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Aus der Asche

Ada Christen
Neue Gedichte

Hamburg 1870
Hoffmann & Campe

Ich muß auf meine Wunden
Asche streuen . . . . .
                         Dranmor.
Ludwig Ferdinand Schmid (Pseudonym: Dranmor) 1823 1888
war ein Schweizer Lyriker.

  ○ ○ ○ ○
Was einmal tief und wahrhaft Dich gekränkt,
Das bleibt auf ewig Dir in's Mark gesenkt.
                                                       Lenau

 

Nachklänge
 

Gefallene Engel
Daheim
Einst
Wiedersehen
Zorn
Vermählte
Altes Lied
Mitleid
Zu spät!
Asche
Entweiht!
Finis!


Gebet!
 


Sternlos

 

Alte Feinde
Dem Freunde!
Visionen
Fluch
Biedere Hausfrauen
Umsonst!
Mein Lied
Gegenüber!
Mariechen
Dem fremden Freunde
Einem Dichterlein
Verwandte

Wandernd
 
Auf den Bergen
Gewitternahen
Ein Aufatmen
Abendbild
Am Teich
Im Dorfe
Prag
Allein!
Auf dem Meere

Gefallene Engel


Es ist die alte finst're Mähr
Von zwei Vermaledeiten,
Die ohne Rast und ohne Ruh
Fort durch die Hölle schreiten.
Von Zweien, die voll Hochmut einst
Verschmäht des Himmels Frieden,
Und eine Seligkeit hindurch
Sich fremd und stolz gemieden;
Von zwei Vermaledeiten, die
So fern nun allem Reinen,
Sich suchen, finden, halten, ach!
Und weinen – weinen – weinen!

Daheim

In Deinem düstern Zimmer steh' ich wieder,
Vom Fenster hauchen schwül die Blumendüfte,
Die Sterne schauen groß und ruhig nieder
Und müde Töne zittern durch die Lüfte.

Ach! tiefe Wehmut folgt dem Lied dem langen,
Ich fühle klar, was einstens ich nicht kannte,
Als schweigend hier mit demutsvollem Bangen
Ich harrte Dein – der mich in's Leben sandte.

Mich dünket, wieder müßt' ich Dich gewahren
An diesem Ort, wo Du so viel verschuldet,
Als bräche heiß hervor nach dürren Jahren
In Tränen hier – was draußen ich erduldet.

Einst

Ach wie war es leer und schaurig,
Als ich einst die Straßen zog,
Lebensmüde, sterbenstraurig,
Still mich in Dein Fenster bog.
Als ich dann mit dumpfem Weinen
Auf der Schwelle niedersank,

Von den eis'gen Marmorsteinen
Glühend heiße Tropfen trank.
Bangte Dir, daß sie mich fänden? –
Doch Du hast mich nicht geschaut –
Denn es ward von Priesterhänden,
Fern, ein Weib Dir angetraut.

Wiedersehen

In bangen Nächten, wenn der graue Wahnsinn
Mit dürren Fingern an das Hirn mir pochte,
Wenn glüh'nde Tränen meine Kissen netzten,
Mein wildes Herz vor Zorn und Sehnsucht kochte –
In solchen Nächten war mir der Gedanke,
Daß Du noch lebst, daß ich Dich wiedersehe,
Ein Stern, nach dem ich zitternd hob die Hände –
Und trotzig weiter schleppt' ich dann mein Wehe.

Ich sah Dich wieder – wieder plötzlich flammten
Sie alle auf, die alten Wahnsinnsgluten,
Der wilde Zorn, der Schmerz, die herbe Liebe –
Es war, als müßte ich vor Dir verbluten.
Du aber standest mit dem argen Lächeln,
Das mir bekannt aus gottverfluchten Tagen;
Der fahle Blick macht mir das Herz erstarren:
Es war ein freches, antwortsich'res Fragen!

