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Buch 3/1
 

Lob und Tadel
Traum und Wirklichkeit
Im Leiden
Lebenslauf
Am Grabe
Die Antonsbrücke im Helenental
Der Husarentempel in der Briel
Zweien Gatten
An Friedrich Baron de la Motte Fouqué
Rechte Weise
Meine Welt
Das verlassene Mädchen
Mein Tal
Tirolerlied
Schlachtlied
Posthornlied
Cajus Mutius Scävola
Dichter und Richter
Das schönste Auge
Ritter Unverstand
Vom jungen Bauer
Der Rezensent
Lebensphilosoph
Der Esel vor Gericht

Lob und Tadel


Kein Werk war noch so glanzumflossen,
Das nicht ein Tadler frech geschändet,
Kein Werk so schlecht, dem die Genossen
Nicht lauten Beifall zugewendet.

    Ein arges, doch kein schädlich Treiben;
Denn wo war je Erfolg zu finden,
Das Werk, wie's ward, so mußt es bleiben,
Das Wort verhallte in den Winden.

    Wie Lorbeer auch und Tadler tollten,
Sie haben, weil verkehrt sie waren,
Wo ihre Macht sie zeigen wollten,
Nur ihrer Ohnmacht Schmach erfahren.

    Ein Wollen war's, in Nichts zerstoben,
Bestand durch Beifall je das Schlechte,
Und hat der Spott, der Rache Toben
Vernichten können je das Echte?

    Dies ist der Fluch vom schlechten Werke,
Daß nicht ihm Unterstützung nützet,
Dies ist des guten Werkes Stärke,
Daß es sich selber unterstützet.

Traum und Wirklichkeit

Zwei Länder winken uns in ihre Grenzen,
Der Träume Land und das der Gegenwart,
Die Güter, welche in dem einen glänzen,
Sie sind uns in dem andern nicht bewahrt;
Und ob der Gaben, die sie beide spenden,
Fehlt uns der Mut, sich einem zuzuwenden.

    Des einen zauberreiche Fluren geben,
Was üppig sich die Fantasie erfand,
Die Liebe blüht, die Freiheit und das Leben,
Von nichts getrübt in jenem Segensland.
Doch nur die Blüte lächelt unsern Blicken,
Nie wird die Frucht den Durstenden erquicken.

    Schwingst du dich auf in jene lichten Räume,
Entflieht dein reines Glück nicht mit dem Jahr,
Dich grüßen freundlich junge Morgenträume,
Dir wird des Lebens Schattenseite klar.
Und wie sich alle Bilder dir verklären,
Lernst du der Gegenwart Genuß entbehren.

    Im andern Lande aber wirst du schauen,
Was blendend reißet und dem Sinn gefällt,
Es prangt die Frucht gereift in jenen Auen,
Dem Erdenpilger labend hingestellt,
Des Erdenglückes Füllhorn steht dir offen,
Du darfst genießen, doch nicht Beß'res hoffen.

    Nicht nach ersehnten Gütern darfst du ringen,
Mußt ruhig stehen in dem Sturm der Zeit,
Mit mächt'ger Hand den Augenblick bezwingen,
Die Gabe nehmen, die sich dar dir beut.
Im Ringen nach den bessern Idealen
Erduldest du nur der Entbehrung Qualen.

    Doch Viele bleiben auf dem Wege stehen,
Der enggezog'ne scheidet Land von Land,
Und wie die Blicke in die Ferne sehen,
Ist für die Gegenwart der Wunsch entbrannt,
Sie wollen doppelten Gewinn vereinen,
Sie wählen beiden, und erhalten keinen.

    Wenn du willst nach der Erde Gütern streben
Genieße sie, doch wünsche beß're nie —
Verwirfst du sie, so magst du dich erheben
In's reiche Zauberland der Fantasie.
Allein, wie seine Blüten dich umwallen,
Ist dir der Rückkehr Scheidewand gefallen.

