Knecht und Magd
Es lüstete nicht den Verwaisten, den Ball in die Lüfte zu schlagen,
Ach, war er doch selber ein Ball, vom Sturme des Schicksals getragen;
Er fing die Vögelein nicht, die sorgend im Laube nisten,
Er spähte, wie sie; nach Körnern umher, sein Leben zu fristen.
Er schleppte die Stufen hinan die Körbe, mit Scheiten belastet,
Den Eimer, mit Wasser gefüllt, und hat erst am Abend gerastet,
Hat frierend den müßigen Hund ums bergende Lager beneidet,
Das spinnende Kätzlein, das Gott mit wärmendem Felle bekleidet.
Er reifte heran, es ward sein Geschick, sich im Dienste zu plagen,
Im farbigen Kleid ein farbiges Elend im Leben zu tragen,
Zu lächeln im Leid, zu füttern den Hund, zu satteln den Schecken,
Ein Blümlein der Sünde zu Nacht an die Brust des Gebieters zu stecken.
Er dachte mit redlichem Sinn, sein wonniges Liebchen zu heuern;
Sie hatte nicht Hände wie Samt, sie hatte die Dielen zu scheuern,
Es floß statt des würzigen Öls der Rauch in die wallenden Locken,
Die zarte Sohle, wie schien sie so plump in den bauschigen Socken.
Ihr Bildnis sandte sie nicht, noch Briefe mit güldenem Rändchen;
Er schenkte kein Ringlein ihr und brachte kein girrendes Ständchen;
Sie sahen sich spärlich, sie blieben getrennt in der Jugend Tagen,
Im rauschenden Lenz, wann die Lerchen der Brust am lautesten schlagen.
Sie alterten rasch, doch jugendlich blieb ihr gläubig Vertrauen,
Ihr Hoffen, es war wie die Blümchen im Korn, die schönen, die blauen;
Und hast Du tagüber gepflückt — Du schaust am künftigen Morgen
Ein letztes, ein eheletztes, ein allerletztes verborgen.
Ach nur im Traume schien's den gottgefälligen Seelen,
Als müßten sie dienen nicht mehr, als dürften sie selber befehlen;
Ihm war's, ob ein Bürger vor ihm den Hut in Demut gerücket
Und freundlich Herr ihn genannt und tief vor ihm sich gebücket.
Und als sie gespart und zusammengescharrt die Kreuzer und Gulden,
Und als sie der Priester getraut nach jahrelangem Gedulden,
Da kauft sie die Spindel, den Flachs, um schneeiges Linnen zu spinnen,
Da kauft er die Hütte, mit Röhricht gedeckt, und sie wohnten darinnen.
Sie starrten ins züngelnde Licht, die Alten, die Endlichvereinten;
Es war nicht die Wonne der Liebe, daß sie nun lachten und weinten:
Das war ja vorüber, sie waren getrennt in der Jugend Tagen,
Im rauschenden Lenz, wann die Lerchen der Brust am lautesten schlagen.
Sich küssen? sie täten es schämig! Sich necken? sie täten es leise!
Ach, Blumen waren es wohl, doch waren es Blumen im Eise;
Ein Tanz auf Krücken, o Gott! ein armer verspäteter Falter,
Der halb ein blühendes Kind und halb ein verwelkender Alter.
Es ist nicht Wonne der Liebe, daß sie nun jauchzen und beben,
Nein! nur daß am eigenen Herd die eigenen Pfühle sich heben;
Nur Gott ist ihr Herr, der die Sterne beruft, zu leuchten, wenns nachtet,
Den Knecht, der die Kette zerbricht, mit seligem Auge betrachtet.
Der Trödeljude
Rasch aus dem Bett! Den alten Kummer
Entbietet Dir das junge Licht.
Inbrünstig drehst Du gegen Morgen
Dein abgewelktes Angesicht.
Kaum gönnst Du Dir des Brotes Rinde,
Und schlichtest kaum Dein kraus Gelock;
Dann greifst Du nach dem bunten Trödel,
Es bringt Dein Weib Dir Hut und Stock.
Es feilscht Dein Freund an dieser Türe,
Du wandelst in das nächste Haus,
Blickst schlau hinauf nach allen Fenstern,
Verächtlich sieht die Magd heraus.
Die Treppen auf, die Treppen nieder,
Der Köter bellt auf Schritt und Tritt;
Roh lacht das Volk. Du stehst und lächelst,
O, Mann, vielleicht noch selber mit!
Froh klapperst Du mit Deiner Münze,
Dich reizt das Brüssler Spitzenband,
Der Ring, das Bild, der alte Degen,
Die Pendeluhr, das Pelzgewand.
