An einen Freund der Romantik
1842
Per aspera ad astra!
Wie sich der Erdball rund bewegt.
So ist ein alter Trieb gelegt
Auch in der Erde Kinder:
Sie tummeln sich nicht minder.
Zu Haus hat Keiner just genug,
So machen sie den weiten Sprung
Von Norden bis nach Süden,
Besuchen ohne Müden
Den Nachbar hier, den Nachbar dort —
Und Einer treibt den Andern fort;
Und weil sie sich besuchten
Zuerst mit schweren Wuchten
Von Prügeln in den Händen,
So konnt' es gut nicht enden.
Denn wie sie sich erblicken
Von weitem mit Entzücken,
So halt sie auch sein Zügel;
Sie rennen mit dem Prügel,
Recht sehnsuchtsvoll gestreckt voraus,
Auf gute Nachbarn und ihr Haus;
Die recken denn entgegen
Begierig ihre Degen,
Füllhörnern zu vergleichen,
Sich früher zu erreichen —
Dabei die guten Tröpfe
Zerschmeißen sich die Köpfe.
Und heißa! Immer weiter ging's,
Die zogen rechts, die zogen links,
Jagt' Einer fort den Andern:
Man hieß es V ö l k e r w a n d e r n. —
Ein alter Trieb bleibt sich getreu:
Ein alter Trieb ist immer neu;
So treibt's die Menschenkinder
Auch heutzutag nicht minder.
Doch sind die wilden Horden
Gesittet' Staaten worden,
Und nicht mit Prügel, Hieb und Stoß
Purzeln sie aufeinander los;
Sich innig zu erfassen
Im Großen und in Massen,
Verbinden sie die Länder
Zuerst durch Eisenbänder;
Und so zum großen Völkerbund
Gestaltet sich der Erdball rund,
Und nicht zum Streit — zum Feste
Vereinen sich die Gäste.
Und zu dem großen Völkerfest
Bringt Jeder mit sein Allerbest',
Ein jedes Land sein Eigen,
Es liebend vorzuzeigen,
Und Fremdes zu beachten,
Es freundlich zu betrachten:
Der Kaufmann seine Ware,
Daß ihren Wert erfahre
Ein Jeder um die Wette,
Der Künstler die Palette,
Der Dichter seine Dichtung,
Der Weise seine Richtung.
Es geht Ein Volk zum andern —
Ein geistig Völkerwandern —
Ein Wandern, nicht nach Zonen;
Es wandern Nationen,
Und nicht, sich tot zu hetzen,
Sie wandern nach Gesetzen;
Die Sitte hält im Zügel:
Da braucht es keine Prügel.
Nun Freund, mein Lieber, Alter,
Willst du das Mittelalter
Denn wirklich wieder haben?
Sieh' hin: es liegt begraben'
Es hört nicht deinem Rufe,
Es war nur eine Stufe.
Drum laß die Herrlichkeiten,
Die Ritter und die Fahnen,
Und laß uns fürder schreiten:
Es geht auf neuen Bahnen.
Und sorge nicht, es werde
Verdorren rings die Erde;
Die Erd' ist immer jung,
Hat Trieb, Begeisterung,
Es mag dich wohl ergreifen,
Wenn Blüten ab sich streifen;
Wer läßt den Frühling gern?
Bald aber hängen dichte
Die vollen, saft'gen Früchte,
Mich lüstet nach dem Kern.
Der Kern ist der G e d a n k e,
Der jede alte Schranke
Mit Mut und Kraft durchbricht;
Was ist, das ist das Rechte,
Zum Guten führt das Schlechte,
Die Dämmerung zum Licht!
Weihnacht
1842
Gekommen ist nach Jahresfrist
Nun wiederum der heil'ge Christ;
Wie lockt es uns, voll Andacht und Vertrauen
Nach der verhängten Tür zu schauen,
Und zu erwarten ahnungsschüchtern
Das Heil der Welt von bunten Lichtern!
Wie neiden wir's dem holden Knaben,
Dem Christ beschert viel süße Gaben —
Doch ach! in unser Herz dringt nicht der Schein
Der Christnacht, ihre Gabe nicht hinein;
Wir fühlen, sagen's auch: erlöset sei die Welt —
Die Wahrheit lebt, allein der Glaube fehlt.
Wo aber ist er hingeschwunden,
Für den der Väter Blut geflossen,
Für den die Edlen sich verbunden,
Der Wahrheit hohe Kampfgenossen?
Hat Ulrich Hutten für ein Spiel,
Hat Luther um ein Nichts gestritten?
Wer immer öffentlich und — still gelitten,
War's nicht für schöner Menschheit Ziel?
