Cicus Renz
Munter jetzt, ihr Freunde! folgt mir
In den Circus dort zu Renz!
Panem et Circenses!
Also
Lehrte schon der alte Gentz.
Aufgeputzt und Gas-bestrahlet
Sitzen da und kokettieren
Unsre hübschen Wiener-Damen
Mit den jungen Offizieren.
Will die böse Welt behaupten:
Mit den Clown's auch und Bajazzi's,
Die die Leiber da verdrehen
Mit höchst unanständ'gen Lazzis.
Uns're jungen Herrn dagegen
Schielen nach den Primadonnen,
Die auf Pferdesätteln trampeln,
Springen durch papier'ne Tonnen.
Doch sie duften nach dem Stalle,
Und das hat mich stets vertrieben;
Die Theater-Damen sind doch
Weit wohlriechender zu lieben.
Herrlich sind die Vollblutpferde!
Leisem Wink und Druck der Hand
Folgen sie des Herrn! Sie haben
Mehr als Untertans-Verstand.
Und die Hunde! Dieser Pudel,
Wahrlich er verblüfft mich ganz!
Diese Leistung ist erstaunlich!
Beißt sich in den eig'nen Schwanz!
Höchst merkwürdig ist doch dieses
Vorwärtsschreiten selbst der Tiere;
Möglich, daß man sie noch künftig
Bis zur echten Kunst dressiere.
Was nur Vögel, Affen, Flöhe
Für Geschicklichkeit erworben!
So Miß Bessy, Orang-Utang,
Für die Welt zu früh gestorben!
Diese Äffin näherte
Völlig sich den Menschen-Stufen,
Trank wie eine Dame Tee,
Wurde auch nach Hof berufen.
Psychologisches Int'resse —
(Wie's auch Mancher überschätze) —
Flößt solch Tierchen ein! Wie anders
War's zur Zeit der "Wiener-Hetze!"
Wilde Tiere, wilde Menschen!
Kämpften Löwen da, Hyänen,
Wolf und Tiger mit dem Bären,
Packten sich mit Klauen, Zähnen!
Mancher, der dem Käfig nah kam,
Büßte seine Übereilung;
Auch nicht friedlich ging es dort zu:
Bei der "Wiener-Ochsenteilung."
Das auch war ein grausig Schauspiel,
Und die Teilung fiel oft schwierig;
Wilde Stiere rissen aus,
Stießen in das Volk blutgierig.
Tausende von Menschen haben
Solchen blut'gen Kampf bewundert!
Solcherlei
Circenses
gab es
Noch im vorigen Jahrhundert.
Wird, Gott Lob, nicht mehr gehetzt,
Ist kein Stoßen, kein Gebrülle,
Milder sind die Sitten jetzt,
Selbst die Ochsen schreiten stille.
In der Arena
Aus den dunkeln Thespis-Ställen,
Den Theatern, die wir lieben,
Wird die Schar in die Arena,
Auf Gemeinde-Weid' getrieben.
Die Arena ist die neue
Social-dramatische Phase;
Leider lacht kein Griechen-Himmel,
Regnet häufig auf die Nase.
Müssen d'rum sich amüsieren,
Bei den Regengüssen, Stürmen,
Publikum und Mimen unter
Aufgespannten Regenschirmen.
Heitres Wiener-Possenreich,
Sag', wo bist du hin geschwunden?
Fast zur Mythe ward die Zeit,
Wo den "Staberl" man erfunden!
Holen jetzt selbst unser Volkstum
Aus Paris, dem neuen Babel;
Hat der Raimund je gelebt,
Oder ist er eine Fabel?
Einer nur blieb übrig: Nestroy,
Der mit feinen kecken Possen
Uns das Wiener-Lumpentum
Derb und geistreich aufgeschlossen.
Vor "Lumpaci-Agamemnon"
Lebten viel Theater-Helden,
Wie uns "Bäuerle-Homer"
Tut in seinem Epos melden.
In dem Wiener-Epos zieht
Alles Bühnenvolk — Gott lohn' es
Dem Verfasser! — uns vorüber,
Doch den Kranz behält die Krones.
Diese Krones war die Wiener-
Déjazet, so keck und munter;
Grazie und Takt besaß sie,
Ihr Humor, er war ein bunter.
Diese Krones war im Leben,
Wie bekannt, sehr ungeniert;
In dem Wiener-Epos wird sie
Etwas idealisiert.
