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Baumfeld Lisa

Quellen:

Frauenlyrik unserer Zeit
Herausgegeben von Julia Virginia.
eigentlich: Julie Virginie Scheuermann

Berlin, Leipzig 1907
Schuster & Loeffler

Lisa Baumfeld: Gedichte
Wien 1900
Verlag der Gesellschaft für graphische Industrie

Gedichte 1
 

Von meiner Seele
In Schönheit
Parfum Tubéreuse
Tränen
Schweigen
Sünde
Qualen
Lebensblut
Phantaisie d'Amour
Sehnsucht
Hellgrün
Frühling
Mattgelb
Sommer
Matt
Erstarrt
Totenwacht
Grau
Juni-Nachmittag
Herbst
Silberweiß

Von meiner Seele


An jenem Tag erschuf Er meine Seele -
Gewittersturm zerwühlte grell die Luft
Und Blitze rissen feuerhelle Pfade
Aus dumpfer Nacht in lichte Ewigkeit ...

An jenem Tag erschuf Er meine Seele
Und formte sie unendlich groß und schwer,
Ließ Donnerstimmen brausend sie durchschüttern
Und kühne Blitze züngeln ätherwärts ...
Goss von des Morgens trunk'nen Sonnenflammen
Viel trunk'nes himmelklares Gold hinein -
Und auch den Duft von fremden, stillen Kelchen,
Und blasse Töne ... dämm'rig ... traumesweich ...
Dann hauchte Er ihr seinen Odem ein
Und sandte sie hinab ...
                                 An jenem Tage,
Von Gottesodem, Gottesglanz geschwellt
Sank sie hinab auf gottesferne Erde
Und sank ... doch weh! da starrte ihr im Weg
Vielleicht ein Fels - vielleicht ein menschlich Wesen -
Da klirrte sie und stöhnte und zerriss -
Und von der großen, sonnenschweren Seele
Ward mir ein kleiner wunder Teil geschenkt!
Ihr blieb die Ahnung weiter Lichtmyriaden
Und abgrundtiefes, banges Heimweh nur ...

Von jenem Donner blieb ihr ... dumpfes Grollen ...
Tiefdunkler, zornig ungestümer Trotz ...
Von jenem Blitz zuckt rastlos irres Flackern
Und kühnes Fragen, dem die Antwort fehlt.. .
Denn ach! der Einblick in die große Helle
Ging mir verloren mit dem Seelenglied.

Und Sonne blieb als brennendes Verlangen
Und Durst nach allem, was da strahlend ist.
Daher das Stürmen - aufwärts - Gottberauscht -
Daher das Sinken, - flügellahm - verzweifelt ...

Drum grollt und stürmt und schmerzt die Seele mich
Und kalter Hochmut presst um sie sein Gitter,
Daß niemand ahne, was darinnen gärt.

In ihrem tiefsten, nachtumflorten Grunde
Bebt etwas auch von jenem Blumenhauch ...
Ein flüchtig Düften ... flüchtig scheue Tränen
Und scheuer Durst nach Liebe ... Liebe ... Liebe!
So kindhaft weich, fromm, schmiegsam ... hingegeben
Geschloss'nen Aug's ... in Seele aufgelöst.

Ich fühl' das selten ... nur in Dämmerstunden
Bei Geigenklang, bei bangem Fliederduft ...
Da kommt ein weinend Wünschen über mich,
Nach meiner Seele losgeriss'nem Flügel,
Aus allen Fasern strömt ihm Heimweh nach,
Das alte Heimweh ... unfassbar und trostlos ...

"In Schönheit"

... Doch aus dem Spiegel trat - beklemmend nahe
Mein eig'nes Bild.
                         Ich hab' so oft geträumt
Von blonder, stiller, märchenheller Schönheit,
Daraus sich meine Seele weben sollt',
Die ätherleichte, scheue Gliederhülle, -
Denn meine Seele ist unendlich still
Und traumhaft blond, und weinend schön und innig ...

Doch aus dem Spiegel trat das eig'ne Bild
So schmerzlich anders mir entgegen ...
                                        Dunkel
Brannt' in dem Blick die braune Tränenflut,
Die schwere, ungeweinte ... Auf der Stirne
Sah ich es huschen ... wie Gespensterhauch
Und wie das Stöhnen ungebor'ner Lieder ...
Und in den Runen um den strengen Mund
Sah ich die Krämpfe stummer Qualen zucken
Und nah' dem Auge tiefe Spuren blau'n,
Wie von der Tragik durchgewachter Nächte ...