Im Leiden

Wenn dich im Leben hat die Qual getroffen,
Bekämpfe sie mit deines Glaubens Macht.
Dich läßt die Ahnung künft'ge Freuden hoffen,
Wie du den Morgen ahnest in der Nacht.
Dir steh'n der Zukunft Mutterarme offen,
Wenn in der Brust der Glaube dir erwacht,
Er trägt vom Lande, wo die Stürme wüten,
Hinüber dich in's Land der ew'gen Blüten.

    Es bricht der Eiche Kraft der Sturm zusammen,
Wenn sie zu stolz zum Himmel hat gestrebt,
Der Phönix stürzt sich selber in die Flammen,
Und sterben muß er, der zu lang gelebt;
Der Glaube nur, mag dich dein Los verdammen,
Ist's der dich ewig ungebeugt erhebt.
Mit ihm allein hast du die Qual beschworen
Und nur mit ihm geht dir die Kraft verloren.

    Wenn sich der Herr im Menschen will verklären,
Drückt er die Dornenkrone ihm auf's Haupt;
Er läßt im Schmerz das Weib den Sohn gebären,
Und schmückt mit Dornen, die an ihn geglaubt.
Doch seine Dornen bringt er dann zu Ehren,
Die höh'r als wenn der Lorbeer dich umlaubt.
Wenn lang der Frost zu Boden den geschlagen,
Dann werden deine Dornen Früchte tragen.

Lebenslauf

Der Mensch tritt weinend in's Leben ein,
Doch er fühlt bald sich selig auf Erden,
Denn ihm übergüldet der Morgenschein
Die düsteren Müh'n und Beschwerden;
Er sucht das Glück in der bunten Welt,
Wo so viele Blumen sich zeigen,
Wie ihm sie der rosige Strahl erhellt,
So meint er auch wär' sie sein eigen.

    Bald nahet der Mittag und er blickt
Nicht mehr in's Leben so munter,
Hoch von dem stammenden Himmel schickt
Die Sonne die Gluten herunter.
Da denkt er nicht was er am Morgen geseh'n,
Er sieht nur des Abends Gefahren,
Die Blumen läßt er am Wege steh'n,
Er will sich die Früchte bewahren.

    Es kommt der Abend, die Sonne sinkt,
Die golden den Morgen bemalen,
Doch schwinden, wie mild sie herunter blinkt,
Auch des Mittags brennende Strahlen;
Das Leben schaut er mit hellem Blick,
Den keine Gebilde umtrüben,
Doch seufzt er, denkt er an den Morgen zurück,
Ach! wär' mir die Täuschung geblieben.

    Und schnell wie er kam, geht der Abend hin,
Da sieht er sich's düster gestalten,
Er sieht mit ruhigem klaren Sinn
Die glühenden Farben erkalten.
Ihm sagen die ewigen Sterne der Nacht:
"Du bist vor den Qualen geborgen" —
Er legt sich zur Ruhe, und wie er erwacht,
Glüht wieder am Himmel der Morgen.

Am Grabe der Frau Gräfin
Maria Theresia Czernin Chudenitz

Es gönnte manche duft'ge Blüte
Der Himmel lang und gerne dir:
Erhabner Herrscher Freundesgüte
Beglückter Ehe gold'ne Zier.

    Nun sind die Kränze hingeschwunden,
Die Erdenhoheit dir verlieh;
Doch and're hast du dir gewunden,
Die altern und die welken nie.

    Sie werden deinen Sarg umragen,
Wie Immortellen, ewig grün,
Sie machen in den fernsten Tagen
Noch viele Herzen tief erglüh'n.

    Du wußtest schön ein reich Empfinden
Zu hüllen in ein einfach Kleid,
Den Ernst der Würde zu verbinden
Mit anspruchloser Freundlichkeit.

    Du machtest Tränen nie vergießen,
Sie trocknend bis der Gram entwich,
Die einz'gen, die durch dich jetzt stießen,
Sie fließen leider! auch um dich!

Die Antonsbrücke im Helenental

Es steh'n zwei graue Felsen,
Die schließen ein Bächlein ein,
Zwei Tannen schauen herunter,
Die mir das Herz erfreu'n.

    Es wölbt sich eine Brücke
Leicht über das Bächlein hin,
Das Leben drängt sich an's Ufer,
Ein Leben traulich und grün.