War's nicht — dann tretet lieber in die Hallen
Der alten Heidengötter wieder ein;
Apoll und Venus werden stets gefallen,
Merkur lebt ohnehin in eures Herzens Schrein.
O, wie schöner war die Erde,
Als noch König Admet's Herde
Weidete der heitre Gott,
Helios die Sonnenpferde
Lenkt' um's erste Morgenrot!
Als der mächtige Chronide
Zu der Erde Töchtern stieg,
Maja's Sohn des Herren Gänge
Der Gebieterin verschwieg;
Als aus Wellenschaum des Meeres
Venus und Tritonen sprangen,
Und die Musen auf den Höhen
Helikon's die Lieder sangen.
Preisgedichte waren damals,
Nur Journale nicht erfunden,
Und es ward, wo Phöbus siegte,
Marsyas mit Recht geschunden.
Daphnen folgt der Gott der Dichter
Liebevoll die Brust, die warme,
Und es wandeln sich in Lorbeer
Des verfolgten Mädchens Arme.
Und da stand im heitern Haine
Jener Baum, so zart belaubt:
Und der Gott schlang sich die Zweige
Ew'ger Sehnsucht um das Haupt.
Tiere, Pflanzen, Steine lebten,
Und in allen war ein Gott,
Bis der Ruf erklang prophetisch:
"W e h' d e r g r o ß e P a n i s t t o t!" —
Der große Pan ist tot — ist tot,
Und soll gestorben sein,
Der große Pan ist Puppe nur,
Der große Pan ist die N a t u r:
Der alten Götter Widerschein.
Die Hülle fiel, die Puppe sank,
Und leichte Chrysaliden zogen,
Und hellbeschwingte Englein flogen,
Dem Herren singend Preis und Dank.
Das Wort der Liebe ward verkündet,
Das Wort der Freiheit und des Lichts,
Das Wort, das Gott und Mensch verbündet:
Die Götter sanken in ihr Nichts;
Zerbrochen ist des Leibes Schranke,
Und göttlich nur ist — der G e d a n k e!
Dichters Träume sind vorüber,
Die nur Götter sahn und Helden;
Unsre Zeiten wollen lieber
Von den echten M e n s c h e n melden.
Mit den alten Göttern sank
Auch die alte Sklaverei,
Liebe knüpft ein neues Band:
Mensch ist jeder jetzt und frei.
Mäßig hat Natur und leise
Uns zum schönen Ziel geleitet,
Neuen Trieb und neue Weise
Manch' Jahrhundert vorbereitet;
Und so stürzt der Schutt, die Schranke,
Baut sich auf ein neues Haus,
Und der göttliche Gedanke
Spricht sich in den V ö l k e r n aus.
Und wieder nach der Jahre Frist
Bringt süßen Gruß der heil'ge Christ;
Wir aber neiden nicht die Knaben
Um die Bescherung, um die Gaben,
Weil wir im Herzen Zuversicht
Und Lieb' und neuen Glauben haben:
In unserm Busen ward es Licht,
Der Zweifel ward uns weggenommen —
Ja, die Erlösung ist vollbracht!
Gott-Mensch ist auf die Welt gekommen
In reicher Herrlichkeit und Pracht,
Und täglich segnend sich erweist
Der Paraklet, der heil'ge Geist.
Satiriker
Es schrieb der Dichter Archilochos
Eine Satire gar bitter;
Darüber hängte sich Einer auf —
Es war ein griechischer Ritter.
"Archilochos, herzloser Mann",
So klagten des Ritters Genossen,
"Du hast des edlen Bürgers Tod
In deinem Griffel beschlossen.
"So Mancher strauchelt, so Mancher wankt
Soll man denn gleich ihn schlachten?
Du Tadler vielleicht hast Fehler genug,
Du mußt dich nur selber betrachten.
"Und hast du welche, so sei nicht faul,
Die eigenen zu bekennen;
Und hast du keine, so halt' das Maul —
Du kannst dir's leicht verbrennen."
Darauf der Dichter Archilochos
Zu des Ritters treuen Genossen —
Er wurde völlig sentimental,
Die Tränen herab ihm flossen: —
"O wackre Herrn, den reinen Wein
Habt ihr mir eingeschenket,
Ich sehe meine Fehler ein —
Schwer hab' ich den Ritter gekränket.
Doch liegt's einmal in meiner Natur,
Fremde Fehler aufzudecken;
Der Jagdhund folgt des Wildes Spur,
Und ist der Wildsäue Schrecken.
