Fresken und Arabesken 1
Herr Knöpfelmayer
Der wissenschaftliche Esser
Wiener-Dialekt
Halb-offizieller ArtikelDer letzte Wiener
Diavolini
Börsenlieder
Die Begriffserklärung der "Arabeske" findet sich in den Gedichtformen.
Herr Knöpfelmayer
oder:
Metamorphosen des Gutgesinnten
Ein Bürger Wien's, hieß Knöpfelmayer,
War stets ein Untertan, ein treuer;
In alter Zeit verließ er sich
Auf Louis Philippe und Metternich —
Und las die "Wiener-Zeitung."
Bald aber trübten sich die Tage,
Taucht' auf gar manche "brennende Frage;"
Herr Knöpfelmayer mit ernstem Wesen
Fing an die "Allgemeine" zu lesen —
Er las auch die "Grenzboten."
Ihr Redakteur, ein kühner Mann,
Hat viel in Liberalismus getan,
Hat Welcker und Rotteck destilliert,
In Zuckerwasser eingerührt —
Es war ein kleiner Hutten!
Las die "Grenzboten" Herr Knöpfelmayer,
Sein Sinn ward gleichfalls kühner, freier,
Sprach mit Behagen, mit enormen,
Am allerliebsten von Reformen —
Selbst im "Gewerb-Vereine."
Herr Knöpfelmayer als Industrieller
War überdies ein Kopf, ein Heller,
Und hatte ganz gesunde Begriffe
Von Gewerb-Freiheit, vom Zoll-Tarife —
Nach List'schen Theorieen.
Da kam der März — und Knöpfelmayer
Ein Bürger plötzlich wird, ein freier,
Zugleich auch National-Gardist,
Weiß nicht, wie ihm geschehen ist —
Herr Knöpfelmayer wird Wahlmann.
Und Reden ertönen auf allen Gassen,
Ein Jeder will helfen mit verfassen;
Ein Jeder helfen mit regieren,
Ein neues Österreich konstruieren —
Und Alles schwärmt für Deutschland!
Hofräte gehen da im Stürmer,
Und ganz gewöhnliche Erdenwürmer
Hoch zu Ministern werden erhoben —
Der Herr kann seine Diener loben!
War wenig Ruh' und Ordnung.
Im Stillen denkt Herr Knöpfelmayer,
Die Sache sei nicht recht geheuer;
Die Garden müssen ausmarschieren,
Schlecht steht es mit den Staatspapieren —
Die "Grenzboten" liest Niemand.
Herr Knöpfelmayer im Monat Mai
Ruft aus: "Weh! nun ist Alles vorbei!"
Stellt weg die Flinte, vor Schrecken krank,
Und holt sich Zwanziger aus der Bank;
Flugs wendet Wien den Rücken.
Dort haust gar wild der Demokrat,
Bald aber trommelt der Kroat,
Und macht ein End' dem tollen Reich,
Schafft Ruh und Ordnung alsogleich,
Erobert das Burgtheater.
Herr Knöpfelmayer kehrt nach Haus,
Zerschossen war's — macht sich nichts d'raus;
Ein Pereat den März-Idussen!
Wir haben jetzt die lieben "Russen" —
Die helfen uns in Ungarn.
Und so geschah's! Beruhigt waren
Die Italiener, die Magyaren; —
Doch plötzlich wieder sich Wolken türmen,
Droht Politik mit neuen Stürmen —
Wir haben Krieg mit Preußen!
Macht der Berliner sich mobil,
Das ist kein Spaß, das ist kein Spiel!
In diesen Tagen Alles trübt sich,
Das Silber steht schon über siebzig —
Die Eier gehn mit Agio.
Die Wiener-Hausfrauen lamentieren,
Eilt Jede sich zu verproviantieren;
Enorm da werden hinauf getrieben
Die Erdäpfel und die gelben Rüben,
Und auch die sauern Gurken.
Doch lösen sich die bangen Zweifel,
Als Friedenstaube kommt Manteufel
Flugs nach Kremsir, Ölzweig im Munde;
Es haben noch in der "elften Stunde"
Die Preußen nachgegeben.
Kaum freu'n sich die Leute über die Wendung,
Naht wieder ein Bote mit böser Sendung:
Der Nikolaus, der Ordnungsmacher,
Steht plötzlich auf als Kriegs-Anfacher —
Die bösen — lieben Russen!
