weiter

Quelle:

Noryssa
Büssel Aloys Joseph
Ein Sonettenkranz
aus den norischen Alpen

Würzburg 1831
I
n der Etlinger'schen Buch-und Kunsthandlung.
 

Norische Alpen

Norische Alpen, wenig gebräuchlicher zusammenfassender Name für den südlichen Abschnitt der zentralen Ostalpen.
Sie umfassen in Kärnten und in der Steiermark zwischen Mur und Drau Gurktaler Alpen und Seetaler Alpen (Zirbitzkogel 2396 m),
Saualpe (2079 m), Koralpe (2140 m), Poßruck (Kozjak) und in Slowenien das Bachergebirge (Pohorje).

 

Kranz 1
 

Dahin
Die Sehnsucht
Die Heimat
Der Bund
Hand in Hand
Der Untersberg
Des Kaisers Heer
Im Berge
Die Nacht im Dome
Das Lied vom Untersberg
Der Marmorbruch
Die Mahnung
Die Einladung
Der Kaiser und der Sänger
Die Fürstenquelle
Die Schlacht
Die Genien
Die Braut
Der Erzhirt
Der Zug
Einst
Die Römer-Villa
Ariadne
Versunkene Pracht
Des Kaisers Wort
Das Scheiden
Palingenesie
Lied und Ruhm
Sie
Der Lohn

Dahin


Der Adler flieget gern zur Heimatstätte,
Sagt dir ein alter Spruch aus deutschem Munde.
Ach, wenn ich nur gleich ihm auch Schwingen hätte,
Ich zöge schnell nach jenem Talesgrunde;

Ich höb' die Flügel nach der Bergeskette,
Die ihn umschließt in schauervoller Runde,
Und forschte nach dem stillgeheimen Bette,
Und ruhte dort von meiner Pilgerstunde.

So mächtig zieht's mich fort zum lieben Tale,
Als rief mir's zu aus seinen Blumengründen:
"Bei mir wirst Du das Glück des Friedens finden,

Ich reiche Dir der Freude Nektarschale,
Und will des Liedes Quellen Dir erwecken,
Die sich in tiefer Dichterbrust verstecken."

Die Sehnsucht

Du kennst das Volk, dem namenlos Verlangen
Nach seiner Heimat einst entlockte Klagen?
In Liedern die Geliebte zu umfangen,
Erlag's dem Schmerz in jenen Persertagen.

Wenn sie von Gilead und Horeb sangen,
Und auf den Knien innig flehend lagen,
Erschien des Tales Bild in Jugendprangen,
Und mahnte sie, der Trennung Schmerz zu tragen.

In Sonnengluten rauschen ihm die Quellen
Des Gilead und winken süße Reben
Mit Heimatblüten aus den Silberwellen;

Der Zedern Häupter wehen Kühlung nieder,
Die Heimat schmiegt sich um die müden Glieder,
Um Tröstung in den Bildern ihm zu geben!

Die Heimat

Der Alpensohn, entrückt den Blumenmatten,
Gewohnt zu wandeln nur auf Schwindelstegen,
Er sehnt sich nach der Heimat Fichtenschatten,
Die riesenhaft am Hange sich bewegen;

Der engbegrenzten Hütte dünne Latten,
Gepeitscht vom rauhen Nord und Schauerregen,
Weil seine Kindheit sie umschlossen hatten,
Pocht ihnen warm das Herz mit treuen Schlägen!

Er zaubert sich in ihre stillen Räume,
So fern er schweift von dem geliebten Lande,
Auf Rosenschwingen selbst geschaffner Träume,

Und breitet vor sich aus die Lustgefilde
Mit ihrer Quellen reinem Silberbande,
Und schwelget selig in dem Sehnsuchtbilde!

Der Bund

So schlug ich dreimal an der Laute Saiten,
Den Dichtergruß voraus in's Land zu senden,
Wo sie nach frommem Brauch ihn freundlich deuten,
Willkomm mir bietend mit den Bruderhänden.

Dein Geist, Geliebter! soll mich dort geleiten
Hinauf zu unsrer Täler Felsenwänden,
Gedenk' der hingewelkten Jugendzeiten,
Dem treuen Bund ein Blumenfest zu spenden.

Du wandle neben mir durch Tal und Auen,
Und wo ich irre, will ich Dir vertrauen;
Du sprichst zu mir mit freundlichem Geflüster,

Wie einst, als in der Almennächte Grauen
Dort an der Flamme traulichem Geknister
Wir fest umschlungen saßen, wie Geschwister.

