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Buch 2
 

Gesang des Vogels über den Wald
Nah und fern
Liebe
Stumme Liebe
Verschlossene Liebe
Zweite Liebe
Heitere Liebe
Liebesqual
Moderne Liebe
Die Nachtigall
Gefangen
In ihrem Zimmer
Lebe wohl
Fiametta
Auf dem Maskenballe
Mein Stern
Einer Freundin mit Liedern
An eine Spröde
An Rachel
An die Nachahmer
An die Tendenz-Dichter
An eine Amazone
An eine Freundin
An eine junge Künstlerin
Mit einem Stammbuche
Mann und Vogel
An die Kunstgenossen

Gesang des Vogels über den Wald


Durch die blaue Luft
Über Grab und Kluft
Und der Menschen ängstlich Bewegen,
Mit dem Flügelschlag
Aus der Nacht zum Tag
Flieg' ich froh der Sonne entgegen.

    Schwebe hin und her
In dem blauen Meer
Mir zu kühlen die glühenden Schwingen,
Und am Berg, im Tal
Und am Wasserfall
Laß ich lustig mein Liedlein erklingen.

    Wo die Wolke saus't,
Wo der Waldstrom braust,
Kann ich auf, kann ich niederschweben
So mit einem Mal
Aus der Höh' ins Tal,
Was ist das ein herrliches Leben!

    Wie ist mir so wohl!
Wie so liebevoll,
Wenn die Tannen recht ferne mir winken.
Ach! und welche Lust
Für die Glut der Brust
Den unendlichen Segen zu trinken.

    Ihr, die da unter mir
Ihr zerquält euch schier
Und meinet, jetzt habt ihr's gewonnen,
Doch mein freier Schall
Und mein friedlich Tal
Das sind mir wohl bessere Wonnen.

    Durch die freie Luft
Über Grab und Kluft
Über euer ängstlich Bewegen,
Mit dem Flügelschlag
Aus der Nacht zum Tag
Flieg' ich froh der Sonne entgegen.

Nah und fern

Rote Lippen, rote Rosen
Hat die Sehnsucht aufgeschwellt,
Meinen Kummer all verkosen
Könnt' ich in der Purpurwelt.

    Blaue Augen, blaue Sterne
Ziehen all mein Sehnen hin,
Ewig schau' ich in die Ferne,
Wo die lieben Lichter glüh'n.

    Rose winket in der Nähe,
Ferne winkt der Sterne Schein,
Aber weil ich beide sehe,
Wird nicht Stern nicht Rose mein.

Liebe

Die Blumen blühen
All' frisch und grün,
Doch Stürme ziehen
Darüber hin.

    Was blüht auf Erden
Fällt wieder ab,
Die Lieb' alleine
Blüht über's Grab.

    Sie keimt und treibt nur
In reiner Luft,
Doch noch im Welken
Ist sie voll Duft.

Stumme Liebe

Ich sah die Hand so weiß und zart,
So blühend und so voll,
Die Lilie von so seltner Art,
Die mir entgegen schwoll.

    Zu sagen mir, was sie empfand,
Sie hat es nicht gewagt,
Doch sagte mir ein Druck der Hand,
Was keine Lippe sagt.

    Ich sah des Auges Paradies
Mit seinem Morgenschein,
Ihr Aug' so warm und doch so süß
Schloß allen Himmel ein.

    Zu sagen mir von meinem Glück,
Sie hat es nicht gewagt,
Doch sagte mir des Auges Blick,
Was keine Lippe sagt.

    Ich sah der Lippen Purpurpracht,
Sah bei des Frühlings Weh'n
Von Lust und Sehnsucht angefacht
Zwei junge Rosen steh'n.

    Was sie gefühlt, zu sagen mir,
Sie hat es nicht gewagt,
Doch sagte stumm die Lippe mir,
Was sie nie laut gesagt.

Verschlossene Liebe

Du willst mir nicht bekennen,
Was, Kind, dein Herz empfand,
Und deine Lippen brennen,
Und fiebrisch bebt die Hand.

    Umsonst ist all dein Streben,
Umsonst ist all dein Müh'n,
Woher denn dieses Beben?
Woher denn dieses Glüh'n?

    So wie du pflegst, du Liebe,
Ist auch der Blume Brauch,
Das volle Knöspchen bliebe
So gern verschlossen auch.

