Der
Künstler
An einen Kritiker
Einer sagt, — mein Werk sei schlecht,
Einer, ich sei fern vom Ziele —
Einer hat vielleicht auch Recht,
Aber Einer macht nicht Viele.
Und für Viele wirk' ich doch,
D'rum erlaub' mir, daß ich's wage
Und gelegenheitlich noch
And're um ihr Urteil frage.
Hans in der Stadt
In einer Stadt, den Namen weiß ich nimmer,
Sah ich ein junges bleiches Frauenzimmer,
Zum Himmel hob sie weinend ihre Blicke,
Die Hände fesselten gewalt'ge Stricke.
Sie war umgeben von vier Henkersknechten,
Zwei gingen linker Seit', und zwei zur rechten,
Und hinter ihnen kam ein großer Karren
Voll Untersuchungs-Akten nachgefahren.
Das Weib, weil sie zwei Tage nichts gegessen,
Hatt' eines Hering-Diebstahls sich vermessen,
Der Krämer wollte nicht zur Haft sie bringen,
Doch die Justiz ist streng in solchen Dingen.
Querüber ihr ging mit zufriednem Blicke
Ein Bankrottierer, der mit gutem Glücke
Vier Millionen wußte zu ersparen,
Die Equipage kam ihm nachgefahren.
Er eilte eben vom Champagner-Schmause
Erfolgs gewiß zum Pharospiel nach Hause.
Hei! wie von Allen, die vorüber zogen,
Die Hüte grüßend schier zur Erde flogen.
Da dacht' ich mir, betrachtend alle Beide,
Das bleiche Weib, den Herrn im schwarzen Kleide:
Du darfst in dieser guten Stadt wohl fehlen,
Doch nur nicht etwa einen Hering stehlen.
Wald und Salon
Wie seid ihr doch so gleich in Allem
Wald und Salon, Salon und Wald,
Ihr Beide wirkt auf verschied'ne Leute
Ganz mit der nämlichen Gewalt.
Es herrscht in Beiden die grüne Farbe —
Das grüne Blatt, so voll und frisch,
Ist's, was uns zumeist gefällt im Walde,
Und im Salon der grüne Tisch.
Und überall viel Musikanten
Im Walde, so wie im Salon,
Hier nur manchmal Verstimmung und falsche Töne,
Doch überall der gute Ton.
Dort schwatzen Vögel durcheinander,
Und was zusamm' hier sitzt und steht,
Schwätzt gleichfalls in seiner Art und Weise,
Nur daß es nicht ganz so vom Herzen geht.
Weil hier wie dort beliebt das Jagen,
Sieht Hörner man, hört ihren Ton.
Es fallen viel Opfer im grünen Walde,
Es fallen Opfer im Salon.
Nur Eins unterscheidet Euch wieder Beide
Ihr seid verschieden an Gestalt,
Es ist der Salon eine große Fläche,
Und starke Bäume stehn im Wald.
Eisenbahnen
Nur schnell, nur schnell, nur rasch voran,
Nur vorwärts mit dem lieben Leibe!
Wie schön vereinst du, Eisenbahn,
Den Nutzen mit dem Zeitvertreibe.
Wie blüht durch dich im Augenblick
Der Segen auf von Pfund und Elle,
Gewerbs-Verein und Krämerglück —
Es lebe das Industrielle!
Und wie man da genießen mag,
Man kann in einem Land dinieren,
Und ohne Müh' am selben Tag
In einem zweiten Land soupieren.
Ihr raisoniert da mit Verstand,
Nehmt immerhin die guten Sachen;
Was man in einem Land erfand,
Ist in dem andern nachzumachen.
Verschafft's euch Nutzen und Genuß,
So macht Gebrauch von eurem Glücke,
Schiebt immer vorwärts Hand und Fuß,
Nur bleibt nicht mit dem Kopf zurücke.
Wahlspruch
Willst du im Leben glücklich sein,
So mach's vor Allem nicht zu fein,
Sei nicht zu ängstlich in der Wahl,
Denn mit der Wahl kommt auch die Qual.
Was man am Klügsten ausgedacht,
Hat meist am Schlecht'sten man vollbracht.
Treib's keck, sogar mitunter toll,
Und denk: was sein soll schickt sich wohl.
Wie's kommt, geh' links — rechts — grade zu
Das Glück spielt mit uns blinde Kuh;
Die faßt's, die grad zur Hand ihm steh'n,
Und läßt sie selbst nicht weiter geh'n.
Herrschaft
Nichts lebet ohne Herrschaft hier,
Ist er nicht außer dir, so ist der Herr in dir
Der Kaiser ist der höchste Mann
Und doch sich selber untertan.
Die Saaten der Liebe
Wer Liebe ausgesät, er erntet sie gewiß,
Zerschlägt auch Jahr für Jahr die Frucht manch Hindernis.
Der Liebe Samenkorn hat so viel Lebenskraft,
Daß er im Keime schon der Blüte Segen schafft.
Feind und Freund
Gut ist's, dem Feinde die Kraft zu nehmen,
Besser, ihn durch Verzeih'n beschämen,
Aber am Besten wirst du handeln,
Wirst du den Feind in Freund verwandeln.
Am Morgen jeden Tages
Was wird wohl der Tag mir bringen,
Ist's Verderben, ist's Gelingen?
Überströmt er mich mit Segen,
Wird er in das Grab mich legen?
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