Und ist die Sau sonst fromm und gut,
Und ihrer Familie teuer,
Ein Raubtier bleibt sie am Ende doch,
Bekennt's der Wahrheit zur Steuer.
Zwar boshaft war mein Epigramm,
Doch habt ihr's gerne gelesen;
Jetzt klagt ihr um den edeln Mann,
Der Allen euch wert gewesen.
Geendet ist sein Lebenslauf,
Ihr Freunde treu und bieder!
Und hängen sich meine Feinde auf.
Ich habe nichts dawider."
Berg und Tal
Der Ritter haust auf dem Berge,
Der Pfaffe wohnt im Tal;
Der Ritter baut eine Feste,
Der Pfaff' ein Kloster zumal.
Der Ritter herrscht abgeschieden
In seinem Felsenhaus,
Er trinkt und hält Gelage
Und plündert den Wanderer aus.
Das Pfäfflein schlau macht urbar
Acker und Wiesengrund,
Läßt sich den Zehent entrichten —
Das ist dem Kloster gesund.
Dem Ritter wild und trutzig
Zürnt Kaiser bald und Reich,
Bedräut sein festes Raubnest
Mit manchem harten Streich.
Der Mönch indes hält Freundschaft
Mit Bürger und Bürgerrat;
Er spendet Seelenspeise,
Und pflegt der ird'schen Saat.
Die Feste ist längst zerfallen
Da droben in Schutt und Graus —
Im Tale breitet das Kloster
Sich fett und friedlich aus.
Der kranke Löwe
Es lag der gnädige Löwe krank —
In seiner Höhle war großer Stank.
Sich zu zerstreun, ließ seine Gnaden
Die Tiere zum Besuche laden.
Des Kämm'rers Ruf erging an drei:
An den Esel, den Bock und Fuchsen dabei;
Die hätten sich gern der Ehr' enthoben,
So ward der Esel vorgeschoben,
Der zitternd trat in die Höhle ein —
Da lag der König im Dämmerschein.
Der spricht, indem die heiße Gier
Aus seinem Feuerauge blinkt:
"Freund Baldwyn, sag', wie riecht es hier?" —
"Herr König", schnuppert der Esel, "es stinkt."
Das Eselein, der Wahrheit befließen,
Ward für sein keckes Wort zerrissen.
Kam drauf der Bock gehüpft, vor Graus
Stehn ihm die Augen beim Kopf heraus.
"Mein Böcklein, sprich, wie riecht es dir?" —
"Herr König, wie Bisam duftet's mir."
Der Schmeichler war nichts Bessres wert:
Ihm ward sein Innres herausgekehrt.
Nun kam der Fuchs auf leisen Sohlen,
Was wird Herr Reineke sich holen? —
"Mein guter Fuchs, du treue Seele,
Sprich doch, wie riecht's in meiner Höhle?"
Der Reinhard niest: "Ich kann's nicht sagen,
Mich tut ein arger Schnupfen plagen."
Der König schweigt, beißt in die Lippe,
Und reicht ihm eine Eselsrippe:
"Da nimm und iß, du kluger Mann,
Ich seh's, du bist kein heuriger Hase;
Wer den Geruch verleugnen kann,
Der hat die allerfeinste Nase."
Parabel
Ihr hörtet von dem Knaben fein,
Der tät' am Strande hangen.
Um in einer Nußschale klein
Das Weltmeer aufzufangen —
Auch blieben wirklich Tröpfelein
In seinem Schälchen hangen.
Drob klatscht der Knabe kindlich froh
In seine kleinen Händchen,
Weil's ihm gelungen, vom Weltmeer so
Zu gewinnen ein klein Prozentchen.
Doch mächtig braust der Ozean
In immer steigenden Wogen; —
Ich fürchte sehr, du kleiner Mann,
Samt deiner Nußschale lobesan,
Wirst noch hinabgezogen!
Spekulation
Die Spinne sah den Schmetterling
Aus seiner Puppe fliegen;
"Wie", rief sie, "ist das eitle Ding
Aus seinem Grab erstiegen?
Ich tu's ihm nach. Hinaus, hinaus!
Und über Tal und Hügel!
Ich spinne mir im stillen Haus
Wohl auch so bunte Flügel."
Sie sprach's, und spann, und spann und spann
Nach innerstem Gesetze,
Wie man's nicht besser spinnen kann,
Ein wunderkünstlich Netze.
Und manche Mücke fängt sich d'rein.
Doch mehr will nicht gelingen:
Die Netze, noch so zart und fein,
Sie werden keine Schwingen.
