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Gedichte 2
 

Wir werden uns nicht wiedersehn
Nantchens Unbußfertigkeit
Die sechste Stunde des Abends

Zufriedenheit als Pflicht
Die Serenade auf dem Lande
Am Sarge eines Kindes
An meine Freundin
Bei Zurückstellung eines weißen Tuchs
Als Luise die Briefe ihres ungetreuen . .
Widerruf
Gedanken
Der Schmetterling
Auf ein süßes Herrchen
Empfindungen
Warnung
Schwur und Glaube
Die Schäfchen
An einen Freund
Bei dem Kuß einer Freundin
An ein Brautpaar

 

Wir werden uns nicht wiedersehn

Wir werden uns wohl niemals wiedersehn;
Denn ungleich sind die Launen und die Stunden,
Und deine Gegenwart ist mit Gefahr verbunden.
Drum werd' ich weislich dir stets aus dem Wege gehen.
Scheint diese Furchtsamkeit dir etwa übertrieben:
O! so bedenke nur:
Wer könnte Kaltsinn üben,
Wo Schönheit und Natur
Uns nötigen zu lieben?
Nun denn! die kleinste Lust, dich flüchtig nur zu sehn,
Versag' ich mir; die Welt könnt's zum Verbrechen machen.
Wenn auch Verleumdung schweigt, kann nicht der Neid erwachen?
Ja, ich bin viel zu jung, und du bist viel zu schön. —
Wir werden uns nicht wiedersehn.


Nantchens Unbußfertigkeit

Ihn lieben wäre Sünde! Nein!
Das glaub' ich nimmermehr!
Doch wenn es wirklich Sünde wär',
Die Sünde könnt' ich selbst im Tode nicht bereun.


Die sechste Stunde des Abends

Die Stunde, der ich sehnsuchtsvoll
Den ganzen Tag entgegen blickte,
Und die zur Göttin mich entzückte,
Wenn mir ihr letzter Schlag erscholl,

Die schlägt nun nicht für mich und Ihn
Zum Wiedersehn das Losungszeichen:
Und matt, wie welke Kranke, schleichen
Die traurigen Minuten hin,

Doch selbst in dieser Einsamkeit,
Dem Liebesgram so angemessen,
Sei (hättest du mich auch vergessen)
Dies Liedchen dennoch dir geweiht.

So fern du meinen Blicken bist,
So nahe bist du diesem Herzen,
So gegenwärtig, daß der Schmerzen
Der Trennung nur ein Traum noch ist.

Du holde Göttin, Phantasie,
Trägt mich auf ihrem raschen Flügel
Schnell über Wald und Tal und Hügel,
Und so – vermiß ich dich fast nie.

Was mir des Schicksals Macht entreißt,
Kann mein Gedankenflug ereilen.
Was ist ein Zwischenraum von Meilen? —
Kaum eine Spanne für den Geist.

Gleich deinem Schatten folgt er dir
Zum Freudenfest, zur niedern Hütte,
Und in der Assembleen Mitte,
Und spricht ein leises Wort von mir.

Selbst dann, wann du dich ungesehn
In deinem Stübchen einsam glaubest,
Und dir durch Wahn die Ruhe raubest,
Umgibt er dich mit leisem Wehn.

Du wähnst dann, das Verdienst sei dein,
Und hältst es für Erinnerungen.
Das magst du! wenn's ihm nur gelungen,
Mein Angedenken zu erneun.


Zufriedenheit als Pflicht

Ja, Freund, ich bin mit meinem Los zufrieden,
Das eine weise Vorsicht mir bestimmt.
Wenn sie mit einer Hand uns Freuden nimmt,
So reicht sie mit der andern Ruh und Frieden,
Und gönnet uns bei Leiden ohne Schuld,
Der Menschen Trösterin — Geduld.

Kein Vorwurf kränkt mein ruhiges Gewissen;
Du bist entfernt, und dennoch stärket mich
Der Trostgedanke, daß ich, Teurer, dich
Aus Leichtsinn, aus Pflicht nur, muß vermissen.
Drum härme dich um mich vergebens nicht,
Bleib stets mein Freund, ich — folge meiner Pflicht.