Hand in Hand

Es ist mein Lautenklang Dir zugeflogen,
An Deinem Grabeshügel sinkt er nieder,
Und weilet dort, von Schmerz in sich gebogen,
Und fragt um Dich und um verklung'ne Lieder.

Das dunkle Los war früh Dir zugewogen,
Dich traf zu bald das tödliche Gefieder;
Um tausend Güter hat es Dich betrogen,
Und was es nimmt, das gibt es nimmer wieder.

So laß den Laut der Klage zu Dir dringen!
Am alten Römersitze, bei Ruinen
Begeg'ne Geist dem Geist auf Ätherschwingen,

Als friedliche Begleiter sich zu dienen,
Die das Vergangne deuten aus dem Leben,
Und von der Gegenwart zum Einst entschweben!

Der Untersberg

Mit breiten Schultern dort und mächt'gem Rücken,
Erhebet sich der Berg, ein finst'rer Riese,
Vom Bruder abgewandt, mit ernsten Blicken,
Geschmückt den Nacken mit dem Gletscher Vliese.

Wie lauscht' ich oft mit kindlichem Entzücken,
Begann die Mähr' vom heit'ren Paradiese,
Wo sich die Geister vor dem Kaiser bücken
Im unermeß'nen, marmornen Verließe!

Da trat die Zauberwelt aus deinem Schoße,
Die Gnomen hüpften um die Tafelrunde,
Auf deinem Scheitel glomm zur Geisterstunde

Das blaue Flämmchen aus dem feuchten Moose,
Und deine Tiefen bebten vor dem Heere,
Und Wogensturm erhob sich, wie im Meere.

Des Kaisers Heer

Wo ist das Heer, von dem die Sage kündet,
Wo weilt der Kaiser, der das Land verschlungen?
Weh, als der Rache Flamme sich entzündet,
Sind deine Marmorhallen aufgesprungen!

Dort hat er seinen Wohnsitz sich gegründet,
Als er nach langen Kämpfen ausgerungen,
Und einen Marmorsaal darin gerundet,
And sich ein rüstig Geisterheer gedungen!

Und tausendfache Schätze wuchern drinnen,
Es wuchert selbst sein Bart mit Riesenlange,
Durchfechten von Smaragden und Rubinen.

Da sitzt er ernst im wogenden Gedränge,
Der Ritter Scharen funkeln hell in Eisen,
Zum Kampf sich immer tätig zu erweisen!

Im Berge

Und Blumen sprießen, reich an süßen Düften,
Und Lorbeerbäume rauschen an den Quellen,
Die Freude wallet in den Marmorgrüften,
Die Waffenschmuck und Demantglanz erhellen.

Da jubelt's auf zu mitternächt'gen Lüften,
Wenn sich zum Zug die roten Fahnen schwellen;
Die Heldenschwerter klirren an den Hüften,
Und in den Sälen braust's, wie Stromeswellen.

Gemahnt's den Kaiser, wieder aufzubrechen?
Will einen neuen Römerzug er wagen,
Aufs Neue sich am Völkerhirten rächen,

Dem er das schöne Land im Zorn verwüstet!
Laß ab, erwecke nicht die alten Klagen,
Wenn Dich nach neuem Schlachtenruhm gelüstet!

Die Nacht im Dome

Hinein zum Dome magst Du friedlich ziehen
Um Mitternacht mit Deinen Kriegerscharen!
Die Orgeln donnern und die Ampeln glühen,
Am Hochaltare singt in bleichen Haaren

Der Völkerhirt: "Es soll der Frieden blühen,
Auf, laßt uns vor des Kaisers Zorne wahren!"
Und Funken aus dem Weihrauchfasse sprühen
Hinauf zum Herrn, zu wenden die Gefahren!

Der Kaiser kniet im Schmuck auf samtnem Kissen,
Ihn rührt der Menge tiefe Andachtstille.
Wo ist mein Bild? Wie Nebelduft zerrissen

Entfloh es mir, ich stehe auf den Fluren
Vor dir, du Riesenfels! in Blumenfülle,
Und forsche sinnend nach des Kaisers Spuren.

Das Lied vom Untersberg

Der Sänger* ist mir auch dahingegangen,
Der deine Mähren wunderbar gestaltet.
Als Jüngling trug ich einst ein heiß Verlangen,
Mir wär' des Liedes Gabe so entfaltet!

