständig bleiben;
Bald lernst du: Ungeduld
In schönster Ruhe schreiben.

Ich bin ein Maler und kann nicht malen.
Ein Musikant und kann nicht singen;
Gestalten, die vor'm Auge springen.
Und Töne, die im Innern klingen,
Muß Alles nur mit Versen zahlen.

Gebt mir eine Masse grob und schwer,
Ich hau' euch d'raus eine Statue hehr;
Doch Sand und Kies ist nicht zu brauchen,
In Quark läßt sich kein Leben hauchen.

Was ich vermag, das will ich geben,
Ein Schelm, der mehr singt als er kann;
Ein Jeder findet nur im Leben
Was er in's Leben bringen kann.

Der malt einen Amor, der ein Schwein
Ich lasse beides gelten;
Doch wer dem Schweinchen Flügel leiht,
Den Gott gerüsselt konterfeit,
Den muß ich schelten.

Er wird nie populär
Unter den Leuten. —
Wie's denn auch möglich wär'!
Er schreibt nur für die Gescheiten.

Ob groß, ob klein — drauf kommt's nicht an!
Mach' etwas fertig, fang wieder an.

Bald ahmst du Goethe, bald Heine nach
Was ist das für Geklimper! —
Wir gehn so Einer dem Andern nach.
Wir sind eben Alle Stümper.

Zwischen Glück und zwischen Plage
Magst du deine Lieder dichten,
Gleich entfernt von Rausch und Klage,
Von Entzücken und Vernichten.

Ich schreib' nur immer, was mich freut,
Auf Blättchen lose und zerstreut;
Und freuen sich die Andern drüber,
Wird mir's noch zweimal lieber.

Ich weiß, ich bin nur Dilettant
Und leider kein Genie;
Und bleib' ich dunkel und unbekannt,
Brauch' ich doch keine Koterie.

Da ist die Leiter,
Jetzt steige weiter! —
Ei, laß mich auf dem Boden bleiben,
Betrachtend, wie's die Andern treiben.

Auch wie sie getrieben werden
Die literarischen Herden.

Akademie der Wissenschaft —
Das geht in's Weite;
Doch wenn ihr wenig wißt und schafft,
Laßt mich bei Seite.

Wie sie Bänd' auf Bände schmieren
Daß sie nicht die Lust verlieren!

Pfui, das ist ein politischer Dichter! —
Was fällt euch ein, ihr strengen Richter!
Das Menschenleben will er malen,
Die derbe Wirklichkeit,
Drum graut ihm vor dem Idealen —
Er lebt in einer harten Zeit!

Von Tausenden, die lesen,
Ist Einer, der's versteht
Und mit dem Dichter geht —
Doch so ist's immer gewesen!

Nun wär's gedichtet, wär's geschrieben
Das Beste ist in der Feder blieben.

Sprecht ihr von Wissenschaft — ihr meint die Chemie!
So wie die Engeländer;
Doch einzig nur Philosophie
Schlägt um das Maß die festen Bänder.

Unsinn reden — mag erlaubt sein;
Unsinn schreiben — muß geglaubt sein;
Unsinn bauen — ist ungeheuer!
Noch der Enkel zahlt das teuer.

Sonst unter den Fürsten und Mäzenen
Entstanden Bilder und Marmorgruppen;
Unsere Herrn von Gottes Gnaden
Kochen nichts als Bettelsuppen.

Und wenn sie einen Dichter begünstigen,
So ist's gewiß von den klein-winzigen.

Sie geben Orden und Medaillen,
Das kostet nichts — man hat auch nichts davon.

Das junge Deutschland konnte nie
Einen klingenden Vers gestalten;
Sie nannten sich die junge Poesie,
Und waren älter als die Alten.

Die Zeit ist bitter, scharf und kantig —
Was soll mir eure süßliche Romantik!

Romantisch war's immer,
Auch im Altertum!
Nie kannten so gut wie wir:
Liebe und Ruhm.

Aber schmachten wollten sie nicht
Erst lange miteinander;
Zu Danaë flog Jupiter,
Zu Hero schwamm Leander.

Als ich jung war, schämt' ich mich vor'n Leuten,
Begeistert zu sein;
Nun ich alt're, komm' ich nicht mehr so recht
In die Begeisterung hinein.

Wer nicht eine süße Torheit hegt,
Sie höher hält als Amt und Pflicht,
Wer niemals exzentrisch sich bewegt,
Der wird sein Lebtag ein Dichter nicht.

Füllt nur frischweg den Meßkatalog!
Man schreibt nicht für die Wilden;
Die Aufgabe bleibt immer noch,
Die Gebildeten zu bilden.

Wie schafft man sich ein Publikum? —
Nicht lange gefragt!
Wenn man durch ein halbes Säkulum
Immer dasselbe sagt.