Die Serenade auf dem Lande

Der schönste Tag, der je ins Meer gesunken,
Verließ den spiegelreinen Horizont,
Und hatte sanft mit seinen letzten Funken
Der Wolken Saum mit Purpur rings besonnt.

Da kam ein Sohn der Liebe, im Geleite
Der Harmonie, auf unsre stille Flur,
Und Ernst und Wehmut wallten ihm zur Seite.
In heil'ger Feier harrte die Natur,

Gebot den Elementen tiefes Schweigen:
Und willig folgten sie dem Herrscherruf.
Der Gott der Nacht allein ward hier zum Zeugen
Des schönen Abends, den uns Eibler schuf

Kein Lüftchen wehte, und des Baches Flüstern
Verlor sich leiser durch den Weidengang,
Und alles lauschtet Euterpens Priestern,
Entzückt durch ihrer goldnen Saiten Klang.

Herbeigelockt durch ihre süßen Töne,
Versammelte das Dorf in Scharen sich,
Doch keins empfand so lebhaft all das Schöne
Von ihrem meisterlichen Spiel — als ich.

Nicht eine Leidenschaft ist mir entgangen,
Die, richtig ausgedrückt durchs ganze Chor,
Vom Brausensen in schmachtendes Verlangen,
Vom Zärtlichen in Wehmut sich verlor,

Heil dir, Musik! du rührst auch Marmorbüsten,
Und Mitleid dem, der's nie zuvor empfand.
Ich fühl' es, wie sich eure Töne küßten,
Und küßte schwärmend — meiner Freundin Hand.

Am Sarge eines Kindes

Keine Veilchen, wie vor einem Jahre! —
Aus dem Kränzchen, von der Totenbahre
Eines Engels, pflückt' ich — Rosmarin.
Doch, bei allen meinen bangen Leiden,
Bin ich weit entfernt, dich zu beneiden
Um dein Kränzchen, liebe Siegerin.

Doch wenn Er nicht meiner mehr gedächte,
Einer andern seine Liebe brächte:
Dann, du liebe kleine Schläferin,
Würd' ich mich an deine Stelle sehnen;
Um, beweint vielleicht von Freundschaftstränen,
Zu vergessen, was ich war und bin;

Würde fliegen zu den Hochzeittänzen,
Seine Braut mit Rosen selbst bekränzen,
Und als Engel ihres Glücks mich freun;
Dann auf ewig mich vor ihm entfernen,
Und verschwinden unter Glanz und Sternen,
Nur dies Blatt auf ihn herunter streun.

An meine Freundin
bei Übersendung meiner ersten Stickerei

Als, noch entfernt von Gram und Sorgen,
Mein freier, wolkenloser Sinn
An manchem heitern Frühlingsmorgen
Vergißmeinnicht und Immergrün
Ein Sträußchen band; da sagten Blicke,
Gesang und Muse immerhin:
"Die ersten Blümchen, die ich pflückte,
Die sind für Ihn!" —

Nun aber macht der Gott der Liebe
Mir wenig, wenig mehr zu tun,
Und, fern von diesem schlauen Diebe,
Läßt Freundschaft mich im Schoße ruhn:
Auch die läßt mir zu meinem Glücke
Vergißmeinnicht und Rosen blühn.
Doch Blümchen, die ich itzo pflücke,
Sind nicht für ihn.

Die ersten Blümchen, die ich sticke,
Sind, Freundin, dir allein geweiht;
Es sind zwar keine Meisterstücke,
Allein sie trotzen doch der Zeit,
Sie welken nicht, und grünen immer,
Und schildern mehr, als mein Gedicht;
Sie sehnen sich nach deinem Zimmer:
Verschmäh sie nicht.

Bei Zurückstellung eines weißen Tuchs

Auch dich darf ich nicht länger mehr besitzen!
So kehre dann mit Dank und mit Gesang
Zurück zu dem, der mich vor Frost zu schützen,
Sorgfältig dich um meinen Busen schlang.

Wie leise schlug mein Herz, von dir bedecket,
Zwar unbemerkt, doch warm für deinen Herrn!
Von keiner bangen Ahndung aufgeschrecket,
Wähnt' ich das Ende seiner Liebe fern.