    Und manches Bienlein flieget
Umsonst an ihr vorbei,
Das schöne Köpfchen wieget
Die Stolze froh und frei.

    Es schaut der Mond herunter
Mit manchem bleichen Strahl,
Sie merkt's nicht und bleibt munter
Beim Lied der Nachtigall.

    Da glüht über ihr der Morgen
Und ach! — das Knöspchen bricht;
Das Blüh'n bleibt nicht verborgen
Und auch das Lieben nicht.

Zweite Liebe

Ein Mal im Jahre blüht der Baum
Und in den grünen Ästen
Fliegt ab und auf ein munt'rer Schwarm
Von liederlust'gen Gästen.

    Und wenn das Jahr vorüber ist,
Sieht man ihn wieder blühen,
In neuen Zweigen regen sich
Die alten Melodien.

    Man hört zu einer Zeit im Jahr
Die Nachtigallen schlagen,
Von Lieb' und Sehnsucht singen sie
In jenen frohen Tagen.

    Und wenn das Jahr vorüber ist,
So singen sie auf's Neue,
Und wieder klingt das neue Lied
Von alter Lieb und Treue:

    So folgen Beide immerfort
Demselben schönen Triebe,
Und was aus ihnen singt und blüht,
Es ist doch nur die Liebe.

     Und haben's Baum und Nachtigall
Von jeher so getrieben,
Warum soll denn der Mensch allein
Ein einzig Mal nur lieben?

Heitere Liebe
An Serena

Ewig heiter, ewig heiter
Führst du auf der Himmelsleiter,
Gold'ner Träume Zauberin,
Mich durch's ernste Leben hin.

    Und wie durch kristall'ne Wogen
Leicht und freudig fortgezogen,
Weiß durch dich das freie Herz,
Nicht von Kummer, nicht von Schmerz.

    Wie uns Blüten überdecken,
Wenn Zephire sie erwecken,
Überdeckt an deiner Brust
Mich, Serena, ew'ge Lust.

    Ew'ger Mai und ew'ge Wonne,
Gibst du, nie umwölkte Sonne,
Eines wünscht' ich nur dabei, —
Daß es manchmal anders sei.

    Dunkle Stunden, schöne Stunden,
Nacht heilt oft des Tages Wunden,
Reiner tritt des Himmels Blau
Aus der Wolken düstrem Grau.

    Lichtgemälde ohne Schatten
Laß die Lust mit Weh sich gatten,
Weiß ich auch, du liebst mich sehr,
Weiß ich doch, du könntest mehr.

    Willst du, Mädchen, mehr mich lieben,
Mußt du manchmal mich betrüben;
Wie der Frühling Regen gibt,
Gibt auch Tränen, was da liebt.

Liebesqual

Sie quält und martert mich immer,
Wie süß ihr Aug' auch spricht,
Sie kann mit Trotz mich verfolgen —
Nein, nein, sie liebt mich nicht!

    Die lieblichen roten Lippen,
Sie reden nicht wahr zu mir,
Was drängen doch all meine Pulse
Mich immerfort hin zu ihr?

    Es geht mir wie der Mücke,
Die selbst in's Verderben rennt,
Sie fliegt so lange zum Lichte,
Bis zuletzt sie im Licht sich verbrennt.

    So bin ich denn deine Mücke,
Du bist mein liebes Licht;
Ich kann von dir nicht lassen,
Und dennoch liebst du mich nicht.

Moderne Liebe

Du sagst, du liebst mich nicht, mein Kind,
Das hat nichts zu bedeuten,
Die Liebe in der Ehe, Schatz!
Ist ein Produkt der Zeiten.

    Ich bin bei dir, du bist bei mir,
Da sind wir denn beisammen,
Und glimmt ein Brand auch noch so schwach,
Gibt's doch zuweilen Flammen.

    Wir fahren nur zusammen aus,
Wir essen an einem Tische
Zusammen Sonntags Braten, und
Zusammen Freitags Fische.

    Du stickst, ich schlafe neben dir,
Und ist mein Schlaf vorüber,
Rauch' ich ein Pfeifchen und du schläfst,
Da geht doch nichts darüber.

    Und in Gesellschaft sind wir stets
Zusammen alle Beide,
Du sprichst mit dem, ich sprech' mit der,
So hat ein Jedes Freude.