Du greifst in Bangen und Verlangen
Nach jenem blanken Kruzifix,
Verbirgst es vor den frommen Brüdern,
Und siehst es an verstohlnen Blicks.
Die Straßen auf, die Straßen nieder!
Die Knochen matt, die Stirne heiß!
Die Woche flieht, die Woche bietet
Nur fünf der Tage Deinem Fleiß.
O, spute Dich, Du Atemloser,
Wirb, wirb um Deinen Tagelohn.
Am Samstag will es nicht der Vater,
Am Sonntag will es nicht der Sohn.
Des Abends kehrst Du still nach Hause,
Es sieht Dein Weib Dich fragend an.
Du schweigst, sie geht hinaus und weinet,
Und liebt Dich um so wärmer dann.
Sie reicht Dir lächelnd Salz und Brote,
Sie bringt ihr schönstes Kind herein,
Es fallt Dich an mit hundert Küssen,
Und forscht in allen Taschen Dein.
Du suchst den weichsten Pfuhl dem Knaben,
Ein kurz Gebet, da schläft er schon.
Du aber sprichst: "Ich will Dich wahren,
So lang ich bin, geliebter Sohn.
Doch, wenn ich ging zu meinen Vätern,
Wenn Du verarmt und schwer gebeugt,
Ach, wirst Du nicht den Eltern suchen,
Die Dich geboren und gezeugt?"
"Ein jüdisch Kind — auf deutscher Erde —
Ich trug es kaum, Du trägst es nie.
Du willst des Christen Herz gewinnen,
Und sinnst und strebst und weißt nicht wie.
Er grollet, nicht um Jesu willen,
Er grollet, bis Dein Atem stirbt, —
Weil Deine Hand um Gold und Güter
Geschwinder und beglückter wirbt."
"Du mußt ja schaffen, mußt erraffen,
In steter Gier nach Gut und Geld;
Sie gönnen Dir kein Handgewerke,
Sie gönnen Dir kein Ackerfeld.
Du darfst ja nicht zur Jugend sprechen
Von eines Lehrers hohem Pfühl;
Kein Sternchen scheint dem wackern Busen,
Der sich bewährt im Kampfgewühl."
"Du bist kein Mann in Amt und Würden,
Dein Eid ist matt, Dein Herz ist lau;
Doch Gold, o Kind, das darfst Du geben
Für einen frommen Kirchenbau.
Du darfst im Land die Kranken heilen,
Den Bettlern reichen Brot und Wein,
Und darfst wie ich und Deine Brüder
Ein schlechter Trödeljude sein."
"Du bist zu schwach, um Holz zu spalten,
Doch ehrlich bleibst Du fort und fort;
Ach, willst Du nach der Ferne schweifen?
Ein Laut verrät Dich hier und dort.
Wirst Du die Heimat lassen können?
Dein hochbetagtes Mütterlein?
Wer wird nach Jahren einst begraben
Zu mir ihr heiliges Gebein?"
Er sucht erschöpft das traute Lager,
Ein kurz Gebet, da schläft er schon.
Er spricht im Traum: "Ich will Dich wahren,
So lang ich bin, geliebter Sohn;
Doch, wenn ich ging zu meinen Vätern,
Wenn Du verarmt und schwer gebeugt,
Ach, wirst Du nicht den Eltern fluchen,
Die Dich geboren und gezeugt?"
Der Tag beginnt! den alten Kummer
Entbietet ihm das junge Licht.
Inbrünstig dreht er gegen Morgen
Sein abgewelktes Angesicht.
Er schlichtet kaum die krausen Locken,
Er gönnt sich kaum den kargen Schmaus.
Es feilscht sein Freund an dieser Türe,
Er wandelt in das nächste Haus.
Loreley
Dich sah zu seinem Untergange
Der Mensch in seinem Forscherdrange,
O Gold! und gab dich frank;
Du teiltest des Geschickes Ruder
Mit deinem weißen, frechen Bruder,
Da ward die Erde krank;
Da trat in des Gemütes Reinheit
Mit breiten Wogen die Gemeinheit,
Und jedes Heil ertrank.
Zu Führern durch das dunkle Leben
Hat Engel uns der Herr gegeben,
Wie schien die Welt so klar!
O, welchen hast du nicht geworben,
Verführt, bestochen und verdorben,
Bis er gefallen war?
Es gab für deine großen Lose
Die Unschuld ihre weiße Rose
Aus dem gesalbten Haar.
