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    Fabeln
 
Der Affe, der Mensch und der Wurm
Die Vögel
Der Schüler
Die Diligenee
Der Mensch und sein Schatten

 

Der Affe, der Mensch und der Wurm


Ein schöner Apfel prangt auf einem Baum,
Ein Affe springt vorbei, er sieht ihn kaum,
Als er herab ihn reißt, man hört ihn schrei'n:
            "Der Apfel da ist mein!"

Doch eh' er ihn noch bringet an die Lippe,
Spaziert ein Mensch aus dem Gestrüppe;
Der sieht den Affen nach dem Apfel beißen,
Schnell weiß er ihm denselben zu entreißen,
Und laut hört man auch diesen schrei'n:
            "Der Apfel da ist mein!"

Und wie er jetzt, vom Affen sehr beneidet,
Den schönen Apfel in zwei Hälften schneidet,
Da sieht er ihn ganz ausgehöhlt von Innen,
Und gar ein kleiner Wurm bewegt sich drinnen,
Der lispelt höhnisch: "Schöpfungskönig! nein!
            Der Apfel da ist mein!"


Die Vögel

In einem Netze fing sich eine Vögelschar.
Da fingen Alle plötzlich an zu schreien,
Und suchten sich vergebens zu befreien; —
Da sprach der Älteste, es war ein Star,
"Seht Ihr, was ich euch prophezeit ist wahr,
Wohlmeinend riet ich euch nicht her zu fliegen,
Man sucht' euch durch das Locken zu betrügen,
O hättet Ihr nicht meines Rats gespottet,
Euch gegen mich zusammen nicht gerottet,
Frei flöget noch in Lüften ihr
Und wäret nicht gefangen hier." —
"Ei ei," versetzt ein Zeisiglein,
"Herr Philosoph, sah'n Sie es wirklich ein,
Daß uns dies Unglück wird geschehen,
Was zwang Sie denn mit uns zu gehen?"

So hat schon mancher Mensch zu pred'gen angefangen,
Wenn er erst eine Dummheit mit begangen.


Der Schüler

                       Der Knabe
Liebes Bienchen! im Freien herum
Kannst du nach Belieben dich treiben,
Ich soll in die Schule, muß sitzen ganz stumm,
Zu lernen dort lesen und schreiben,
O lehre mich fliegen, lieb' Bienchen mein!
Dann entflieg' ich dem schwarzen Magister,
Wir wollen zusammen recht lustig sein,
Und leben wie frohe Geschwister."

                       Die Biene
"Ich habe nicht Zeit, lieber Knabe mein,
Zu scherzen mit dir und zu lachen,
Der Himmel sandte jetzt Sonnenschein,
Damit die Blümlein erwachen,
Da muß auch ich Bienchen recht fleißig sein,
Für den Winter Honig zu machen."


                       Der Knabe
"So höre du mich, du Lerche klein,
Die fröhlich in's Blaue sich schwinget,
Ich mag nicht gehn in die Schule hinein,
Wo traurig die Zeit man verbringet,
Ich will singen und spielen mit dir,
O liebe Lerche, flieg' her zu mir!"

                       Die Lerche
"Ich kann jetzt nicht spielen, ich habe nicht Zeit,
Der Frühling wird schnelle verschwinden,
Es pranget die Erde im Blumenkleid,
Und das muß ich den Menschen verkünden,
Auch grünen die Bäume in Wald und Au,
Es ist der herrlichste Augenblick
Zum Liebesglück und zum Nesterbau,
Nicht darf ich versäumen dies hohe Glück,
Drum laß mich, leb' wohl und spiele allein,
Ich darf jetzt nicht tändeln und müßig sein."

                      Der Knabe
"Des Nachbars Philar sitzt dort vor der Tür',
Der Hund ist wohl glücklich zu nennen,
Nicht darf er zur Schule gehen wie wir,
Kann den ganzen Tag herum rennen.
Wart', Philar, wart', ich setz' mich zu dir,
Du wirst dich nicht weigern, und spielen mit mir,
Ich werf' dir mein Büchlein, dort liegt es, apport!
So fließet uns scherzend ein Stündchen fort."


                     Der Hund
"Mein Herr ist heut Morgens in's Feld hinaus
Mit seinem Pfluge gefahren,
Ich muß indessen bewachen das Haus,
Sein Habe vor Dieben bewahren,
Auch weiden die Schafe im Grünen dort,
Drum darf ich von diesem Platze nicht fort.
Geh' immer zur Schule, lieb' Knabe mein,
Und lerne, das wird für dich besser sein;
Wir Hunde lernen nicht lesen, noch schreiben,
Drum müssen wir auch an der Kette bleiben.
Es ziemt dem Verstand, daß er Herrscher sei,
Die Unwissenheit führt zur Sklaverei.
Drum lerne, mein Knäblein, und werde ein Mann,
Dann werden die Hunde dir untertan."

Der Knabe hört' es und schämte sich sehr,
Sein Büchlein wurde ihm fürder nicht schwer,
Und eiligst er jetzo zur Schule geht,
Er langet dort an schon ein bißchen spät,
Durch Fleiß aber holt er bald Alles ein,
In wenigen Wochen schon liest er Latein.

Die Diligenee

Halloh! halloh! tönt's vom Wege herauf,
Und Hörnerton schallt und Peitschengeknalle,
Und dichter Staub steigt in Wolken auf.
"Da naht ein hoher Herr!" rufen Alle
Und reihen sich schon an dem Wirtshaustor.
Da fährt ein Wagen mit Schnelligkeit vor,
Er hält,— neugierig sieht man hin —
Kein Mensch sitzt drin.

Viel Lärmen und viel Leere dann,
Das Bild von manchem stolzen Mann.

Der Mensch und sein Schatten

Es lief dem eignen Schatten nach ein Mann,
Natürlich daß er ihn nicht haschen kann,

Da wendet er sich um, ihm folget dann
Der Schatten, der ihn auch nicht haschen kann.

So auch das Glück: du suchst es auf, es fliehet schnelle;
Du wendest dich von ihm, es folget dir zur Stelle.