    Und haben's zwanzig Jahre wir
Zusammen so getrieben,
So werden wir zuletzt uns noch
Gewiß recht herzlich lieben.

Die Nachtigall
Im Freien

Am Abend unterm Weidenbaum
Sitzt sie in kühler Ruh,
Da hauch' ich durch den kühlen Raum
Ihr all mein Wünschen zu.

    Und mit den blauen Äuglein schielt
Sie manchmal nach mir hin,
Das liebe, liebe Zauberbild,
Die süße Träumerin.

    Und ewig, ewig preis' ich sie
Und meiner Freiheit Lust,
Denn wie ertrüg' ich ohne die
Die Sehnsucht in der Brust.

    Ich stiege her, ich stiege hin,
Frei in der freien Welt,
Und sing' von meiner Königin,
Wie's eben mir gefällt.

Gefangen

Dies Verlangen, dies Verlangen,
In dem lust'gen Wald zu sein,
Und gefangen, und gefangen,
Welche namenlose Pein!

    Draußen singen sie die Lieder
Von dem ausgeträumten Traum,
Niemals, niemals sing' ich wieder
Auf dem grünen Weidenbaum.

    Mond! was kommst du aufgegangen,
Du beleuchtest meine Not,
Ach, gefangen! ach, gefangen!
War' ich doch nur lieber tot!

In ihrem Zimmer

Kannst du's sagen, kannst du's tragen
Immerfort mit ihr allein,
Teilen darfst du ihre Schmerzen,
Ihren Atem saugst du ein.

    Eng' Gewebe, liebe Stäbe,
Haltet ewig mich in Haft,
Arme, leere, kalte Freiheit,
Selige Gefangenschaft!

Lebe wohl

Näher kommt die dunkle Stunde
Die von dir mich grausam trennt,
Scheiden willst du, wie die Wunde
Blutend durch die Seele brennt.

    Nach dem Lande wirst du ziehen
Wo die fremden Lüfte weh'n,
Wo die fremden Blumen blühen,
Doch dein Bild wird vor mir steh'n.

    Nur gedenk' der festen Bande,
Die du einst um mich gelegt,
Und daß dir im Heimatlande
Warm ein Herz entgegen schlägt.

    Ziehe hin, und alle Freuden
Allen Segen nimm mit dir;
Leben ist doch nur ein Scheiden,
Und so scheiden denn auch wir!

Fiametta

Frühlingsträume, Sonnenstrahlen
Geh'n am frühen Morgen aus
Und mit bunten Farben malen
Sie des Kummers finst'res Haus.

    Mondenschimmer, Wehmutstränen
Sind das Eigentum der Nacht,
Und ein unaussprechlich Sehnen
Ist mit ihnen aufgewacht.

    Wenn der Mond heraufgegangen,
Stirbt der Sonne lichter Strahl,
Wie die Rosen meiner Wangen
Sterben von dem Hauch der Qual.

Auf dem Maskenballe

Ach, ich fühl's im tiefsten Herzen
Große Lust schafft größ're Schmerzen.
Dieses Flüstern, dieses Schwirren,
Dieses Finden, dies Verirren,
Dieses Rufen, Necken, Zischen
Und Musik und Tanz dazwischen.

    All das Heben, all das Neigen,
All die Lichter und der Reigen,
Dieses wonnlebend'ge Toben,
Und vom dünnsten Flor umwoben,
All die üppigen Gestalten,
Nein! es ist nicht auszuhalten!

    Wie ich unter Blumenbeeten
Ging, die Lebens-Atem wehten,
Wo die Nelken, wo die Rosen
Mit des Wand'rers Blicken kosen,
Muß ich hier der schönsten Frauen
Schön'ren Blumen-Frühling schauen.

    Der Französin niedlich Schweben
Und ein deutsches Kind daneben,
Dort der Britin Siegesblicke
Hier Italiens Feuerglücke —
Wenn sie alle Pfeile senden,
Wohin soll das Herz ich wenden?

    Diese dunklen Haargeflechte —
Ach! es sind nur dunkle Mächte
Die das bebende Verlangen
In den seid'nen Netzen fangen.
Flieh ich — in den Perlenschnüren
Muß ich wieder mich verlieren.

