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Gedichte
Delle Grazie Marie Eugenie

Herzberg a.H. und Leipzig 1882
Verlag von C. F. Simon

Gedichte 1
 
Ich liebe Dich
Verraten
Die Fingalshöhle
Wie ich dich lieb'
Vergißmeinnicht
Meine Liebe
Das Geheimnis
Warnung
Im Walde
Liebeshymne
Barbarossa
Sie sollen es nicht sehen
Das Auge des Geliebten
Am See

Die Braut
 
Sehnsucht
Du schöne duftige Linde
Im Winter
Das Dichterherz
An den Geliebten
Erdenglück
Im Traum

 

Ich liebe dich


Bei Blumenduft und Mondenschein
Sprachst du zuerst das süße Wort:
"Ich liebe Dich."

Da zog es in mein Herz hinein
Wie Blumenduft und Mondenschein;
Doch zog draus Ruh' und Friede fort,
Als ich auch sprach das süße Wort:
"Ich liebe Dich!"


Verraten


Ich mußte Jemand anvertrau'n
Des Herzens stilles Glüh'n,
Ich eilte in den Wald hinaus
Und sah ein Röslein blüh'n.

Das Röslein drückt' ich an die Brust
Und drückt es an den Mund,
Des Herzens Schlag, der Wonne Kuß
Tat mein Geheimnis kund.

"O rotes Röslein hold und schön,
Du wohl verrätst mich nicht,
Weil meine Lieb' ich Dir vertraut
Ist Schweigen Deine Pflicht!" -

Und als ich durch den Wald jüngst ging
Mit ihm bei Mondenschein,
Da sah auch er das Blümchen hold
Das rote Röselein.

Er brach das arme Blümchen ab
Und sah mich schelmisch an:
"Was ein so kleines Röslein doch
Nicht alles sagen kann!"

"O Röslein, sag', ich bitte Dich,
Nicht, was ich Dir vertraut;"
Ich wurde rot und wieder rot,
Mein Herz schlug auch zu laut.

Er sah mich überglücklich an:
"Laß Deinen stillen Schmerz,
Verraten hat dies Röslein mir,
Was lang verbarg Dein Herz.

Verraten hat des Rösleins Duft,
Des Rösleins Farbe mir,
Die auch auf Deiner Wange glüht,
Daß ich geliebt von Dir."

In seine Arme sank ich da,
An seine treue Brust,
Das böse Röslein küßte ich
Mit wahrer Herzenslust.

Die Fingalshöhle

Traurig blickt der Mond hernieder,
Durch die Felsenmauern zieh'n
Längst vergess'ne Lieder,
Über Wellen säuselnd hin.

Leise tönen die Gesänge
Rings aus jeder Felsenkluft,
Leis verhallen ihre Klänge
Und ein jedes Sternlein ruft:

"Wacht denn auf, ihr tapfern Recken,
Schon beginnt der Mond den Lauf,
Ihr, die kühle Wellen decken,
Schwingt euch zu uns Sternen auf!"

Und es öff'nen sich die Grüfte,
Von der Ruhe heil'gem Ort
Ziehen sausend durch die Lüfte
Nun die tapfern Recken fort.

Lange noch tönt von den Sternen
Ossian, des Barden Sang,
Lange noch hallt durch die Fernen
Fingals Ruf und Schwerterklang.

Und der Mond blickt traurig nieder,
Durch die Felsenmauern zieh'n
Längst vergess'ne Lieder,
Über Wellen säuselnd hin.


Wie ich dich lieb'

Wie ich Dich lieb, soll ich es sagen
Wird mir das Herz so schwer,
Ich kann es fühlen nur, doch sagen,
Nein, sagen nimmermehr.

Nicht Worte hab' ich, diese Wonne
Zu künden, diese Lust,
Kein Mensch hat je auf dieser Erde
Ein Lied dafür gewußt.

Vergißmeinnicht

Vergißmeinnicht
Auf sonniger Au,
Wie blickst du so blau
Hinab in den Quell,
Und flehest zur Well':
"Vergiß mein nicht!"

Vergiß mein nicht!
Die Well, ach so schön,
Will dich nicht versteh'n,
Das macht dir wohl Harm
Blau Blümlein arm,
Vergißmeinnicht

Meine Liebe

Gold'ner als die Sonne glüht,
Reiner als der Mondenschein,
Schöner als die Rose blüht,
Wohnt die Lieb' im Herzen mein.

Wenn der Lenz von dannen zieht,
Nimmt er jede Blüt' vom Baum;
Meine Liebe geht nicht mit,
Bleibt ein ew'ger Frühlingstraum.

Und wenn Rosen nicht mehr glüh'n,
Nicht mehr lacht der Mondenschein,
Blumen, die da nicht verblüh'n,
Zaubert sie in's Herz hinein.


Das Geheimnis

Ich darf nicht weinen, darf nicht klagen,
Nicht äußern meinen tiefen Schmerz;
Die Menschen würden mich gleich fragen:
"Was hast Du? Was bewegt Dein Herz?"

Drum will ich auch kein Wörtchen sagen
Und still verschließen meine Brust,
Im tiefsten Herzen will ich tragen
Der Liebe Leid, der Liebe Lust.

