Weiber
Ein Weib kann, wann's ihm einfällt, weinen,
Und wann es will, es wieder lacht. Ihr seht es bei der
Trauung weinen, Am andern Morgen dann es lacht;
Es macht ein Ding es plötzlich weinen, Dasselbe
Ding macht, daß es lacht; Mit einem Auge kann es weinen,
Indes es mit dem andern lacht. Macht Euch nichts draus, wenn
Weiber weinen, Und nichts, wenn eines auf Euch
lacht.
An die neueren Dichter
Du hüllest dich, o arme Zeit, In mystisch-schwarze
Dunkelheit, Und fliehst der Klarheit heitres
Reich Es scheint mir sie bedenken nie: Apoll, der Gott der
Poesie, Sei auch der Sonnengott zugleich.
Rezepte
Hinz: Warum die Ärzte ihre Sachen
So schreiben, daß sie Niemand versteht?
Kunz: Schau Hinz, so ein Rezept besteht
Aus lauter Wörtern von toten Sprachen.
Hinz: Die armen Sprachen! das seh' ich ein,
Sind Ärzte über sie gekommen, So haben sie
freilich ein Ende genommen Und müssen schon lange gestorben
sein.
Allgemeines Los
Zittern müssen wir stets, So will es das
Geschick: Der Böse vor dem Gesetz, Der Gute
vor dem Glück.
Der alte
Bräutigam und die junge Braut
Der alte Bräutigam
wird erwartet, Das junge Bräutchen fürchtet
sich; Ganz recht! für junge zarte Pflanzen
Ist Winters Ankunft stets fürchterlich.
Heldenmut und Edelmut
Zehntausend Feinde hat Einer erschlagen, Der
Andere rettete Einen Feind; Verkehrte Menschheit nun möcht
ich dich fragen: Wer dir bewunderungswerter
erscheint?
Wohltätigkeit
Bedarf ein Armer der Hilfe dein, So laß dir nicht erst seinen
Lebenslauf lesen! Für's Erste soll man wohltätig sein,
Dann prüfen erst, ob man's mit Rechte gewesen.
Schlummer des Lasters
Ihr meint, den Bösen flieht der Schlummer?
Das wäre schlimm, ich glaub' es nicht, Wie könnte denn der
Gute schlafen, Blieb' immer wach der Bösewicht.
Rezensenten
Mir will
vor den Rezensenten nicht bangen, Ihr Tadel
scheint mir nicht fürchterlich, Viel mehr noch wären zu
fürchten die Schlangen, Verrieten sie selbst
nicht durch Zischen sich.
Der Vater
ein Spieler, die Tochter eine verliebte Närrin
Der Vater folgt dem Glück, Die Tochter folgt der
Liebe, Was Wunder, daß ihr Blick Sich oft vor
Unmut trübe; Wie soll den rechten Weg man finden, Vertraut
man sich zwei Blinden?
Naturstudium
Wer
die Natur auch noch so gut beschriebe, Sie wäre
doch nicht klar genug; Der beste Lehrer ist dazu die Liebe,
Ein Weib dazu das beste Buch.
Feder
Die Feder ist 'ne
sonderbare Gabe, Die Einen stürzt, den Andern
hebt, Durch Hunger bringt sie Lebende zu Grabe,
Indes durch sie manch Toter lebt.
Liebe und Lust
Flügel hat die Liebe, Flügel hat die Lust,
Blind ist stets die Liebe, Blind ist auch die
Lust, Wunden schlägt die Liebe, Wunden
schlägt die Lust, Kurze Zeit währt Liebe;
Bald erstirbt die Lust, Darum hält für Liebe
Öfters man die Lust.
Der Trauerspieldichter
Der Mann kann Trauerspiele machen! Sein
letztes Stück entzückte sehr, Kein Auge blieb da
tränenleer Vor Lachen.
Wunsch eines dummen
Bauers
Bin in der Jugend liederlich gewesen, Hab
nichts gelernt, blieb also dumm, O könnt' ich jetzt im Alter
schreiben, lesen, All meine beiden Augen gäb'
ich drum.
Das verlorne Lied
Als neulich wir gewettet, Weiß nicht mehr
über was, Da setzte von uns Jedes, Was eben
es besaß; Du eine Frauenarbeit, Und ich, ein
Leiermann, Ein Lied aus meiner Feder, So gut
ich's geben kann.