    Mich umlispelts süß und leise,
Starr, in diesem Zauberkreise
Seh' ich nun zwei Sterne scheinen,
Schon versteh' ich was sie meinen,
Aber dort in jener Ferne
Seh' ich zwei noch schön're Sterne.

    Und es winkt hier meinem Blicke
Voller Lippen Purpurbrücke,
Und dort winkt, von gold'nen Spangen
Eines Armes Schnee umfangen,
Aber wie ich hin mich sehne
Tauchen Nacken auf wie Schwäne.

    Vor dem Auge schwimmen dunkel
Purpurglanz und Sterngefunkel,
Und die müden Blicke fallen
Nun auf jenes Busens Wallen,
Und ich fühl's, im tiefsten Herzen
Große Lust schafft größ're Schmerzen.

Mein Stern

Als der Locken dunkle Pracht
Ich sah niederhangen,
War mein Stern aus tiefer Nacht
Glühend aufgegangen.

    Alles Glanzes Glut und Licht
Nahe so wie ferne,
Alle Sterne gleichen nicht
Diesem Zaubersterne.

    Stern der Liebe, Stern der Lust,
Deinen Himmelsstrahlen
Weichen aus der kranken Brust
Alle Erdenqualen.

    Stern so warm und doch so hell
Rein und so lebendig,
Alles Segens Feuerquell
Leuchte mir beständig.

Einer Freundin mit Liedern

Beim ew'gen Wechsel, dem die Zeit ergeben,
Sucht Jeder gern, wie er sein Liebstes wahre;
Daß nicht des Südens Frucht den Nord erfahre
Umhüllt der Gärtner ihr vergänglich Leben.

    Nur in der Frauen wärmeren Gemüte,
In diesem stillen, treuen Heiligtume
Entfaltet sich des Liedes zarte Blume,
Und blühet fort, wie rauh die Welt auch wüte.

    D'rum mußt du, liebe Freundin, mir erlauben
Daß ich mein Lied in deine Hände lege —
Nur übergeben so viel milder Pflege,
Darf ich — vielleicht — an seine Dauer glauben.

An eine Spröde

Du Mädchen, mit dem Blick des Hohnes
In dem Madonnen Angesicht,
Was spottest du des Göttersohnes,
Noch kennst du seine Pfeile nicht.

    Ob auch dein Auge zürnend blitze
Wenn er dein Herz zum Ziel sich wählt,
Den Bogen spannt der kleine Schütze
Und niemals hat er je gefehlt.

    Dich sucht er hinter Schloß und Riegeln,
Und suchtest du den Knaben nie,
Er wird dich einmal überflügeln,
Du wirst nicht wissen wann und wie.

An Rachel

Ich sah dich, und ich sehe dich noch immer,
Umglänzt vom Kunststrahl und vom Bühnenschimmer,
Beim milden Wort im Auge Zornesgluten
Und Hände, die bei innern Stürmen ruhten —
In strengstem Einklang wieder Wort und Züge,
Was war da Wahrheit und was war da Lüge!

    Bist du gefesselt wirklich von den Banden,
Die schon so lang' dein Vaterland umwanden,
Der Übertreibung hohlem Prunkgepränge,
Der Täuschung, die gefallen will der Menge?
Vertraue deiner Göttergabe Walten,
Zertrümmre sie, du hast die Macht erhalten.

    Sind's Ketten, die nur scheinbar dich umschnüren,
Willst langsam nur dein Volk du vorwärts führen,
Und Augen, die der Wahrheit Sonne scheuten,
Allmählig nur zum Sehen vorbereiten?
Verweil' zu lang' nicht an des Tempels Stufen,
Du bist zum hohen Priesteramt berufen.

An die Nachahmer

Gott schickt die Meister auf die Welt
Gleich seiner Macht Gesandten,
Doch jedem Manne folgt ein Heer
Entsetzlicher Trabanten.

    Die treiben, was der Meister treibt,
Nur all' etwas verkehrter,
Sind zehnmal fleißiger als er,
Und manchmal auch gelehrter.

    Und wie ein Lied der Meister singt
Zu seiner Sendung Preise,
Gleich singen hundert hinterher
In seiner Art und Weise.

    Singt, wie ihr es vermögt, nicht wie
Es Andere vermögen,
Es bringt der Andern Meisterschaft
Nicht eurer Ohnmacht Segen.