Künstlerlaunen
Poeten, Maler und Musikanten
Haben im Leben oft scharfe Kanten:
Der ist schwerfällig, jener flüchtig,
Eitel fast jeder und eigensüchtig;
Weltleute können genug nicht klagen,
Wie schwer mit Künstlern sich zu vertragen.
Ihr lieben Weltleute lobesan,
Seht doch die Dinge nur richtig an:
Das Hündlein schmeichelt und wedelt euch zu,
Das edle Roß steht in stolzer Ruh';
Es machen sich Sand und Kies gemein,
Tief bergen sich Gold und Edelgestein.
Wem immer Großes die Brust bewegt,
Wem sich's in Bildern und Tönen regt,
Der wandelt auf eines Gottes Spur,
Und haut im Leben wohl über die Schnur.
Doch ist er drum kein eitler Tor;
Denn zaubert er schöne Träum' euch vor,
So konnt' er das nur vollbringen, wißt,
Weil er anders eben als — Andre ist.
Das mögt ihr Weltleute denn bedenken,
Und einen Künstler ungern kränken;
Ihr Künstler aber hinwiederum,
Nehmt's euern Genossen auch nicht krumm:
Seid All' über Einen Kamm geschoren —
Es hat ein Jeder seinen Sporen.
Anti-Tierquälerverein
Vereinler:
(mit dem
Klingelbeutel)
Die Menschen sorgen für sich allein,
Sie halten Meetings, halten Reden —
Wer aber schützt die Schaf', die Schwein'?
O, helft den armen Quadrupeden!
Rechtsgelehrter:
Quid juris, allerbester Mann?
Mich brauchen sie mitnichten;
Die Bestien sprechen Rechte an.
Und haben keine Pflichten.
Geistlicher:
Vier Evangelisten haben wir,
Ein Jeder schützt sein eignes Tier;
Kommt Bileams Esel noch dazu —
Mit Andern lasset uns in Ruh'!
Staatsbeamter:
Finanz, Justiz und Polizei —
Zu viel! Die Kräfte mangeln mir!
Mein lieber Freund, ich sag' es frei:
Ich selbst bin ein gequältes Tier.
Hoher Adeliger:
Braucht ihr Namen und Wappen — ich geb's,
Das übrige wird sich finden;
Aber mit dem Bürgerplebs
Mag ich mich nicht verbinden.
Gutgesinnter:
Zu mancher Stiftung hab' ich schon
Mein kleines Scherflein beigetragen;
Ich schütze gern Altar und Thron —
Die Tiere, sind es keine hoh'n,
Die hab' ich nur im Magen.
Tierarzt:
Liefert sie in meine Hände,
Eure kranke Kreatur;
Ihre Leiden sind zu Ende
Mit dem Anfang meiner Kur.
Fresko-Sonett des Musikers
Was hilft das musikalische Geschnatter?
Das wilde Pauken- und Trombonenwetter?
Die magre Kunst, sie wird dabei nicht fetter,
Und unser armes Publikum nicht satter.
Preist dich ein musikalischer Gevatter,
Wirst deshalb doch der deutschen Kunst kein Retter;
Pfui, diesem theoretischen Geschmetter,
Indes die Praxis immer matt und matter.
Ja, einen "Freischütz" schreiben wär' nicht bitter,
Allein ich Ärmster stammle nur und stotter'
Und nicht ein Jeder schmiert auf's Brot die Butter.
In Kunst und Leben gibt's geborne Ritter —
Wenn's Einer worden ist, so danke Gott er
Denn nur von ihm hat er's und der Frau Mutter!
Heines "Neue Gedichte"
1844
"Der Heine ist so liederlich,
Der Heine ist so toll —
Sein Buch ist schlechter Verse
Und schlechter Gedanken voll.
Er schimpft über Alles, was heilig ist,
Stürzt Geister, die ewig galten;
Er spöttelt selbst über Jesu Christ,
Das ist nicht auszuhalten.
Wo ist der Dichter — ich find' ihn nicht —
Der aus den Reisebildern?
Ach, in dem gottlosen Paris
Da mußt' er ja verwildern!"
So sprachen die Philister zu mir,
So hört' ich's, lieber Heine;
So klagte das deutsche Zentralorgan,
Die Augsburger Allgemeine.
Da ward ich traurig und dachte mir,
Du sei'st doch wohl gealtert —
Dick bist du auch — und habest dich
Ausgesungen und ausgepsaltert.
Am Ende mußt' ich mich denn doch
Entschließen, dich zu lesen,
Und hol' der Teufel dein dummes Buch!
Bin die ganze Nacht wach gewesen.
Ob du der alte Heine bist?
Ich wüßt' es nicht zu entscheiden;
Doch sicher ist's: du bist immer neu,
Das mag ich eben leiden.