Aber auf der Bühne war sie
Unerschöpflich reich an Schwänken;
Mit dem edlen Raimund lebt sie
In der Wiener Angedenken.
Volkstheater — großes Wort!
Wenn sie's wieder neu erschafften!
Oder auch nur wiederkehrten
Zu dem harmlos Possenhaften!
Doch der Weg in's Paradies
Ging verloren, wie wir wissen,
In den Apfel der Erkenntnis;
Hat der "Staberl" selbst gebissen!
Keine Zukunft hat, so fürcht' ich,
Unser Wiener-Volkstheater,
Ist begraben mit dem "Casperl,"
Mit dem alten Wurstel-Prater.
Zwar ergötzt dort Pulcinelle
Immer noch sein Publikum!
Lebensfrisch und munter, prügelt
Erst sein Weib, dann bringt er's um.
Emanzipations-Ideen
Hegt er nicht in diesen Tagen,
Darum hat er auch den Juden
Als ein guter Christ erschlagen.
Lebt Hanswurst so fröhlich weiter,
Ohne Skrupel, ohne Zweifel,
Unter allgemeinem Jubel
Holet ihn zuletzt der Teufel.
Sehr volkstümlich ist dies Schauspiel,
Und so dürfen wir noch hoffen,
Mit Hanswursten steht der Weg zum
National-Theater offen.
Deutsche Oper
Die welsche "Linda" heut' Abend
Vollendet den Lebenslauf,
Und morgen als deutsche Oper
Da steht sie wieder auf.
Die Deutschen und die Welschen
Die brüllen so um die Wett',
Und kommen die "Nibelungen,"
Das macht das Kraut nicht fett.
Gern hörten wir den "Tannhäuser,"
Doch ist uns der verwehrt,
Weil zur Partei des Umsturzes
Der Richard Wagner gehört.
Schlimm, daß den Geschmack er umstürzt
Mit seiner Zukunfts-Musik —
Ich glaube, der Mann wär' minder
Gefährlich in Politik.
Zu graben und zu grübeln
Das ist der Deutschen Brauch;
Die berüchtigte deutsche Tiefe
Zeigt in der Oper sich auch.
Man will mit Tönen beweisen
Gar systematisch und brav,
Und jede dramatische Szen' ist
Ein kritischer Paragraph.
Sie haben's mißverstanden
Mit ihrem gelehrten Lied:
Ein Meister dichtet in Tönen —
Das ist der Unterschied!
Durch wild-romantische Klüfte
Genie den Weg sich brach —
Dem edlen Maria Weber,
Dem stolpern sie Alle nach.
Jetzt sind sie auf eine Heide
Geraten, wo nichts als Sand,
Die Gegend von "Schirke und Elend",
Das dürre Hexen-Land.
Sie ziehen jubelnd zum Blocksberg
Und spotten der Melodie,
Und machen mit Besenstielen
Ein Hexen-Charivari.
Ihr armen Zauberleute,
Vergeblich Eure Müh'!
Die Oper der Zukunft schreibt erst
Das künftige Genie.
Burg-Theater
Helios die Sonnenrosse
Wird er himmelan sie treiben?
Bürgerlich — so meint schon Goethe —
Wird das deutsche Schauspiel bleiben.
Göttlich war der Bühne Ursprung!
Bei den Dionysos-Festen
Unter blauem Griechen-Himmel
Hatte sie das Volk zu Gästen.
Götter und Heroen schritten
In den ewigen Tragödien,
Und im wilden Thyrsos-Tanze
Welt-verlachende Komödien.
Schöne Zeit, als mit dem Karren
Thespis fuhr, der alte Vater!
Heit're Vagabunden-Wirtschaft
Schwächt sich ab zum Hoftheater.
Und der Dramaturg, er herrscht nicht
Über seine Kunstverwandten,
Muß gehorchen, muß sich fügen
Dem Geschmack des Intendanten.
Aber soll der Dichtergeist
Wirken frei und unbefangen,
Muß er in des Daseins Tiefe
Ungehindert dürfen langen.
Und er darf es nicht! Die Bühne
Liegt gefesselt an der Kette;
Auf den Brettern, in den Logen
Herrscht die kalte Etiquette.
'S ist vorbei mit dem Theater —
Was mir schmerzlich auf die Brust fiel,
Wenn ich's hin und her bedachte,
Sinnend auf ein neues Lustspiel.
Uns're Klassiker veraltet
Samt den Epigonen-Sternen,
Und wir bringen nichts zu Stande,
Wir unglücklichen Modernen! — —
Das Theater ist jetzunder
Eine bureaukrat'sche Stelle;
Gibt ein "Salz"-"Tabak-" und so auch
Ein "dramatisches Gefälle."