    Nun aber bringt dem Freiligrath
Die Wüste Huldigungen —
Die Schmerzen der verletzten Brust
Hat Lenau ausgesungen.

    Und wie ihr merkt, das Ding gefällt,
Und kann auch Achtung bringen,
Gleich wollt ihr à la Freiligrath
Und à la Lenau singen.

    Und weint, wie euer armes Herz
So viele Qual getroffen,
Und galoppiert auf dem Kamel
Durch schülerhafte Strophen.

    Es hat der Sperling seinen Ton,
Die Nachtigall den ihren,
Wenn Sperling wie der Sperling schreit,
So wird es nicht genieren.

    Doch wird der Vogel toll und singt
Nach Art der Nachtigallen,
So macht des frechen Stümpers Ton
Uns namenlose Qualen.

    Glaubt ihr denn schon einmal, ihr könnt
Nicht ohne Singen leben,
So singt, wie die Natur dazu
Die Stimme euch gegeben.

    Und ward die Kraft euch nicht, daß sie
So was Besond'res schaffe,
Denkt: mehr ist doch ein halber Mensch
Wert, als ein ganzer Affe.

An die Tendenz-Dichter

Ihr sprecht beständig von dem Adel
Der Kunst und ihrer Götterkraft,
Und dennoch trifft sie euer Tadel,
Wenn sie nicht nach Tendenzen schafft.

    Es soll die freie Kunst euch nützen,
Den Vorteil, den ihr braucht, verleih'n,
Soll eure Zwecke unterstützen,
Der Herr soll euer Diener sein.

    Bald soll sie Throne untergraben,
Bald eure Hütten auferbau'n,
Jetzt wollt ihr sie als Lehrer haben
Und jetzt als Sittenrichter schau'n.

    Soll euch denn Alles Nutzen bringen,
Wie wir von Feld und Stall ihn zieh'n,
Was soll der Vogel mehr, als singen,
Was soll die Blume mehr, als blüh'n?

    Fragt ihr die schimmernde Libelle,
Wenn sie sich an die Blüten legt,
Ob ihrer Flügel Farbenhelle
Euch praktisch einen Nutzen trägt?

    Fragt ihr bei süßer Töne Schallen,
Das tief euch in die Seele drang,
Wenn euch vom Auge Tränen fallen:
Welch einen Nutzen bringt der Klang?

    Wenn euch des Lebens trübe Sorgen
Die Phantasie vergessen macht,
Und euch ein ewig klarer Morgen
Beseligend entgegen lacht.

    Wenn euch der Künste Zaubersonne,
Wie sie zu euch herunter blickt,
Mit einer innigeren Wonne,
Als eure irdische beglückt.

    Wenn, was umsonst ihr sucht im Leben,
Die Frucht, die nie die Erde trug,
Das Reich der Täuschung euch gegeben,
Ist euch der Nutzen nicht genug?

An eine Amazone

Was willst du, Mädchen, mit dem Kleid von Eisen,
Das kriegerisch den schlanken Leib umschließt?
Des Busens Strenge willst du uns beweisen,
Indes dein Aug' so mild und warm uns grüßt.
Soll Mannes Ernst man an der Jungfrau preisen,
Ist der zu preisen, der gefühllos ist?
Dein schwarzes Haar mit seinen seidenen Ringen,
Das Leben soll's und nicht den Tod uns bringen.

    Schon ist der Mond am Himmel aufgegangen
Mit seinem blassen lustdurchwebten Schein,
Des jungen Herzens wallendes Verlangen
Schließt er geheim mit seinen Strahlen ein.
Auf deinen lieben, sehnsuchtsbleichen Wangen,
Bebt wie das Morgenrot der Abendschein,
Dich führt der Fackelbrand dem Feind entgegen,
Der süße Strahl führt dich zu süßern Wegen.

    Dies Rasenbeet, mit himmlischem Entzücken
Hüllt es dich ein in seinen weichen Schoß.
Was läßt du, Schwan, vom Panzerhemd dich drücken,
Der kleinen Hand, ihr ist ein Schwert zu groß.
Schickt sich des Kriegers Trotz zu Engelsblicken,
Meinst du, es sei nur Kampf und Sieg dein Los?
O glaube mir, es hat in schönen Stunden,
Den Sieger jede Siegerin gefunden.