Die Träne rollt dir noch vom Aug
Als wie in früheren Zeiten;
Du hast die alte Grazie
Und Kraft und Lust zum Streiten.
Und wenn du über Deutschland schimpfst,
So kommt's dir aus dem Herzen;
Ach, was wir lieben, das macht uns ja
Die ungeheuersten Schmerzen.
Drum eben — ich begreif' es nicht,
Was dich die Philister so meistern!
Lebte noch der alte Hofrat von Genz,
Du würdest ihn wieder begeistern.
Und gefällst du mir und dem Hofrat von Genz,
So hast du genug gefallen;
Ein Dritter findet sich auch wohl ein —
Wer fragt zuletzt nach Allen!
Drum Vivat Heine-Aladin
Mit seiner Wunderlampe!
Die "Neuen Gedichte" dreimal hoch!
Und einmal auch der Campe!
Ja, es ist dieselbe Leier, die einst
Dein Vater ließ ertönen,
Der selige Herr Aristophanes,
Der Liebling der Camönen!"
Zollverein
(Zu Friedrich
List's Festmahl in Wien 1844)
Verein — ein schönes, trautes Wort,
Erschließt euch herrliche Weiten;
Und geht's auch Zoll für Zoll nur fort,
Es wird sich weiter verbreiten.
"Ein jeder Zoll ein König!" sprach
Der Alte, ihr guten Leute;
Sprecht: "Jeder Zoll ein Volk!" ihm nach,
Damit es was bedeute.
"Ein jeder Zoll ein Volk!" so spricht
Der Engeländer, der Franke;
Wir lispeln's nur, wir rufen's nicht.
Doch ist's ein schöner Gedanke.
Wo ist des Deutschen Vaterland? —
Es liegt in vielen Ländern,
Trotz Kölner Dom und Zollverband,
Das läßt sich nicht verändern.
Denn Sachsen gibt's, und Preußen auch,
Und Bayern wieder, und Schwaben,
Hat jedes seinen eignen Brauch,
Will keinen andern haben.
Doch jener häßliche alte Brauch:
Sich in den Haaren zu liegen.
Der mußte wohl bei der Neuzeit Hauch
Wie Spreu vor dem Winde verfliegen.
Der Sachse haßt den Preußen nicht mehr.
Der Bayer umarmt den Schwaben,
Der Österreicher liebt Alle sehr,
Und möcht's "halt" auch so gut haben.
Wo ist des Deutschen Vaterland? —
Es liegt in weiter Ferne;
Reicht euch, ihr Brüder, erst die Hand,
Dann blickt nach jenem Sterne.
Am Nordpol schimmert er allein,
Feldherr vom Sternenheere,
Er leuchtet mit seinem Lichte so rein
Dem Schiffer über die Meere.
Der Schiffer ist's, der Handelsmann,
Der die Teile der Erde verbündet.
Und sich in seiner Heimat dann
Ein mächtig Vaterland gründet.
W e l t h a n d e l heißt das Wort allein,
Das Macht verleiht und Größe;
Ein Volk ohne Handel ist arm und klein,
Ist ein Volk in seiner Blöße.
Welthandel heißt der Wundermann,
Nicht Runkelrübenzucker;
Wer nicht das Meer beherrschen kann,
Der bleibt ein armer Schlucker.
Kein Diplomat, kein mächtig Heer
Wird euch die Größe erringen;
Die eigne Flagge, das freie Meer,
Das ist's, worauf wir dringen.
Der Brite, der Franke, der Russe sogar,
Nie haben sich's errungen;
Der Deutsche nur wartet von Jahr zu Jahr,
Von seinem Wert durchdrungen.
Des Deutschen Wert bleibt immer zurück,
Er ruht in seinem Busen;
Er heißt: Das stille Familienglück
Und die süße Gunst der Musen.
Doch wär' es Zeit und wär' mein Rat,
Damit nicht länger zu prahlen,
Und endlich mit eigner deutscher Tat
Die fremden Taten zu zahlen.
Drum Zollverein, dich preis' ich hoch,
Du bist doch ein Beginnen;
Und wer den Einsatz leistet, kann doch
Einmal den Trumpf gewinnen.
Drum Zollverein, du knospend Kind,
Magst bald zur Blum' aufbrechen;
Und wenn die Gedanken erst zollfrei sind,
Dann wollen wir weiter sprechen!
