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Gedichte 5
 

Die Schnecke
Auf einen schlechten Prosaiker
Die Tauben
Auf einen brillentragenden Rezensenten
Die Vergleichungsstaffeln
Mein Grabmal
Amors Rose

Der inländische und der exotische Baum
Der Doppelgänger
Das Lotto
Die beiden Hunde
Die Statue
Die Kastanie
Die Jagdflinte
Die Viper und der Blutegel
 
Das Kind
Das verwelkte Blatt
Die beiden Wetterpropheten
Mutter und Liebster
Nachruhm
Die Minute
Zwanzig Lebensjahre
 

Die Schnecke


Fremd auf dieser Erde leben,
   Ohne Liebe, ohne Freund,
Sich zurückziehn und verbergen,
   Wenn Gefahr zu dräuen scheint;
Sich allein vor Allen lieben,
   Eremit im eignen Haus;
Hörner seinem Nächsten machen,
   Wenn man einmal geht heraus,
Schmutz'ge Spur zurücke lassen,
   Wo sich hin bewegt der Fuß,
Und besudeln zarte Blumen
   Durch Berührung und durch Kuß;
Mürrischer mit jedem Tage
   Werden bis zum letzten Hauch:
Dieses ist der Schnecke Leben
   Und der Egoisten auch.

Auf einen schlechten Prosaiker
der nun auch Verse machte.

Daß du Erzählungen schriebst, die leider kein Mensch wollte lesen,
Dieses genügte dir nicht, schreibst nun auch Reimerei'n.
Recht! — ist der Mensch schon einmal ein Narr in Prosa gewesen,
Warum soll er nicht auch einer in Versen sein?


Die Tauben

Ein gräfliches Söhnlein im dreizehnten Jahr
Besaß zum Vergnügen ein Taubenpaar.
Einst wurd' es die Tierlein schnäbelnd gewahr,
Da rief es ganz leise: "Macht hurtig, ihr Kleinen,
Mein Hofmeister wird auf der Stelle erscheinen."

Auf einen brillentragenden Rezensenten

Warum bewaffnest du die Nase
Mit dem Vergröß'rungsglase,
Da dir ja ohnedies die kleinen
Gebrechen Andrer größer scheinen?

Die Vergleichungsstaffeln

In der Schule fragte der Magister
Einst um manche Regeln deutscher Sprache,
Viele Knaben trafen gleich die Sache;
Nur der kleine Peter, Sohn vom Küster,
Stotterte und kratzte sich dabei,
Wußte nicht einmal der dumme Knabe,
Was ein Beiwort sei,
Und wie viel's Vergleichungsstaffeln habe.
Der Magister, gar ein guter Lehrer,
Wurde d'rum nicht bös', er wußte wohl,
Peters Kopf sei leider schwach und hohl
Und begreife immer Alles schwerer.
Darum wollt' er noch einmal erörtern
Petern, was Vergleichungsstaffeln wären,

Und ihm deutlicher als je erklären,
Wie sie bilden sich aus Wurzelwörtern: —
"Hör' mich an" — sprach er, — "und gib mir acht,
Nehmen wir das Beiwort — gut — jetzt an,
Sag' mir, wenn der Mittag kommt heran,
Und die Mutter hat die Suppe dir gebracht,
Etwa Knödelsuppe, sag' wie tut
Diese dir denn — schmecken?" – "Die — schmeckt gut!"
Sprach der Peter freundlich lachend
Und dabei begier'ge Augen machend.
"Recht mein Sohn! gut — also — gut
Ist die erste Staffel, jetzo bringt die Mutter
Noch 'ne Speis': Erdäpfel Euch mit Butter,
Was ist diese? nun? — heraus — nur Mut!"
— "Die ist besser noch!" — schrie Peter dreist.
"Recht," erwiderte der Lehrer, "recht mein Sohn!
Besser ist die zweite Staffel schon,

Siehst du Junge, daß du Alles weißt?
Jetzt noch eine Frage, gib nur acht:
Eine Speise, die dir größ're Freuden
Noch gewähret, als die ersten beiden,
Die dir mehr, als alle andern schmeckt;
Was ist diese? nun du wirst's erraten."
— Peter schrie, indem er gierig leckt,
Mit der Zung' wie er's beim Essen tat:
"Ach das ist ja gar ein Schweinebraten
Und dazu ein guter Krautsalat."

