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Weibliche Schönheiten
Ein Sonetten-Zyklus

 

                                 I.
               Die anmutige Schönheit

Was Anmut sei, wer mag es auszudrücken?
Der Prunk der Worte führt ihn nicht zum Ziele,
Nicht dem Verstande, nein, nur dem Gefühle
Wird es, die Anmut zu beschreiben glücken.

In Allem was wir an dem Weib erblicken,
Kann sie sich zeigen: In des Mundes Spiele,
In schwarzer Locken lockendem Gewühle,
Ja, selbst in eines Köpfchens zartem Nicken.

Die Schönheit strebt gleich Zedern hoch zur Luft,
Die Anmut gleicht Resedens sanftem Duft,
Die Schönheit laut gleich der Trompete lärmet,

Die Anmut flötet lieblich durch den Wald.
Die Schönheit ist die Sonne, welche strahlt,
Die Anmut ist die Sonne, welche wärmet.

                             II.
               Die gelehrte Schöne

Gelehrsamkeit auch preis' ich an den Frauen,
Denn wenn sie gleich nicht in die Tiefe dringen
Auch selten sich zur höchsten Höhe schwingen
Und ihr Gebäud' auf leichten Flugsand bauen,

So ist, wenn Frauen in das Wissen dringen
Doch dieses lieblicher bei ihnen anzuschauen,
Als wenn man selbes will aus altergrauen
Und staub'gen Pergamenten sich erringen.

Eindringlicher erklärt ein Rosenmund,
Und was da schreibet eine schöne Hand
Wenn auch ein Tand, ist doch ein holder Tand.

Zwei Frauenaugen tiefer sind gedrungen
Als zwanzig krafterfüllte Männerzungen,
Die Grazien tun die Weisheit süßer kund.

                           III.
               Die reizende Schöne

Es gibt auch eine Schönheit, welche Glut,
In deine Adern gießt, die dich verzehret,
Wo unnennbarer Reiz die Lust gebäret,
Die allgewaltig lodert durch dein Blut.

Man fühlet da nicht Liebe, die uns ehret,
Das Herz weiß nicht, was tolle Flamme tut.
Und schnell entfernt man mit keckem Mut
Ein jedes Hindernis daß ihr verwehret.

Unseliges Feuer! unbesonnen Wagen!
Das nur von des Cozythus Flammen stammt,
Unbändig, aber niemals lange flammt,

Der Du es fühlst, wie muß ich dich beklagen!
Erloschen ist es bald und aus den Kohlen
Kannst du die mitverbrannte Ruh nicht holen.

                          IV.
              Die stolze Schöne

In einem wunderschönen Angesichte
Ist oft ein einz'ger fremder Zug zu schauen,
Der uns zurückschreckt von den schönsten Frauen
Und einen Schatten beigesellt dem Lichte.

Oft zeigt er sich auf hochgezognen Brauen,
Im Blicke oft voll strafendem Gewichte
Im Mundeswinkel auch; er macht zu nichte
Die Mutter aller Liebe: das Vertrauen.

Wenn solchen Zug und solche fremde Töne
In einem schönem Antlitz ich gefunden,
Abstoßende Gewalt hab' ich empfunden,

Und neigt nach mir das Köpfchen auch die Schöne,
Nicht kann ich doch's ertragen, muß gestehen.
Wenn sie mich hold, doch stolz mich angesehen.

                          V.
         Die schmachtende Schöne

Von allen Sternen, die Gott ausgesendet,
Damit man seine Allmacht kennen lerne,
So schön sind keine als die Augensterne,
Vor allen jener milde, der nicht blendet;

Aus dessen sanftem himmelblauen Kerne,
Auf dich o Glücklicher, ein Strahl sich wendet
Der deiner Seele süßen Frieden spendet,
In den du immer schauen möchtest gerne.

Die Sehnsucht, die aus solchem Sterne strahlet,
Dies himmlische Verschwimmen eines Blickes,
Vorbote ist es unnenbaren Glückes,

Das keine Zunge nennt, kein Pinsel malet
Und einem Sonnenblicke gleich zu achten
Ist dieses süße sehnsuchtsvolle Schmachten.

                         VI.
            Die sittsame Schöne

Von allen Eigenschaften, die erhellen
Die Schönheit und ihr höhern Reiz verleihen,
Ist keine doch, wie laut auch manche schreien
Der Sittsamkeit, der holden, gleich zu stellen,

Wer wagt es ihren Schleier zu entweihen?
Und wenn auch seines Bluts empörte Wellen,
Empor sich drängen zu des Herzen Quellen,
Er wird sich eines solchen Siegs nicht freuen.

Ein Zauber ist die Sittsamkeit der Weiber,
In dessen Kreis unlautere Gewalten
Entwaffnet werden, sich nicht aufrecht halten,

Er kommt und sieht und wankt, der kühne Räuber,
Und wo er rauben will mit gier'gen Krallen,
Muß er, um anzubeten, niederfallen.

