Nun war'n in großem Zwang und Drang
Die Wiener, die ich vor besang,
Sie wußten weder hin noch her
In keiner ihrer Sachen mehr,
Wie sie sich halten sollten,
Sie waren ganz bescholten.
Verstoßen ganz an jedem Ort,
Einer rupft sich hier und ein And'rer dort
Von allen Seiten, jedermann
Kam nun auf sie geritten an,
Sie war'n verwaist und ledig.
Doch unser Herr, der Kaiser,
Saß still dabei und sah nur zu.
Und fragt' nicht wie und was man tu',
Ob grad' ihre Sache oder krumm,
Er ließ sie also ziehen um,
Und ließ sie dessen walten,
Wie Gott es wollt' gestalten.
Da jetzt die Wiener solche Not
Und große Anfechtung bedroht,
Da faßten sie nun den Beschluß,
Und wandten andermal den Fuß,
Nach Neustadt hinzugehen
Den Kaiser anzuflehen.
Vierhundert Mann stark zogen sie
Und fielen alle auf die Knie,
Und klagten ihren Kummer sehr
Und sprachen: "Allergnädigster Herr!
Mit Leib und Gut und Leben
Wollen wir uns ergeben,
In Euere durchlauchtige Gnad'
Und kaiserliche Majestat;
Vergebt, vergesset, lasset hin
Eur'n Groll und Euren zorn'gen Sinn,
Des wir wohl haben Schulden,
Und gebt uns Eure Hulden;
Und lasset nicht von Jedermann
Uns schädigen und fallen an,
Sonst müßten wir verderben gar.
Großmütiger Kaiser! nehmet wahr,
Wir wollen gern erstatten,
Was wir gefehlet hatten
Und übel taten je an Euch,
Mach' unsre Reu' und Güte gleich,
Wir woll'n Eurer Durchlauchtigkeit
Befehl und Diensten sein bereit,
Gehorsam, untertan in Treu'n,
Zu jedem Dienst gewärtig sein."
Der Kaiser, so ward mir Bescheid
Empfand gerührt Barmherzigkeit
Und sprach: "Euch werde ganze Huld,
Und Eure Missetat und Schuld
Sei Euch nicht mehr gemessen.
Vergeben und vergessen.
Soll Alles bleiben ohne Schmach,
Und Keiner frage mehr darnach,
Sofern Ihr solchen Willens bleibt
Und nimmer solches Übel treibt,
Als ich von Euch erfahren,
Soll't Ihr's verbürgt bewahren."
Als dies die Wiener hörten, da
Wohl Allen große Freud' geschah,
Vor Freuden sah man viele weinen,
Als sie den Kaiser sah'n erscheinen
In solcher Gnad' und Hulden
Vor solchen schweren Schulden.
Sein' Gnad' bestätigt er noch mehr;
All' ihre Rechte wie bisher,
Den gold'nen Adler, den der Stadt
Er früher weggenommen hat
Und auch geleget nieder,
Gab er den Wienern wieder.
Doch war ein Unterschied darin
Wohl zwischen dem von Krems und Wien,
Daß man den Unterschied verspürt
Und kennet, welche Stadt ihn führt.
Die Wiener zogen alle
Mit lautem Freudenschalle
Und Jubel aus der Neuenstadt
Vom Kaiser, der gegeben hat
Den gold'nen Adler da,
In frohem Zuge trug man ihn,
Auf einem Banner schwebend
Stand er, als wär' er lebend.
Und von den Wienern hört man mehr
Fürbaß nicht Bosheit wie vorher,
Sie blieben ihrem Herrn fortan
Gehorsam stets und untertan,
Und dienten ihm in Treue
Und hatten große Reue.
Die lasterhafte Tat, die da
Zu Schimpf und Schand' in Wien geschah,
Verführung hat dazu verleit't
Absonderlich die armen Leut'.
Wer richtet solch' Vergehen?
Es ist einmal geschehen!
Und wird nicht ungeschehen — Nu,
So rede man das Best' dazu.
Der Kaiser wohl und edel tat,
Daß er die Schuld vergessen hat.
Gäb's Sünder nicht auf Erden,
So möcht' kein Übel werden.
Reut's ihn, verzeiht ihm Gott die Tat;
So tat es auch die Wienerstadt,
Daß ich auf sie gescholten schwer.
Das macht, die Not befing mich sehr,
Als ich darin gesessen
Ohn' Trinken und ohn' Essen.
Bei andern in der Festung d'rin;
Darum ich zornig g'wesen bin,
Gesehen hab' ich vielerlei
Und wahrhaft viel gehört dabei,
Was ich dann hab' gedichtet
Und in dem Buch berichtet.
Weil ich, der Michel Beheim heiß,
Nun nicht mehr viel zu sagen weiß,
Darum bin ich jetzunder still,
Und nicht davon mehr dichten will!
Des Kaisers Gnad' und Hulden
Die Stadt für ihre Schulden
Empfing nach Ostern vierzehn Tag,
Von Gott's Geburt wer zählen mag,
Im vierzehnhundertesten Jahr
Und fünfundsechzigsten es war.
Zu End' hab' ich geschrieben,
Gott helf' uns hier und drüben!
|