Mein Grabmal

Ein Grabmal mir zu bau'n habt ihr beschlossen
Ihr Freunde, da ich jetzt gesund noch bin,
O spart die Kosten, lasset das den Großen,
Die für den Pomp noch nach dem Tode glüh'n,
Gebt her das Geld, die vollen Flaschen winken,
Wir brechen ein'gen heut die Hälse ab
Und andern morgen, lasset uns vertrinken
Das ganze Geld für mein pompöses Grab.

Ein schönes Mausoleum kommt zu stehen
Auf viele Tausende, die Summ' ist groß,
Laßt uns dafür den nächsten Sommer gehen
Auf's Land und mieten dort ein prächt'ges Schloß;
Laßt uns vereint genießen und verüben,
Was uns zur Lust der güt'ge Himmel gab,
Will's wagen diese Welt zu sehr zu lieben
A conto dieser Kosten für mein Grab. —

Ich werde alt und jung ist meine Schöne,
Die möcht' ich gern' erfreu'n mit Überfluß
Von einer Seite, daß sie sich gewöhne
Dann anderseits an minderen Genuß,
Kauft Diamanten ihr und Shwals und Stoffe,
Reicht Alles ihr, was Mode Neues gab,
Sie zu verschönern, wie dadurch ich's hoffe,
Verzicht ich auf die Schönheit für mein Grab.

Will keinen Ehrenplatz im Reich der Schatten,
Wo Alles gleich ist und verwesen muß,
Seht jenen armen Mann dort mit dem matten
Und hohlen Aug' entbehrend den Genuß,
Den wirft die Not wohl früher auf die Bahre
Als mich, ruft früher ihn vom Leben ab,
Damit er dort ein Plätzchen mir bewahre:
So gebt ihm das Bestimmte für mein Grab:

Was liegt mir dran, daß einst die Enkel lesen,
Wer hier vermodert unter einem Stein?
Wenn sie dran denken, daß ich einst gewesen,
So will ich damit gern zufrieden sein.
Des Ruhmes, wonach ich strebe, höchster, schönster,
Sei der, wenn Alles spricht: Was hier ihm gab
Das Schicksal, warf er fröhlich aus dem Fenster
Und nahm nicht einen Heller mit in's Grab. —

Die Amors-Rose

Amor ward geboren; — Florens Kinder
   Pflegten sorgsam diesen Gott der Lüge,
Und dem blinden Herzensüberwinder
   Gab sich eine Rose hin als Wiege;
Sieh, da schaukelte sich voll Entzücken
   In der zarten Knospe froh der Lose,
Milla kam, die Rose abzupflücken,
   Und sie pflückte Amor'n mit der Rose.

Busen achtzehnjähr'ger Mädchen glühen,
   Darum welkt vor Hitze Röslein da,
Milla sah den kleinen Amor fliehen,
   Wollt ihn haschen, aber dieser sah —
Seinen Vorteil, sucht' ein ander Plätzchen,
   Durfte auch nicht weit sich drum bemüh'n,
Nah erblickt er unter einem Netzchen
   Zwei noch schönre Rosenknöspchen blüh'n.

Plötzlich war das Netz von ihm durchdrungen,
   Einem Gott' es ehrerbietig wich,
Und dem kleinen Schelm war's bald gelungen
   Zwischen Lilienhügeln barg er sich;
Warum weint nun Milla, ist beklommen?
   Warum dringt ihr Seufzen uns zu Ohren?
Weil sie Amor'n bei sich aufgenommen?
   Oder weil die Rose sie verloren?

Der Doppelgänger

Es hat verfolgt mit innerm Grauen
   Oft der Gedanke mich:
Ich könnte einst mich selber schauen,
   So ganz mein doppelt Ich.

Zu Berge mir die Haare standen,
   So oft ich dies gedacht,
Und Heiterkeit und Frohsinn schwanden,
   Ich wachte manche Nacht.