Und Deine Hände streckten fieberglühend
Sich plötzlich so begehrend mir entgegen,
Und mehr und mehr sah ich Dein Bild erblassen,
Das mich begleitet einst auf allen Wegen:
"Das ist er nicht!" schrie es in meiner Seele,
"So war er nie, so kann er nimmer werden."
Wofür wär' meine Seligkeit verspielet,
Wofür wär' ich verflucht – verflucht auf Erden! – –

Zorn

Reize mich nicht – o reize mich nicht!
Ich könnte sonst vergessen,
Wie viel ich törichte Liebe für Dich
Und Selbstverleugnung besessen!

Ich könnte vergessen, was ich Dir galt
Und was ich um Dich gelitten,
Drum reize mich nicht – o reize mich nicht,
Zur Stunde kann ich noch bitten!

Doch wehe! wenn ich es nicht mehr kann,
Dann kenn' ich kein Zögern und Schwanken,
Du weißt, wenn meine Lippe zuckt,
Dann morden die bösen Gedanken.

Vermählte

O sieh', wie von der Wahrheit Wort
Die kalten gift'gen Nebel schwanden,
Gesegnet sei der Tag hinfort,
An welchem wir uns wieder fanden.
Wie lange hielt uns Menschen Trug
Und stolzes Schweigen dumpf umfangen,
Wie hemmten wir der Seelen Flug,
Die zweifelnd in dem Dunkel rangen.
Und stehen wir uns weltenfern,
Ist auch vergeudet unser Leben,
Ich habe jedes Leid doch gern
Aus tiefstem Herzen Dir vergeben.
Es ist des Glückes letzte Huld,
Das wir uns heut' die Hände reichen;
Wir büßen ja die alte Schuld,
Gekettet an lebend'ge Leichen.

Altes Lied

Alter Text und alte Weise –
Wie das durch mein Leben zog,
Und so wehmutsvoll und leise
Mir den Himmel nieder log.
Fast vergessen pocht es wieder
An das eingewiegte Herz,
Und der erste Ton ist wieder,
So wie einst, ein leiser Schmerz.

Mitleid

Vergib mir, daß der Schmerz aus alten Tagen
Das kranke Herz mir konnte wild verbittern
Und seine rührend kindlich-bangen Klagen
In heiser-schrilles Lachen mir zersplittern.

Ich liebte Dich und wähnte Dich zu hassen,
Als all' die Andern Dir zu Füßen lagen;
Nun da Du alt geworden und verlassen,
Erfasset mich ein unerklärbar Zagen.

O würdest Du wie einst, voll trotz'gem Wagen,
Voll Jugend-Übermut mein Herz zerfleischen,
Viel leichter als die Blicke würd' ich's tragen,
Die unbewußt nur tiefes Mitleid heischen.

Zu spät!

Uns're Schiffe willst Du lenken
Nun nach einem gleichen Ziel?!
Fern Dir, losgerissen treib' ich,
Längst der wilden Stürme Spiel.
Fürchte Du das böse Zischen,
Kalte Grollen, fürcht' das Meer,
Lass' mich ringen mit den Wogen,
Einsam, haltlos, ohne Wehr!
Bleibe still und unbekümmert
Ferne mir und nah' dem Strand,
Bald entsinket ja das Ruder
Meiner kraftlos müden Hand –
Oder – stürze mutig nach mir,
Wenn mein Fahrzeug untergeht –
S t e r b e n können wir zusammen,
Doch zum L e b e n ist's zu spät!

Asche

I.
Wie sie lodern, wie sie beben,
Still verglimmen und verweh'n –
Und ein Stück von meinem Leben
Seh' in Asche ich vergeh'n.
Weiche, goldig-blonde Locken,
Manche Blume, die da schlief,
Es zerstirbt in Aschenflocken
Mancher alte Liebesbrief.
Welches Glück die Worte brachten,
Diese Phrasen, – Gott erbarm'!
Wie sie heiß den Kopf einst machten –
Heute wird die Hand kaum warm!