Nun hast Du mir bewiesen, Das volle Recht
sei Dein, Und darum händ'ge redlich Ich jetzt
mein Lied Dir ein. Ein seltner Fall, beim Himmel,
Nicht trifft sich's wieder bald, Das eine Frau beweiset,
Und daß ein Dichter zahlt.
Die anziehende Schöne
M. Kein Mädchen zog so sehr mich an Als Wilhelmine es
getan.
N. Mein Freund! sie zog dich darum an, Damit sie dann dich
auszieh'n kann.
Der
menschenfreundliche Dichter
Dichter. Ich sitz' am Pult oft die ganze Nacht Und
schreibe die herrlichsten Sachen.
Ein Anderer. Der menschenfreundliche Mann, er wacht, Um
Andere schlafen zu machen.
Gutsverkauf
Der Kauflustige. Ist auch bei dem Verkaufe kein Betrug?
Und wird das Gut wohl fünf Prozente geben?
Der Verwalter. Wenn nichts gerät, so gibt's doch Heu genug,
Da haben Euer Gnaden schon zu leben.
Der Schnelle
Herr
Celer läuft sich die Füße wund, Er treibt seinen
Lebensnachen, In weniger noch als in einer Stund
Will er sechzig Minuten machen.
Der Führer
Wollt ihr
für den kleinen Knaben, Für den Pfeilbegabten
blinden Einen guten Führer haben, Weiß ich
Einen nur zu finden: Jenen aus dem Götterbunde, Der den
Finger hält am Munde.
Schriftstellervermehrung
Der Skribifaxe Zahl vergrößert Sich fast mit
jedem Tage mehr, Wenn Alle — Alle schreiben wollen,
Wo kommen dann die Leser her?
Maßliebe
Es will die
kleine Lise Im Freien sich ergehn, Da sieht
sie auf der Wiese Gestirnte Blümchen stehn;
Es kennt das liebe Kind, Daß es Maßlieben sind, Drum
pflückt sie eins geschwind
Und fragt, indem die Blätter Dem Wind sie
übergibt: "Sag Blümchen, ob mein Vetter Mich
auch vom Herzen liebt?" Das letzte Blatt fällt
ab, Und ihr zur Antwort gab:
"Er liebt dich!"
Als sie den Vetter wieder Erblickt, schlägt
sie nicht so Wie sonst die Augen nieder, Des
war der Vetter froh, Und seinen Liebesbrand Das Paar sich
bald gestand. Als Lise wieder fand Im
Buchenhain Maßlieben, Fragt sie die Blum' auf's Neu',
Wie's mit des Vetters Trieben Denn jetzt beschaffen sei?
Die Blätter lösen sich, Es klingt: Er liebet
dich Vom Herzen!
Drauf tanzte bei der Linde Mit Martin sie
herum, Das nahm dem lieben Kinde Der Vetter
schrecklich krumm. Drei Wochen schon vergehn, Er ließ sich
nicht mehr sehn. Sie kann das nicht verstehn,
Da geht sie in das Freie, Pflückt ein Maßliebchen dort,
Fragt, ob der Ungetreue Gebrochen schon sein Wort?
Die Blätter lösen sich, Es klingt: Er liebet
dich Mit Schmerzen!
Doch bald ward ausgeglichen Was ihr so weh
getan, Ein Monat war verstrichen, Der Vetter
war ihr Mann; Ein Jahr noch floß dahin, Der Mann ihr
kälter schien, Das macht ihr trüben Sinn. Sie
fragt aufs Neu die Blume Wie jetzt der Vetter denkt,
Da sie zum Eigentume Sich liebend ihm geschenkt?
Die Blätter lösen sich, Es klingt: Er liebet
dich Ein wenig!
Und noch vergeht ein Jährchen, Da flieht die
Einigkeit, Und man erblickt das Pärchen Gar
oft in Zank und Streit: Der Vetter geht zu Wein, Und Lise
weint allein. Da findet sie im Hain Einst ein
Maßliebchen wieder, Sie pflückt es ab betrübt,
Ein Tränchen fällt drauf nieder, Sie fragt: Wie jetzt er
liebt? Sie löst die Blätter ab,
Das letzt' ihr Antwort gab:
O gar nicht!
Dichter und Gedichte
Ein Jeder schreibt und singt was er mag, Die
Welt ist voll literarischer Lichter, Gedichte bringt uns fast
jeder Tag, Doch bringt ein Jahrhundert kaum
einen Dichter.
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