Es war ein schmerzlich düst'res Spiegelbild
Und dennoch schön.
                            Von jener fahlen Schönheit,
Die schluchzend sich aus off'nen Wunden ringt ...
Mein blasses Spiegelbild! Du darfst nicht klagen!
Du musst die Wunden deiner Schönheit tragen.

Parfum Tubéreuse

   "Mon âme voltige sur les parfums ..." (Baudelaire.)

Ich will aus schwerem Duft und Sünden
Ein süßes Zauberreich begründen.
Und töten will ich Schmerz und Seele.
Und glücklich sein, wenn ich dich quäle!

Sieh', droben die zitternden, grausamen Sterne,
Die gähnende, schwindelnde, ewige Ferne,
Und alles, was oft mich durchgraut und umflirrt,
Und was die Gedanken zum Wahnsinn verwirrt -
Es will mich erfassen, durchfiebern, umkrallen...

O! lass' die Gardine, die rauschende, fallen!
Und lehn' dich so träg' an den weiten Kamin
Ge'nüber der Ottomane hin!
Ich will mich in die Seide schmiegen,
Den Kopf so müde seitwärts biegen,
Wie du es liebst ...

                           Zurückgelehnt.
Ganz still und schmerzlich süß versehnt,
Umhaucht von fliederheller Seide,
Umzuckt von flackerndem Geschmeide,
Berauscht von dem eig'nen berauschenden Leib ...
Ganz Schönheit und Lächeln ... und Märchen und Weib.

Die Ampel webt ihren blassroten Schein,
Das Feuer knistert so heimlich darein,
Aus all den zärtlichen Falten quillt
Ein lähmend süßer Hauch, und schwillt
Die rote Luft ... so eng, so heiß ...

Du starrst mich trostlos an ... ich weiß!
Mein Duft, und wie ich oft gelacht,
Das hat dich so trostlos ... so elend gemacht!

Tränen

Und es gibt Tränen, die nicht fließen können,
Und es gibt Wunden, die den Geist verbrennen,
Viel unsagbare, unsichtbare Qualen,
Die nur im Dunkel ... blutend, dumpfrot ... strahlen.

Was ward mir dies Empfinden zugeteilt,
Das dem Erlebnis ahnend voraus eilt,
Daß sich im reinsten, goldigsten Genießen
Die Augen plötzlich ... angstvoll sehend ... schließen?

Warum das Leid, um das der andre trauert,
Wie Geisteratem mir das Herz durchschauert,
So daß ich spukhaft - fremdes Weh erlebe
Und doch ein eig'nes, liebes ... nie durchbebe? ...

Und wenn der Misston, der dein Selbst verwirrt,
In meiner Seele Äolsharfe klirrt,
Da fühl' ich höhnend, daß der grelle Schall
Und all mein Leiden - Wahn und Widerhall!

O! es gibt Tränen, die nicht fließen können,
Und Wunden ... Wunden, die den Geist verbrennen,
Und Stürme, die sich nicht in Verse klären -
Und Götter gibt's - die Menschen nicht gewähren! ...

Schweigen

... Und rings das Schweigen ... tödlich schweres
                              Schweigen,
Als wär' der stumme, blasse Lebensgeist
So straff geschwellt mit lauten Schmerzensworten,
Daß er daran erstickend würgt und schweigt.
Er ringt in mir nach Atem, keucht danach,
In einen gellen Schrei zu pressen all
Das stumpfe Elend ...
                              Einen Schrei, der klirrend
Die Seelenfasern auseinandersprengt,
Daß mir die blonde, traumumwehte Psyche
Verhauchend aufgeh'n darf im blauen All ...
... In kühler Kelche Duft sich wiegend,
In leisem Wohlklang weich sich schmiegend,
Endlich befreit! ...

Sünde
(Gemälde von Franz Stuck)

                      Allein die Sünde ist unendlich reich ...
                                                           (Loris.)

... Ein weißes Weib lehnt in den dunklen Falten
Mit steinig weißen, grau'nhaft schönen Gliedern,
An die sich gleißend eine Schlange schmiegt ....
Mit bleichem, sündhaft schönem Antlitz ...