II.
Im Kamin lag grau die Asche,
Und ich saß, nachdenklich schürend,
In dem letzten tauben Reste
Nach verborg'nen Gluten spürend.
Und es flammte aus der Asche,
Wieder helle Funken sprühend,
Eine halbverglomm'ne Kohle
Und zersplitterte verglühend.
Und es flüstert in der Asche:
Warum tötest Du, berührend
Was noch aufflammt, Dir zur Leuchte,
Dich aus Nacht und Kälte führend? . . . .

III.

Wilde, ungeberd'ge Flammen,
Die sich suchen und verstecken,
Wie sie zischeln, wie sie schmeicheln
Und sich schlängeln und sich necken;
Wie sie prasseln, knistern, jubeln,
Sich verfolgen und umschlingen,
Wie sie zu dem heißen Reigen
Ihre lockern Lieder singen!
Wie sie endlich glühend züngeln,
Jauchzend hoch und höher schlagen,
Mit den schlanken roten Armen
Gierig in einander ragen!
Welches glühend frische Leben
Seh' ich in den Flammen treiben –
Und nichts als ein Häuflein Asche
Soll von all' den Gluten bleiben? . . . .


IV.
Tote Liebe, – kalte Asche!
Armer, längst zerstob'ner Traum –
Wie ein geisterhaftes Mahnen
Weht es durch den öden Raum!
Oft ist mir, als müßt ich hüten
Dich, wie einst, mein sterbend Kind –
Doch ein Luftzug – und die Asche
Fliegt hinaus in Nacht und Wind!

Entweiht!

Fern sei es mir, daß spottend ich
Nach Dir, zerfall'ne Gottheit, zeige,
Wenn ich auch nimmer gläubig mich
Vor Deiner Macht in Demut neige.
Du stehst mir schmerzvoll, menschlich-nah,
Stehst menschlich-schwach an meiner Seite.
Ich schaue nun, was ich nicht sah,
Als Du in mystisch-ferner Weite!
Ernüchtert starr' ich zu Dir hin,
Und such' die schmerzgefeiten Züge,
Und schau: so elend wie ich bin,
Bist Du – durch Menschenlieb' und Lüge!

Finis!

O, wende ab Dein Angesicht,
Das tränenfeuchte, schmerzenbleiche,
Die Tränen wecken Tote nicht,
Und Du knieest hier vor einer Leiche.
Fleh' nicht mit gellem Jammerschrei:
"Nur eine Stunde soll sie leben!"
Es ist vorbei, – es ist vorbei –
Das fühlst Du durch die Seele beben.
Du suchtest Freude hier und Lust,
Der toten Jugend süße Namen;
O Mann! – schau' in die öde Brust –
Und Du verstehst mein "Nein", mein "Amen!"

Gebet!

Urewiger!
Unendlicher!
Du hörst das Schreien
Der ringenden Seele.
Zu Dir geflüchtet
Bin ich in Stunden,
Wo Dir entfremdet
Und Dich verhöhnend,
In Schmutz und Sünde
Sich Jene wälzten,
Die gestern lobpriesen
Dein heiliges Wort,
Die morgen wieder
Vor Deinem Kreuze
Im Staub sich winden,
Ein heiliges Antlitz
Und heilige Sitten
Frommlächelnd zeigen. —
O ewiges Wesen
Barmherzig bist Du,
Du bist milde,
Göttlich, gütig! —
Ich glaube an Dich,
Ich hoffe auf Dich,
Und wenn auch versinkend,
Ruf ich zu Dir!
Du hörst dies Rufen . . . .
Der Krämerseelen
Erbärmlich Winseln
Dringt nicht an Dein Ohr:
Doch dort, wo Jammer
Und große Schuld
Vor Dir sich beugen
In schmerzlicher Reue,
Dort, wo beladen
Mit menschlichem Elend,
Von Dir ein Wesen,
Sündenmüde,
Lebensmüde,
Erlösung heischt,
Dort wirst Du hören, —
Denn Du bist Gott!