Der Widersacher
Dem Chaos kaum die Welt entrollt,
War schon ein Geist, der drüber grollt' —
Der Geist des Widerspruchs, des Nichts;
Urfeind dem Schöpfer alles Lichts,
Verstoßen drum aus seinem Haus,
Geschmissen hin in Nacht und Graus,
Blieb er des Herren Widersacher,
Ein Besserwisser, Bessermacher,
Aus Rach', aus Ärger, aus Verdruß,
Der Geist, der stets verneinen muß.
Und nach dem holden Schöpfungstage
Da sieht der Geist zu seiner Plage
Ein buntes, himmlisches Gefunkel,
Und fletscht es an aus seinem Dunkel.
Und eine Kugel ist darunter —
Da drauf, da drinnen regt sich's munter,
Denn in der Masse kalten Rauch
Blies ein lebend'ger Schöpferhauch.
Da fing die Kugel an zu glühn,
Und auswärts drängt's — man nennt's jetzt: blühn
Mit Blumen, Gräsern aller Arten,
Und fertig stand der Erde Garten.
Der Unhold ging darin herum,
Mit Ekel, Ingrimm, mit Gebrumm!
Er pflückt die Rose und zerpflückt sie,
Er bricht die Frucht ab und zerdrückt sie;
Ihm duftet nicht das Röselein,
Der süße Ruch — er macht ihm Pein;
Ihm schmeckt die Traube gar nicht gut,
Er ahnt was vom Versöhnerblut.
Ein Baum nur lockt in dunkler Eck',
Und zwischen Zweigen, im Versteck,
Lacht ihn der Apfel an, glührot,
Wie übertretenes Gebot.
Und weiter ging der Geist herum
Mit Ekel, Ingrimm, mit Gebrumm!
Er mochte nicht dem Vöglein lauschen,
Der Quelle silberhelles Rauschen
Enthielt ihm Mißton, regt' ihm Qual;
Ihn schaudert vor dem Sonnenstrahl,
Ihn ärgert's, daß mit bunten Schwingen
Selbst Mück' und Käfer lichtwärts dringen;
Kurz, Stern' wie Blum' und Tiergewimmel,
Die Erde wurmt ihn und der Himmel.
Die Kreatur, sie macht ihn bange,
Nur e i n e r grinst er zu — der Schlange,
Und wie er erst den Menschen fand,
Den macht' er bald mit ihr bekannt,
Und zog ihn in den bösen Bund —
Da war der Mensch verderbt zur Stund',
Schämt' sich des Nackten und des Schönen,
Und will den Herrn der Herrn verhöhnen.
So sprach der Wurm zum Menschenkind:
"Ein Tor, der Alles prächtig find't,
Und Alles lobt, für Alles dankt,
Indes im Innern Jedes krankt.
Was ist's, was aus dem Boden sprießt?
Ein bisschen Quark, ein bisschen Mist;
Und was dich lockt mit Farb' und Pracht,
Sind eben Gase, losgemacht.
Das Tier mit Rüssel, Schnauz' und Nasen,
Ihm ist was Feuer eingeblasen;
Auch ist sein Ziel ihm abgesteckt —
Denn sieh, dort kauert's und verreckt.
Und glaub' nur ja nicht, daß du selber
Was Bessers seist, als dort die Kälber;
Du fühlst was Hohes, kannst's nicht nennen,
Es will dir schier das Herz zerbrennen:
Zergliedr' es nur — es ist nicht viel —
Bloß Blutumlauf und Nervenspiel.
Die Freiheit und das Völkerglück,
's ist eben auch ein Gaukelstück;
So alle Tugend, Edelmut,
Ich reduzier' dir das auf's Blut,
Auf Faserstoff und Eiweiß —
Rufst du darum dem Schöpfer Preis?
Und betest an? O welch ein Spott!
Du bist ja selbst dein eigner Gott."
Mit solchen Worten warf der Teufel
In's arme Menschenkind den Zweifel,
Und sprach ihm zu, wie da und hie
Wohl ein Professor der Chemie,
Und nahm durch solchen Schabernack
Ihm an der Schöpfung allen Schmack.
In Morgenglut und Abendrot
Schien ihm zu lauern jetzt der Tod,
Und was die Sinn' ihm laben soll,
Er schlürft es ein mit bitterm Groll;
Das schöne Weib — es reizt ihn nicht,
Er sieht den Schädel, kein Gesicht;
Und wenn sie Wang' ihm beut und Brust,
Es regt ihm Ekel, keine Lust.
So das Gefühl, das ihn beschleicht,
Und die Idee, die ihn erreicht;
Er nährt sie nicht, die heil'ge Loh'
Im warmen Busen, seligfroh.