Zerrissen die alten Liebes-Bänder,
Wir halten's jetzt mit dem Engelländer
Und mit dem Mann auf Frankreich's Thron,
Mit dem klugen Louis Napoleon —
Dem neugeback'nen Kaiser!
Hat jede Zeit so ihren Heiland!
Auf ihn hofft Knöpfelmayer, wie weiland
Auf Louis Philippe und Metternich,
Die Tage folgen und gleichen sich —
Wir haben jetzt "Konferenzen".
Die Staatsmaschine tut sich rühren,
Ist bald ein groß Organisieren,
Herr Knöpfelmayer als Mann der Stadt
Zeigt Eifer als "Gemeinderat" —
Erbaut Commoditäten.
Ist gut gesinnt Herr Knöpfelmayer,
Der ehmals liberale Schreier;
Der Tages-Richtung an sich schließt,
Sein Credo: "Der kleine Kapitalist" —
Geht täglich auf die Börse.
Fern sind wir jetzt jedwedem Umstürzen,
Wir würden ja nur uns selbst verkürzen,
Drum müssen uns gegenseit unterstützen,
Da wir sämtlich Staatspapiere besitzen —
Staatswirtschaft nennt man dieses.
Was man auch fable, was man dichte,
Real war immer die Weltgeschichte,
Staats - ökonomisch — das zeigt sich schon
Bei der großen Revolution
Im Jahre neun und achtzig.
Ein König trug die Idee im Kopfe:
Der Bauer soll haben sein "Huhn im Topfe;"
Das ärgert die privilegierten Stände,
Sie dungen dem König Mörder-Hände —
Leer blieb der Topf des Bauern.
Aristokratie und Geistlichkeit
Besaßen das "Huhn" geraume Zeit;
Das Volk nach langem Murren und Schweigen
Zerbrach die alten Hühnersteigen —
Das Huhn flog in den Lüften!
Die Leute schlugen sich auf den Kopf,
Doch Keiner besaß das Huhn im Topf;
Da kam der große Napoleon,
Der Schließer der Revolution —
Und suchte das Huhn in Deutschland.
Der große Napoleon mußte stürzen
Durch sein Verbot von Kaffee und Gewürzen;
Den deutschen Frauen unangenehm
War dieses Continental-System,
Den deutschen Kaffee-Schwestern.
D'rum rüsteten sich die deutschen Männer,
Und auch die deutschen Kaffeebrenner;
Sie stifteten den Tugend-Bund,
Haß gegen Zichorien gaben kund,
Und andere Surrogate.
Sie kämpften die Völkerschlacht bei Leipzig,
Die deutsche Hausfrau wieder reibt sich
Seitdem den echten Mokka-Kaffee,
Napoleon kriegte seinen Tee
Und Deutschland seine Freiheit.
Ein Jubel war in jenen Tagen,
Man aß und trank, sorgt' für den Magen,
D'rum heißt auch die Zeit: "Restauration"
Ward hergestellt Altar und Thron,
Und ein Kongreß gehalten.
Ein Friede herrschte bald, ein stiller;
Mit Schlegel im Bunde und Adam Müller
Tieck die "Romantik" da erfand,
Heißt aufgewärmt jetzt: "Amaranth" —
Im Grunde heißt es gar nichts!
Das Huhn — so ist's denn weiter ergangen —
Von Krämern und Juden ward eingefangen,
Sie täten es sorgsam hegen und pflegen,
Und ließen es goldene Eier legen,
Was "juste milieu" man nannte.
Das Huhn beschützen jetzt die Soldaten,
Sonst möcht's der Pöbel gern rupfen und braten;
Es ist ein Treiben fast dämonisch!
Wir Übrigen sind "staats-ökonomisch,"
Man nennt's auch: "Kommunismus".
Vorüber die alten Heldenzeiten!
Selbst bei Sebastopol das Streiten
Ist, wie wir in den Zeitungen lesen,
Nur für "Staatswirtschaftszwecke gewesen
Und für "Kultur-Int'ressen".
Gegründet ist die neue Base,
So sind wir geraten in diese Phase,
Und bleiben wohl bis zu unserm Tode
In dieser Übergangs-Periode—
Servus, Herr Knöpfelmayer!
Der wissenschaftliche Esser
Es heißt, der Wiener sei Fresser,
Leg' auf die Mahlzeit Gewicht,
Doch ist er kein "denkender Esser,"
Das sag' ich ihm in's Gesicht.