Es läßt der stolze Ruhm sich locken,
Und willig zieht er seine Glocken
Für Seelen klein und kalt;
Es legt der Mut die Löwenmähne,
Sein Mark zerfließt zur feigen Träne,
Wenn dein Gesang erschallt.
Er schallt und zieht die Menschen nieder,
Ach, wie der Loreley süße Lieder
Mit schmeichelnder Gewalt.
Sie ging in Schönheit vor dem Volke,
Wie einst Jehovas Feuerwolke,
Durch Nacht und Sturm, die Kunst!
Nun baut sie für des Prassers Lüste
Aus Marmor prahlende Gerüste;
Du läßt um Fürstengunst
Die Hohe Bettellieder schreiben,
Und läßt sie ihre Farben reiben,
Für schwüle Kirchenbrunst.
Du hast berauscht die holde Minne,
Hast ihr verwirrt die jungen Sinne,
Die Freunde kennt sie kaum:
Die Nachtigall, den Mai, die Rosen,
Den Mond, das Flüstern und das Kosen,
Das Ständchen und den Traum;
Sie späht nach Talern, nach Juwelen,
Nach Herzen nicht und gleichen Seelen,
Und eines Hüttleins Raum.
Von dir verblendet harrt der Erbe,
Daß der betagte Vater sterbe,
Und flucht der Mutter roh.
Das Recht? Es dienet überwunden.
Die Treue? Sucht sie bei den Hunden!
O mit dir sündigt froh,
Wen lockend deine Gunst bescheinet;
Und für dich sündigt, rennt und weinet,
Wen deine Liebe floh.
Fahr hin, fahr hin, du schlechter Klumpen,
Ich spotte dein, ein Mann in Lumpen,
Der mit dem Elend ficht.
Ja wär ich Herr von Gottes Gnaden,
Mit Macht und Majestät beladen —
Ich ließ mein Wappen nicht
Mit nimmermüden Hammerschlägen
Auf deine freche Stirne prägen,
Mein ehrlich Angesicht.
Trommellied
1.
Es ziehn die Soldaten von Ferne her,
Es flattern die Fahnen, es blinkt das Gewehr.
Es rasseln die Karren mit plumpen Geschützen,
Mit grünenden Reisern prangen die Mützen.
Es zügelt der Reiter das bäumende Tier,
Nach dem Takte steigt der Grenadier:
Trarum, Trarum, Trarum.
2.
Die Fenster öffnen sich allesamt,
Der Bettler vergißt sein trauriges Amt;
Da feiert die Axt, da stürzt aus der Bude
Die Feder hinter dem Ohre der Jude;
Hochbusige Amme und drängst du dich vor,
Zu grüßen den liebsten Tambourmajor?
Trarum, Trarum, Trarum.
3.
Das Herz des Knaben wird weit und warm,
Er rücket die Mütze, er reckt den Arm;
Ausrauschen vor ihm mit unsterblichen Adern
Die Helden Homers mit stolzen Geschwadern.
Ha schmettre, Trompete, ha wirble fort
Tambour, bis dir die Hand verdorrt:
Trarum, Trarum, Trarum.
4.
Verwünschend das morsche Schilderhaus
Ruft die Wacht ihr donnernd: Gewehr heraus!
Muß stille stehen, muß präsentieren,
Indes die Gefährten ins Lager marschieren.
Und willenlos nach dem Takte wallt,
Durch Gassen und Straßen Jung und Alt,
Trarum, Trarum, Trarum.
5.
Ihr tapfern Soldaten, was bringt ihr herbei?
O brächtet ihr Brot statt Pulver und Blei!
Es wandeln die Reichen in Samt und Seide,
Uns mangelt ein Hemd, das die Blößen bekleide!
Du Schütze, du spannst ja nicht den Hahn?
Du wirbelst ja leiser mein Rataplan,
Trarum, Trarum, Trarum.
6.
Nicht wahr, ihr erkanntet den Jammer sogleich
Auf unsern Gesichtern morsch und bleich?
Ihr füllt nicht die Büchsen; ihr füllet die Herzen
Mit unsern himmelschreienden Schmerzen;
Ihr rücket mit uns in Reih und Glied
Vor die trächtigen Speicher, da donnert das Lied:
Trarum, Trarum, Trarum.
7.
Uns trug ja einer Heimat Schoß,
Euch zog ja wie uns das Elend groß.
Den Mächtigen hinter den trotzigen Mauern
Seid ihr nur Kinder von Bürgern und Bauern;
Sie spotten des Knechts, der darbt und friert,
Den des Kalbes fühllos Fell regiert:
Trarum, Trarum, Trarum.
8.