                            VII.
              Die mütterliche Schöne

Wie auch das kleine Mädchen mag gefallen,
Wie auch die Jungfrau Alles hoch verehret,
Wie auch die Gattin ihr Verdienst bewähret,
Die Mutter ist die Herrlichste von Allen.

Hier hat sich Blüt' in schön're Frucht verkehret,
Es steigt schon ihres Säuglings erstes Lallen
Als Dank für sie empor zu Gottes Hallen,
Sie ist's, die Frauenzweck und Pflicht uns lehret.

O Hagestolz! der du noch grübelnd schwankest,
Ob Eh' verwerflich oder ratsam ist,
Wenn noch ein Blut in deinen Andern fließt;

Wenn du dich noch an etwas Ird'sches rankest,
Wenn du ein Mensch von einem Menschen bist,
Preis' ein Geschlecht, dem du die Mutter dankest.

                     VIII.
          Die zierliche Schöne

Dir hat Natur mit königlichen Händen
Den Hermelin der Reize umgehangen,
Sie wußte deinen Blicken, deinen Wangen
Die Macht des Liebeszaubers zuzuwenden.

Nun suchte solche überreichen Spenden,
Womit Natur das Schöne angefangen,
Geschmack und Kunst mit wohlgewähltem Prangen,
Zum Bild der höchsten Anmut zu vollenden.

Bewunderung und stille Sehnsucht sonnen
Wie Adler sich im Glanze deiner Blicke,
Entzückt durch deiner Anmut holdes Wesen;

O welche überseligste der Wonnen,
Wenn es beschieden wäre vom Geschicke
In deinem Auge Mitgefühl zu lesen.

                             IX.
               Die liebliche Schöne

Am milden Frühlingsabend Zephyrswehen,
Wie lieblich kühlt es uns die glühnden Wangen,
Wie lieblich ist der Sterne flimmernd Prangen,
Wenn wir uns durch die Flur bei Nacht ergehen,

Und wen erfasset nicht ein lieblich Bangen,
Wenn Nachtigallen sanft im Haine flehen?
Wer kann den Flötentönen widerstehen,
Die unwillkürlich jedes Herz durchdrangen?

Die Lieblichste doch aller Lieblichkeiten,
Die freundlich unsern Lebenspfad begleiten,
Es ist ein lieblich Weib, ihr Aug der Stern,

Ihr Ton der Nachtigallen sanftes Flöten,
Ihr Atem Zephyrswehen, ihr Erröten
Ein Frühlingsabend — Meisterstück des Herrn.

                               X.
                   Die hohe Schöne

Wenn sich der Hoheit Glanz mit Schönheit gattet,
Der Purpurmantel um die Schultern hängt,
Fühlt man sich nicht erwärmet, nein versengt,
Und jede Hoffnung ist von Furcht umschattet.

Wird von der Hoheit Liebe wohl gestattet?
Dies ist die Frage, die sich auf uns drängt,
Man naht sich tief im Innersten beengt
Und jeder Mut vor solchem Strahl ermattet.

Doch plötzlich ist er wieder dann gewonnen,
Wenn mild uns lächeln jene beiden Sonnen,
Die auch der Hoheit Licht und Leben spenden,

Dann weichet alles innerliche Schaudern,
Es stürzen nieder alle Scheidemauern
Und Ehrfurcht wird sich schnell in Liebe wenden.

                           XI.
                 Die eitle Schöne

Was willst du dich mit äußerm Schmuck behangen,
Den schöner ich an deinem Leib gewahre?
Warum mit Rosen kränzen deine Haare?
Die herrlicher noch blühn auf deinen Wangen?

Saphire leuchten aus dem Augenpaare,
Und zwei der schönsten Perlenreihn, umfangen
Von zwei Rubinenschließen, seh ich prangen,
Was soll zu solchem Schmuck die eitle Ware?

Die Jugend, nicht bedarf sie derlei Glanzes,
Wenn ihr Natur ihr Köstlichstes gespendet
So ist sie von der Mutter schon vollendet,

Ein heil'ges unveränderbares Ganzes,
Und wer sie will mit fremder Schönheit schmücken,
Der kann ihr ihre eigne nur entrücken.

                        XII.
           Die strenge Schöne

Der Schönheit, ihr der hohen würdevollen
Steht oft die ernste Strenge still zur Seite,
Und liegt mit süßer Liebe oft im Streite,
Die plötzlich hat das Herz erobern sollen.

O Schönheit, laß Bewunderung dir zollen,
Laß diese Strenge, der dein Herz sich weihte,
Zur Hälfte nur verringern sich für heute,
Ein halbes Grollen ist ein halbes Wollen.

Abweisend und verhöhnend jedes Hoffen
Umspinnt die Eisigkälte dir dein Leben,
Und doch kann sie, zu lieben dich, nicht wehren,

Denn, wen verweisend auch dein Blick getroffen,
Er fühlt, daß es kein schönres Glück kann geben,
Als sich in deiner Liebe zu verklären.