Aus seinen Zügen leuchtet, blaßrot schwellend,
Ein wundersüßer Mund, der vieles sagt,
Und lächelnd ... viel verschweigt ...
In ihrem Aug', dem trunk'nen, zaubertiefen,
Brennt sehnsuchtsfeucht ein Blick, der lockt und fängt
Und schmeichelnd kost und tödlich wundet
Und glühendheiß macht und den Sinn verwirrt ...

Wer bist du, seltsam Weib?
Was glüht in deinen Lippen?
Was rauscht sirenengleich
Aus deiner Augen Meer?

"Mein Name ist der älteste hienieden.
Ich bin im Hauch der starren Tuberose,
Der schweren, die in weißen Gluten brennt ...
Ich bin, wo tolle Rhythmen wirbeln
Und Menschen lachend sich dem Klang hingeben
Und sinnberauschet in den Tod sich wirbeln ...
In allem Dufte, der dich trunken macht
Und süß zu Tode küßt und duftet ...
Bin im Accord, der brausend dich durchflutet,
Und deine Seele streichelt und zerreißt,
Dich elend macht und doch unsagbar glücklich!

Mein Reich ist, wenn der silberweiße Mond
Sein schimmernd Gift in Erdenwunden hinweint,
Und Lieb' und Wahnsinn durch die Lüfte rasen ...
In blassen schönen Frau'n kannst du mich fühlen.
Ich weh' als Atem in des Mundes Gluten,
Ich zuck' in ihrer Hand, die dich erbeben macht ...
Ich bin im Duft der weichen Frauenhaare
Und hab' an ihrer Brust, der kalten, dich durchfröstelt
Und fiebre in dem Kuß, der dir das Herz versengt ...

Komm', komm' zu mir! Ich weiß ein schönes Märchen
Und weiß, dein Herz ist krank ... ich küsse dich gesund!
In meinem Arm ist seliges Verbluten ...
Komm', komm' zu mir! Ich weiß ein schönes Märchen ...

Qualen

Sieh', ich verdurste! all mein Wesen lechzet
Nach deiner Seele, deinem tiefsten Selbst!
Du bist mir jetzt so quälend fern geworden!
Ich will mich fest in deine Seele saugen,
Ich will, ich muss all deine Tränen schlürfen,
Muss mich ertränken in dem fremden Ich.
Es drängt mich fiebernd aus mir selbst hinaus:
Der eig'nen Psyche aufgepeitschte Fluten
Will ich ... muss ich zu Füßen dir verbluten!

Lebensblut

... Ich aber will essen vom heiligen Leibe
Und saugen aus heiligem Becher das Blut,
- Woraus mir in roten, erschütternden Dämpfen
Des Lebens Bedeutung entgegenflammt ...
- An dessen Entglüh'n jener Nebel zerschmilzet,
Der Linien verwischt und uns Farben verlöscht,
Der Klänge erstickt und uns tötet die Düfte,
Und alles so grau macht und matt und alltäglich,
Trostlos alltäglich ...

                             Ich aber will saugen
Aus heiligem Kelche - des Lebens Bedeutung:
Daß festlich mir aufstrahlt die sonnige Höhe,
Daß heimlich die wissende Tiefe mir raunt,
Daß mich umbrause, in schwellenden Chören
Der hellentzündete Rhythmus der Farben, -
Die weichen Harpeggien verklingender Linien,
Und tausend verhuschende, wolkige Düfte,
Und all das Weite, das Rätselblaue ...

Das stürzt so verwirrend mir über die Seele,
Das spannt ihr so straff all die zuckenden Fäden,
Das schwellt sie mit Leben - mit schwerem, genoss'nem -
Bis ihr alle Fasern so schmerzlich gefüllt sind,
Daß sie zerreißen ... im Übermaß ...

O, seliger Tod! berauschet am Becher,
In dem das lebendige Leben glüht!

Phantaisie d'Amour

... Du aber kennst mich nur, wenn ernst und bleich
mein Wesen ist gestimmt, harmonisch ... gleich ...
Und alles wird in mir: Gedanke, Seele ...

Ahnst du den Sturm, den ich dir scheu verhehle,
Und jene Glut, die in den Pulsen brennt,
Und die man zitternd, schaudernd nur erkennt ...?
Und aller Nerven krankes, heißes Beben ...
Den wilden Fieberdurst in mir nach Leben ...?
Ahnst du, welch toller Wahn mich oft umflirrt?