Für das Repertoir die Richtschnur
Ist nur die Theaterkasse,
Und die Künstler sind Beamte,
Stehen in "Diäten-Klasse."
Halten Sitzungen wie Hofrät',
Und berichten, referieren,
Disziplin herrscht unter ihnen,
Nach Dienstjahren "Avancieren."
Exzellenz geheimer Rat
Ist der alte Anschütz hier!
Tücht'ge Arbeit, Referat
Liefert er als "König Lear."
Auch La Roche, "Hofrat Don Philipp,"
Referieret unverdrossen,
Und der "Rechnungsrat," der Beckmann,
Hat die Sektion der Possen.
Für das feine Lustspiel Fichtner
Ober-Chef und Präsidente;
Wenn man dem nur alle, alle
Akten unterbreiten könnte!
Doch er ist zuviel beschäftigt;
"Rückstand-Stöße" aufgelaufen
Darum wurden zugeteilet
Einem Diurnisten-Haufen.
Mancher da wird wohl als brauchbar
Bald zum "Vortrag" kommen, wett' ich!
Von den Damen nenn' vor allen
Die Justiz-Rätin, die Rettich.
Die dramatischen Prozesse
Schlichtet sie mit ernstem Spiele;
Urteil spricht im tragisch-hohen
"Fechter von Ravenna"-Stile.
Die Commerzienrätin Neumann
Leider Gott's ist pensionieret,
Was die Sektion des Lustspiels
Sehr zum Nachteil schon verspüret.
Scheiden sahen sie die Dichter
Mit dem tiefsten Schmerz und Grolle;
Jenes etwas däm'sche "Lorle"
War Luisen's letzte Rolle. —
Künstler atmen nur in Freiheit,
Was man auch dagegen predigt!
Sind Beamte Hofschauspieler,
Wird nur so das Stück erledigt.
Für die Kunst gehört ein Tempel,
Im Bureau muß sie versauern!
Drum die frischen jungen Kräfte
Schieden da aus unsern Mauern.
Dawison so wie die Seebach
Folgten kühn dem innern Rufe,
Doch zum Virtuosentume
Nur betraten sie die Stufe.
Und artistisch spekuleret
Dawison so wie die Seebach;
"Davidson" hat eine Villa —
Prosperiert ihm sehr der Rebach.
Alle sind sie Virtuosen,
So die Rachel, die Ristori,
Schöne Teile und kein Ganzes —
Edler Kunst
memento mori!
'S ist vorbei mit dem Theater,
Trotz dem wundervollen Weibe,
Dem ein "Dichter" zugeschnitten
Die Medea nach dem Leibe!
Technik herrscht im Poesie-Werk,
Technik wie in den Fabriken;
Ein geschickter Mechanismus
Waltet in Theaterstücken.
Aber unser Stolz und Ruhm
Burgtheater bleibt noch immer,
Ist die beste deutsche Bühne —
Weil die andern sind weit schlimmer!
Dramaturg
Schreyvogl hieß jener Brave,
Ein Ehrenmann durch und durch,
Hirt der Theater-Schafe,
Man nennt ihn auch: Dramaturg.
Die Mimen und die Dichter
Sie hingen an seinem Mund;
Der lehrte das Schöne, das Echte
Sein Urteil war gesund.
Doch hohen Vorgesetzten
Der Mann war unbequem
Mit seinem g'raden Wesen —
Er paßte nicht in's System.
Kabalen und Intrigen
Behaupteten bald das Feld —
Der treffliche Bühnen-Lenker
Fiel wie ein tragischer Held! —
War auch ein Theater-Hofrat,
Der herrschte schlecht und lang,
Von dem ein junger Dichter
Damals das Verslein sang:
"Der Kunst und des Staates Berater
Vereinigst Du Beides so:
Bist Hofrat auf dem Theater,
Und Komödiant im Bureau." —
Der Dichter hieß Grillparzer,
Er war gestählt, gefeit;
Da kam die "Ahnfrau," "Sappho" —
Es war eine schöne Zeit!
Der Dichter ist alt geworden,
Der Kritiker schlummert im Grab;
Geht nach und nach mit dem ganzen
"Theater-Gefäll" bergab.
Tot ist der Wiener Lessing,
Längst brach sein edles Herz;
Kein China-Silber und Messing
Ersetzt das gediegene Erz.
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