    Hoch oben schwebt ein Geländer
Dort wo die Tannen stehn,
Da hält uns die Sehnsucht gefangen
Die freudige Welt zu sehn.

    Und über's Geländer gebogen
Herunter in's liebe Tal,
Schau' ich all die klaren Wellen
Und höre den süßen Schall.

    Und immer möcht' ich hier bleiben,
Es hebt so frei sich die Brust,
Und immer gehen die Wellen
So voll der seligen Lust.

Der Husarentempel in der Briel

Wie steht er doch so herrlich da
So kräftig aufgebaut,
Die Wolke schaut er schier so nah
Als war' sie seine Braut.

    Sie ziehet ein, sie ziehet aus
In dieser luft'gen Burg,
Durch der Gefall'nen Siegeshaus
Weht frei ihr Atem durch.

    Zwar brach die mut'ge Heldenbrust
Die wütende Gefahr,
Doch trägt des Angedenkens Lust
Dies Monument durch's Jahr.

    Dort schlafen sie — zum Morgensang
Die Lerch' den Wald durchzieht,
Und leis' tönt ferner Wellen Klang
Der Schläfer Abendlied.

    Und schweigend wölbt die Fichte sich
Zum grünen Siegeslohn,
Dem Mann, der keinem Feinde wich,
Dem freien — deutschen Sohn.

Zweien Gatten
am 25sten Vermählungstage; mit einer Blume

So wie vertraut an einem Stiele,
Zwei Blumen bei einander steh'n,
Und glüh'n im gleichen Farbenspiele
Im Frühling und im Herbstes Weh'n.

    So standet ihr auch eng verbunden
Mit gleichem Sinn in Schmerz und Lust,
Und mit des Lebens flücht'gen Stunden
Schwand nicht der Frieden eurer Brust.

    Drum nehmt als eures Lebens Zeichen
Die kleine Doppelblume hin,
Mögt ihr an Glanz und Duft ihr gleichen
Und übertreffen sie am Blüh'n.

An Friedrich Baron de la Motte Fouqué
mit einem Exemplar des Garrik in Bristol,
als Gegengeschenk für seine Dichtungen.


Als ich eben heimgekommen.
Hab ich gerne wahrgenommen
Dein Geschenk, mir zugekommen,
Eine neue, liebe Zier;
Rosen, Nelken, freundlich blühend,
Tulpen, Hyazinthen, glühend,
Spielend durcheinander ziehend
Mit den Farben für und für.

    Und beschau'nd den Blütensegen,
Also wie Vergnügte pflegen,
Sah ich, daß dabei gelegen
Eine Blume solcher Art,
Wie sie in den Garten keimen,
Wo ein unbegriffnes Träumen
Von den grünen Lorbeerbäumen
Sich dem Gärtner offenbart.

    Blüten hast du mir gegeben,
Blüten wünsch ich dir in's Leben,
Deren Farben nie verschweben,
Duftig, voll und beß're noch.
Denke im Vorüberwallen:
Von den schönen Blüten allen,
Ob auch manche abgefallen,
Blieben mir die schönsten doch.

    Weil's zuletzt sich also schicket,
Daß, wer freundliches erblicket,
Ob er nur die Hand ihm drücket,
Dank dem Geber bringet dar,
Send' ich, nicht von Pretiosen,
Aber von dir lieben Rosen,
Nämlich von den dornenlosen,
Im Gedicht ein Exemplar.

Rechte Weise

Dem Freunde ergeben
Mit ehrlichem Sinn,
Und selber das Leben
Um seinen Gewinn!
Und ob er vom Unglück
Erschüttert auch fällt,
Ihn dennoch umschlingen
Im Zürnen der Welt.

    Dem Schurken entgegen
Mit Feder und Hand,
Dem Schurken entgegen
Trotz Orden und Band;
Und wie er auch prunket
Und wie er auch prahlt,
So sei er doch nur mit
Verachtung bezahlt.