Sieh' nicht auf mich ... weil mich dein Blick verwirrt ...
Ich will dir beichten:
                            Oft in schwüler Nacht
Hab' ich ein fernes Märchenland erdacht,
Wo goldigblonde Sommerlüfte kosen
Und blasser Flieder blüht und purpurtrunk'ne Rosen,
Wo alles Klang und Farbe, Duft und Glanz
Und Elfenlied und leichter Elfentanz,
Und alle Brisen süß vom Blumenhauch geschwellt ...

Im Frühlingsschatten' grünlich matt erhellt,
Wo dämm'rig Klingen, dämm'rig Träumen webt,
Ein Elfenpaar sein Märchenleben lebt ...
Das Paar sind du und ich, in duft'gem Liebestraum ...
Vom Ast flockt rosenrot taufeuchter Blütenschaum
In deine Locken ... weiche Frühlingstränen ...
Und dir zu Füßen ich.
                             In traumhaft stillem Sehnen
Schau' ich empor und küsse dein Gewand.
Da legst du lächelnd deine weiße Hand
mir auf die Stirne ...
                            Laue Lüfte fächeln ...
Ich fühle nichts als dich - dich, dein geliebtes Lächeln.
Und schau' dir tief und durstig in die Augen,
Um schauernd deine Seele einzusaugen ...
Ringsum ist Stille ... Erd' und Himmel lauscht ...
Da sink' ich an dein Herz, betäubt, berauscht,
Und häng' an dir mit schwerem, langem Kuß ...

Und alles rings versinkt, wird Flamme, Glut, Genuß ...
Ich weiß nichts mehr von mir ...
                                 Fernher tönt leises Singen ...
Lass' mich in diesem Kuß ... vergeh'n ...
                                  verglüh'n ... verklingen ...

Sehnsucht

    "... Psyche, my soul." ... Edgar Poe.

Du hast dereinst in heißen Stunden
Oft weinende, wünschende Sehnsucht empfunden,
Oft glühend begehrendes, drängendes Brennen,
Den ewigen Urquell des Seins zu erkennen
Und lichtgesättigt ... erkennend vergeh'n ...

Du hast oft dämm'rig verträumtes Weh'n
Und leises, lindlallendes Sehnen gefühlt
Nach mildem Balsam, der Wunden kühlt,
Nach schlummernder, stillender Friedensnacht ...

Dann wolltest du duftende, klingende Pracht
Und ewiger Schönheit berauschende Flut
Und ewiger Liebe beglückende Glut ...
Und immer hast du dich gesehnt und gequält
Nach dem Einzigen, Einen, das immer dir fehlt',
Und hast dereinst in heißen Stunden
Oft weinende, wünschende Sehnsucht empfunden ...

Das ist vorbei ... du bist so stille!
Verstummt all dein irrender, rastloser Wille,
Verstummt ist das alte, süß-traurige Lied,
Das dich so oft gequält, gemüht,
Und endlich magst du glücklich sein!

Doch meine Seele seufzet: - Nein,
Mir ist so eisig, eisig' kalt!
Ich wollt', sie käme wieder bald!
Das schmächtige, duftige, todkranke Weib,
Mit ewig verlangendem, bebendem Leib
Und ewig verlangenden, schmerzlichen Blicken ...
Denn Schmerz und Verlangen ist höchstes Entzücken ...
Und süßer Genuss sind totraurige Lieder ...
Ich sehne, ich sehne nach Sehnsucht mich wieder!


Hellgrün

Das war ein fröstelnd banger Abend damals ...
In Hildgards Zimmer. Aus dem Steinkamin
Glitt rötlich Flackern über seid'ne Decken
Und Samt und Schleifen ... Alles wellengrün,
Wie Wasser, das in Lunas Kuß vereiste,
So kühl und hell und herzlos wellengrün.

Am Sofa sie. In Falten reich und rauschend
Fiel schwermütig' das weiße Kleid hinab
Und milde Perlen flossen durch die Haare -
Das mondscheinblonde, weiche Frauenhaar,
In dessen Netz ich mich verstrickt ... zu Tode -
Sie wusste, daß mich Perlen traurig machen,
Und darum trug sie Perlen ... Ihre Hand
Lag in dem grünen Schaum der leichten Spitzen,
So weiß und willenlos und todesmatt ...
Und in dem Glas die sterbenden Narzissen ...
Verbebend schwellten sie die blasse Luft,
Und dufteten so rätselhaft, so schauernd ...