Wir leben jetzt in den Zeiten
Der praktischen Philosophie,
Die Welt wird sich erneuern
Mit Hilfe der Chemie.
In München dort der Liebig,
In Zürich der Moleschott,
Der Eine braut Bier, backt Semmeln,
Der Andere kocht gar Gott.
Aus Säuren und Elementen
Besteht der Mensch, der Mann,
Und auf die Nahrungsstoffe
Darauf kommt Alles an!
Es ist die Menschenseele,
Wie sie sich birgt und duckt,
Nur ein, aus chem'schen Prozessen
Hervorgegang'nes' Produkt.
Die Säuren werden Oxyde
Durch Destillation —
Vielleicht ist der Seelenfriede
Bloß Oxydation.
Und wechselt die Nahrungsstoffe
Der Mensch, die Nation,
Gelangen sie zur neuen
Reorganisation.
Ich nenn's historisch-chemisch,
Leg' das System Euch vor;
Und wird der Kopf Euch dämisch,
So leiht mir nur das Ohr. —
Zuerst die historischen Esser,
Die wichtigen zähl' ich auf,
Die größten Völker-Fresser
In aller Zeiten Lauf.
Da sind die alten Griechen,
Sie haben gebraten, verzehrt
Des Stieres fette Schenkel,
Wie uns Homeros lehrt.
Feinschmecker waren die Römer,
Doch anfangs tapfer dabei;
Und später erst, unter den Kaisern,
Versanken in Schwelgerei.
Die Deutschen im Mittelalter
Die aßen derb und brav,
D'rauf nickten sie ein im langen
Jahrhundert-Nachmittags-Schlaf.
So diese drei Nationen
Sind als Welt-Esser bekannt;
Die Gallier und die Briten
Die werden jetzt genannt.
In diesen fünf Nationen
Verkörpert sich die Kraft,
Die Macht, Staats- und Welt-Weisheit,
Und Kunst und Wissenschaft.
Sie sind was Rechtes geworden
Und haben was Rechtes verzehrt —
D'rum forsche man nach den Stoffen,
Womit sie sich genährt.
Wir sind nur Epigonen,
An eig'ner Erfindung schwach,
Den großen Nationen
D'rum folgen und essen wir nach.
Wir essen sittlich-ethisch,
Das trägt in sich den Lohn;
So bilden uns chemisch-synthetisch
Zur frischen Nation.
Und essen wir gräco-romanisch,
Blüht Kunst und Wissenschaft;
Und fressen wir alt-germanisch,
Erneuert sich Mut und Kraft.
Auch anglo-gallische Küche
Die werde uns aufgetischt;
Die neue Küche, die neue
Staatsform, sie sei gemischt.
Der rein polit'sche Gedanke
Führt nicht zur Besserung;
Es hilft nur nationale
Wie ethische Sättigung.
Für Ungar, Italiener,
Deutsch-Österreicher, Kroat —
Gibt's nur Ein Zentralisieren:
Man mache sie alle satt.
Und dreht sich frisch der Bratspieß,
Wir essen durch sogleich
Uns viribus unitis
Zum einigen Österreich!
Wiener-Dialekt
Johannes-Beer ist süße Frucht,
Doch süßer klingt: "Ribisel;"
Der Deutsche sagt: "Ein hübsches Gesicht"!
Der Wiener: "A hübsch G'friesel!"
Die deutschen Jungfrau'n zieren sich
Spröd-ernsten Wesens, strengens;
Die Wienerin hält sich den Mann vom Leib,
Und lacht und sagt: "Jetzt gengen's!" —
Und wenn er dringend wird und spricht
Von seinem gebrochenen Herzen,
Dann schaut sie ihm ernsthaft in's Gesicht:
"Sonst haben's keine Schmerzen?"
Und will er die Pistole gar
Nach Brust und Stirne richten,
Dann nimmt sie ihn freundlich bei der Hand:
"Gehen's, machen's keine G'schichten!"
Halb-offizieller Artikel
Wär's bewiesen mathematisch.
Daß die Welt dem Untergange
Nah', und daß die Erde morgen
Von dem Meer verschlungen würde —
Eine Stunde noch vorher
Würde das die Zeitung leugnen,
Und im Wiener-Moniteur
Stünde folgender Artikel:
"Wühler haben ein Gerücht,
Ein grundfalsches, da verbreitet,
Das in sich zerfällt und das wir
Näher nicht bezeichnen wollen.