Er scheucht sie fort, die ihm vergällt,
Zerstört sich seine eigne Welt;
Tilgt das Allleben der Natur,
Der Allempfindung jede Spur,
Und was da webt, und was da schafft,
Die hohe Kunst, des Geistes Kraft,
Weil ihm der Teufel Welt und Sein
Verbitterte mit seinem "Nein",
Weil er beschränkten Sinns vergißt,
Daß Alles ja G e h e i m n i s ist.
Geheim, wovon die Rose blüht,
Geheim, wodurch das Herz erglüht,
Geheim und süßen Wunders voll;
Der Grashalm wächst geheimnisvoll,
Das kleine Vögelein im Strauch
Es zwitschert dir Geheimnis auch;
Und wie der Berg das Eisen zieht,
Und wie das Feindliche sich flieht.
Wie sich die Liebe unbewußt,
Die Sehnsucht nistet in die Brust,
Und wie der Geist an Geistern reift,
Der Freiheit Drang das Herz ergreift:
Das Alles hüllt ein Wunder ein,
Das Werden ist geheim — das Sein.
Und wähnst du, was dein Herz begehrt.
Daß es der Teufel dir erklärt? —
Vernichten kann er nur, nicht schaffen,
Und Spott und Hohn sind seine Waffen;
Er selbst, der dir die Welt verbittert,
Ist's, der vor ihrem Schöpfet zittert.
Denn Taten sprechen — auch beim Teufel
Fait accompli läßt keinen Zweifel:
Er wird an Den wohl glauben müssen,
Der aus dem Himmel ihn geschmissen.
Drum geht der Kobold mit Gebrumm
Noch immer auf der Welt herum;
Auch fehlen heutzutag nicht minder
Die ihm vertraun, die Menschenkinder;
Du kennst sie an der eklen Mien':
Wo Einem nichts gelungen schien,
Wo Einer immer greint und mäkelt.
An jedes Fehlerchen sich häkelt,
Sich nie begeistert im Genuß,
Am blauen Himmel zeigt Verdruß,
Die Rose tadelt, daß sie Rose,
Vom Rock verlangt, er werde Hose,
Mit Füßen tritt die junge Saat,
Reaktioniert im Haus und Staat —
Da denk', das ist der W i d e r s a c h e r,
Ein Besserwisser, Bessermacher,
Ein Teufelchen, das aus Verdruß,
Weil es nichts schafft, verneinen muß.
Wir aber wollen sie bedauern,
Und über ihre Blindheit trauern;
Wenn sie erst selber sich erkennten,
Die dummen Teufel — Rezensenten!
Und wüßten sie sich zu beraten
Die armen Teufel: Diplomaten!
Das Glück
1845
"Ei, was stürmst du doch so gerne
Auf dem hohen Roß dahin?
Trägt dich wieder in die Ferne,
Sprich, dein ungemessner Sinn?
Freund, mein Freund, mir ewig teurer
Bist so frisch und jung und stark,
Und doch zehrt ein fressend Feuer.
Scheint's, an deines Lebens Mark."
"Wenn es zehrt, so laß es zehren;
Willst du wissen, was mich quält?
Liebe, glühendes Begehren
Ist's, das in der Haft mich hält."
Mit dem Worte sprengt er weiter.
Und der Freund, sein Angesicht
Wendend nach dem wilden Reiter,
Lächelnd, doch mit Milde, spricht:
"Was nicht ist, das kann noch werden,
Nimmer dauert Liebespein;
Viele Mädchen gibt's auf Erden,
Muß es grade diese sein?"
"Nun, mein Freund, die Jahre schwanden,
Und ich finde dich zu Haus;
Finde dich in süßen Banden,
Doch du siehst nicht glücklich aus." —
"Glücklich? Hm! Ich bin's — Bisweilen!"
"Aber etwas fehlt dir doch.
Will dein krankes Herz nicht heilen?
Oder drückt das Ehejoch?" —
"Nein, du irrst! Von dieser Seite
Bin ich glücklich, bin beglückt;
Und doch ist die Brust im Streite
Mit dem Kummer, der sie drückt.
Keine Arbeit will ich meiden,
Rastlos kämpfen Tag und Nacht,
Nur des Ruhms, den sie mir neiden,
Nur des Ruhms bin ich bedacht."
"Was nicht ist, das kann noch werden,
Gönn' dir Ruhe, gönn' dir Rast;
Nur wer ausharrt, wirkt auf Erden;
Drum genieße, was du hast."
Manches lange Jahr vergangen,
Kam der Freund. "Der Ruhm ist dein",
Rief er, "deine Sterne prangen;
Jetzt doch wirst du glücklich sein?"
