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Ausgewählte Werke
Castelli Ignaz Franz
Gedichte

4. Bändchen
Wien 1848
Verlag von Mayer & Compagnie

Gedichte 1
 
Weiber
An die neueren Dichter
Rezepte
Allgemeines Los
Der alte Bräutigam
Heldenmut und Edelmut
Wohltätigkeit
Schlummer des Lasters
Der Vater ein Spieler, die Tochter
Naturstudium
Feder
Liebe und Lust
Der Trauerspieldichter
Wunsch eines dummen Bauers
Das verlorne Lied
Die anziehende Schöne
Der menschenfreundliche Dichter
Gutsverkauf
Der Schnelle
Der Führer
Schriftstellervermehrung
Maßliebe
Dichter und Gedichte
 

Weiber


Ein Weib kann, wann's ihm einfällt, weinen,
   Und wann es will, es wieder lacht.
Ihr seht es bei der Trauung weinen,
   Am andern Morgen dann es lacht;
Es macht ein Ding es plötzlich weinen,
   Dasselbe Ding macht, daß es lacht;
Mit einem Auge kann es weinen,
   Indes es mit dem andern lacht.
Macht Euch nichts draus, wenn Weiber weinen,
   Und nichts, wenn eines auf Euch lacht.

An die neueren Dichter

Du hüllest dich, o arme Zeit,
In mystisch-schwarze Dunkelheit,
   Und fliehst der Klarheit heitres Reich
Es scheint mir sie bedenken nie:
Apoll, der Gott der Poesie,
   Sei auch der Sonnengott zugleich.

Rezepte

Hinz:
Warum die Ärzte ihre Sachen
   So schreiben, daß sie Niemand versteht?

Kunz:
   Schau Hinz, so ein Rezept besteht
Aus lauter Wörtern von toten Sprachen.

Hinz:
Die armen Sprachen! das seh' ich ein,
   Sind Ärzte über sie gekommen,
   So haben sie freilich ein Ende genommen
Und müssen schon lange gestorben sein.

Allgemeines Los

Zittern müssen wir stets,
   So will es das Geschick:
Der Böse vor dem Gesetz,
   Der Gute vor dem Glück.

Der alte Bräutigam und die junge Braut

Der alte Bräutigam wird erwartet,
   Das junge Bräutchen fürchtet sich;
Ganz recht! für junge zarte Pflanzen
   Ist Winters Ankunft stets fürchterlich.

Heldenmut und Edelmut

Zehntausend Feinde hat Einer erschlagen,
   Der Andere rettete Einen Feind;
Verkehrte Menschheit nun möcht ich dich fragen:
   Wer dir bewunderungswerter erscheint?

Wohltätigkeit

Bedarf ein Armer der Hilfe dein,
So laß dir nicht erst seinen Lebenslauf lesen!
Für's Erste soll man wohltätig sein,
Dann prüfen erst, ob man's mit Rechte gewesen.

Schlummer des Lasters

Ihr meint, den Bösen flieht der Schlummer?
   Das wäre schlimm, ich glaub' es nicht,
Wie könnte denn der Gute schlafen,
   Blieb' immer wach der Bösewicht.

Rezensenten

Mir will vor den Rezensenten nicht bangen,
   Ihr Tadel scheint mir nicht fürchterlich,
Viel mehr noch wären zu fürchten die Schlangen,
   Verrieten sie selbst nicht durch Zischen sich.

Der Vater ein Spieler, die Tochter
eine verliebte Närrin

Der Vater folgt dem Glück,
   Die Tochter folgt der Liebe,
Was Wunder, daß ihr Blick
   Sich oft vor Unmut trübe;
Wie soll den rechten Weg man finden,
Vertraut man sich zwei Blinden?

Naturstudium

Wer die Natur auch noch so gut beschriebe,
   Sie wäre doch nicht klar genug;
Der beste Lehrer ist dazu die Liebe,
   Ein Weib dazu das beste Buch.

Feder

Die Feder ist 'ne sonderbare Gabe,
   Die Einen stürzt, den Andern hebt,
Durch Hunger bringt sie Lebende zu Grabe,
   Indes durch sie manch Toter lebt.

Liebe und Lust

Flügel hat die Liebe,
   Flügel hat die Lust,
Blind ist stets die Liebe,
   Blind ist auch die Lust,
Wunden schlägt die Liebe,
   Wunden schlägt die Lust,
Kurze Zeit währt Liebe;
   Bald erstirbt die Lust,
Darum hält für Liebe
   Öfters man die Lust.

Der Trauerspieldichter

Der Mann kann Trauerspiele machen!
   Sein letztes Stück entzückte sehr,
   Kein Auge blieb da tränenleer
   Vor Lachen.

Wunsch eines dummen Bauers

Bin in der Jugend liederlich gewesen,
   Hab nichts gelernt, blieb also dumm,
O könnt' ich jetzt im Alter schreiben, lesen,
   All meine beiden Augen gäb' ich drum.

