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Winternachtstraum
 

Ein Sehnen
So kam's
Gleichnis
Geschwister-Flammen
Entsühne mich
Die Zeit ist stark
Abend
Wunder der Liebe
Nun laß mich schweigen
Sein Traum
Frage

 
Nachhall
Das Ende
Verklang in Dir
Sie waren schön, Madame
Schluß

 

Ein Sehnen


Die Arme breit' ich aus. Wozu? Wonach?
Nach rechtem Glück? Ich hab' es nie genossen.
Die Türe selbst, durch die ein Lichtstrahl brach
In meines Lebens Nacht, ward jäh geschlossen.

Den jungen Stolz, den sie mir einst verargt,
Ich sah ihn wund zum Tode auf der Bahre,
Mit eignen Händen hab' ich eingesargt
Die dreisten Träume meiner Kinderjahre.

Und allgemach gewann ich teure Ruh' . . .
Nun schreckt mich auf ein heißestes Begehren —
Die Arme breit' ich aus. Wonach? Wozu?
Unselig Herz! wann lernest Du entbehren!

So kam's . . .

Und als ich müde ward: Durch stete Not,
Durch fruchtlos kämpfen müd' und fast verbittert,
Erschienst mir Du, Du spätes Morgenrot,
Das tauend ein vergletschert Herz umwittert;
Und meiner Tage bester ging mir auf,
Da sprach ich Dinge, die ich sonst wohl hehle,
Und legte meiner Sorgen wüsten Hauf
Othello gleich auf Deine Seele . . .

Denkst Du daran? Die Mittagssonne brach
Durchs Blattwerk fremder Palmen und Dracänen,
Indes ich müd von Winternächten sprach,
Von Einsamkeit und Not und wirrem Sehnen.
Ob bei den Bildern, welche ich beschwor,
Nicht fremde Schauer kalt Dich überliefern?
Du Sonnenkind! Dir schlug zuerst an's Ohr
Der Angstschrei aus des Lebens Tiefen . . .

Gewann Dich das? Ich frag und sorge nicht,
Wer weiß, wie Eines sich zum Andern schickte!
Wer forscht, aus welchem Schacht die Quelle bricht,
Die ihn in heißer Wanderzeit erquickte?
Er trinkt und rastet, sieht die klare Flut
Im tiefen Grund auf blanken Kiesen schäumen,
Und möchte ihr zunächst und traumgemut
Des Lebens armen Rest verträumen . . .

Gleichnis

Aus des Glückes
Prunkvoll reichem,
Rings mit tausend
Bildern geschmücktem
Taumelpokale
Tat ich den ersten
Lechzenden Zug.
Und zum ersten Male
Ist nun ein lieber
Traum meines einsamen
Lagers Geselle.
Du gabst mir ihn.
O lass' ihn mir weilen!
Das scheue Seelchen,
Scheuch' es mir nimmer!
Daß Wohlduft und Süße
Mein Tiefstes erfülle,
Daß mir es ergehe
Wie Jenem, den einstmals
Ein mächtiger Traumgott
Nachts seiner Heimat
Klingendem, ewigen
Schaudernden Froste
Südwärts enttrug.
Er sah und staunte:
Sah fremde Blumen,
Sah Quellen schreiten
Durch grünendes Land,
Und horchte verwundert
Hellstimmiger Vögel
Tönendem, süßem
Frühlingsgesang.
Und da er erwachte,
Da blieb ihm in tiefster
Verschwiegenster Seele
Ein heimliches Glück,
Im ewigen Winter
Ein Frühlingserinnern:
An eine Nachtigall
Die ihm geschlagen,
An eine Stunde,
Die er genossen,
An eine Rose,
Deren Duft gespenstig
Und dennoch hold
Des wieder einsamen
Träume durchwebte . . .

Geschwister-Flammen

Ich sage Dir: doch wirst Du kommen,
Nicht freien Willens, nein, Du mußt!
Ein Liebeslicht war erst erglommen
Geheim und stark in meiner Brust.

Wir fanden dann, die mich bezwangen,
Die Gluten Eingang in Dein Herz?
Ein Wehen ging, die Funken sprangen,
Erst glomm's, nun lodert's allerwärts.