Doch nur zu bald begann er mich zu fliehen,
Und meidet nun mit Kälte jeden Blick.
Er hat dich, wie sein Herz, mir nur geliehen;
Und fordert beides nun von mir zurück.

So geh dann hin, und in den nächsten Tagen
Hüll einer Andern stolzen Busen ein!
Dann mag er dich als Siegesfahne tragen,
Und noch einmal sich meiner Tränen freun!

Als Luise die Briefe ihres
ungetreuen Liebhabers verbrannte

Erzeugt von heißer Phantasie,
In einer schwärmerischen Stunde
Zur Welt Gebrachte, geht zugrunde,
Ihr Kinder der Melancholie!

Ihr danket Flammen euer Sein,
Ich geb euch nun den Flammen wieder,
Und all die schwärmerischen Lieder,
Denn ach! er sang nicht mir allein!

Widerruf

Als ich einst, bestürmt von allen Seiten,
Meine Ruh' auf ewig eingebüßt,
Wollt' ich kühn ein Vorurteil bestreiten,
Das doch Wohltat für uns Mädchen ist;

Wollte rasch mich von den Fesseln mich befreien,
Geltend machen das verjährte Recht,
Frei zu sein von allen Zierereien
Gleich den Männern, für mein ganz Geschlecht;

Wollte länger nicht den Zwang ertragen,
Da zu schweigen, wo der Mann gesteht;
Wollte herzhaft mein Geständnis wagen,
Wenn der Sieger einst vorüber geht. *

Jetzt widerstreb' ich jenen Gründen.
Weh dem Mädchen, das dahin sich gibt!
Denn der Männer Liebe pflegt zu schwinden,
Wenn sie sehen, daß man wieder liebt.

*Siehe das Gedicht: "Beweggründe der Dichtkunst".


Gedanken
an einem Wintertage im Augarten

Wie öd ist alles hier!
Wie einsam, wie verlassen!
Der Freude Wohnplatz sonst
Ist nun ein weites Grab —
Von tausendfacher Lust!
Man flieht von deinen Plätzen
Die ein geputzter Schwarm
Lustwandler sonst besucht.
Welch schrecklich Schauspiel ist's,
So alles sterben sehn,
Was man mit frohem Sinn
Gedeihn und blühen sah!
Sie ist mit Schnee bedeckt
Die blumenreiche Flur.
Bei diesem Anblick bebt
Mir schauderlich das Herz.

Kastanien – Allee!
Die sich in dunkle Schatten
Verlierend, neidisch uns
Den Reiz der Aussicht stahl,
Jetzt stehst du blätterlos.
Jetzt seh' ich ungehindert,
So weit mein Auge reicht,
Die Lüfte freudenleer.
Kein Chor der Sänger läßt
In diesem Hain sich nieder;
Verstummt sind Busch und Wald,
Und schlummernd ruht Natur
In Mutter Erde Schoß;
Damit sie schöner blühe,
Wenn unserm Erdenball
Die Sonne wieder naht.
Und du, o Strom, der sonst
So hell vorüberrauschte,
Liegt starr dahingestreckt:
Eis hemmet deinen Lauf.

So hemmt des Schmerzens Eis
In mir den Lauf der Tränen;
Verschlossen ist mein Herz,
Unfühlbar ist's, wie du.
Vergebens irrt mein Blick
Umher nach allen Seiten,
Wo ich Vergnügen blühn,
Und Hoffnung grünen sah.
Verschwundne Freude läßt
Mir nichts zum Trost in Leiden,
Als das Bewußtsein nur:
Daß ich einst glücklich war.

Der Schmetterling
auf einem Vergißmeinnichtchen

Ein Blümchen, das sich zwar nicht mehr
Für unsre Lage schickt,
Hab' ich doch, Freund, von Ungefähr
Für dich jüngst abgepflückt.

Denn wiss', als ich es pflückte, hing
Ein Schmetterling daran.
Ich sah, daß auch ein Schmetterling
Dies Blümchen lieben kann.

Dies Wunder der Natur entging
Dann meinem Blicke nicht:
Drum schick' ich dir den Schmetterling
Und das Vergißmeinnicht.