Wie staunt' ich deiner Bilder reichem Prangen?
Welch hoher Geist hat einst in dir gewaltet?
Ich sah der Helden Schmuck und gold'ne Spangen
Und ihre Jugendkraft, die nie veraltet!

Dein Lied, von dieses Wunderberges Mähren,
Vom Fürsten**, der die Marmorburg bestieg,
Begeistert wird's der spätste Enkel hören,

Und immer feuert es der Dichtung Sieg,
Die in des Fürsten herrlichem Gemüte
Seit jenen Tagen wundersam erblühte!

*Dr. Aloys Weissenbach, **König Ludwig von Bayern.

Der Marmorbruch

Dem Fürsten ist des Berges Geist geneigt,
Und spendet immer reiche Marmormassen,
Weil er verwandt dem Kaiser sich erzeigt,
Das Große kühn und mächtig zu umfassen.

Der Kaiser schaut herab von den Terrassen,
Die Stirne rings vom Lorbeerreis umzweigt.
Er würde nimmermehr den Löwen hassen,
Den er so tief in grauer Zeit gebeugt.

"So nimm den Marmor aus den tiefen Schachten,
Dein Geist erschafft aus ihm des Ruhmes Säulen,
Sie ragen hoch bei dir in langen Zeilen.

Des Freundes würdig ist dein hohes Trachten,
Der einst mit mir der Taten Ruhm geteilt,
Und segnend über deinem Haupte weilt!"

Die Mahnung

"Ich sah, wie Du in diesem Tal erblüht,
In üpp'ger Manneskraft, nach Großem sinnend,
Wie für des Friedens Taten Du geglüht,
Das Unerwartete mit Mut beginnend.

So hege fort, was nimmermehr entflieht,
Das Reich des Schönen, edlen Sinns gewinnend,
Das ew'ge Kronen um die Stirnen zieht,
Mit heil'ger Glut um seinen Zauber minnend.

Doch, ruft der Krieg, entfalte Deine Fahnen!
Der Leu, der siegreich oft mit mir gezogen,
Soll Dich an seine Kriegestaten mahnen!

Nicht immer darf der Künste Ruhe schalten,
Der König huldigt auch des Kriegs Gewalten,
Denn Palm und Lorbeer sind ihm zugewogen!"

Die Einladung

"Du magst den neuen Bund des Friedens hegen,
Und oft zu meinen Marmorhallen kommen!
Geheime Zwiesprach will ich mit Dir pflegen,
Und meine Nähe soll Dir, Edler, frommen!

Laß immer hin die Massen fortbewegen
Zum Ruhmesbau, was Du dazu genommen
Geleitet gern mein Geist mit Vatersegen,
Denn mir auch war des Hohen Glut entglommen.

Mir ließ es nicht die Schwerterzeit erkeimen,
So warm es mir in dieser Brust geschlagen,
Nicht schwelgte mir der Sinn in heitern Räumen;

Mich hat des Krieges Flamme fortgerissen,
Auf Sturmesflügeln rauher Zeit getragen,
Vermocht' ich nicht das Leben zu versüßen."

Der Kaiser und der Sänger

Der Kaiser geht jetzt heim zur Tafelrunde,
Und sinnet dort im innersten Gemach,
In seines Herzens tiefbewegtem Grunde
Der Saat der ausgestreuten Taten nach.

Er geht herfür zur schauervollen Stunde,
Und immer hält er seine Krieger wach;
Ertönt der Ruf aus seinem Donnermunde,
Erdröhnet im Gestein ein lautes Ach.

Der Sänger naht sich dann mit seiner Laute,
Und setzt sich traulich zu dem Kaiser hin —
Die Locken bleich, den Lorbeer ewig grün.

"Erwecke mir zum Lied die süß Vertraute,
Du magst von den Jahrhunderten mir singen
Und Lust in meine Marmorkammer bringen!"

Die Fürstenquelle

Sei mir gegrüßt, des Berges heil'ge Quelle!
Einst taucht' ich mich in deine Silberfluten,
Und wiegte mich auf deiner sanften Welle,
Zu kühlen mir der Jugend heiße Gluten.

Der Kaiser schickt dich aus geheimer Zelle,
Und flügelt dich, seit ihm die Kriege ruhten,
Zu raschem Lauf mit wundersamer Schnelle,
Und laßt nicht ab, dich rastlos zu ermuten.