Alte Feinde

I.
Wie mit einem einz'gen Schlag
Ist die Welt um mich verwandelt,
Lächelnd knickset Tag um Tag,
Was mich einst so schlecht behandelt.
Heute reichet mir die Hand,
Was einst Schmähungen gesendet,
Heute naht im Festgewand,
Was sich einst von mir gewendet.
Euer Haß war die Gewalt,
Die mich einst hinausgetrieben –
Aber unbewegt und kalt
Läßt mich heute Euer Lieben!

II.
Ei, wie mächtig und bezwingend
Dünkt Euch fast ein einzig Wort,
Glaubt Ihr wohl, es nehme plötzlich
Jahrelanges Elend fort?
Ei, versucht des Wortes Allmacht
An dem Meer, das wild empört,
Sturmgepeitscht so düster grollet,
Ob es Euer Wort beschwört.
Und Ihr wähnt, das Herz, das wilde,
Das die Bitterkeit gestählt,
Macht ein mildes Wort vergessen,
Wie Ihr es gepeitscht – gequält?!

III.

Wie so kleinlich, wie erbärmlich
Beugt Ihr Euch vor meiner Macht,
Vor den Herzblut-Purpurfetzen,
Vor der Dornenkrone Pracht.
O, ich hör's, aus Eurem Lobe
Zuckt der alte Spott, die Schmach,
Denn Ihr könnt es nimmer glauben,
Daß ich meine Ketten brach;
Ich zerbrach sie doch! O glaubet,
Meine Selbstverachtung schwand,
Als ich Euch so feig, so hündisch,
So verachtungswürdig fand.

IV.
Wohl könnt Ihr mäkeln jetzt an Wort und Tat,
Könnt mich verdammen, seht, es rührt mich nimmer;
Ich hasche nicht nach Eurem feilen Rat
Und morscher Tugend fahlen Moderschimmer!
Ich trachte nimmermehr nach Eurer Lieb',
Ich werde liebearm und einsam schreiten,
Doch jene Waffe, die einst fort mich trieb,
Sie wird nun stumpf von meinem Panzer gleiten.
O, ich war elend! – jeder böse Zug
In Euren kalten Larven mahnt mich wieder,
Wie Jeder von Euch tückisch nach mir schlug,
In mir vernichtet meine reinsten Lieder!

Dem Freunde!

Mir ist so weh! ein tränenloses Weinen,
Es will mir fast die Brust zersprengen,
Schau' ich die Schmerzen, die gleich gift'gem Taue
Dir Lebensmut und Kraft versengen.

Was weiß die Welt von Deinen tiefen Leiden,
Die bitter durch Dein Lachen klingen,
Sie kennet nimmermehr des Halbbefreiten,
Des stolzen Geistes wirres Ringen!

Doch mir ist weh! ein tränenloses Weinen
Hebt mir die Brust, in Deinem Herzen
Da schaue ich die Kämpfe gleich den meinen,
Da fühl' ich Schmerz von meinen Schmerzen!

Visionen

I.
Es zuckt durch meine Seel' ein Blitz
Mit gelben unheimlichen Flammen,
Er leuchtet wie der Verzweiflung Witz,
Er zischet wie kaltes Verdammen,
Er zeigt mir in seinem fahlen Licht
Nur einen einz'gen Gedanken:
Ich seh' ein weißes Totengesicht
Auf dem Wasser im Sturme schwanken!
Und immer taucht es wieder empor,
So weiß – so schön – so erhaben! . . . .
O, daß es öde wär', wie zuvor,
In der Tiefe Alles begraben! –

II.
Wesen, kleines, längst verklärtes,
Stern in meines Lebens Nacht,
Reingeliebtes, heißentbehrtes,
Sprich zu mir im Traume sacht!
Schlinge Deine kleinen Arme
Um die Brust so glückberaubt,
An mein Herz, das lebenswarme,
Leg' Dein totes kaltes Haupt!


Fluch

Ein Liebesfluch hat Euer Band gewoben,
Mit Reuetränen ist es heiß benetzt;
Ob auch des Lebens Stürme trennend toben,
Ob Elend geißelnd auseinanderhetzt,
Ob Ihr verachtet oder glückgehoben,
Ob Zorn, ob Rachelust die Brust zerfetzt,
Ob Ihr zu hassen frevelnd mögt geloben:
Der alte Fluch besiegt Euch doch zuletzt.