"Glücklich? Ja, ich bin's! Doch A l l e
Sollten's sein — mein Land ist's nicht!"
Jener drauf: "In diesem Falle
Schaffe, was dem Land gebricht."
"Ja, das will ich! Schaffen, schaffen,
Was kein Anderer zuvor;
Mit des Geistes stärksten Waffen
Heben sie zum Licht empor.
Schon der Knabe wollt' es meinen,
So der Jüngling, so der Mann;
Glücklich preis' ich nur den Einen,
Der ein Volk beglücken kann."
"Was nicht ist, das kann noch werden,
Völker sind wie Wolk' und Wind,
Und sie leben hin auf Erden
Glücklich, wie sie eben sind."
Viele, viele Jahre schwanden.
Und der Staatsmann, hoch geehrt.
Gab den vielverzweigten Landen
Was das Land, die Zeit begehrt.
Von der reinsten Glut getrieben,
War's ihr Glück, worauf er sann.
Und im Kreise seiner Lieben
Saß der kräftigalte Mann.
Und der Freund, so treu und bieder,
An dem Stabe kam gebückt;
"Herr", so rief er, "sieh mich wieder;
Bist du endlich nun beglückt?"
Jener faßte, kaum erkennend
Erst die wankende Gestalt,
Doch für Freundschaft heiß entbrennend,
Jenes Greisen Hand, so kalt.
Und sie dachten alter Zeiten,
Alten Schmerzes, alter Lust,
Dachten an das wilde Streiten
Der bewegten Jünglingsbrust.
"Ja, ich steh' am hohen Ziele",
Rief der Edle lebhaft aus,
"Und beglückt durch mich sind Viele,
Glücklich ist mein Land, mein Haus!
Ob mir selbst das Glück beschieden?
Wechselnd ist des Menschen Sinn!
Nun, ihr seid mit mir zufrieden,
Gilt's doch gleich, ob ich es bin.
Aber deine Knie wanken,
Freund, dein Angesicht ist bleich!" —
"Ei, ich war nur in Gedanken." —
"Schwindelt dir?" — "Es gibt sich gleich."
"Nimm den Arm!" — "Es wird sich geben,
Sag' erst, ob du glücklich bist?" —
"Glücklich? Ach, wer ist's im Leben?
Und wer glaubt es, wenn er's ist?
Nur im ewig Weiterschreiten,
Ja, im Streben nur ist Glück;
Drum gib jene frühern Zeiten,
Gib die Jugend mir zurück!" —
"Was nicht ist, das kann noch werden,
Abendrot — ist Morgenrot."
Lächelnd sinkt der Greis zur Erden,
Die die letzte Rast ihm bot.
Die Reichsversammlung der Tiere
1845
Windspiel:
(als Herold tritt auf)
Beschlossen ward's im ganzen Reich:
Die Tiere sind sich alle gleich;
Mit kurzen oder langen Beinen,
Mit Flügeln oder auch mit keinen,
Mit Rüssel, Schnabel, Schnauz' und Rachen;
Vom Elefanten bis zur Schneck' und Maus,
Mit eingeschlossen selbst die Drachen,
Wir machen ein einiges Tierreich aus.
Der tyrannische Löwe ist vertrieben,
Wir wählen den Hamster nach unserm Belieben.
Die Tiere: "Vivat!"
Herold:
Da wir nun Brüder sind sofort,
So wär' es hier vielleicht am Ort,
Die Herren zu mahnen unterdessen,
Daß Keiner darf den Andern fressen.
Bär:
(brummend)
Was? Keiner?
Herold:
Keiner, Herr Baron!
Es ist gegen die Constitution.
Alle zahmen Tiere:
Es lebe die Constitution!
Bär: (für
sich)
Mir knurrt bereits der Magen davon.
Herold:
So künd' ich Frieden, frei Geleit
Die ganze volle Reichstagszeit,
Bis die Volksvertreter ernannt sind,
Bis die neuen Minister bekannt sind.
Heil unserm König, Hamster dem Ersten!
(Verneigt sich
und tritt ab.)
Wilde Katze:
(zum Luchs)
Was soll das heißen? Man möchte bersten!
Das Faustrecht wollen sie stellen ein?
Das Volk soll frei und unfreßbar sein?
Luchs:
So ist's — zum allgemeinen Frommen.
Wilde Katze:
Sind denn die Mäuse nicht ausgenommen?
Luchs:
Vielleicht. Nur still! Ein Wort in's Ohr:
Gevatter, ich sag': 's geht nach wie vor;
Laß nur den Reichstag vorüber sein,
Dann lad' ich dich auf ein Hühnchen ein.
(Gehen vorüber)
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