Doch jetzt ist mir die Furcht vergangen,
   Sogar — ich muß gestehn, —
Wär' es mein innigstes Verlangen
   Mich doppelt oft zu sehn,
Aus mancherlei Verlegenheiten
   Hälf' dieses mir heraus,
Und manchen Ungemächlichkeiten
   Wich' ich dadurch wohl aus.

Wenn Morgens meine Gläub'ger schreien,
   Belagern meine Tür',
Mir mit Arrest und Pfändung dräuen
   Und fordern Geld von mir,
Da wird es um die Brust mir enger
   Es sinket mir der Mut,
Da wär' ein solcher Doppelgänger
   Zum Zahlen wohl recht gut.

Und wenn ich in's Bureau muß gehen,
   Und würde dort bereits
Den lieben Doppelgänger sehen,
   Der willig trägt mein Kreuz,
Und säh' ihn fleißig rechnen, schreiben,
   Da könnt' er dort für mich
Den ganzen Monat sitzen bleiben,
   Am Ersten nur kam' ich.

Und wenn ich dann im Gasthaus säße,
   Da richtet' ich mir's ein,
Daß ich die besten Speisen äße
   Und tränke teuren Wein
Sobald ich aber rief am Ende:
   "Herr Wirt! Bezahlen jetzt!"
So würde dann für mich behende
   Der Andre hingesetzt.

Ich wollt' ihm auch ein Opfer bringen,
   Dem lieben Doppelmann,
Wenn sie des Abends wällisch singen,
   So könnt' er's hören an.
Erlaubt mir, daß ich Euch bedeute,
   Ich hör' es so nicht gern,
Und übel nehmen's doch die Leute,
   Bleibt man davon ganz fern.

Und was ich Törichtes beginge —
   Es trifft sich manchmal schon,
Daß man begeht auch soche Dinge,
   Kein Mensch ist frei davon, —
Zu diesem müßte auch bequemen
   Der Doppelgänger sich,
Das Dumme müßt' er auf sich nehmen,
   Das Kluge träfe mich.

Des Lebens Bürde drücket Einen
   Wohl ohnedies zu sehr,
Wenn zwei zum Tragen sich vereinen,
   Trägt Keiner dann zu schwer;
Drum freut's mich, wenn auch mir will Einer
   Zur Seite helfend stehn,
Nur Eins verbitt' ich mir: Bei meiner
   Geliebten ihn zu seh'n.

Das Lotto

                             Der Reiche:
Wie kannst du armer Mann, dem Alles fehlt,
Mit deinem letzten Gulden Geld
Hin in das Lotto laufen?

                             Der Arme:
Ich will mir Hoffnung kaufen.

Die beiden Hunde

"So recht, mein braver Sultan!" sprach ein Knabe
Zu einem Hund, der an der Kette lag,
Und ob er gleich ihn neckte mit dem Stabe,
Ihn doch nicht biß. — Drauf gab er einen Schlag
Dem kleinen Spitze, der am Tore stand,
Doch dieser biß ihn in die Hand.
Da lief er weinend zu dem Vater hin,
Und schrie: "Schau her, wie ich gebissen bin,
Dies hat der kleine Spitz getan,
Den lege, Vater, an die Kette an,
   Den Sultan aber lasse frei,
   Der ist geduldig, brav und treu!"
Dein Urteil ist zu vorschnell, — hör' mich an,"
Versetzte drauf der Vater dann:
"Nach einem Falle hält man nicht Gericht,
Gewohnheit ist's, die wir beachten müssen:
Der Spitz hat heut zum ersten Mal gebissen,
Und Sultan biß zum ersten Male nicht."

Die Statue

Ein Fürst, sehr stolz und grausam, fand
Sein Bild von Erz, das auf dem Markte stand,
Einst umgestürzt; darob ergrimmt' er sehr
Und schrie: "Wer unterstand sich, wer,
Mir dies zu tun? Er soll es schrecklich büßen,
Ich laß' ihn an die schwerste Kette schließen,
Und abhau'n ihm die Hand; drum sagt mir an,
Wer tat's?"

Es trat hervor ein Bauersmann,
Und sprach: "Der Blitz, Herr, hat's getan."

Die Kastanie

                        Knabe:
Das ewige Lernen, es ekelt mich an,
Ich will in den Garten springen.