Biedere Hausfrauen

Soll ich es nochmals wiederholen?
Ihr habt mich ja so oft gefragt,
Und tausend Mal hab' ich auf Ehre
Die volle Wahrheit Euch gesagt. —
Ja, ich bewund're Eure Tugend,
Und ich bewund're Eure Kinder,
Bewund're Eure magern Mägde,
Bewund're Eure fetten Rinder;
Bewund're mehr noch Eure Männer,
Bewund're Eure kluge Stummheit,
Bewund're Eure feine Wäsche —
Beneide Euch um Eure Dummheit.

Umsonst

I.
Ich sehne mich aus dem dumpfen Weh
Nach jenen unseligen Tagen,
Wo meine Seele, so riesengroß,
Riesenschmerzen getragen!
Oft fürcht' ich fast, Ihr habet geahnt,
Wenn Schmerz und Trotz erst gewichen,
Könnt Ihr mich töten, elendklein,
Mit tausend Nadelstichen!

II.
Freilich sah vorbei ich fluten
All' die jammervollen Stunden,
Freilich sind die alten Schmerzen
Durchgekämpft und überwunden!
Freilich hab' vor Euren Herzen
Ich Vergebung nun gefunden –
Aber ich muß doch verbluten,
Schmerzlos an den alten Wunden!

Mein Lied

Einschneidend ist mein Lied und peinlich,
So frostig wie die Winternacht,
Es hätte sonst nach mir wahrscheinlich
Manch' Törin Ähnliches gebracht;
In Versen rauh und lebensfeindlich,
Wie ich geweint, geflucht, gelacht,
So derb-unkünstlich, geistig-kleinlich,
So tief gefühlt und – seicht gemacht.

Gegenüber!

Das ist ein Kichern, ein Jubeln und Lachen,
So kindlich heiter und kindlich warm,
Es schäkert drüben am Fenster die Mutter,
Ihr jauchzendes Kindlein im wiegenden Arm.

Und wie sie so tänzelt und singend scherzet,
Das kleine Wesen so innig küßt,
Da fühlt sie, es ist ihr Eines und Alles,
In dem sie das Glück und die Zukunft begrüßt.

O, glückliche Mutter! – Vor Not und Schmerzen
Behüte Dein Kindlein treu und lind —
Es gibt auf der Erde manch' einsame Mutter
Und unter der Erde – manch' liebes Kind!

Mariechen

Ich schaute ganz wie Du als Kindlein aus,
Nur etwas bleicher waren meine Wangen
Und wurden rot wie Deine, wenn im Haus
Wir polternd über Tisch und Stühle sprangen.

Die Augen waren auch so blau und rein,
Die Locken fielen d'rauf wie gold'ne Fädchen,
Doch liebte Niemand mich, als ich noch klein —
So innig wie ich Dich, Du kleines Mädchen!

Dem fremden Freunde

Es war Dein Wort ein blitzend Schwert,
Das für mich stritt;
Es war Dein Wort der Seele Schrei,
Die für mich litt.
Die herbe Träne war Dein Wort,
Geweint um mich;
Ein guter Engel war Dein Wort,
Der nimmer wich!
Dein Wort, es gab mir neuen Mut,
Es drang befreiend stolz zu mir;
Du Fremder, sieh mein schlichtes Wort,
Es dankt zu tausend Malen Dir!

Einem Dichterlein

O, säng' ich doch von Veilchenduft,
Gleich Dir von Lieb' und Mondenschein,
Von Waldesgrün und Himmelszelt,
Von Frühlingspracht und Vögelein!

Du säuselst laue Treibhausluft
Und weinst gewärmte Tränelein,
Und meinst, es müßt' die ganze Welt,
Nur weil Du klagst, auch kläglich sein.

O, honigsüßes Dichterlein,
Der Du aus Büchern dichten lernst
Und flau besingst, was stets Dich mied:
Des Lebens echten Schmerz und Ernst.