O, laßt nicht kommen den blutigen Tag,
Da euch das Volk bekriegen mag;
Da funkelnden Blicks der verzweifelnde Haufen
Im Sturm euch kommt entgegengelaufen;
Wenn er selber den blitzenden Säbel führt,
Wenn er selber die grollende Trommel rührt:
Trarum, Trarum, Trarum.
9.
So träumt ein Jüngling, dem's Herze brennt,
Schaut sinnend das stolze Regiment.
Geduld! Nach folgt die gaffende Menge
Gedankenlos dem Waffengepränge,
Und dröhnend predigt der Trommelschlag:
Es ist des Kaisers Namenstag!
Trarum, Trarum, Trarum.
Der Bettler und sein Kind
"Bist schwach, verblaßt und mager,
Jüngst frisch und rot!
Kein Hemd, das Stroh verfault am Lager!
Es bellt die Not
In Deinen Eingeweiden;
Geh, tröste Dich mit Andern, Kind.
Die gar noch Dich beneiden,
Die ärmer sind."
"Die Alten und die Kranken
Sind ärmer noch.
Wir sind gesund, laß Gott uns danken.
Einst hilft er doch.
Zwar fehlt Verdienst jetzunder;
Kommt aber rauh der Herbst ins Land,
Tun Axt und Säge Wunder
In starker Hand."
"Drum bete nur um Flocken,
Um Sturm und Braus;
Doch jetzt, es rufen zwölf die Glocken,
Jetzt geh hinaus.
Auf Markt und Straßen klage
Dein bittres Los, Dein Herzeleid.
Gib klug auf jede Frage
A l s o Bescheid:
"Die Mutter, ach, ist leider
Beraubt des Lichts.
Mein Bruder trägt des Königs Kleider,
Hat selber nichts.
Der Vater liegt im Sterben,
Die Schwester trägt den Kies zum Bau,
Ich aber muß verderben —
Helft, schöne Frau."
"Sie hilft, von Deinem Harme
Das Herz gerührt.
Dann juble nicht, daß Du die Arme
Mit List verführt.
Errötend schäm Dich dessen,
Was gnadenvoll in Jahresfrist
Der Himmel kann vergessen,
Du — nie vergißt."
"Nein, sage Dir, die Gute
In ihrer Huld
Wird nun gestraft mit herber Rute
Für fremde Schuld.
Sie büßt für hundert Reiche,
Die Dich bezahlt mit wüstem Hohn,
Von Deiner halben Leiche
Zu Festen flohn."
"Nein, bete für die Reine;
Dann — kauf mir Brot.
Ich harre Dein am Eckensteine.
Du brichst die Not.
Du sollst den Vater lieben,
Auf daß Du lebst auf Erden lang.
So steht es fromm geschrieben
Im Kirchensang."
Der Auswanderer
"Was hilfts, sich wild zu gebärden?
Was hilft des Dulders Mut?
Einst kann es besser werden,
Doch niemals wird es gut.
Es gibt der armen Narren
Zu viel an einem Ort;
Was hilft das ewige Harren?
Heraus du morscher Karren;
Mein Pferdchen, trabe fort."
"Ich mochte lieber erschießen
Das Reh in meiner Pein,
Als Menschenblut vergießen,
Als Dieb und Räuber sein.
Ich brach den Zweig vom Stamme,
Der Förster gab Rapport.
Da band der Herr mich stramme,
Und schlug mir diese Schramme —
Auf Mähre, trabe fort."
"Was hilft's die Hände zu falten?
Man schmälert uns den Lohn.
Es folgt dem harten Alten
Dereinst der harte Sohn.
Wir heizen die Maschinen,
Bis uns der Arm verdorrt.
Er sieht mit lächelnden Mienen,
Wie wir den Tod verdienen. —
Auf Roß, wir traben fort."
"Ich konnte ja nicht bescheren
Dem Pfarrer die Gebühr,
Er mußte drum verwehren
Dem Weib die Kirchhoftür.
Ich grub es in den Garten,
Bei Blumen schläft es dort;
Dort wird es ferne dem Harten,
Den jüngsten Tag erwarten. —
Mein Gaul, ach, trabe fort."
"Fort durch die sandige Strecke!
Ist dir die Last zu schwer?
Spitz, auf des Karrens Decke,
Was kläffst du nur so sehr?
Magst über Lumpen wachen,
Wie über einem Hort?
Es nimmt, o schließe den Rachen,
Kein Mensch die Siebensachen —
Mein Klepper, trabe fort."