Und da geschah's ... ich stürzte vor sie hin
Und sagte ihr - was die Narzissen hauchten ...
Und sagt' ihr alles ...
                             Hildgard blickte auf.
Ihr schönes Antlitz, schön und kalt wie immer;
Und ich zerquälte mich, die weißen Runen
In Hildgards Antlitz zu versteh'n, und schwieg
Und harrte zitternd ... Da durchklirrte gellend
Ihr silberweißes lautes Lachen mich ...

- "Was sagst du ... Glück und Liebe? weißt du noch nicht
Du tör'ger Knabe ... daß das Märchen sind?"
Dann ward sie still und fragte traurig leise:
"Und weißt du nicht, daß Hildgard niemals liebt,
Weil sie nicht lieben kann?" - Ich schluchzte grollend:
"Was läßt du mich zu deinen Füßen knie'n
Und glüh'n und bluten? ... weißt es doch schon lange -
Mein Gott - so lang!" ... Sie sah mich spöttisch an:

"Warum? Mon Dieu! Weil ich Narzissen liebe,
Und alles, was die lange Zeit betäubt!
Et pourquoi pas, mon Dieu, si cela m'amuse?!..."

Frühling

In der Luft, der frühlingsfeuchten,
Blitzt ein jähes, blondes Leuchten.
Lichte Strahlen rieseln nieder,
Singend haucht der schwere Flieder
  Meine Träume aus, die alten duftigen Träume ...

Durch die Zweige wühlt ein Sausen,
Gottberauschtes, wirres Brausen ...
Durch den Himmel hör' ich's rasen,
Und in freudigen Ekstasen
  Flammen Kelche empor, viel trunk'ne, sonnige Kelche ...

Mattgelb

      "O toi, que j'eusse aimée ..."

Einmal sollte durch mein Leben
Jene Hand, die blasse, schweben,
Wie ein Lenzwind ... duftbetaut ...
In der Seele müden Saiten
Hört' ich leise, zärtlich gleiten
Wundersamen Äolslaut ...

Immer tiefer wollt' es schwellen ...
Hab' mich an den dunklen Wellen,
An dem süßen Klang gelabt ...
Und ich weiß, mit tiefem Bangen,
Jene Hand ist früh vergangen ...
Weil ich sie zu lieb gehabt ...

Und ich weiß ... in sel'gen Hainen,
Wo die lichten Brunnen weinen,
Lag ich einst vor dir auf Knien.
Fernher bebte Glockenläuten ...
Matte gelbe Rosen streuten
Ihre Blätter um uns hin ...

Sommer

Nun flammt in gold'nen Fluten
Der trunk'ne Sommer durch die Luft,
Der Erde heiße, liebeswilde Gluten
Entbrennen hell in rotem Rosenduft ...

Nun weint in Nächten, lauen, fahlen,
Sehnsücht'ger Mond in bangem Zittergrase,
Nun ist die Zeit der tiefen, großen Qualen,
Der hohen, schmerzlich wonnigen Ekstase ...

Nun ist die Zeit - wann kommst du wieder?
Wo sonst ein Sang mir durch die Seele schauert,
Wo man aus Blumenkelchen Lieder
Und Klänge schöpft, und gerne bebt und trauert ...

Ich wollt', daß mich ein Weh durchgraute,
Daß eine Träne mir im Herzen glüht',
Und daß, wie sonst, draus eine schmerzbetaute
Tiefdunkle, glutverwirrte Rose blüht ...

Matt

Und Nelken, die freudigen, glutenden,
Und Rosen, die liebenden, blutenden
Sind mir zu laut ...
Mich schmerzt das gelbe Sonnenlicht,
Das jäh in braune Träume bricht
... So gelb und laut!

Und Nächte will ich ... flüssig ... lind,
Wo alles lau in Duft zerrinnt
Und leise Stimmen hat ...
Und Schlummer, der mich blau umschwebt
Und von Vergessen ist durchwebt - -
Ich bin so matt ...

Erstarrt

Gebannt in dumpfes Nichts lag meine Seele.

Rings flammte Lieb' und Sommer in den Kelchen,
Rings blühten duftig die Gedichte auf ...
Doch meine Seele schlich erblindet, träge
Und tot- durch goldigblonde Rhythmen hin ...
Durch aller Rätsel ahnungsvolles Raunen
Gespensterkühl ... matt und verständnislos.

Gebannt in dumpfes Nichts lag meine Seele.