Und doch! Säng' ich so zierlich fein
Gelernten Schmerz, geles'ne Lust,
Nicht spräng' mir jedes kleine Lied
Ein blutig Mäuslein aus der Brust.


Verwandte

Ihr seid beleidigt, weil ich nicht
Gerührt in Eure Arme stürze
Und das Verzeihungs-Arrangement
Mit keiner Reueszene würze.
Ich flehte nicht, Ihr selber seid
Nun plötzlich gnädig mir gewogen;
Doch legt die Gnadenmienen ab,
Schaut, welche Kluft Ihr einst gezogen.
Setzt nur herüber kühnen Sprungs,
Seid einmal menschlich-unbesonnen. . . .
Brecht Ihr auch das Genick dabei,
Hat Welt und Hölle nur gewonnen.


Auf den Bergen

Freu' Dich nicht des blauen Himmels,
Bist Du noch so harmlos, Kind?
Fühlst Du's nicht? durch Erd' und Himmel
Zieht gewitterschwüler Wind!
Trau' nur nicht der Himmelslüge,
Nicht dem Sonnenlächeln trau',
Denn es regnet, weinet innen –
Nur nach außen lacht es blau!

Gewitternahen

Bleischwer drückt die Nacht auf mich,
Wolken jagen rasch vorüber,
Trübe schon und immer trüber
Hüllt der Mond in Nebel sich.

In den Zweigen ächzt der Wind
Und es rauschen scheu die Blätter,
Bald vom dumpfen nahen Wetter
Ausgelöscht die Sterne sind.

Unkenruf im nahen See
Und im Gras ein leis' Geflüster;
Öde starrt der Himmel, düster –
Weint er stumm – ob unserm Weh?

Ein Aufatmen

I.
Grüne Tannen, bunte Blumen,
Blauer Himmel, Luft und Duft,
Silberhelle Wasser rieseln
Aus der grauen Felsenkluft.

Helle Sonnenlichter zittern
Spielend auf dem feuchten Grund,
Und der Vögel heimlich Zwitschern
Gleicht dem Wort aus liebem Mund.

Grüne Tannen – kleine Vögel,
Ach, – ihr kennt ein Zauberwort – –
Euer Rauschen, euer Zwitschern
Scheucht die alten Schmerzen fort!

II.
Wie in süßen Morgenträumen
Liegt vor mir ein kleines Haus,
Blütenweiße Bäume strecken
Winkend ihre Äste aus.

Liebes, lang' entbehrtes Grüßen
Ist der Lerche jubelnd Lied,
Das wie klingend helles Strömen
Ob dem Haupte wirbelnd zieht.

Kleines Haus und Blütenbäume,
Ich versteh' den Zauber nicht;
Doch er spricht zum dunklen Herzen
Und es wird d'rin wieder Licht!

III.
Fremder Menschen bunte Massen,
Fremder Sprache milder Laut,
Große Häuser, helle Straßen,
Selbst der Himmel heller schaut.
Seltsam fremd, wie nie besessen,
Klingt mir hier der Name mein,
Auch mein Herz lernt hier vergessen,
Lernt vielleicht hier glücklich sein.

Abendbild

Grau der Himmel, grau die Erde,
Grau das weite dürre Land,
Sonn' verbrannte nied're Sträucher,
Schwarzer Sumpf und heißer Sand;

Doch schon weben in der Ferne
Abendnebel, dünn' und leicht,
Ihre grauen feuchten Schleier
Und die träge Stille weicht.

Denn ein mildes kühles Lüftchen,
Wie der reine Atemzug
Eines schlafumfang'nen Kindes,
Hemmt der Vögel matten Flug.