Dich krönt seit jener Zeit ein hoher Name,
(Denn Fürstenquell bist du seit ihm genannt)
Und trägst um deine Stirn ein Demantband.

Die Wolke senkt sich von dem "hohen Drame" *
Und nächtlich bringt sie dir geheimen Gruß,
Und stürzt in deinen Schoß mit warmem Kuß!

*Der hohe Dram — auf dem Untersberge.

Die Schlacht*

Der Franke zog daher wie Ungewitter,
Das blutige Jahrhundert lag im Scheiden,
Es seufzte noch, wie stilles Harfgezitter,
Und lächelte zu überstand'nen Leiden.

Da schaut' ich aus der Jugend Rosengitter
Durch Wolkengraun in's Feenland der Freuden!
Von Taten träumt' ich, wie ein junger Ritter,
Um Liebesglück und Liederlohn zu neiden.

Die Heere kämpfen, ferner Donner rollt,
Der Tag versinkt in tiefe Pulvernacht,
Und auf den Lorbeern ruht die müde Schlacht.

Ich aber hab' mit keinem Feind gegrollt,
Ich sah den Sieger zieh'n von Hohenlinden,
Als käm' er aus der Dichtung Labyrinthen.

*Schlacht am Untersberg, den 12. December 1800.

Die Genien

O schönes Träumen mitten unter Taten,
Die wild und hehr der Erde Kreis durchzogen!
Zu hoffen gab es dort, nichts zu erraten,
Dem Kinde war das Leben selbst gewogen.

Ich stand im Schutze treuer Doppelpaten,
Aus Himmelsräumen kamen sie geflogen,
Die ein gelindes Los für mich erbaten,
Mich schlossen in der Arme linde Bogen.

Ihr kennt sie wohl! Seit jenen Kindestagen
Bewahr' ich sie im kindlichen Gemüte,
Vom rauhen Sturm des Lebens fortgetragen.

Dort heg' ich sie wie eine zarte Blüte,
Die nie verwelkt an duft'gen Lenzeszweigen,
Denn ew'ger Lenz ist ihrem Leben eigen. —

Die Braut

Am Dorfe kommt die Glan dahergegangen!
In tiefen Ufern rauscht der Wogen Fülle;
Doch langsam wandelt sie, vom Strauch umfangen,
Mit abgemessnem Ernst und tiefer Stille.

Was zögerst du? Was hemmt dich für ein Bangen?
Wie munter ist am Berge dein Gequille,
Wo Gnomen dich als heit'res Kind umschlangen,
Und zärtlich pflegten dich in Schleierhülle!

Da außen harrt der Bräutigam und lauschet,
Er will die Braut in seinen Armen wiegen,
Und sich zu ihr im Silberbette schmiegen.

Laß rasch die Wogen zieh'n! Beglückte, tauschet
Bald Kuß um Kuß, fern an des Ostens Toren
Wird eu'rem Bund der schöne Sohn geboren!

Der Erzhirt*

An deinen Ufern stand der Bayern Heer,
Der Erzhirt zittert vor der Bauern Scharen!
Es wogt um ihn ein weites Waffenmeer,
Den Bauer treibt es von den stillen Laren;

Erkämpfen will er sichere Gewähr
Für Menschenrecht, die Freiheit will er paaren
Mit seinem Los, in Knechtschaft nimmermehr
Den ungemess'nen Hohn des Herrn befahren.

Doch wie sie furchtbar dräu'n des Bauers Waffen,
Das Schwert der Bayern hat sie schnell gebrochen,
Denn Bayern-Mut versteht es, Sieg zu schaffen.

Der Bayern Ludwig hat die Schmach gerochen,
Die Horden flieh'n, der Erzhirt steigt hernieder
Von hoher Burg und herrscht in Frieden wieder!

*Der Erzbischof Matthäus Lang.

Der Zug

Auf, Freunde, laßt in's Himmelreich* uns ziehen,
So nahe liegt's, die grünen Pforten winken!
Werft ab den Kummer und des Lebens Mühen,
Aus Blumenkelchen Wonnerausch zu trinken!

Pokale werden Euch entgegen glühen;
In ihre Tiefen darf der Geist versinken!
Wie, seht Ihr nicht die Freude-Sterne sprühen,
Den müden Gast die bleichen Wangen schminken?