Ämtlich ist es nachgewiesen,
Daß ein "sicherer" Planet,
Dem man nachsagt, daß er kränkle,
Sich vollkommen wohl befindet.
Der Gesundheitszustand ist
Überhaupt beruhigend;
Man verspricht sich gute Ernte,
Handel blüht und Industrie.
Ebenso die Wissenschaft.
Die Akademie berechnet,
Daß das Alles noch so fortgeht
Zweimal hundert tausend Jahre.
Gute Bürger werden d'rum
Nicht auf Truggerüchte hören,
Ausgeheckt von der Partei,
Rastlos tät'gen, des Umsturzes.
Ausgetreten, das ist richtig,
Sind zwar einige Gewässer,
Doch die Anstalt ist getroffen,
Daß sie wieder sich verlaufen.
Ruh'ge Bürger werden d'rum
Sich zur eig'nen Sicherheit
Still und brav zu Hause halten,
Und abwarten den Verlauf.
Sollten wider all's Vermuten
Höher noch die Wasser steigen,
Wird man jedes Haus mit einem
Not- und Rettungsboot verseh'n.
In dem heut'gen Amtsblatt wird die
Lieferung ausgeschrieben für die
Boote, nach der Muster-Zeichnung
Eines k. k. Ingenieurs.
Wer ein solches Boot bezieh'n will,
Wendet vierzehn Tag' a dato
Sich an die Lokal-Behörde
Mit gestempeltem Gesuch.
Sollte wider all's Vermuten,
Diese Welt doch untergeh'n,
Hat man sich mit einem Passe
Nach dem Jenseits zu verseh'n."
Der letzte Wiener
Teilweise im Dialekt zu lesen.
Kasse von Wertheim und Wiese
Braucht nicht Feuersprütze, diese;
Auch kann nie ein Dieb sie holen —
Was d'rin ist, kann nur verkohlen.
Nur verkohlen, nie verbrennen —
Feuer-sicher d'rum zu nennen;
Hätt' ich Aktien ganze Haufen,
Würd' ich solche Kasse kaufen.
Kommt die Sündflut einst und macht
End' mit Welt und ihrer Pracht,
Letzter Mensch sich rettet nacket,
Alles in die Kasse packet.
Alles, was die Menschen abschrieben,
Was sie schätzen, was sie lieben,
Was sie haben je erfunden
Seit den ersten Schöpfungsstunden, —
Alles packt ohn' Unterlaß
Letzter Mensch in diese Kass';
Die Papiere, die Promessen —
Nur den Taufschein hat vergessen.
Doch was kann ihm Taufschein nutzen!
Will die Welt ja gleich wegputzen,
Wie es scheint, der Weltgeist g'schwind,
Donner rollt und brausen d'Wind'.
Höher steigen schon die Fluten,
Es ersaufen alle Guten,
Und die Bösen obendrein —
Letzter Mensch, er'steht allein.
Auf den "Kahlenberg" vielleicht,
Wo nit 'nauf die Siindflut reicht,
Bei Welt Unterganges-Blitzen
Schleppt er seine Kass' mit Schwitzen.
Und mit diesem Schatzkästlein
Tritt in's ewig Leben ein,
Wo der HERR ihn aufnimmt gern —
Also spricht zu Gott dem Herrn: —
"Ich erweise Reverenz
Seiner himmlisch Excellenz;
Weiß nit, warum Hund und Affen,
Warum Menschen sein erschaffen.
Sterben müssen Knab' und Mädel,
Menschen g'mein und Herren edel,
Sterben Mädel, sterben Knäbel,
Und die Grafen und der Pöbel.
G'storben längst sein die Assyrer,
Und die Meder und die Tyrer,
Auch die Römer und die Griechen,
Alle sein sie Tod's verblichen.
Und die Hunnen auch, die Racker,
Liegen auf dem Todesacker,
Attila und Odoaker,
Und die Nibelungen wacker.
Selbst Napoleon der Große
Is verfallen solchem Lose;
Keiner is vor'm Tod geborgen,
Und wer heut' nit stirbt, stirbt morgen.
Tut man ruhig so betrachten
Dieses allgemeine Schlachten,
Sagt man sich mit Recht auf Erden:
Besser nie geboren werden!