    Der Pflichten Gewalten
Besiegeln mit Blut,
Mit dem nur es halten
Was recht und was gut.
Nicht wanken im Kampf mit
Der Torheit der Welt,
So werde von Jedem
Sein Tagwerk bestellt.

Meine Welt

Zwei Arme umspannen mir meine Welt,
Zwei Augen schauen darein,
Wie Viel ist was Alles der Wunsch enthält,
Wie groß, und wie doch so klein.

    Ein Herz nur das redlich mit mir es meint,
Ein treues, holdes Gesicht,
Ein Aug' nur, das mit mir sich freut und weint,
Und mehr begehr' ich ja nicht.

    Hätt' einmal ich nur an die volle Brust
Ein fühlendes Leben gepreßt,
O hätt' ich nur einmal die liebe Lust
Wohl hielt' ich ewig sie fest.

    Dann nehm' sich ein Jeder was ihm gefällt,
Zufrieden will ich wohl sein.
Zwei Arme umspannen mir meine Welt,
Zwei Augen schauen darein.

Das verlassene Mädchen
In Musik gesetzt von Louis Spohr
1784-1859 bekanntester Komponist seiner Zeit

Wie weil' ich so gern wo die Trauer webt,
Die düstere Fichte sich neigt und hebt
Hier unter den nächtlichen Lauben.
Er konnte das liebende Mädchen flieh'n,
Sie gab ihm doch Alles und Alles hin,
Ach! durft' ich dem Treulosen glauben.

    Ein leises Geflüster durchbebt die Luft —
Wer klaget so einsam in Nebelduft,
Den Busen vom Kummer getroffen?
Ich war ihm so ewig, so ewig treu!
Die wonnigen Stunden sie sind vorbei
Was hab' ich im Leben zu hoffen!

    Die Sterne verglimmen in grauer Höh'
Der Mond scheint düster über den See
Nach jenen Hügeln da drüben!
Ihr Glücklichen ruht von des Lebens Schmerz,
Ach! ruhte bei Euch dies gebrochene Herz,
Es durfte auf Erden nicht lieben.

Mein Tal
In Musik gesetzt vom Grafen Moritz Dietrichstein

Im tiefen Tal
Am Wasserfall
Da such' ich mir ein Haus;
Ich kenn' ein Haus dort still und klein,
Es geht der Himmel aus und ein,
Der Himmel ein und aus.

    Im tiefen Tal
Am Wasserfall
Da such' ich mir mein Weib.
Ich kenn' ein Weib dort still und gut,
So warmes, liebes, deutsches Blut
Gesund an Seel' und Leib.

    Im tiefen Tal
Am Wasserfall
Da such' ich mir mein Grab.
Ich kenn' ein Grab dort still und grün,
Die Sterne und die Rosen glüh'n
Und schau'n so gern hinab.

Tirolerlied

Herrlich Tirolerlied!
Sehnsucht und Lust durchglüht,
Frisch, wie der Morgenwind,
Kräftiges Alpenkind.
Ziehst du mit Klang und Scherz
In das bewegte Herz,
Daß deines Ton's Gewalt
Laut darin widerhallt.

    Fern von der Städte Qual
Schallst du vom Berg in's Tal
Einfach im Hirtenkleid
Atmest du Fröhlichkeit.
Heiter durchströmt dein Blut
Harmloser Übermut,
Bergstrom und Wiesenbach
Ahmt dein Geplauder nach.

    Dort, wo die Gemse springt,
Dort, wo das Alphorn klingt,
Dort, wo vom Sturm umweht
Fest seine Hütte steht,
Jauchzt deines Sängers Brust
Liebesgram, Liebeslust
Frei über Berg und Kluft
Aus in die deutsche Luft.

Schlachtlied

Zur Schlacht, zur Schlacht!
Mit Mannes Macht,
Den frechen Feind zu verderben,
Hinaus mit Mut
Durch Blut für Blut,
Die Freiheit uns zu erwerben.

    Wem's nicht die Brust
Durchglüht mit Lust
Sich ein freier Mann zu bewahren,
Geh' knechtisch hin
Mit Sklaven-Sinn,
Des Lebens Schmach zu erfahren.