Heraus, Du Meister aus der trauten Stube!
Laß Deinen Meisel ruh'n! Wo ist der Bube,
Der uns den Wein in tiefe Becher schenkt?

Wir sind im Himmelreiche, Freunde, denkt!
Es faßt viel Glückliche sein schmaler Raum,
Doch reicht er aus für einen Himmelstraum!

*Die Wohnung des Steinmetzen "Himmelreich" genannt.

Einst!

Der Römer baute sich in diese Fluren
Die stolze Villa, da er noch regieret.
Es forscht des Wandrers Auge nach den Spuren,
Wo er die Braut sich in's Gemach geführet.

Hier flehte er zu seinen Dioskuren
Wenn festlich den Altar er hat gezieret,
Und opferte den Laren und Lemuren,
Das Römerherz vom frommen Wahn gerühret!

Ach, keine Villa lacht dir mehr entgegen.
Und keine Marmorsäule steigt empor,
Gemeißelt von des Meisters schweren Schlägen!

Es glänzt ein unermessner Blumenflor,
Die Ähre wankt im blühenden Gefild,
Das Rom und seine Größe nun verhüllt!

Die Römer-Villa

Heraus vom Himmelreich! Was sich begeben,
Das müßt Ihr, Freunde, mit dem Wandrer schauen!
Gewandert, Freunde, lasset nur das Schweben!
Es will sich eine Römer-Villa bauen!

Auf, helft des Pfluges Wucht vom Grunde heben!
Was blickt Ihr so mit ängstlich bangem Grauen!
Will ein versunkenes Jahrtausend leben,
Mit seinem wilden Strom zurücke stauen?

Des Pfluges Schar, die tief zur Erde drang,
Sie hat des Römer Villa uns entdeckt,
Der Pflüger hat vom Tode sie erweckt.

Horch! tönet nicht ein süßer Flötenklang?
Hervor, Ihr Römer, aus den tiefen Grüften,
Auf, labt Euch an des Lenzes Morgendüften!

Ariadne*

Es eilt der Fürst heran, der hoch und kühn
Des Berges hohe Scheitel hat erstiegen,
Der eignen Jugend Scheitel frisch und grün,
Und groß geworden unter Kampf und Siegen.

Wohl böt' er nun den Arm der Römerin
Und rief': Du darfst mir nicht im Grabe liegen!
Des Lebens Spuren alle sind dahin,
Nur die Zerstörung lebt aus fernen Kriegen.

Und sieh! Es hebt sich blumiges Gewinde
Von bunten Marmorwürfeln aus dem Schoße,
In Farben schimmern Ariadne's Lose!

Ach, Theseus flieht, seht dort der Locken Binde!
Das Grab zerstörte nicht der Liebe Schmerz,
Und immer pocht der Griechin noch das Herz!

*König Ludwig, damals Kronprinz, beschützte die Überreste
der Villa.


Versunkene Pracht

Wohlan, durchwandert die Gemächer, eilet!
Vernehmt ihr nirgends süße Brautgesänge?
Hat sich kein Gast in diesem Raum verweilet
Und schläft nach einem festlichen Gepränge?

Folgt mir durch diese Trümmer, einst umsäulet
In hoher Pracht, durchforschet alle Gänge!
Ach, der Vandale hat einst hier geheulet
In Kriegerwut und blutigem Gemenge!

Seht dort am Boden glühende Girlanden!
Sie schimmern hell von Meisterhand gewoben,
Sie trotzten der Vandalen rohen Banden.

Und wie der Villa Schmuck ringsum zerstoben,
Ist auch der letzte Römerlaut verklungen
In dieses Blumentales Niederungen!

Des Kaisers Wort*

Umdacht mir, spricht der Fürst, die heil'gen Reste!
Ich will sie schützen diese Römermale!
Denn überall das Höchste und das Beste
Beschirmt sein Geist mit mildem Götterstrahle.

Da feiert Deutschland stolze Siegesfeste,
Und singt des Korsen Sturz bei dem Pokale.
Es grünen jetzt des deutschen Baumes Äste!
Der Kaiser ruft aus seinem Marmorsaale:

"Mein deutsches Volk! Du bist erwacht vom Schlummer!
Du hast der Knechtschaft Fesseln kühn zerschlagen!
Wohl beugte mich Dein Los mit tiefem Kummer!