Da kam ihr plötzlich ... langersehnt... der jähe
Urtiefe Schmerz, der sie befreien soll.
Er soll mit Blitzesbrand mein Herz erschüttern,
Er soll versengen, daß aus grauem Schutt
Die neue Blüte blass und düfteschwer
Emportaucht ... Endlich! weine, meine Seele!

Sie weinte nicht ... die schweren Flügel zuckten,
Dann stöhnte sie ein wenig und sie schwieg ...

Es kam kein Blitz ... Nur Kälte ... Kälte ... Kälte ...
Dass alle Tränen ihr in Eis erstarrt ...

Totenwacht

      - "und daß ich das Schmerzlichste sage –" (Heine)
 
Ich hab' solange Totenwacht gehalten
An der geliebten Bahre; - tausendmal
Geschluchzt auf wunden Knien, beim lieben Sarge,
Und aus den Tränen stiegen fackelgleich
Viel weiße Flammen auf ... und banger Weihrauch
Drang wolkig auf ...
                           Ich kniete nächtelange
Und schmerzlich webte ich das Totenkleid,
Und webte es aus Fetzen meiner Seele ...
... Drum klebt viel blasses Blut dran -
                           Nächtelang
Hab' ich gekniet an dem geliebten Sarg ...
Drin lag des lieben Gottes liebe Leiche. -

Grau

Ein sinnend matter, grauverhüllter Tag ...
Er fließt so weich heut mit mir selbst zusammen ...
Umflort sind Träume, Düfte, Klänge, Flammen ...
Weil ich am liebsten weinen - weinen mag ...

Der tote Mann ... und was ich einst empfunden,
Und was ich gern empfinden, fassen will ...
Das atmet in den Lüften, schlummerstill,
Es gleiten lautlos, totenmüd' die Stunden ... -

Juni-Nachmittag

Der stille Tag spann gold'ne linde Fäden ...
Ein Seidennetz, das unsre Frühlingserde
Dem Himmel nah' zog. Und vom Himmel strich
Ein ferner, frommer, ahnungsbanger Hauch
Darüber hin. Und immer musst' ich denken
An jenes Märchen denken ... töricht ... schön ...
... Von Palmengärten, Engeln, süßem Frieden
In Gottes wunderliebem Himmelreich.

Ringsum lag's wartend still ... die Halme wehten
Und sinnend goss die Sonne ihren Blick
Auf leuchtend grüne, leisbewegte Wälder,
Und auf verträumte weite Fluren hin,
Und alles lag in goldverklärter Schöne,
In Erdenschöne.
                      Von der Erde wob
Ein grünes Atmen schwellend herben Lebens
Darüber hin.
                      Es war, es war als ob
Die lebensheiße, ewig irre Erde
Aufseufzend innehielt' in tollem Lauf ...
Sich an des Himmels weite Brust zu schmiegen,
Das müde Herz in blauen Traum zu wiegen ...

Herbst

... Und plötzlich sind die warmen Rosenmädchen
Zu Georginen, hart und müd' verblasst ...
Die Sonne zündet ihre Märchenfackel
Noch einmal blendend an, und festlich schwebt
Die lichte Sonnenlüge durch die Lüfte,
Und träufelt gold'nes Blut in jedes Blatt
Und träufelt gold'nes Blut in meine Seele ...

Noch einmal liegt der grüne See verträumt
Und streut mir lächelnd klares Schaumgeschmeide ...
Die Gletscher leuchten, wundersam entfacht,
Entbrannt im Abend ... schöne Feenpaläste
Die aufwärts locken - aufwärts - - !
                               Und sie sind
Aus bläulichem Kristall, und traumgewobenen
Opalen und aus flüssigem Rubin ...
Die Sonne zündet ihre Märchenfackel
Noch einmal an, und freudeschluchzend ringt
Das hohe Lied des reifen gold'nen Lebens
Sich noch einmal empor ...
                      Doch schwarz und schweigend
Naht sich die Wolkennacht ... Und lautlos wird
Von ihrem Hauch die Sonnenfackel sterben
Und rings wird Nacht sein - -

Silberweiß

... Der Himmel ist so blau - von meinen blauen Träumen ...
Mein Stöhnen schauert tief in blassen Birkenbäumen
Und meine weißen, wirren Phantasien
Entbrennen licht im bebenden Jasmin ...

Ich hab' das kühle Silberlicht so gerne
Und alles Blonde, Helle, Ewigferne,
Und wenn durch feuchte, blaugeträumte Weiten
Die weißen Wolken und die weißen Verse gleiten ...