Das verlorne Lied

Als neulich wir gewettet,
   Weiß nicht mehr über was,
Da setzte von uns Jedes,
   Was eben es besaß;
Du eine Frauenarbeit,
   Und ich, ein Leiermann,
Ein Lied aus meiner Feder,
   So gut ich's geben kann.

Nun hast Du mir bewiesen,
   Das volle Recht sei Dein,
Und darum händ'ge redlich
   Ich jetzt mein Lied Dir ein.
Ein seltner Fall, beim Himmel,
   Nicht trifft sich's wieder bald,
Das eine Frau beweiset,
   Und daß ein Dichter zahlt.


Die anziehende Schöne

                         M.
Kein Mädchen zog so sehr mich an
Als Wilhelmine es getan.

                         N.
Mein Freund! sie zog dich darum an,
Damit sie dann dich auszieh'n kann.

Der menschenfreundliche Dichter

                        Dichter.
Ich sitz' am Pult oft die ganze Nacht
Und schreibe die herrlichsten Sachen.

                      Ein Anderer.
Der menschenfreundliche Mann, er wacht,
Um Andere schlafen zu machen.

Gutsverkauf

                  Der Kauflustige.
Ist auch bei dem Verkaufe kein Betrug?
Und wird das Gut wohl fünf Prozente geben?

                  Der Verwalter.
Wenn nichts gerät, so gibt's doch Heu genug,
Da haben Euer Gnaden schon zu leben.

Der Schnelle

Herr Celer läuft sich die Füße wund,
   Er treibt seinen Lebensnachen,
In weniger noch als in einer Stund
   Will er sechzig Minuten machen.

Der Führer

Wollt ihr für den kleinen Knaben,
   Für den Pfeilbegabten blinden
Einen guten Führer haben,
   Weiß ich Einen nur zu finden:
Jenen aus dem Götterbunde,
Der den Finger hält am Munde.

Schriftstellervermehrung

Der Skribifaxe Zahl vergrößert
   Sich fast mit jedem Tage mehr,
Wenn Alle — Alle schreiben wollen,
   Wo kommen dann die Leser her?

Maßliebe

Es will die kleine Lise
   Im Freien sich ergehn,
Da sieht sie auf der Wiese
   Gestirnte Blümchen stehn;
Es kennt das liebe Kind,
Daß es Maßlieben sind,
Drum pflückt sie eins geschwind
   Und fragt, indem die Blätter
Dem Wind sie übergibt:
   "Sag Blümchen, ob mein Vetter
Mich auch vom Herzen liebt?"
   Das letzte Blatt fällt ab,
   Und ihr zur Antwort gab:
      "Er liebt dich!"

Als sie den Vetter wieder
   Erblickt, schlägt sie nicht so
Wie sonst die Augen nieder,
   Des war der Vetter froh,
Und seinen Liebesbrand
Das Paar sich bald gestand.
Als Lise wieder fand
   Im Buchenhain Maßlieben,
Fragt sie die Blum' auf's Neu',
   Wie's mit des Vetters Trieben
Denn jetzt beschaffen sei?
   Die Blätter lösen sich,
   Es klingt: Er liebet dich
       Vom Herzen!

Drauf tanzte bei der Linde
   Mit Martin sie herum,
Das nahm dem lieben Kinde
   Der Vetter schrecklich krumm.
Drei Wochen schon vergehn,
Er ließ sich nicht mehr sehn.
Sie kann das nicht verstehn,
   Da geht sie in das Freie,
Pflückt ein Maßliebchen dort,
   Fragt, ob der Ungetreue
Gebrochen schon sein Wort?
   Die Blätter lösen sich,
   Es klingt: Er liebet dich
      Mit Schmerzen!

Doch bald ward ausgeglichen
   Was ihr so weh getan,
Ein Monat war verstrichen,
   Der Vetter war ihr Mann;
Ein Jahr noch floß dahin,
Der Mann ihr kälter schien,
Das macht ihr trüben Sinn.
   Sie fragt aufs Neu die Blume
Wie jetzt der Vetter denkt,
   Da sie zum Eigentume
Sich liebend ihm geschenkt?
   Die Blätter lösen sich,
   Es klingt: Er liebet dich
       Ein wenig!

Und noch vergeht ein Jährchen,
   Da flieht die Einigkeit,
Und man erblickt das Pärchen
   Gar oft in Zank und Streit:
Der Vetter geht zu Wein,
Und Lise weint allein.
Da findet sie im Hain
   Einst ein Maßliebchen wieder,
Sie pflückt es ab betrübt,
   Ein Tränchen fällt drauf nieder,
Sie fragt: Wie jetzt er liebt?
   Sie löst die Blätter ab,
   Das letzt' ihr Antwort gab:
         O gar nicht!

Dichter und Gedichte

Ein Jeder schreibt und singt was er mag,
   Die Welt ist voll literarischer Lichter,
Gedichte bringt uns fast jeder Tag,
   Doch bringt ein Jahrhundert kaum einen Dichter.