Nun blühet Habsburg's Stamm! Es sei dem Löwen
Der Glanz der alten Würde heimgegeben,
Wie in der ersten Kraft uralten Tagen!"

*Kaiser Friedrich Barbarossa.

Das Scheiden*

Der junge Fürst verläßt die Lustgestade
Des Salzachstroms, wo unter Blütenzweigen
Sein Sinnen oft belauschte die Najade,
Verlor er sich zum stillen Dichterreigen.

Der Wandrer sucht zum Römersitz die Pfade.
Da ruft es ihm: "Er ist nicht mehr sein eigen,
Nichts findest Du von jenem Römerbade,
Und Ariadne wird sich nimmer zeigen."

Wo zog sie hin? zum Land der Austrionen,
Zum heit'ren Volk, zum sinnigen, zum treuen,
Dem Lied und Kunst der Sorge Mühen lohnen,

Und Lust und Scherz in's Leben Rosen streuen;
Wo immerfort die Rebe Freuden spendet,
Und jeder Tag mit Vollgenuß sich endet!

*König Ludwig, damals Kronprinz.

Palingenesie

O wechselvolle Zeit, die nie gestattet,
Daß Völker engverbrüdert sich umschlingen!
Den Frieden gabst du endlich, kampfermattet,
Du düst're Sphynx, dich selber zu bezwingen.

Weil mit dem Frieden sich das Schöne gattet,
Erblüht des Geistes herrliches Vollbringen!
In Blütenhallen darf, vom Lenz umschattet,
Der deutsche Barde seine Lieder singen.

Und deutscher Mut und Sinn darf wieder schaffen,
Hinauf in Lied und Tat zum Himmel streben;
Zur Erde zogen ihn die rauhen Waffen!

Aus eig'ner Fülle quillt ihm reiches Leben,
Doch nicht die Gegenwart weiß ihn zu lohnen,
Der Tod erst reicht dem Deutschen seine Kronen. —

Lied und Ruhm

Hab' ich geschmollt? Mir will es nicht behagen,
Daß unerkannt mein warmes Lied verhauche?
Ihr kennt den Wunsch, ich möchte Kronen tragen,
Und schmücken mich nach altem Dichterbrauche!

Ich mag nicht länger grollen mehr und zagen,
Und sing' der Amsel gleich in dunklem Strauche —
Will mit den Nachtigallen leise klagen,
Bis ich hinab zum Strom der Lethe tauche. —

Laßt mich des Heimattales Rosen pflücken,
Weil mir nicht darf ein Lorbeerreis erblühen,
Ich will sie tief in meine Stirne drücken,

Mit diesem Kranz durch Tal und Auen ziehen,
Wo ich in heit'rer Lust mich einst ergangen,
Noch unbekannt mit eitlem Ruhmverlangen!

Sie

Und hastig such' ich die geliebten Haine!
Mit hohen Gipfeln winken mir die Fichten,
Und Blumenkelche grüßen mich am Raine,
Als wollten sie Geheimes mir berichten.

Da blitzt es auf als wie im Morgenscheine!
Der Wälder Dunkel fängt sich an zu lichten!
Sieh die Gestalt! Sie wandelt dort alleine
Als spräche sie mit himmlischen Gesichten.

Du bist's? Zum Himmel schauen Deine Blicke?
Kein Laut begrüßt den Du geliebt, den Treuen,
Zur Erde schwebtest, Holde Du, zurücke?

An der Verklärung soll ich mich erfreuen!
Ach, biete Deine Hand! Sieh diese Rosen,
Sie mahnen an der Liebe erstes Kosen!

Der Lohn

Sie schweigt, und schaut empor und lächelt wieder.
Es schwebt ein süßes Wort auf ihrem Munde,
Und Engels Anmut webt um ihre Glieder,
Und Töne flöten in des Waldes Runde.

"Wohl ziemen Dir die Rosen für die Lieder,
Beginnt sie nun, komm! feiern wir die Stunde,
Die uns vereint, ich komm' zu Dir hernieder,
Und leb' mit Dir im kurzen Geisterbunde.

Nie welke Dir der Kranz, nie soll der Neid
Mit gift'gem Hauch an diese Blumen rühren!
Ich hab' ihn Dir mit ew'ger Kraft geweiht.

Gedenke mein! Des Lebens Stunden führen
Nicht immer Kränze Dir im heit'ren Reigen,
Und zieh'n an Dir vorbei mit düst'rem Schweigen!"