Deine Weisheit, Herr, in Ehr'n —
Doch was laßt du so vermehr'n
In so beispielloser Weis'
Das elende Menschen-G'schmeiß?
Zwar es is wohl so im Ganzen
Angenehm sich fortzupflanzen —
Aber wenn der Spaß vorbei is,
Mancher da erst voller Reu' is!
Nix zu beißen und zu brocken.
Keinen Hund aus'm Ofen z'locken
In der kurzen Lebensfrist
Hat auf Erden armer Christ.
Und die bösen Juden kommen,
Nehmen Alles weg den Frommen,
Haben Nordbahn ganze Bündel —
Herr, s'is ein verfluchtes G'sindel!
Aber sind die Andern besser?
Frisch geschnitten mit dem Messer
In die ganze Menschheit gleich,
Und vertilgt das Erdenreich!
Geh' die Schöpfung so zu End'!
Doch es reichen meine Händ'
Feuersichre Kass' dir hin —
Herr, es ist das Beste d'rin!
Was die Weisen und die Dichter,
Und die Könige und Richter
Hohes, Großes je erdacht,
Und mit Müh' und Fleiß vollbracht.
Erstens, sieh, die zehn Gebote:
Autor Moses, frei nach Gotte;
Urtext ist's, wie er verfaßt —
Nummer sechs ist abgeblaßt.
S'ist ein Schatz und kein geringer!
Hast's geschrieben mit dem Finger;
Lang hab' g'sucht, bezahlt auch brav
Dieses Gottes-Autograph.
Herr, hier ist die Iliade,
Eingewickelt in Messiade,
Diese wieder — sonst wär's Schade —
In Papier von Tunisiade.
Hier sind Constitutionen,
Dort pragmatische Sanktionen,
Viele mod'rig und verschlissen,
Manche hie und da zerrissen.
Hier auch liegen hübsch beisamme
Deutsche Kron' und Oriflamme,
Und das Schwert und Mantelkragen,
Wie ihn Karl der Groß' getragen.
Hier der Plan zu unsrer Freud'
Von dem neuen Schauspiel-G'bänd';
Doch wie's fertig war das Haus,
Schaut fast wie Kaserne ans.
Akad'mie der Wissenschaft,
Was sie alle Jahr' so schafft,
Ist dort g'sammelt s'allermeist' —
Viel Papier und wenig Geist.
Ein's noch weis' ich dir zum Schluß,
Aufbewahrt in Spiritus:
S'is ein Blatt voll Inspirierung
Als Organ der Welt-Regierung.
G'schrieben is mit Fleiß, Ausdauer
Dieser "fromme Eipeldauer,"
Leider wenig hat Verbreitung —
S'is die Wiener-Kirchenzeitung.
Herr, das is das kostbarst' Gut,
Was gerettet aus Sündflut;
Hab's d'rum aufbewahrt mit Kunst,
Könnt' mir g'stohlen werden sunst.
Nimm, o Herr, die ganze Kasse,
Und den letzten Menschen fasse,
Führ' ihn aus dem Erdenleid
Ein in himmlisch Seligkeit."
Also letzter Mensch da spricht,
Vor dem Herrn fallt auf sein G'sicht,
Sagt zu ihm: "G'horschamster Diener!"
Letzter Mensch — er war ein Wiener.
Letzter Mensch lang existiert,
Auf der Börs' hat spekuliert;
Da er ganz allein und alt,
Selber sich Diff'renzen zahlt.
Letzter Mensch bei dem Beginnen
Konnt nur von sich selber g'winnen,
Nicht den Nebenmensch betrügen,
Und das macht ihm kein Vergnügen.
Ward so lebens-überdrüssig,
War sein Kapital gleich flüssig;
Letzter Mensch d'rum viel hat glitten —
Letzter Mensch, er war halt — b'schnitten.
Diavolini
kleine "teuflische" Verse
I. Kleine Beamte
Nur wer die kleinen Beamten kennt,
Weiß, was sie leiden,
Und wie sie mehr der Hunger brennt
Als Sehnsucht in den Eingeweiden!
Sie leben von der Hand in den Mund,
Wie arme Teufel eben;
Ich wundere mich nur im Grund,
Daß sie überhaupt noch leben.
Hat keiner sich erschossen noch,
Trotz Agio, Silber-Währung!
Sie seufzen in ihrem harten Joch
Und sterben an der Auszehrung.