Auf ein süßes Herrchen

Auf einen Punschtopf legtest du
Den Hut, o Stutzer? Immer zu!
Er deckt mehr Geist auf diesem Topf,
Als hättest du ihn auf dem Kopf.

Empfindungen
bei Sonnenaufgang

Ich grüße deine Botin, milde Sonne,
Sie, die mit Rosengold mich übergießt,
Indes vor ihr so gar der Wurm in Wonne,
Der Vögel Stimm' in Harmonien zerfließt.

Schon folgst du ihr auf deinem goldnen Wagen,
O Königin des Tags, in Flammenpracht
Von Salamandern ehrfurchtsam getragen,
Von Laub, und Gras, und Blumen angelacht.

Ach, tausend Menschen ruhn im tiefen Schlummer,
Und sehen nicht dein allbelebend Licht,
Das, wie an Felsenritzen, an dem Kummer
In meinem Herzen seine Strahlen bricht.

Einst sah ich wohl mit Sehnsucht dich erscheinen;
Weil jeder Tag mir neue Freude gab.
Jetzt bringst du unter zwanzigen nicht Einen,
Den hingeschwunden gleich, für mich herab.

Zwar freu' ich mich bei deinem ersten Blinken,
Daß wieder eine Nacht vorüber ist:
Doch bin ich fröhlicher bei deinem Sinken,
Weil sich ein Tag der Sorgen wieder schließt.

Nun folgt mein Geist nicht deinem Strahlenwege
Mit jenem unaufhaltsam frohen Mut:
Ich schleiche hin im Schatten — einsam — träge, —
Und fürchte mich vor deiner Mittagsglut.

Zwar wacht kein Argus nun, mich zu belauern,
Kein Donnerwetter erschallet, mir zu dräun:
Doch schließ ich fest mich selbst in meine Mauern
Und mein Gefühl in meinen Busen ein.

Dein Strahlenkranz dünkt mich ein Lampenschimmer,
Ein Widerschein verlorner Seligkeit:
In andern Zonen ist vielleicht dein Flimmer
Ein Blick, der trübe Wolken bald zerstreut.

Und er, mein Ferner, lacht er, angestrahlet
Von dir, vielleicht in schöner Mädchen Chor,
Und hat nun mein vergessen; oder malet
Mit deinem Strahl sich auch mein Bild ihm vor?

Zerreiße diesen dichten Nebelschleier
Von Zweifeln; leuchte mir in meinem Wahn!
Dann, Sonne, seh' auch ich dein blinkend Feuer
Mit Dank und tränenlosen Augen an.

Warnung
an meine Schwestern auf dem Balle

Traut, Mädchen, traut den Männern nicht!
Glaubt nicht, was euch ihr Mund verspricht:
Denn wißt, auch außer der Redoute,
Und ohne Mantel und Bajute
Ist dennoch Maske ihr Gesicht.

Schwur und Glaube

"Kann je dies Herz dir untreu werden,
Das dich so zärtlich liebt, so heiß!
Dann Lindenblätter, fällt zur Erden,
Und du, geliebter Quell, wird Eis!"

So raubten Siegmunds süße Töne
Einst einem Mädchen Glück und Ruh;
Und künstlich heuchelt' er die Träne
Scheinbarer Redlichkeit hinzu:

Daß sie, getäuscht durch seine Blicke,
Und überwältigt vom Gefühl,
Nicht ahnend des Verräters Tücke,
Ihm sorglos in die Arme fiel.

Kaum aber war sein Flehn erhöret,
Und für die Treu, die er verhieß,
Vom guten Kind' ihm Treu gewähret:
Als er die Arme schon verließ.

Er floh: sie weint': er kam nicht wieder.
Leichtsinnig brach er Pflicht und Schwur,
Ließ sich auf fremden Fluren nieder,
Und spottet' ihrer Tränen nur.

Bestürzt schlich sie hinaus zur Quelle,
Wo sie sonst freudig sich beschaut.
Erinnrung schwebt um diese Stelle,
Drum seufzt das gute Mädchen laut:

"Ach, Gott! er hat nicht falsch geschworen,
Ich hab ihm nur zu leicht geglaubt!
Denn alle Quellen sind gefroren,
Und alle Bäume sind entlaubt."