    Wir werden steh'n
Beim Fahnen-Weh'n
Aufjauchzend lustige Lieder,
Dem Arm vertrau'n
Und siegend schau'n
Auf Feindes Drohen hernieder.

    Zu Lust und Qual
Soll Kraft und Stahl
Uns Brüder freud'voll verbinden,
Der Sprache Band,
Das Vaterland
Mit heil'ger Macht uns umwinden.

    Mit Adlers Glüh'n
Zur Sonne hin
Wird Mut die Schwingen erheben,
Doch eher schein',
Sie auf unser Gebein
Bevor wir als Knechte leben.

    Zur Schlacht, zur Schlacht!
Mit Mannes Macht,
Den frechen Feind zu verderben,
Hinaus mit Mut
Durch Blut für Blut,
Die Freiheit uns zu erwerben.

Posthornlied

Posthornschall - Posthornschall!
Ein unnennbar selig Sehnen
Regst du auf mit deinen Tönen,
Denn es kommt auf ihren Wogen
Die Erinn'rung hergezogen;
Hingeschwund'ne schöne Stunden,
Glück, das einmal wir empfunden,
Ruf'st du auf mit einem Mal,
Sehnsucht tönt dein Zauberhall
Posthornschall!

    Posthornschall — Posthornschall!
Lustbewegte, bunte Menge,
Froher Wanderer Gedränge,
Einsam stilles Felsgeklüfte,
Kühle Wälder, Blumendüfte,
Schnell und leicht, wie Schwalben-Fliegen,
Lust und Glut in raschen Zügen
Rufst du auf mit einem Mal,
Freude tönt dein Zauberhall
Posthornschall!

    Posthornschall — Posthornschall!
Eisbedeckter Berge Höhen,
Grüne Wiesen, blaue Seen,
Breiter Ströme volle Wogen,
Hoher Burgen kühne Bogen,
Herden, die beim Abendglühen
Durch die Täler heimwärts ziehen,
Ruf'st du auf mit einem Mal,
Schönheit tönt dein Zauberhall
Posthornschall!

    Posthornschall — Posthornschall!
Vor den muntern Tönen fliehen
Schwüler Tage Angst und Mühen
Und das Herz, es glaubt so gerne
Dieser Stimme aus der Ferne,
Guter Stunden Frühlingsträume,
Der Erwartung Blütenbäume
Ruf'st du auf mit einem Mal,
Hoffnung tönt dein Zauberhall
Posthornschall!

Cajus Mutius Scävola

Cajus Mutius schlich in Porsenna's Zelt
Des Vaterland's Ruhe zu retten,
Der Stahl hatte, eilend, den König gefehlt
Und die Kraft erlahmte in Ketten.
"Mir büße", spricht der Tyrann, "die Tat
Im Feuer die Hand, die gefrevelt hat.

    Der Mut verglühe ihm mit dem Brand,
Sein Dolch mache Keinen mehr bluten."
Und ruhig streckt Cajus die männliche Hand
In's lichte Gewirre der Gluten.
Wie die Flamme das Mark aus den Röhren leckt,
Ihm ein heiterer Friede die Stirne deckt.

    Mit starrem Blick schaut Porsenna hin,
Sieht den Mut im Auge ihm leben.
"Genug!" ruft er staunend, "dein Heldensinn
Mag frei sich der Fessel erheben."
Doch, lächelnd, spricht Mutius unverwandt:
"Noch hat die Flamme nicht ausgebrannt." —

Dichter und Richter

Ach! was sind doch zu beklagen
In der heut'gen Zeit die Dichter,
Der Genießenden so wenig
Und dabei so viele Richter!

    Und die Richter vielgestaltig,
Die zum Einklang nichts vereinte,
Alle darin eng verbunden,
Daß sie all' der Dichter Feinde.

    Obenan die Rezensenten
Lebend von Verlegers Gnaden,
Welche nach des Brotherrn Willen
Müssen oft dem Dichter schaden.

    Oft, durch Widerspruch zu glänzen,
Oder weil's modern zu finden,
Spotten alles Anerkannten
Und dem Schlechten Kränze winden.