Sie zeugen Kinder hohl und bleich,
Die zum Bureau Verdammten;
Zitt're, du großes Österreich,
Vor deinen kleinen Beamten!
Sie sind eine Macht, sie sind ein Heer,
Sie trotzen allen Gewalten,
Und unzufrieden sind sie sehr
Mit ihren kleinen Gehalten.
Im Stillen untergräbt den Staat,
Wird gegen ihn sich rüsten
Das neue Proletariat:
Verheiratete Kopisten.
II. Stadtvergrößerung
Wien konnte sich vergrößern
Vor fünfzig Jahren schon,
Zur Zeit als uns beschossen
Der große Napoleon.
Schutt war's. Und wenn Ihr bautet
Paläste und Häuser hin,
So hättet Ihr längst ein großes
Und ein bequemes Wien.
Doch diese Mauern und Türme
Sind eine halbe Tat;
So wird's keine rechte Festung
Und keine rechte Stadt.
III. Veränderte Bestimmung
Längst gereinigt ist die Aula,
Gleich dem Stalle des Augias,
Von kroat'scher Martissöhne
Mist und kriegerischen Keulen;
Nisten werden dort Minervas
Vierzig weise, blinde Eulen.
IV. Hypothese
Die Akademie verhandelt'
Unlängst über "Stock - im - Eisen";
Es zerbrachen sich die Köpfe
Die Gelehrten und die Weisen.
Ob das wirklich denn ein Baum war,
Wenn er's war', von welchem Holze;
Ob sich Eiche oder Tanne
Da erhoben einst mit Stolze.
Ob's noch wurzle in der Erde,
Ob's ein Stock sei, abgeschnitten;
Fielen manche Hypothesen,
Wurde hin und her gestritten.
Fest steht meine Hypothese,
Dafür breche eine Lanz' ich:
S'war ein Haslinger — Ur-Vater
Der berühmten fünf und zwanzig.
V. Briefwechsel
Gentz.
Urteilen und scharfes Denken,
Das ist mein Element;
Mir fehlt das Organ des Glaubens:
Fromm sein ist ein Talent.
Adam Müller.
Sie haben die Gnade Gottes,
Mein Freund, so hoch geehrt;
Sie sind, ohn' es zu wissen,
Längst gläubig und bekehrt.
Gentz.
Die Herden, die Untertanen,
Die weide man insgesamt;
Die Presse nieder zu halten
Ist unser wichtiges Amt.
Adam Müller.
Nur Gottes, nicht des Kaisers,
Sei Herrschaft und Herrlichkeit;
Doch stimm' ich zu Gottes Ehre
Auch gegen die Preßfreiheit.
VI. Jesuiten
Ob der neuen Jesuiten,
Sagt, was soll nur das Erbosen!
Lernten einst in ihren Schulen
Alle Männer, alle großen.
Fürsten und Gelehrte hatten
Diesem Orden viel zu danken,
Denn durch seine weisen Lehren
Hielten sie die Welt in Schranken.
Doch die alten klugen Leute,
Scheint es, haben abgenommen,
Darum ist es nötig, daß die
Neuen Klugheitslehrer kommen.
Bildet Euch und lernt von ihnen;
So nur werden sie Euch nützen
Künftig, wenn in allen Ämtern
Jesuiten-Schüler sitzen.
Dann seid Ihr die neuen klugen
Weltbeherrscher — und damit ist
Jener Orden überwunden,
Wenn ein Jeder Jesuit ist!
VII. Der fromme Dichter
"Und wer von Gottes Gnaden,
Ihr Leute, ein Sänger ist,
Was wollen Menschen ihm schaden?
Gelobt sei Jesus Christ!" —
Mein Freund, die Dichterstärke
Liegt nicht im großen Maul,
Und ohne gute Werke
Bleibt aller Glaube faul.
Als österreich'scher Professor
Da wurdest du ausgepocht,
Als Kreuz- und Christus-Sänger
Da hast du abgekocht.
Im Namen Gott des Vaters
Und Gott des Sohnes dreist
Hast du dein Lied gesungen —
Doch ohne heiligen Geist.
"Siglinde" und "Thomas Morus"
Das sind recht schlechte "Stuck'"!
Jesus, Maria und Joseph,
Was gabst du sie in Druck?
VIII. Ex-Freund
Bester, ei du bist verändert —
Doch das liegt im Lauf der Zeit!
Schlägst ein Kreuz und gehst bebändert,
Gehst uns aus dem Wege weit.