                        Vater:
Komm, Knabe, ich will dich nicht zwingen.
Sie langten unten im Garten an,
Da fand der Knabe, der Äpfel sucht,
Am Baume eine Kastanienfrucht,
Rundum mit Stacheln versehen.
Halt ein, die Frucht da laß stehen.

                        Knabe:
Warum denn? ich möchte sie brechen.

                        Vater:
Du wirst dir die Finger zerstechen.

                        Knabe:
In dieser Schale, stachlicht und grün,
Ist eine schöne Kastanie drin,
Da muß man ein bißchen was leiden schon,
Und sticht man sich auch in die Finger,
Der Schmerz ist doch immer geringer,
Und jede Mühe vergilt der Lohn.

                        Vater:
Du sprachst dir selbst dein Urteil, mein Sohn!
Wenn auch das Lernen dich jetzt verdrießt,
So überwinde die kleinen Sorgen,
Denn auch unter diesen Stacheln ist
Die schönste Kastanie verborgen.

Die Jagdflinte

Wenn ich jag' im Gebirg und im Wald,
Meine Büchse gewaltig knallt;
Doch etwas Anderes ist's im Freien,
Verdoppl' ich da auch des Pulvers Macht,
Kann ich ihm doch nicht die Kraft verleihen,
Und meine Büchse hier schwächer kracht.
Es geht mit dem Ruf wie mit dem Gewehre:
Wählst du den Platz gescheit,
Knallst du zu rechter Zeit,
Die Echo tragen es weit,
Solch' ein Lärmen gilt oft für Ehre.

Der inländische und der exotische Baum

                 Wanderer:
Während dieser nützliche Baum
   Durstig nach Wasser schmachtet
Wird er von dir doch bemerket kaum,
   Jener doch sorgsam beachtet
Und mit Wasser fleißig gepflegt,
   Der dir doch keine Früchte trägt,
Sage, warum du ihm freundlicher bist?

               Gärtner:
Darum, weil er ein Ausländer ist.

Die Viper und der Blutegel

                     Die Viper:
Du wirst dich doch nicht messen mit mir,
Du kleines verächtliches Tier?
Die Menschen zittern vor meinen Bissen,
Dich aber suchen sie auf in den Flüssen,
Und selbst das kleinste Kind,
Reicht gern dir die Hand und geschwind
Und läßt von dir voll Mut
Sich saugen sein Blut.
Sklave der Menschen, weiche von mir,
Kleines, dummes, verächtliches Tier!

                    Der Blutegel.
Du stolzes und grausames Tier!
Ich will mich nicht messen mit dir!
Mein Zweck, er ist gewiß
Weit vorzuziehen dem deinen:
Du mordest durch deinen Biß,
Ich aber heile durch meinen.

Heilige Kritik! vom Himmel zu segnen,
Also kannst du Pasquillanten entgegnen.

Das Kind

"Pfui! wer begehrt mit vollem Mund?"
Sprach eine Mutter streng zu ihrem Knaben
Der noch das Letzte nicht gekauet, und —
Schon wieder neue Speise wollte haben. —
Ehrsüchtige! die ihr mit Würden überhäuft,
Gleich wieder gierdevoll nach neuen greift,
Euch tu' ich diese Fabel kund:
Pfui! wer begehrt mit vollem Mund?

Das verwelkte Blatt

               Wanderer:
Sage mir, du welkes Blatt!
Das der Wind geknicket hat,
Sage mir, wo gehst du hin?

               Blatt:
Lieber Wandersmann, muß ziehn,
Über Auen, über Felder,
Über Wiesen, über Wälder.
Muß wie alle andern Sachen
Ganz denselben Weg auch machen,
Und der Wind mich dorthin weht,
Freund, wohin das Blatt der Rose,
Und das Blatt des Lorbeers geht.

Die beiden Wetterpropheten

Ein gelehrter Astronom, den man
Mit vollem Rechte einen Weisen nannte,
Weil er der Himmelskörper Bahn
Und ihren Einfluß auf die Erde kannte,
Und so durch Kombination
Zum größten Staunen aller Leute
Meist wahr und glücklich lange voraus schon
Schön Wetter oder Regen prophezeite,
Der als Orakel so im ganzen Land
In großem Ruf und hohen Ehren stand,
Der Astronom, — es wird von selber klar,
Daß er daneben auch ein Doktor war, —
Ging einst mit ein'gen Freunden auf das Land.