"Von ihrem Grab ein Veigelein
Und eine Scholle Sand,
Vom Fliederstrauch ein Zweigelein,
Wo ich zuerst sie fand —
Es schützt dies Pfand der Trauer,
Wie Schwur und Ehrenwort,
Mit süßem und schmerzlichem Schauer
Mein Herz auf alle Dauer —
Marsch Schimmel, trabe fort."
"Fort! Tag und Nacht zu hantieren,
Fort durch die wilde See.
Deutschland, ich muß marschieren,
Deutschland, Du tust mir weh.
Ob Dir das Mark erfroren,
Wer sagts am fernen Port?
Ob Dir ein Heiland geboren?
O halte steif die Ohren
Mein Tier — und trabe fort."
"Du weißt um unsre Narben,
Aar Preußens, fliege zu!
Lebt wohl, schwarzweiße Farben,
Mein vierter Friedrich Du!
Du brächtest gern den Morgen
Dem Volk mit Tat und Wort;
Doch seine bedrohlichsten Sorgen
Man hat sie Dir verborgen —
Lithauer, trabe fort."
"Am Meer dort müssen wir scheiden,
Du alte, treue Haut.
Wer wird dich fürder weiden?
Wer ist mit dir vertraut?
Wen dauert dein Geschlenker,
Wenn dir der Muskel dorrt?
Wer wird dein freundlicher Lenker?
Sie schleppen dich zum Henker,
O Freund, auf ewig fort."
"Nie ließ ich dich Bürden ertragen,
Gaul, die zu schwer für dich;
Nie hab ich dich geschlagen;
Dir nur mit sanftem Strich
Die Kraft erfrischt im Blute,
Dann zogst du wacker fort.
Hätt mir zur Hälfte dies Gute
Ein Mensch getan — dann — Stute,
Siehst du die Schiffe dort?"
Stelzfuß
Los ist der Sturm — es stäuben die Flocken,
Raben umkrächzen das polnische Feld;
Drüber hinkt mit versilberten Locken
Hölzernen Beines, ein bärtiger Held.
Trotzt dem Wetter mit tapferem Nacken;
Schon vernimmt er der Hunde Gebell,
Schon verriet sich mit seinen Baracken
Dorten das Dörfchen, das blanke Kastell.
Forschend betritt er den Hof des Palastes. —
Sitzen die Knechte beisammen im Nest,
Hören das Wimmern des frierenden Gastes,
Aber sie sitzen warm und fest.
Laß das Gefletsch und das wilde Gebärden,
Laß das Geheul, du zottiger Hund;
Naht er doch nimmer mit Waffen und Pferden,
Wie der Bandit zur nächtlichen Stund.
Steht am Fenster des Schlosses Dame,
Wischt von den Scheiben den trüben Hauch,
Lächelt und winkt — da gehorchet der Lahme,
Küßt ihr die Hände nach ländlichem Brauch.
"Herb ist das Wetter, doch Trotz in den Zügen
Geht der Soldat und blindlings drein.
Gönnt mir am Ofen ein stilles Vergnügen,
Gönnt mir ein Gläschen gebrannten Wein."
"Unter den Fahnen des Erivansky
Hab ich um persischen Boden gefreit;
Gegen den donnernden Sabalkansky
Zog ich hinaus in den heiligen Streit."
"Seid Ihr verwitwet? Ist er gefallen
Groß, auf Ostrolenkas Feld?
Oder gräbt er nach schnöden Metallen
In den sibirischen Gruben, der Held?"
"Unser Einen ließen sie fahren,
Schwingend die Knute mit gnädiger Hand:
Wen beherrschte das Zepter des Zaren
Sonst, im ausgestorbenen Land?"
Und sie reicht ihm blanke Moneten,
Hemden und Sohlen und Trank und Brot.
"Will für Euch zum Himmel beten,
Herrin, Ihr handelt nach seinem Gebot!"
"Zwei der Schuhe? Für einen Knochen?"
Also lächelt in Tränen der Greis.
"Aber wird einstens die Schande gerochen,
Geb ich in Freuden den andern preis."
"Polen, mein Leben, Dein Angesichte
War noch wie der Morgen hold —
Krukowiecky, daß Gott ihn vernichte,
Hat dich zerrissen für Judasgold."
Stöhnend drückt sie die zitternden Finger
Rasch an die Lippen dem zürnenden Mann.
"Rede nicht aus, Du Schmerzensbringer,
Rede nicht aus den entsetzlichen Bann!"
"Laß ihm Erbarmen und Milde werden,
Bist ein guter katholischer Christ.
Denn ich weiß es, daß auf Erden
Er der Ärmste der Armen ist."