Lächeln muß ich solchem Wesen!
Täusche du die Welt — nicht mich!
Bist du nicht mein Freund gewesen,
Liberaler fast als ich?
IX. Devise
Staatsschuld wächst mit jedem Jahre,
Auch Private haben Schulden;
Nur Verwaltungsräte sacken
Ein die dreißig tausend Gulden.
Was Babeuf und Pierre-Leroux!
Das ist purer Idealismus!
Sinekuren für die Reichen
Schafft der Wiener-Kommunismus.
Sie beteilen sich mit Renten,
Ohne Mühe zu verzehren,
Nicht nach "Fähigkeit und Arbeit,"
Wie die Tugendschwärmer lehren.
Mit Statuten und Gesetzen
Wahren sie sich um und um,
Schreiben auf die neue Fahne:
"Heilig ist das Eigentum!"
X.
Börsenlieder
Nach klassischen Mustern
1. Nach der Katastrophe
"An die Türen will ich schleichen,"
Aber nur von ferne hin —
Ach, es ist dieselbe Börse,
Wo ich weg geblieben bin!
Und denselben Polizeimann
Seh' ich auf und ab dort geh'n;
Drinnen machen sie die Kurse
Und ich weiß nicht, wie sie steh'n!
2. Trost in Tränen
Wie kommt's, daß du so traurig bist?
Ich lache und verdiene;
Man sieht dir's an den Augen an:
Du warst in der Contre-Mine. —
Und wenn ich in Contre-Mine war,
So war's mein eigener Willen;
Doch war ich auch — das ist mein Trost —
Liebhaber dabei im Stillen.
3. Wechselwirkung
Teurer Freund! Was soll es nützen,
Stets das alte Lied zu leiern?
Von den Kursen, von den schlechten,
Von den Zeiten, von den teuern!
Ach, was hilft da alles Streiten,
Und was helfen die Diskurse?
Schlechte Kurse, schlechte Zeiten!
Schlechte Zeiten, schlechte Kurse!
4. Schweizerlied
Beim Börsle
Bin i g'stande,
Ha de Sensale
Zugeschaut;
Hånt de Leutle
Ihr Geldbeutle
Glei verlore,
Hånt de Sensale
Über's Ohre
Sie gehaut.
5. Letzter Verlust
Ich stand in dunkeln Träumen
Und starrte den Kurszettel an —
Wird gar nichts in Effekten
Und in Promessen getan.
Erst steigen die Papiere,
Dann fallen wieder hinab —
Und ach, ich kann es nicht glauben,
Daß ich Alles verloren hab'!
6. Börse-Kommissär
Ich unglücksel'ger Atlas!
Ich trage die Börsen-Welt;
Ich trage auf beiden Schultern —
Weiß nicht, wie lang's noch hält'
Ich trage Juden und Christen —
Das ist eine Schlepperei!
Fast wird mir unerträglich
Die Achselträgerei.
7. General-Versammlung
In Lappland sind schmutzige Leute,
Im lieben Österreich auch:
Sie jagen nach goldener Beute,
Der Schmutz in der Welt ist Brauch.
Wo nichts zu profitieren,
Da schleichen sie davon;
Und nur die Verwaltungsräte
Arbeiten um Gottes Lohn.
Schneeweiß sind ihre Hemden,
Krawatte und Busenkraus' —
Doch freilich die Dividenden
Die fallen gar schmutzig aus!
General-Versammlung ist heute,
Es schweigt das Publikum,
Es sprechen die Männer der Presse —
Sie geh'n um den Brei herum.
Wie anders ist reden als schreiben!
Man wird die Beklemmung nicht los;
Der leidige Preßbengel
Erzeugt keine Cicero's.
Das ist ein Stottern und Schwanken,
Dann wieder Verlegenheits-Schrei'n —
Und kommen gute Gedanken,
Man kleidet schlecht sie ein.
Und wird der Redner gar hitzig,
Und spricht von Cliquen-Geist,
Erhebt sich der Mann der Regierung
Und flugs zur Ordnung ihn weist.
Zum Schein gibt's eine Debatte,
Die uns nichts Neues gebracht;
Das heute Beschlossene hatte
Man gestern schon abgemacht.
Die alten Verwaltungsräte
Erwählt nach altem Brauch —
In Lappland sind schmutzige Leute,
Im lieben Österreich auch!