Sie trabten im Gespräche weiter,
Der Tag war angenehm und heiter,
Und nur allein gen Osten stand
Ein kleines graues Wölkchen. — Dieses nahm
Ein Herrlein wahr, dem eine Wasserspur
Auf seinem neuen Frack mehr Kummer machte,
Als Freude ihm gewährte die Natur,
Die jetzt im Frühlingskleid so lieblich lachte;
Er machte drauf den Doktor aufmerksam
Und fragt' ihn ängstlich: Sagen Sie mir doch
Was glauben Sie, wird's heute regnen noch?
Mit Forschermiene blickt der Astronom,
Bewaffnet seine Nase
Mit einem Augenglase,
Empor zum Himmelsdom. —
Er schaut und schaut, läßt dann den Spruch erschallen,
Daß heute gar nichts zu besorgen sei,
Kein Tröpflein werde von dem Himmel fallen!

Ein Mann, der seinen Esel trieb vorbei,
Hört diesen Spruch, er lächelt und bleibt stehen.
Und plötzlich hört den Treiber man entgegnen:
"Mein lieber Herr! Ihr irrt, ihr werdet sehen,
's wird heute ganz gewiß noch tüchtig regnen."
Und weiter zieht der Treiber mit dem Tier.
Dem bäurischen Propheten, der dies sprach,
Schaut höhnisch lächelnd lang der Doktor nach,
Und die Gesellschaft platzt vor Lachen schier.

Sie gehen weiter fort,
Dem grauen Wölkchen gegen Osten dort
Gesellt sich bald ein zweites zu, — sodann
Ein drittes und ein viertes; — eine Stunde
Vergeht, da reihen sich noch mehre an,
Und düster wird es bald rings in der Runde;
Ein kalter Luftzug schauert durch die Glieder
Den nicht mehr Lachenden, die schneller vorwärts wallen,
Noch dunkler wird's und große Tropfen fallen,
Und jetzo schießt der Regen strömend nieder. —

Noch eine Stunde hatten sie zu gehn,
Bis sie das Dörfchen endlich vor sich sehn,
Und triefend treten sie in's Wirtshaus ein,
Dort sitzt der Eseltreiber bei dem Wein',
Und lacht als er sie sieht und spricht:
"Nun meine Herrn! Sie glaubten mir es nicht,
Nun spüren Sie, ich hatte Recht." — "Mag sein;
Du hast's erraten, 's traf nur just so ein,"
Erwiderte der Doktor vornehm blickend
Und gnädig mit dem Haupt dem Manne nickend. —
"Nein, nicht erraten, und es traf nicht just
So ein, gewiß, gewiß hab' ich's gewußt,"
Versetzt der Bauer. — "Wie gewiß? woher?" —
"Ja sehr, mein Esel weiß da sicher mehr
Als Ihr und ich, es ist ihm angeboren,
Als er heut Morgens aus dem Stalle ging,
Und ich den Sack ihm auf den Rücken hing,
Da schaut' er auf und schüttelte die Ohren!"

Mutter und Liebster

Lukas bat: "Ach höre Lise,
Höre, was dein Treuer spricht!"
Doch die bange Mutter warnet:
"Lise! hör den Lukas nicht!"
Seht das arme Mädchen schwanket,
Und der Zweifel macht ihr Pein,
Wen von Beiden soll sie hören,
Lukas oder Mütterlein?

So vernünftig spricht die Mutter,
Sagt ihr zärtlich, was sie soll;
Doch auch Lukas will ihr Bestes,
Und der spricht so liebevoll! —
Endlich findet sich ein Ausweg,
Beiden kann sie willig sein,
Heute will sie Lukas hören,
Morgen dann ihr Mütterlein.

Und sie wandeln durch die Felder
Aug' in Aug' und Arm in Arm,
Und sie schwatzen und sie kosen
Und verkosen jeden Harm,
Keines hört vor Herzensschlagen
Daß es Mitternacht schon schlug,
Lukas hat stets mehr zu sagen,
Lise höret nie genug.