Nun glüht uns heilig Flammenweben
Die Seelen schlackenrein und jung:
Und zwei Geschwister-Flammen streben
Nach heißester Vereinigung.

Entsühne mich

Und ist ein Herz vom Wege abgeirrt —
Im Buch der Bücher steht es so geschrieben —
Ein jeder Fehl und jede Sünde wird
Vergeben um ein starkes, volles Lieben.

Und ward ein Mann vom Pfade je gedrängt
Durch Fügung oder eigenes Erkühnen,
Das Weib, das liebend ihn zuerst umfängt,
Im Kusse darf's ihn priesterlich entsühnen.

Du bist die Priesterin, das Heil. Wie lang
Ersehnt' ich Dich, die längst mein Herz verkündigt —
Umfasse mich! Ich bin so müd und schwank . . .
Entsühne mich. Ich habe viel gesündigt . . .

Die Zeit ist stark

Die Zeit ist stark. Sie wird ertöten,
Was fast uns Beide übermannt.
Die Zeit ist stark: Du wirst erröten,
Daß Du, Geliebte, mich gekannt.

Die Zeit ist stark. Du wirst mich senden
Ins Leben, das mich fahl umgraut;
Du stürzest selbst mit eig'nen Händen
Den Tempel, den Du Dir gebaut.

Die Zeit ist stark. Und wenn in Wettern
Der scheue Glückstraum uns zerstiebt,
Dann grüßt Dich aus vergilbten Blättern
Des Mannes Geist, der Dich geliebt.

Und Deine Seele faßt ein Schauer,
Die toter Liebe Flüstern hört —
Die Zeit war stark! Wie kurzer Dauer
War, was uns Beide so verstört!

Abend

Ich sah der Ulmen Wipfel färben
Ein allerhellstes Sonnensterben;

Im Blauen eine Wolke schwimmen
Und tiefgeheimer Glut erglimmen.

Als wollt' es liebend sie umfahen,
Geballtes Grau sah ich ihr nahen;

In Eines Beide dann verrinnen —
Schon steuern sie gesellt von hinnen.

Das war wohl seliges Vereinen —
Hier Glühen, dorten Widerscheinen!

Ach! flösse so in tausend Flammen
Dein hell, mein nächtig Los zusammen!

Wunder der Liebe

War mein liebster Gast die Liebste;
Dämmerspät ist sie gekommen.
Öd und traurig war das Stübchen,
Und sie saß gesenkter Wimpern;
Ich doch flehte und beschwor sie:
"Schlag' sie auf, die Rätselaugen,
Lasse mich die Sterne schauen,
Wie der Nordstern dem Piloten
Ziel und Richte meinem Leben."
Zögernd tat sie's; stilles Leuchten
Floß durch's dunkelnde Gemach.

Da die Liebste aber immer
Ernst im Schweigen noch verharrte,
Bat ich wieder: "Liebe Seele,
Sprich ein Wort, ein einzig Wort!
Nur ein armes Liebeswörtlein,
Daß mein Herze sich erlabe."
"Nimmer tu' ich's, Arger, Holder!"
Kam's zurück und Rosenduften
Floß geheim durch meine Brust.

Endlich hub sie sich, zu gehen;
Ich doch, unersättlich, flehte:
"Wunder viel hast Du gewirkt:
Brachtest Licht der dunkeln Seele,
Lenz dem winteröden Herzen —
Still und bang ist mir zu Mut.
Fände nun Dein Mund den Meinen,
Jedes Trübsal, glaub' mir's, wiche,
Und ich sänge leidbefreit."
Zögernd stand sie nach der Schwelle —
Plötzlich, im Entschweben, wandte
Sie das Köpfchen, ihre Lippen
Rührten flammend an mein Haupt —
Und nun treiben tausend Lieder,
Liebeslieder drin ihr Spiel.

Nun laß mich schweigen . . .

Nun laß mich schweigen; Deine rechte Hand
Mit starkem Drucke lasse sie umspannen,
Schlag' auf die Augen, welche mich gebannt,
Die Zauberkreise, die Dämonen bannen;
Auf meinem Haupt, das Deiner einzig denkt,
Laß ahnen mich den Druck der lieben Linken,
Und was uns je gequält und je bedrängt,
Laß uns verweh'n, verklingen und versinken.