Aus den Büschen, still sich regend,
Ein geheimes Flüstern bricht,
Leise klagt's im Sumpf und silbern
Spiegelt sich das Mondenlicht. —

Am Teich

Ich kenne dich, du schwarzer Teich,
Genau weiß ich den Tag,
Als eine Tote still und bleich
An deinem Rande lag;
Und als der Pöbel scheu und stumm
Sich langsam nahte dir
Und abergläubig, feig und dumm
Bekreuzte sich vor ihr;
Als eine Hand den schönen Leib
Mit Haken an sich riß —
Der rohe Hauf' das tote Weib
Ein gottverdammtes hieß. —
Das starre Antlitz hold und bleich,
Schaut' ich so manche Nacht,
In schwarzen Stunden, schwarzer Teich,
Hab' oft ich dein gedacht.

Im Dorfe

Richtig da, die alte Scheuer
Steht noch auf derselben Stelle,
Vor der Türe flammt das Feuer,
Flackert auf, wie einst so helle,

Und wie einst, so heute lagern
Kunstplebejer, Vagabunden,
Blasse Weiber bei den magern
Kindern und bei alten Hunden.

Jubelnd grüßt das längst-vergess'ne,
Jugend-mahnende Gelichter,
Ich erkenne schminkzerfress'ne
Kecke, törichte Gesichter.

Wüst-poetisch, frierend, hungernd
Finde ich die Altbekannten
Ärmer noch, noch träger lungernd,
Echte Handwerks-Komödianten.

Hinter einem Zaune werden
Sie einst jämmerlich verenden,
Denn es gibt für sie auf Erden
Schon zu viel der Konkurrenten.

Habt als Stümper angefangen
Und seid Stümper auch geblieben;
Kirch' und Parlament seit langen
Jenes Handwerk besser trieben.

Prag
Auf dem alten jüdischen Friedhofe

Sinnend stand ich bei dem Grabe
Rabbi Löv's, des jüd'schen Weisen,
Hörte wie im Traum den Führer
Seine toten Ahnherrn preisen.

Und warum, so frug ich staunend,
All' die Juden, groß und kleine,
Auf das Grab mit leisem Murmeln
Werfen bunte Kieselsteine?

Und es wurde mir die Antwort:
"Um zu ehren, ist geboten,
Daß wir Blumen streu'n Lebend'gen,
Steine auf das Grab der Toten."

Von solch' heidnischem Gebrauche
Sind wir Christen längst gereinigt:
Wir bekränzen stets die Gräber
Jener, welche wir gesteinigt.

Allein!

Einsam stand ich auf den Bergen,
Wo der Falke kreischend flog,
Über schneebedecktem Gipfel
Seine stillen Kreise zog.

Einsam lag ich auf der Heide
Wenn die Sonne untersank,
Und der dürre glüh'nde Boden
Gierig feuchte Nebel trank.

Einsam saß ich oft am Meere,
Dessen alter Klaggesang
Bald wild-zornig, bald süß-traurig,
Bald wie dumpfes Schluchzen klang.

Einsam irrt ich durch die Wälder,
Nur die Eul' am Felsenriff
War mein krächzender Gefährte
Und der Wind, der wimmernd pfiff.

Einsam litt ich – aber tröstend
War die hehre Einsamkeit –
Nicht allein trug ich mein Elend,
Die Natur verstand mein Leid!

Doch allein – so ganz alleine –
Abgrundtief von Euch entfernt,
Fand ich mich in Euren Sälen –
Als ich Euch versteh'n gelernt!

Auf dem Meere

Ausgetobt die wilden Stürme,
Heiter, friedlich glänzt das Meer,
Nichts erinnert an die Kämpfe,
Todesseufzer bang und schwer. —

Eine Kapsel, fest verschlossen
Schaukelt auf dem weißen Schaum
Und der Fischer, sorglos singend
Wirft sie in des Schiffleins Raum.

Ist die Kapsel erst zerbrochen,
Liest er von dem gelben Blatt —
Wie viel Schätze, Glück und Leben
Jüngst das Meer verschlungen hat,

Liest, was eines Menschenkindes
Todgeweihte Hand noch schrieb,
Als der Sturm das Fahrzeug näher —
Näher stets dem Abgrund trieb . . . .

Und so gleichet dieses Büchlein
Jener Kapsel, die zum Strand,
Schon versinkend, hilflos schleudert
Eine todgeweihte Hand. —