    Dann die Nüchternen, die Kalten
Die nun einmal nicht verstehen,
Wie uns kann in Wallung bringen
Solch ein Ding, das nie geschehen.

    Die dem Dichter nur erlauben
Abzuschreiben die Geschichte
Und als Kinderspiel erkennen
Jede Zutat vom Gedichte.

    Dann die praktischen Naturen,
Deren Ziel ein wenig derber
Als Poeten-Ziel und Streben,
Denen Dichter Zeitverderber;

    Denen süßer als Altäre
Dampfschiff oder Schornstein rauchen,
Die nur Solches brauchen können,
Was in Haus und Hof zu brauchen.

    Dann die schalen Wort-Philister,
Welche mit gelehrten Mienen
Silben messen, Füße zählen,
Ob sie all korrekt erschienen.

    Die mit Schüler-Weisheit zeigen,
Wo der Meister hat gefehlet,
Dort Unkenntnis ihm erweisend,
Wo mit Kenntnis er gewählet.

    Und am Schlusse dann die Dummen,
Die der besten Geistesgaben
Sich bewußt mit stolzer Freude,
Weil sie Geld und Ämter haben.

    "Neuigkeiten!" lacht der Vetter
"Das Gedicht ist eine Blume —
Haben ein's Sie blüh'n gesehen?"
""Ich noch nie!"" lacht d'rauf die Muhme.

    "Und jetzt nennt er's gar ein Feuer,
Das sich aufschwingt von der Erde!"
""Nein, das ist doch gar zu albern
Feuer kenn' ich von dem Herde.""

    "Narrheit!" ruft er, die Gedichte
Werfend in die Fensternische,
Und sie strickt am Strumpfe weiter,
Und er geht zum Aktentische.

    Ach! der guten, armen Dummen
Weit verbreitetes Gelichter,
Alle Richter der Poeten,
Und dabei — die strengsten Richter.

Das schönste Auge

Der Eine lobt vor allen blaue Augen,
Des Himmels Licht meint er daraus zu saugen;
Der And're glaubt, der echte Liebesschein
Er flamme nur vom schwarzen Aug' allein;
Ein Dritter lobt des braunen Auges Licht,
Das wie ein Strahl durch flücht'ge Nebel bricht,
Von allen Augenfarben in der Welt
Zumeist die grüne Farbe mir gefällt.

    Was treibt uns denn, wenn sich die Knospen regen,
Mit Allgewalt der jungen Welt entgegen?
Es ist das Grün, das Baum und Wiese deckt,
Des Lebens Schmelz, der uns zum Leben weckt;
Wer hält das Grün, wie's uns der Lenz beschert
Nicht mehr als selbst das Blau des Himmels wert?
Mehr als der Erde ewig gleiches Braun,
Mehr als das Schwarz, so nächtlich anzuschau'n.

    Das beste Glück uns treu auch selbst im Leide
Es ist die Hoffnung mit dem grünen Kleide;
Wo euch bei Nacht ein grünes Flämmchen neckt.
Da grabet nach, da ist ein Schatz versteckt.
Des Künstlers Lohn, des Helden höchster Preis,
Was ist es denn — ein grünes Lorbeerreis —
Drum leuchte dem, dem solcher Schmuck behagt,
Des Liebchens Aug', ein leuchtender Smaragd.

    Schön ist der Himmel, aber uns zu ferne,
Zwei blaue Augen sind zwei Himmelssterne!
Viel ist es, was ein schwarzes Aug' verspricht,
Allein, meist hält es das Versproch'ne nicht.
Die braune Erde und des Auges Braun
Sind dauernd, doch nicht zierlich anzuschau'n;
Des Frühlings und der Hoffnung Widerschein
Er strahlt nur aus dem grünen Aug' allein.

Ritter Unverstand

Ein Ritter reitet durch das Land
Das ist der Ritter Unverstand,
Ein wahrer Proteus von Gestalt,
Bald klein, bald groß, bald jung, bald alt.

    Man sieht ihn fast zu jeder Stund,
Zufrieden lächeln Aug' und Mund,
Sein Kopf ist groß, doch etwas hohl,
Und ewig ist dem Manne wohl.