Sieh, Deine Nähe selber macht mich jung;
Da darf ich wohl das alte Märchen glauben
Von jenem Borne, d'raus ein einz'ger Trunk
Das Herz berauscht, wie Feuersaft der Trauben:
Dem Born der Liebe. Ach, auf irrer Fahrt
Sucht' ich darnach und fand ihn doch mitnichten —
Doch wie der ist und welches seine Art,
Ist Dir's genehm, so kann ich's Dir berichten:

Er fließt im Walde, weltfern, laubumhegt,
Und wieder hart vor Deines Hauses Schwelle;
Du ahntest ihn. Ein heißer Wunsch bewegt
Dein Herz, betritt Dein Fuß die heil'ge Stelle,
Die tiefgeheime; denn ihr Zugang ist
Verhohlen, wie des Paradieses Pforte,
Und wer ihn findet, siehe, der vergißt
Das laute Leben und der lauten Worte.

Dem steht die Welt in eitel Sonnenlicht,
Dem flammen seiner Brust geheimste Gründe.
Er schweigt. Aus seinem Tiefsten aber bricht
Ein heißes Stammeln, das sein Glück verkünde.
Durch seine Seele zieht, ein starker Braus,
Der stummen Seligkeiten lauter Reigen . . .
Fand ich die Quelle? Trank ich gar daraus?
Mein Herz ist trunken — Liebste, laß mich schweigen . . .

Sein Traum

Und immer, wenn der Tag die Erde ließ,
Erstand ein Bild den überwachen Sinnen:
Ein trautes Nest. Ihm schien's ein Paradies,
Die Herzgeliebte schaltete darinnen;
Und kam er heim, dann schlang sie Arme weiß
Um den Ersehnten, küßt' ihn stark im Dunkeln.
Er flüsterte: "Was ist Dein Mund so heiß . . ."
Sie gab zurück: "Was Deine Augen funkeln!"

Dann saßen sie beseligt still selband —
Sie liebt', an seine Brust ihr Haupt zu lehnen —
Und sprachen wieder ernsthaft, Hand in Hand,
Von ihren Sorgen und von ihren Plänen.
Und wollte Beiden dann der Rede Fluß
Vorm Überschwange des Empfindens stocken,
Dann fand sein scheuer Mund im raschen Kuß
Der Schwererrung'nen dunkelbraune Locken.

Und dann, wenn unter also holdem Tun
Die Schatten über seine Stirne glitten —
Sie merkt' es, raunte: "Sag, was sinnst Du nun?"
""Wie vieles Leid um Liebe Du gelitten!""
Sie lachte hell: "Du lieber Tor! und mußt
Du immer Dich mit toten Sorgen tragen?"
Ein schweres Seufzen brach aus seiner Brust:
"Mein Glück bedrängt mich! Liebste, hilf mir's tragen?"

Hier schloß sein Traum. Er barg sein schmal Gesicht
In seine müden, arbeitsharten Hände.
Er war allein. Ein fahles Lampenlicht
Erhellte seiner Stube kahle Wände.
Sein Herz, das ungestüme, schlug mit Macht,
Durch seine Glieder lief ein jähes Beben,
Und schleppenrauschend fühlt' er durch die Nacht
Sein graugeaugtes Traumglück sich entschweben . . .

Frage

Und mochte mir ein rauhes Wort entfliegen
Und hätt' ich Dich verletzt, Dir weh getan,
Verzeih. Du weißt, aus meiner Seele stiegen
Nur heiße Wünsche für Dich himmelan.

Du weißt, das Leben war gar hart uns Beiden,
Und hat uns Gram und manche Not gebracht —
So wurdest Du mimosenhaft durch Leiden,
Ich aber wurde rauh und ungeschlacht.

Der Felsenschlucht gleicht mein Herz: Vereiste Zinnen,
Und Nebel, wallend, die kein Strahl durchbrach.
Nur eine bange Blume blüht darinnen;
Sie zittert einsam . . . Lüstet's Dich darnach? . . .