"Weiß es, ich hab ihn schlafen gesehen;
Weiß es, daß der verlorne Mann
Weder in Reue zum Himmel flehen,
Weder vergessen noch weinen kann;"
"Weiß es, daß Weib und Kind ihn beweinet;
Nahe von hier verkümmert sein Haus! —
Still ist der Sturm, die Sonne scheinet,
Freund, nun geh in das Weite hinaus!"
Segnend verläßt er die Beste der Guten,
Die zu vergeben dem Sünder gewußt.
Ach, verharschte Wunden bluten
Wieder von Neuem in seiner Brust.
Summend ein altes verbotenes Liedel,
Hinkt er zur Schenke — Hallo, Hollah!
Würfel rollen, es jubelt die Fidel, —
Vivat, Vivat, Polonia! —
Freudig erzählt er beim Klange der Becher
Von dem erhabenen Edelweib.
Aber zur Seite der glühendste Zecher
Hebt sich und zittert am ganzen Leib:
"Weißt Du, wer die verherrlichte Dame?
Bring ihr ein Hoch und stirb daran!
Krukowiecka, ist ihr Name,
Schurken und Schergen stoßen mit an."
Still ist's. Die Lippen des Kriegsmanns beben:
"Wär ich verhungert in meiner Not!
Nimmer kann ich es mir vergeben,
Daß ich genossen unehrliches Brot. —"
Was ihm das Weib des Verräters geschenket,
Klingendes Silber, das Hemd und den Schuh,
Schweigend wirft er es fort und schwenket
Rechts um — weiterem Elend zu.
Die Kartoffel
Heilig Brot!
Das du kamst für unsre Not,
Das du kamst um Himmels Willen
In die Welt, das Volk zu stillen —
Fahre wohl, du bist nun tot. —
Ach, es läßt,
Das Geschick den kleinen Rest,
Der aus Eden uns geblieben,
Kalt in seiner Hand zerstieben —
Unter Engeln tobt die Pest.
Armer Mann!
Gehe hin, leg Trauer an.
Völlig bist du nun gerichtet,
Ach dein Letztes ist vernichtet. —
Weine, wer noch weinen kann.
Tot im Sand
Liegt dein Gott, du trauernd Land.
Laß jedoch den Trost dir sagen:
Kein Erlöser ward erschlagen,
Der nicht wieder auferstand!
Auch eine Dorfgeschichte
1.
Es war einmal
Ein stolzer, unbändiger Schotte.
Er wußte von keinem Gotte.
Stets trug er im Gurt den geschliffenen Stahl.
Es zitterten die Kinder
Wie vor dem rußigen Essenmann,
Keins sah er freundlich an.
Die Männer fürchteten ihn nicht minder.
Er trieb die Pächter von Hof und Haus,
Er trieb die Bauern zur Frone hinaus.
Sie mussten zum Bau die Steine tragen,
Sie mussten das Holz in den Wäldern schlagen,
Sein Rösslein in die Schwemme reiten,
Den Teich in seinen Garten leiten,
Sie mussten zur Jagd auf Sechzehnender —
Er strich den Sonntag in ihrem Kalender.
Hieb lustig drein mit dem Haselstock;
Auf Bettler ließ er den Köter hetzen,
Und ließ in den schimpflichen Block
Die atemlosen Mägde setzen.
Es gießt der Regen, es sticht die Sonne,
Sie schmachten im Block. O, Wonne!
Beschnüffelt von müßigen Hunden,
Geknebelt und gebunden,
Auf offenem Markt zu liegen;
Mit nassem Blick zu schauen,
Wie hoch im Blauen
Die freigeborenen Lerchen fliegen. —
Es geht der Morgen, es kommt der Abend,
Sie sitzen und schmachten.
Weh, weh den Müttern, die heimlich und labend
Ein Brötchen in der Schürze brachten!
Geschmückte Dirnen ziehen vorbei,
Bekannte, Verwandte,
Der liebe Musikante
Mit füßebeschwingender Melodei.
Was steht ihr gaffend und spottet und lacht?
Heute Mir,
Morgen Dir.
Ihr kennt den Spruch. Habt Acht, habt Acht!
Es fragen sich die Bauern:
Soll ewig dieses Elend dauern?
Ja, spricht ein alter Mann:
Denn Schierling muß Schierling bleiben;
Denn niemals kann
Ein faulend Herz in die Höhe treiben.
2.
Der Edelmann, der hatte
Ein Töchterlein, ein Gotteswunder.
Stets ward sie schöner und gesunder.
Wer ist ihr Buhle? Wer wird ihr Gatte?