    Stets bläht er auf sich mit Gewalt,
Im Wappen ist ein Frosch gemalt;
Sein Schwert ist stumpf, doch lang und schwer,
Die Spitze fehlet seinem Speer.

    Und immerdar weiß er Bescheid,
Sein Wort ist manchmal etwas breit,
Doch stets entschieden und bestimmt,
Zuweilen klingt's fast wie ergrimmt.

    Mit Allem ist er eng vertraut,
Er spricht gern viel und immer laut;
Am meisten von sich selbst er spricht,
Woran's ihm nie an Stoff gebricht.

    Der gute Mann wird oft verlacht,
Doch öfter wird er wohl bedacht;
Man hält ihn, ist er nicht bekannt,
Für seinen Vetter den Verstand.

    Oft auch sucht man ihn auf mit Fleiß,
Weil man ihn gut zu brauchen weiß;
Denn er wagt das, was Keiner wagt,
Und er sagt das, was Keiner sagt.

     Das Große ruft er aus für klein,
Das Winz'ge lobt er ungemein,
Und hört auch Niemand auf sein Wort,
Er schreit es unermüdet fort.

    Nichts ist ihm hoch, nichts tief genug,
Er führt die Feder wie den Pflug,
Auch sah man ihn so manches Jahr
Im Doktorhut und Mantel gar.

    Kurz, unser Ritter Unverstand
Ist in der ganzen Welt bekannt;
'S ist keine Stadt, kein Dorf, kein Haus,
Wo er nicht schon ging ein und aus.

    Oft ist er dann so gut maskiert,
Daß Mancher schwer ihn kennen wird,
Nur guckt, was er auch tragt, sein Ohr
Stets etwas über's Käppchen vor.

Vom jungen Bauer

Ein Bauer kauft ein gutes Haus,
Beschmiert die Wände bunt und kraus,
Und denkt zuletzt als er's beschaut:
"Dies schöne Haus hab' ich gebaut."
D'rauf setzt er mit zufried'nem Sinn
Sich lächelnd vor die Haustür hin.

    Und Jeder der vorüber geht
Zieht schnell die Mütze ab. "Da seht,"
Spricht unser junges Bäuerlein,
"Mein Hausbau macht die Nachbarn fein" —
"Ei" — ruft ein alter Bauer — "Freund!
Wer in der Welt hat dich gemeint?
Dir ober'm Kopf hängt still und mild
Ein freundlich Muttergottesbild." —

Der Rezensent

Daß vom Wirbel bis zur Zehe
Ihr mich schmäht, weil alle Blüten
Schonungslos ich niedermähe,
Ist ein ungerechtes Wüten.

    Wer da lebt, der soll auch leben,
So ist die gemeine Regel —
Dem ward dies, dem das gegeben,
Dem das Korn, und dem der Flegel.

    Jeder muß vor Allem fragen,
Wie er sich am besten nütze,
Und wer tüchtig kann zerschlagen
Brauchts nicht, daß er unterstütze.

    Jetzt ist einmal so die Richtung
Und daher die Wahl nicht fraglich,
Daß man zahlt für die Vernichtung,
Weil das Große unbehaglich.

Lebensphilosoph

Ich gehe mit zufriednem Sinn
Durch's liebe, lange Leben hin,
Mir bringt der Tag nicht Lust noch Pein,
Mich reizt nicht Mond, nicht Sonnenschein,
Was ist, das ist — was war, das war;
Aus vielen Stunden wird das Jahr.
So ist einmal der alte Brauch,
Ich kann's nicht ändern, wollt' ich auch.

    Mich reizt nicht Stern, nicht Ordensband,
Dergleichen gibt's in jedem Land' —
Könnt' ich es haben, wär's wohl gut,
Doch geb' ich d'rum kein Tröpflein Blut.
Ob gut, ob schlecht von mir man spricht,
Mich freut's nicht und mich ärgert's nicht;
Auch lockt mich Speis' und Trank nicht sehr,
Obgleich es noch das Beste wär'.