Nachhall

Durch Lieder bist Du mein geworden,
Und wenn sich unser Wandern schied
Beklagt in hallenden Akkorden
Die mir Verlor'ne noch mein Lied.

Mein müdes Herz zur Ruh zu singen,
Beschwör' ich dann die Melodien,
Der Nachtwind nimmt sie auf die Schwingen
Und trägt sie Dir vor's Fenster hin.

Dann fährst Du auf. Es ist ein Staunen
In Deinem Busen miterwacht:
"Was will dies ahnungsvolle Raunen,
Das mir das Wehen zugebracht?

Was sucht es meiner Seele Pforte
So weltentraurig, todesbang?
Die Weise kenn ich' ich, kenn' die Worte,
Wer nennt mir Jenen, der sie sang?"

Das Ende

Nur glaube nicht, daß selbst in Jahren
Mein Angedenken Dir verfliegt —
Hat jedes Leid, das Du erfahren,
Ein reiches Glück in Schlaf gewiegt,
Vertrug der Wind die Liebesworte,
Die einst mein Mund für Dich beschwor —
Dann dringt von Deines Hauses Pforte
Ein pochend Mahnen Dir an's Ohr.

Du öffnest. Und Dir naht mit Bangen
Ein Bettlerkind und sieht Dich an.
Du starrst. Dann küßt Du seine Wangen,
Wie Du's mit Meinen einst getan.
So ungewohnt ist dem dies Kosen,
Sein Auge sinnt: Wie ward mir dies?
"Du trägst den Blick des Friedelosen,
Den einst mein Wort in's Elend wies" . . .

Verklang in Dir . . .

Verklang in Dir das Lied der Geigen,
Die Dir zum Leben aufgespielt;
Vertollte Dir der laute Reigen,
Der Deine Stimme aufgewühlt,
Und blieb von dem, was Du besessen
Von aller Liebe, jedem Glück
Nur leiseschleiernd ein Vergessen
Und stiller Vorwurf Dir zurück —

Dann komm! dann zieh mit raschen Schritten
Die lange schon gemied'ne Bahn
Zu jenem Mann, der viel gelitten,
Dem Du das ärgste Weh getan;
Vergiß bei ihm, was arg und quälend
Vom Leben Dir bereitet ward;
Dein Kummer sei, es sei sein Elend,
Ein still und traurig Paar gepaart.

Und lehne, wie zu bessern Tagen,
An seine Brust Dein schönes Haupt,
Und sprich vom Leid, das Du getragen,
Von Deinen Träumen, Frost entlaubt;
Von Früchte leeren Herbsteszweigen,
Von einem Blühen, Reif verdorrt —
Verklang in Dir das Lied der Geigen,
Erklingt Dir hier ein Liebeswort . . .

Sie waren schön, Madame!

Sie waren schön, Madame! Ihr weißer Schleier wallte,
Auf Ihrer stolzen Stirn saß keine Falte,
Ich ahnt' es, wie Ihr Herz in Freuden schwoll;
Sie waren schön, Madame! In Ihren feuchten
Dämonen-Augen war ein stilles Leuchten
Von schwerverhalt'nem Jubel voll.

Sie waren schön, Madame! Dem fremden Mann zur Seiten
Sah ich Sie sittsam zum Altare schreiten,
Beim starken Gott! Sie waren hold zu seh'n!
So reich war Ihr Gewand und Ihr Geschmeide —
Und ich erkannte so, was teuer Eide,
Sind sie gebrochen erst, im Preise steh'n!

Schluß

Wird einst der Kummer Dein Geselle,
Und bist Du einsam und allein —
Dann komm! Du kennst die alte Schwelle,
Ein müder Träumer harret Dein.

Der wird nicht sorgen und nicht fragen,
Was leidenvoll Dein Herz durchbraust,
Nicht welcher Sturm Dich hergetragen,
Du liebes Vöglein, windgezaust.

Vergiß, was Arges Dir begegnet,
Da Du die Welt durchmessen hast,
Du fandest heimwärts? Sei gesegnet!
Die Schwingen schmerzen? Halte Rast!