Die Schäfchen
nach der franz. Idylle der Madame
Deshoullieres

               Les Moutons

Beglückte Schäfchen, ach ihr weidet
So sorglos; was die Flur euch gibt,
Genießt ihr froh und unverleidet:
Kaum liebend, seid ihr schon geliebt.

In euren unbefangnen Herzen
Gehorcht die Liebe der Natur;
Ihr wisset nichts von ihren Schmerzen,
Ihr schmecket ihre Freuden nur.

Nichts zwingt euch, Tränen zu vergießen,
Die oft, erpreßt durch strenge Pflicht,
Von unsrer bleichen Wangen fließen. —
Vergebne Wünsche kennt ihr nicht.

Kein Ehrgeiz rast auf euren Triften;
Betrug, Verleumdung, Argwohn, sie
Die unsre Ruh so oft vergiften,
Verbittern eure Tage nie.

Zwar ist uns die Vernunft gegeben,
Ein großer Vorzug, wie man meint:
Ein sichrer Leitstern durch das Leben,
Der euch, ihr Schäfchen, nimmer scheint.

Doch könnt ihr neidlos sie entbehren,
Rühmt gleich der Mensch sie himmelan,
Sie, die ein bißchen Weines stören,
Sie, die ein Kind verführen kann:

Sie kämpft umsonst mit Vorurteilen,
Sie ringt umsonst mit Leidenschaft;
Ein Herz zerreißen, statt es hellen,
Ist ihre hoch gepriesne Kraft.

Ihr Schäfchen seid beschirmt vom Hunde:
Er wachet, bricht der Wolf herein.
Wir aber? — — in der Schäferstunde
Schläft die Vernunft, der Argus ein.

Ach! wär's nicht besser fortzuwandern,
Wie ihr, durchs Leben, ohne Zwang,
Von einem Tage zu dem andern
In Dunkelheit und Müßiggang:

Als Schönheit, Ruhm, Geburt zu haben,
Doch keine Ruh? — Beim Himmel! weit,
Weit über die gepriesnen Gaben
Geht eure Sorgenlosigkeit.

Sie lassen Qual und Reu' uns finden;
Wir wollen sie mit Eigensinn
Verewigen, indessen schwinden
Sie, und wir selbst wie Träume hin.

Weiß ein Bewohner dieses Balles,
Worauf er sicher bauen soll?
Das Glück, das Glück entscheidet alles,
Und das ist leider! launenvoll.

Es nimmt so oft mit raschen Händen
Uns morgen, was es heute gab,
Und Klugheit nicht, noch Vorsicht wenden
Die Streiche der Tyrannin ab.

Drum, Schäfchen, weidet zu, — und keines
Reiz' unser Weisheitsstand zum Neid;
Da, trotz des lügenhaften Scheines
Ihr glücklicher und weiser seid.

An einen Freund
vor seiner Abreise

Das Wunderband, wodurch zwei gleich geschaffne Seelen
Beim ersten Blicke sich verbinden und vermählen,
Wird durch Entfernung nur gedehnt.
Es wird von einem Pol bis hin zum andern reichen,
An Dauerhaftigkeit wird's einer Kette gleichen,
Die selbst die Zeit nicht ganz zertrennt.


Bei dem Kuß einer Freundin

Wie? eifersüchtig sein, wenn ich die Freundin küsse?
Das geht zu weit, und fast beleidigt's mich. —
Doch sei nur ruhig Freund! denn wisse,
Ich küßte Sie, und dachte Dich.

An ein Brautpaar

Vor aller Welt erteilt' am Brautaltar
Der Priester euch die Vollmacht, euch zu mehren;
Und keine Menschenmacht kann euern Bund zerstören.
Die Freundschaft bringt durch mich euch ihren Glückwunsch dar,
Und — ihren Rat, auch den, dürft ihr nicht überhören.
Wollt ihr, daß Qual, Verdruß und Schmerz
Nicht einst an euren Kindern zehren:
So zeugt (denn das allein kann diesem Übel wehren,)
Zeugt Söhne ohne Kopf und Töchter ohne Herz.