    Mein Tisch mag groß sein oder klein
Und darauf Wasser oder Wein;
Weil man einmal den Magen hat,
So werden auch die Raben satt.
Der Esel ist doch nur ein Tier
Und nährt sich von der Distel schier,
Ich müßt' mich schämen ewiglich,
Wenn er sollt' klüger sein als ich.

    Es ist ein Weib ein hübsches Ding,
Ich aber acht' es sehr gering,
Und bin, was man auch spricht und schreibt,
Sehr froh, wenn mir's vom Leibe bleibt,
Verlange mir mein Tage kein's,
Es ist ein Mensch wie unsereins,
Doch müßt' ich eines nehmen — nun,
Was wollt' ich tun denn, müßt' ich's tun.

    Es brennt im lieben Vaterland —
Ach Gott! löscht meine Hand den Brand,
Wenn alle andern Hände ruh'n,
Was soll ich armer Mann da tun?
Und helfen All' in der Gefahr,
Was braucht's mein einzeln Händepaar?
Bewußtsein — Opfer — Freiheit — Pflicht,
Das Alles lockt und reizt mich nicht.

    Der Kindersegen — immerhin!
Genug, daß ich am Leben bin;
Doch käm' auch gleich der Tod herein,
'S muß doch einmal gestorben sein.
Weil ich denn so in meiner Ruh'
Nicht Tod, nicht Leben achten tu',
Werd' ich ein Philosoph genannt,
Kann sein, doch mir ist nichts bekannt.

Der Esel vor Gericht

Ein Esel lebte lange Zeit,
Zwar dumm, doch in Bescheidenheit,
Trieb äußerst fleißig seine Künste
Stets mehr ergrau'nd im Herrendienste;
So nahm man seiner kaum in Acht,
Und keines von den Tieren macht
Besonders sich mit ihm zu tun,
Man schwieg von ihm und ließ ihn ruh'n.

    Darüber ward der Esel toll,
Der will, daß man ihn achten soll.
Seht, rief er, nur die Nachtigall
Ein Jeder spricht von ihrem Schall;
Man lobt am Pferd die Schnelligkeit,
Am Biber die Geschicklichkeit,
Der Biene Fleiß, des Bären Kraft,
Der Eule Hang zur Wissenschaft,

    Spricht von dem Wurm, vom Krokodil,
Von mir allein nur schweigt man still.
Allein, was Schuld daran, ist klar,
Weil stets ich zu bescheiden war.
Doch künftig soll es anders sein,
Und plötzlich fängt er an zu schrei'n.

    Da wächst auf einmal ihm das Ohr,
Mit jedem Schrei steigt's mehr empor,
Und wie die Tierwelt das erschaut,
Da wird's im Berg und Tale laut,
Aus Busch und Wald schallt es hervor:
Das ist ein ungeheures Ohr.
Vom Elephanten bis zur Maus
Strömt Alles die Verwund'rung aus:
Der stumme Fisch gewinnt die Sprach'
Und ruft dem Esel: "Langohr!" nach.

    Da zuckt ihm Wahnwitz durch den Sinn
Und zu dem Löwen läuft er hin,
"Herr", ruft er, "helft dem Spotte ab,
Sonst seht ihr euren Knecht im Grab."

    Der Löwe läßt die Tiere rufen,
Und aus dem dichtgedrängten Chor,
Versammelt um des Thrones Stufen,
Tritt nun der Anwalt Fuchs hervor
Und spricht: "Was habt ihr zu befehlen?" —
""Den Esel sollt ihr mir nicht quälen,
Ihr schimpft sein Ohr, das macht ihm bang.""
"Herr!" sagt der Fuchs, "es ist auch lang." —
""Ich weiß,"" entgegnet ihm der Leu,
""Doch schweigt davon bei eurer Treu'.""
Die Tiere neigen sich und geh'n,
Und zitternd bleibt der Esel steh'n.

    Der Löwe beugt sich lächelnd nieder
Zum langgeohrten Tier' und spricht:
"Von deinem Ohr' sagt keiner wieder,
Doch dir es nehmen kann ich nicht."