An eine Freundin

Bleib als Mädchen, wie die duft'ge Blume,
Die, so schön und liebevoll sie glühet,
Still doch stets und stets bescheiden blühet,
Klar in ihrer Unschuld Heiligtume.

    Werd' als Weib, wozu das Weib erkoren,
Führerin im wilden, düstern Leben,
Die, ein Engel, Frieden kommt zu geben,
Den der Mann im Sturm der Zeit verloren.

    Wie auch immer dir die Welt sich zeige,
Bleib nur treu dem wärmeren Gefühle,
Frei von des Verstandes kaltem Spiele,
Glaube, hoffe, liebe, dulde, schweige.

An eine junge Künstlerin

Freigebig ist der Beifall oft mit Kränzen,
Die Menge hält oft Irrlichtschein für Klarheit,
Laß Andere durch bunte Flitter glänzen,
Du glänze stets nur durch Natur und Wahrheit.

    Wie deiner Schönheit Himmelsleuchter strahle
Auch deine Kunst in ungeschmücktem Glühen,
So wirst du gleich dem griech'schen Ideale
Die Herzen und die Geister an dich ziehen.

Mit einem Stammbuche

Nimm dieses Buch, vom Freunde dir gegeben,
Und blickst du's an, so lasse jene Zeit,
In der er's gab, an dir vorüberschweben
Mit Allem, was dich je in ihr erfreut.
Noch einmal wiederhole sich dein Leben
Im Denkmal der Erinnerung geweiht,
Wie Blume, Band, die kleinsten Kleinigkeiten
Uns viel in der Erinnerung bedeuten.

    Zwar ist dem Stammbuch die Verstellung eigen,
Ein Jeder zeigt sich nur in Maske hier,
Der Eine braucht's, um seinen Witz zu zeigen,
Der And're stirbt für Seelengröße schier;
Sie sagen nichts und wollen mehr verschweigen,
An sich nur denkend reden sie von dir.
Ein solches Buch ist, wie man wohl darf meinen,
Dem Diademe gleich von falschen Steinen.

    Und dennoch weih' ich dir's aus ganzer Seele,
Von der Verstellung immer ferne blieb,
Ob Pracht und Glanz auch dem Geschenke fehle,
Behalt's um den, der dir's gegeben, lieb;
Und gehst du seine Blätter durch, so wähle
Auch manchmal das, wo er den Namen schrieb,
Und denke heimlich dir bei dem Durchlesen:
Er ist doch mehr, als Manche, mir gewesen.

Mann und Vogel
An Belinden

Noch lieb' ich dich,
Drum hüte mich.
Dem Vöglein gleich, das einmal fort,
Kehrt selten an denselben Ort,
Ist auch des Mannes Sinn bestellt,
Sucht stets, ob im Käficht kein Stänglein fehlt.

    Und fehlt grad' keins,
So bricht er eins.
Drum schau' nur täglich fleißig nach,
Ob keines von den Stänglein brach!
Hat sich einmal der Kopf befreit,
Der Leib schlüpft ihm nach schier zur selben Zeit.

An die Kunstgenossen

Ausgehalten! ausgehalten!
Kämpft sie nieder die Gewalten,
Die euch feindlich rings umflechten,
Nicht ein Haarbreit weicht vom Rechten!

    Laßt euch nicht den Sinn verrücken,
Ob sie höhnen, Beifall nicken,
Narren-Tadeln, Narren-Loben
Hat kein Sandkorn noch verschoben.

    Guter Will' zeugt gute Taten,
Ob sie manchmal nicht geraten,
Auf dem Wege straucheln Alle;
Hütet euch nur vor dem Falle.

    Ohne Wanken, ohne Zagen,
Was wir können, laßt uns wagen,
Nimmer in die Nacht versenken,
Was wir wollen, was wir denken.

    Frei am Tage sei's begonnen,
Ausgeführt sei's vor der Sonnen,
Laßt uns sein das, was wir scheinen,
Handeln so, wie wir es meinen.

    Ob die Toren zweifeln, dräuen,
Achsel zucken oder schreien,
Fort! zum Ziel hin unverdrossen,
Wack're, mut'ge Kunstgenossen.

    Fort nur, fort! es wird gelingen,
Und ihr müßt den Kranz erringen,
Wird er euch auch nicht am Tage,
Hängt er Nachts am Sarkophage.