Meine Muse
Ich bin kein Dichter, nur ein Späher,
Ich hör', was unterirdisch kocht,
Wie schwielenfäustig der Plebejer
An der Paläste Pforten pocht.
Umirren sah ich auf den Gassen
Das Laster, wenn sonst alles schlief,
Und hörte, wie selbst Gott verlassen,
Das Elend laut nach Hilfe rief.
Da gab es wohl von Anbeginne —
Doch nun, weil's weltverschlingend droht,
Klingt also trüb, was ich ersinne,
Und meine Muse heißt die Not . . .
Abendgang
Will der Tag, des Wachens müde,
Sich zum Schlummer sacht bereiten,
Mag ich volksbelebte Straßen
Still und sinnend gern durchschreiten.
Und mein Herz, das ungestüme,
Schlägt in immer stärkern Schlägen.
Fremdes Glück und fremde Leiden
Wollen wechselnd es bewegen.
Fremdes Leid? Nein, fremd geblieben
Ist mir nur der Freude Reigen,
Jedes Grämen, das ich schaute,
Lebt' ich mit, es ward mein Eigen.
Manches Bild bewegten Lebens
Zeigt sich wandelnd meinen Blicken:
Mir vorüber huscht die Dirne,
Zieht das Troßvolk der Fabriken.
Wagen seh' ich mir vorüber
Eilends zum Theater fliegen —
Seh' manch stillbegnügsam Pärchen
Eng sich aneinander schmiegen.
Mag ja sein, daß Mann wie Mädchen
Schwer im Tagelohne karrte;
Eine Seele wußte Jedes,
Die des Müden sehnlich harrte.
Aber ich — hat mich die Arbeit
Wirr und dumpf und stumpf entlassen —
Keine liebe Rechte weiß ich,
Starken Druckes sie zu fassen.
Also träum' ich, hör die Türme
Laut der Zeiten Flucht verkünden,
An des Abends Lohe seh' ich
Stern nach Sterne sich entzünden,
Und im Tiefsten fragt und sorgt mir
Eine ewig rege Stimme,
Wann für meines Lebens Nächte
Solch' ein dauernd Licht erglimme . . .?
Sonntag
Zum Prater war ich gegangen,
Zur stillsten, fernsten Au;
Zu Füßen ein Blütenprangen,
Zu Häupten des Himmels Blau.
Und als ich heimwärts kehrte,
Da war ich müde genug;
Im Wirtshaus saß ich und leerte
Ein Glas in durstigem Zug.
Ein Garten war da. Drinn' brannten
Die Lichter flackernd zumal;
Behütet von Vettern und Tanten
Saß manches Mädchen im Saal.
Wer naht sich Euch verlangend —
Bewacht ist jeder Tritt.
Ich dacht' an Eine, die bangend
Mit dem Liebsten seitwärts schritt.
Das Leid der Armen, Verderbten,
Erstand mir klagevoll —
Indes der Haß des Enterbten
In meiner Seele quoll.
Meine Nachbarin
Meine Nachbarin ist lange blind
Und hat nicht lang zu leben;
Ihre Tochter trägt ein ledig Kind,
Weiß nicht, wem Schuld zu geben.
Das katzebalgt nun Tag um Tag,
Und schimpft sich um die Wette;
Für Scheltwort, Scheltwort, Schlag für Schlag —
Die reine Bettlermette.
Dazwischen wächst ein junges Blüh’n —
Man möcht' es Sumpfdost heißen: —
Die Wangen rot, die Lippen glüh’n,
Die dunkeln Augen gleißen.
Noch fließt ein Strahl des reinen Lichts
Um ihre helle Stirne —
Noch weiß sie nichts, noch ahnt sie nichts,
Und lacht schon wie die Dirne . . .
Eine Verlorene
Da es Frühling worden,
Kam er mir gegangen,
Gab mir süße Worte,
Gab mir güld'ne Spangen.
Brachte mir Juwelen
Heimlich zugetragen —
Was ich ihm gegeben?
Ach! ich kann's nicht sagen!
Und nun saß ich heute
An des Stromes Fluten,
Auf den Wellen träumte
Fern ein Tagverbluten;
Und am Himmel sah ich
Graue Wolken jagen —
Was in mir erwachte?
Ach! ich kann's nicht sagen!
Burgmusik
Verlaufen Volk in dichten Reih'n,
Ein fernes Hörnergellen —
Und schrill und schriller klirrt darein
Das Rasseln der Tschinellen —
Die Burgmusik! Sie zieht herauf,
Da leeren sich die Stuben;
Dahinter kommt ein wüster Hauf:
Das sind die Kappelbuben.
Das jauchzt und johlt, durchpfeift den Wind,
Gibt seine Lust den Lüften;
Dazwischen geht ein schönes Kind
Und wiegt sich in den Hüften;
Es jubelt mit, schlägt Hand in Hand
Als ob's im Himmel wäre —
Die Seligkeit für ein Gewand,
Für einen Tanz der Ehre!
Wegerich
Eine arme
Wilde Blume
Weiß ich, mir vor Allen wert,
Oft erquickte
Mich ihr Anblick,
Hat mir Leid das Herz beschwert.
Stolz're Schwestern
Hat die Wiese,
Schöner Blühen
Kennt die Au;
Keine trägt sich
So wie diese
Ganz und gar in Silbergrau.
Grau das Blattwerk,
Grau der Stengel,
Grau das Köpfchen, blaubereift,
Es erzittert
Jedem Anhauch,
Der es etwa unsanft streift.
Bücke Dich! Welch feines Duften!
Tief in's Herze sog ich's ein —
Meine arme
Wilde Blume,
Wehe mir, vergäß' ich Dein!
Am Wege
Ich kannte Eine. Wie sie hieß?
Wer nennt das Wort, das mir verklang?
Vergessen ist's. Ich weiß nur dies,
Daß ich sie liebte und umschlang.
Das Lied von der, die mir entschwand,
Singt nun der Nachtwind meinen Ohren —
Am Wege hab' ich sie verloren,
Die sich zu mir am Wege fand . . .
Im Volkston
Ich hab' kein Haus, ich hab' kein Nest,
Ich hab' kein' Hochzeit und kein Fest;
Ich hab' kein' Hof, ich hab' kein' Feld,
Ich hab' kein' Heimat auf der Welt.
Am Himmel selbst der Schauerstrich,
Den fürchten sie nicht so wie mich;
Mir geht's nicht gut, mir geht's nicht schlecht —
Und so, gerade so ist's recht . . .
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