Schwarz war ihr Gelock wie des Vaters Seele,
Sie sprach wie Philomele.
Ihr Auge war rasch und braun wie das Reh,
Die Hand wie frisch gefallener Schnee.
Habt Acht, ihr liebberauschten Bübchen
Vor ihrem gefährlichen Wangengrübchen!
Ja, steht sie da, so leicht und hell,
Dann wähnet ihr, es müßten schnell
Zwei glänzende Schwingen
Aus ihrer weißen Schulter springen;
Sie müßte, gleich den Engeln, sich heben,
Und auf in die goldenen Wolken schweben.
Es folgte dem schönen Heute
Der schönere Morgen.
Sie war so mild, doch blieb ihr verborgen
Das wüste Weh der armen Leute.
Die glücklichen Tauben, die ohne Sorgen
Ihr Mahl und ihre Zelle haben,
Sie fassen nicht die Angst der Raben,
Die heimatlos ihr Futter suchen.
Wer will darob der Einfalt fluchen? —
"Euch fehlt das Brot? Dann speiset Kuchen!"
So sprach sie harmlos und gerührt.
Und wenn das beschenkte Bettelkind
Ihr Händchen an seine Lippe geführt,
Da sprach die Amme geschwind:
"Verwöhnet nicht das falsche Gesind.
Fort, fort, ins Kämmerlein,
Mit Seifen und Salben, frisch und rein
Die Finger zu säubern,
Entwürdigt von diesem Volk von Räubern."
3.
Es lebte schlecht und recht
Zwei Meilen vom Schloß, ein gräflich Geschlecht.
Die Väter waren sich hold,
Gleich wogen die Ahnen und das Gold —
Nun mußten sich wohl die Kinder lieben!
Vertraute Zeilen wurden geschrieben,
Stets waren die Boten auf der Reise.
Man sann auf süße Gedichte.
Die zärtlichen Vergißmeinnichte
Die Veilchen und Rosen stiegen im Preise.
Der Hochzeitsabend war gekommen,
Von Fackeln war das Schloß beschienen.
Es gingen die Knechte mit wichtigen Mienen,
Sie hatten ihr festlich Kleid genommen.
Es mußte das älteste Faß sich verbluten;
Es klirrten die Teller und lustig knatterten
Auf allen Herden die Gluten;
Die Hühner und Enten flatterten,
Und ahnten die nahe Sterbestunde.
Man futterte doppelt die gierigen Hunde,
Vergessen wurden die täglichen Hiebe;
Man fütterte doppelt das Kalb und die Kuh,
Man drückte mit christlicher Liebe,
In Gott vergnügt, die Augen zu,
Wenn um den süßen Brei
Das Kätzlein schlich, in Diebesgelüst.
Die Bauern aber? Nun, da ihrs wissen müßt
Sie durften dreimal mit Jubelgeschrei
Ein Lebehoch dem Pärchen rufen,
Und kauern an des Schlosses Stufen.
Spiel auf Musikant!
Was hast du Neues gelernt? —
4.
Das Alter bebändert und besternt,
Es trinkt und mischt die Karten gespannt.
In Lügen überfließt
Ein Herrchen von seiner großen Reise,
Im gläubigen Damenkreise.
Man kühlt das Entzücken mit leckerem Eise.
Hin an den Flügel schießt
Ein bleiches Kind, in Ruhmes Nöten
Ein neuestes Lied zu flöten: —
Da donnert die Axt
Mit Macht, mit Macht;
Es bellt der Hund,
Die Türe kracht.
Der Tänzer starrt,
Die Fidel ist stumm;
Es geht die Furcht
Mit großen Schritten im Saal herum.
Hui, fliegen die Knechte hinaus!
Es steht kein Räuber vor dem Haus.
Schaut auf, ein riesiger Zettel
Ist fest ans schwarze Tor genagelt.
Da ruft der Herr: Gebt her den Bettel!
Und ein Gewitter hagelt
Von seiner schäumenden Lippe nieder.
Und er liest und es lesen die Gäste wieder:
"Du mußt sterben, Du mußt sterben!
Deine Tage sind gezählt.
Uns und unsers Elends Erben
Hast Du unerhört gequält.
Bleiben darf es nicht beim Alten,
Und wir müssen ins Gericht;
Selber müssen wir uns halten,
Selber unser Heil verwalten —
Denn der Himmel tut es nicht.
Früh und spät mit straffen Sehnen
Wird der Rächer Dich umschleichen.
Fasse diesen, fasse jenen —
Einer wird Dich doch erreichen!