Seht nun schleicht das arme Mädchen
Ganz allein durch Feld und Flur,
Ihre Wange trägt des Kummers,
Und ihr Aug' der Träne Spur;
Lerche ruft aus blauen Lüften,
Und der Bach rauscht um sie her,
Doch weil Lukas nichts mehr saget,
Hört sie nichts auf Erden mehr.

Mädchen! nehmet Euch ein Beispiel
Wie es Lisen hier erging,
Wahrt die Ohren, um das Hören
Ist es gar ein schlimmes Ding;
Immer Zeit ist's zu vernehmen,
Was ein solcher Lukas spricht,
Doch die Mutter anzuhören
Sparet ja auf Morgen nicht.

Nachruhm

Damit dein Name soll dauernd bleiben,
Erbaust du ein prächtiges Haus für dein Geld
Und lässest so für die künftige Welt,
Vom Maurer deine Geschichte schreiben.

Die Minute

              Eine Minute
Sie kommt und flieht, läßt keine Spur
Der Mensch entsteht in der Minute,
Er rennt und sorgt, und lebt doch nur
              Eine Minute.

              Eine Minute
Gar oftmals einen Wunsch gebiert,
Der wieder stirbt in der Minute,
Oft aber auch zum Glücke führt
              Eine Minute.

              Eine Minute
Reicht hin zu stehlen dir dein Herz,
Dann ist voll Wonne die Minute,
Doch folget langer bittrer Schmerz
              Dieser Minute.

              Eine Minute
Träumst du, du habest einen Freund,
Der in der folgenden Minute
Schon nicht mehr ist, was er dir scheint
              Eine Minute.

              Eine Minute
Läßt neue Werke viel entstehn,
Die haschen nach dem Beifall der Minute,
Der auch mit ihnen wird vergehn
              In der Minute.

              Eine Minute
Währt nur des ganzen Lebens Spiel;
Wir wähnen ewig die Minute,
Und opfern Stunden, Tage viel
              Dieser Minute.

              Eine Minute
Die Leid dir bringt, laß fahren hin;
Doch halte fest die freudige Minute,
Dann bleibt dir treu der frohe Sinn
              Jede Minute.

              Eine Minute
Kommt auch, die mit dem Ende droht,
Doch fürchte nimmer die Minute
Und denke nur: 's ist auch der Tod
              Eine Minute.

Zwanzig Lebensjahre

Ach! blieben wir doch immer
   Nur zwanzig Jahre alt,
Verflösse doch dies Alter
   Der Freude nicht so bald! —

Der Himmel ist voll Sonnen,
   Die keine Wolke trübt,
Die Erd' ist voller Rosen,
   Dran 's keine Dornen gibt.

Indem wir nichts vermissen,
   Besitzen wir die Welt,
Und was wir da noch wissen,
   Uns keine Lust vergällt.

Ein jeder Wunsch erfüllt sich,
   Weil man zu hoch nicht strebt,
Man hat genug zu leben,
   Weil man vom Wahne lebt.

Ein Nichts kann uns entflammen
   In jener goldnen Zeit,
Lieb' ist so nah dem Herzen
   Und Ehe ist so weit.

Wir leben hin in's Blaue,
   Wir handeln ohne Plan,
Und werfen Geld, Gesundheit
   Und Kräfte leicht hintan.

Es sticht uns nicht im Kopfe,
   Es reißt uns nicht im Bein,
Geh'n ohne Schirm im Regen
   Und in dem Sonnenschein.

Ein Stuhl, ein Tisch, ein Bettchen
   Genügen zum Genuß,
Was noch darüber wäre,
   Deucht uns ein Überfluß.

Weil wir noch nichts erfahren,
   Auch Alles gut uns scheint,
Wir halten den, der freundlich
   Uns grüßt, für einen Freund.

Die Jahre, ach! verschwinden,
   Die Zeiten ändern sich,
Und nach den zwanzig Jahren
   Verschlimmert Alles sich.

Doch wie es auch mag kommen,
Ich preise doch den Mann,
Der noch mit achtzig Jahren
Die Klage führen kann:

"Ach wären wir doch immer
Nur zwanzig Jahre alt,
Verflosse doch dies Alter
Der Freude nicht so bald."