Ausschlägt der Herr die gellende Lache,
Doch bleibt es still im stillen Gemache;
Doch mögen nicht zum Sausen der Pfropfen,
Zum Ruf der Hörner und Trompeten
Lebendig wie sonst die Herzen klopfen —
Sie möchten beten, beten!
Die Luft wird nimmer frisch und gesund,
Das Rot ist fliegend auf ihren Wangen.
Die Säle veröden zur zwölften Stund,
Die Gäste schieden in Angst und Bangen.
5.
Streng läßt der Herr behüten das Haus,
Er sieht zu keinem Fenster hinaus.
Findt keinen Trost bei seinem Kinde,
Und wittert Verrat bei seinem Gesinde.
Es darf nicht sprechen geheim und leise,
Vorkosten muß es von jeder Speise,
Und muß mit unerschrocknen Lippen
Von jedem Becher nippen.
Er stöbert des Abends in allen Ecken,
Forscht unter dem Bett mit prüfender Hand;
Läßt vor sein Lager die Hunde sich strecken,
Es schimmern die Waffen an jeder Wand.
Es schläft in den Kleidern der Dienertroß.
Licht muß es sein im ganzen Schloß.
Und wenn er des Morgens erwacht
In seinen marmorgetäfelten Räumen —
Hat er die lange, lange Nacht
Gekriegt mit seinen gespenstigen Träumen.
Er traut dem treuen Arzte nicht;
Mißt ängstlich den alten Herrn,
Den Pfarrer des Dorfs, der Abends gern
Und viel den Lauf der Welt bespricht;
Das Schachbrett stellt, sich schlagen läßt;
Die heisere Kehle
Mit edlem Franzwein näßt,
Die sanfte, gottesfürchtige Seele.
Und reitet er aus dem Haus
In seine Gärten und Felder hinaus —
Da reiten die Knechte vorn und hinten
Mit Säbeln und Flinten. —
Es kommen und gehen die Wochen.
Es rührt sich Nichts in seinem Kastell.
Es kommt kein wilder Gesell
Aus finsterem Busch hervorgekrochen.
Es zeigen die Bauern den willigsten Eifer,
Sie tragen im Nacken den Kopf nicht steifer,
Sie springen und singen, sie scherzen
So recht aus kindlichem Herzen —
Da schilt er sich lächelnd einen Toren,
Läßt aus der Seele die Sorgen fahren,
Und ist mit grau gewordenen Haaren
Wie neu geboren.
Nun will er genießen des Lebens Reste,
Und wiederum gibt es Jagden und Feste.
6.
Eines Morgens wird ihm die Kunde
Aus eines Briefleins Munde:
Es sei das ferne Töchterlein
Des lieblichsten Knaben genesen.
Es zittern die Hände sein,
Kaum können die nassen Augen lesen.
Vorfährt vierspännig der Wagen,
Er soll ihn rasch zur Tochter tragen.
Er hat zum ersten Mal geweint. —
Die Luft ist so frisch. Die Sonne scheint
So warm und schön.
Im Dorfe hallt der Glocken Getön.
Der Sonntag war gekommen
Für alle Bösen und alle Frommen.
Fort braust das Gespann. Ein treuer Knecht
Begleitet ihn die kurze Reise.
Es grüßen die Kinder, es grüßen die Greise.
Er lächelt und dankt. Man wundert sich recht.
Dort, wo die letzten Häuser stehen,
Dort läßt er träger die Rosse gehen.
Ein Mütterchen sitzt in der Schwelle,
Und schält den Apfel mit welker Hand;
Ach, ihre Tränen fließen helle
Und heiß herunter in den Sand.
"Was weinst Du so bitter am frühen Morgen?" —
"Ich weine des Morgens und weine zu Nacht.
Still trug ich die Not, still trug ich die Sorgen
Nun bin ich um das Letzte gebracht.
Mein süßer Enkel mit goldenem Haar,
Drin liegt er auf der Totenbahr.
Der Mutter ist er nachgegangen,
Sie ruhen im Himmel und freuen sich Beide.
Ich aber bin allein im Leide.
Wann, Ewiger, willst Du mich verlangen?"
Er folgt ihr ins enge Kämmerlein,
Dort liegt der schöne Bub im Schrein;
Dort liegt er im weißen Gewand,
Hat Blumen in der Hand.
Ein Lächeln vergaß sich auf seinem Munde,
Er freute sich der letzten Stunde.
Die Alte bedeckt ihn mit Tränen und Küssen,
Sie betet ein Vater Unser leise.
Da schauert die Seele dem Greise. —
Zum ersten Mal hat er beten müssen.
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