Warnung

Traue nicht der duft'gen Rose,
Die so lieblich, die so lose
Dir am weißen Busen blüht,
Die vom Zephyr leis' umfächelt,
Schuldlos wie ein Engel lächelt,
Reizend wie ein Antlitz glüht.

Trau ihr nicht, in schwüler Stunde
Schwebt aus ihrem Purpurgrunde
Leis ein kleiner Elf hervor,
Der zu wonniglichen Träumen
In den duft'gen Blütenräumen
Seinen lichten Sitz erkor.

Leise schwebt er auf und nieder,
Flötet wundersame Lieder,
Pocht an Deine weiße Brust,
Regt dann seine ros'gen Schwingen —
Und beginnt von Lieb' zu singen
Und von sel'ger Herzenslust.

Hold erglühen deine Wangen,
Und Du lauschst mit süßem Bangen
Jenen Wundermelodie'n,
Die wie trautes Frühlingsahnen
Wie ein liebevolles Mahnen
Deine keusche Brust durchzieh'n.

Und so singt er immer wieder
Seine wundersamen Lieder,
Daß es hell und herrlich klingt,
Jubelnd selbst im tiefsten Leide,
Klagend in der höchsten Freude,
Bis sein kleines Herz zerspringt.

Trauernd welkt dann auch die Rose,
Die in ihrem Purpurschoße
Ihn beherbergt lange Zeit;
Doch was er von Lieb gesungen
Hat Dein junges Herz durchdrungen
Und lebt fort in Ewigkeit.


Im Walde

Dort, wo hohe Eichen ragen,
Will ihr Rauschen mir stets sagen:
     "Hier wohnt Friede!"

Dort, wo murmelnd eilt die Quelle,
Sagt Vergißmeinnicht mir helle:
     "Hier wohnt Friede!"

Dort, wo süß die Vöglein singen,
Leis die Maienglocken klingen:
     "Hier wohnt Friede!"

Und es zieht ein leises Ahnen
Durch die Seele, will mich mahnen:
     "Hier wohnt Friede!"

Liebeshymne

So bist Du mein?
Bin ich Dein?
O süße Lust!
Von Deinem Arm umschlungen,
Von Liebe ganz durchdrungen
Ruh' ich an Deiner Brust,
O süße Lust!

Sieh', um uns blühen die Rosen
Die lieben Vögelein kosen:
Wie wir —
Und liebeschützend gleitet
Die Nacht heran und breitet
Den Sternenschleier
Über uns.


Barbarossa

Nachts geht ein stilles Walten
Durch's hohe Felsentor,
Und aus des Berges Spalten
Tritt Barbarossa vor.

Er schlägt um seine Lenden
Den Purpurmantel weich,
Die Mondesstrahlen senden
Ihr Licht auf ihn so bleich.

Und rings im reichen Trosse
Um ihn geschart sein Heer:
Der Ritter hoch zu Rosse,
Der Knappe mit der Wehr.

An eine hohe Eiche
Hängt er sein eisern Schild:
Es sei dem deutschen Reiche
Im Kampf des Trostes Bild!

Da weichen auch die Schatten,
Verblichen ist die Nacht,
Und auf den grünen Matten
Die Morgensonne lacht.

Und nur die hohe Eiche,
Sie steht am alten Ort —
Und ob die Zeit auch weiche,
Sie grünt doch ewig fort.

Sie sollen es nicht sehen

Sie sollen es nicht sehen,
Wie ich das Bild betrachte,
Das mir so viele Leiden,
So viele Schmerzen brachte.

Sie sollen es nicht sehen,
Wenn glühendes Verlangen,
Verräterisch mir färbet,
Die sonst so blassen Wangen.

Sie sollen es nicht sehen,
Wie ich des Nachts alleine,
Sein Bild an's Herz gedrücket
In meiner Kammer weine.

Das Auge des Geliebten

Welche Wonne, welch' Entzücken,
Liebster in Dein Aug' zu blicken,
Das so tief, so sehnend blaut,
Das vom reinsten Glücke trunken,
Freude sprüht in hellen Funken
Wonnesam und liebetraut.

Was die Welt an Schönem heget,
Was das Menschenherz beweget,
Lacht aus Deinem Aug' mich an,
Und ich fühl mit süßem Bangen,
Daß der Seele Glutverlangen
Nicht ein leerer, eitler Wahn.

War mein Leben doch so trübe,
Ohne Hoffnung, ohne Liebe,
War das Glück mir doch so fern,
Eh' mit himmlischem Gefunkel
Durch das tiefe Schmerzensdunkel
Hold erglänzt mir dieser Stern.

Und so mög' er ewig glühen,
Ewig Glück und Wonne sprühen
Aus der Seele tiefstem Schacht,
Daß mein Herz von Lieb durchdrungen,
Und von sel'ger Lust durchklungen,
Froh zu neuem Sein erwacht.


Am See

Am See, da ist's so einsam
Beim goldnen Mondenschein,
Da wiegt der Zephyr leise
In Schlaf die Blumen ein;
Da klingt's im hohen Schilfe
Gleich eig'nen Melodien
Wenn murmelnd leis und leiser
Die klaren Wellen zieh'n.

Am See, da ist's so einsam,
So märchenhaft, so still,
Zum See, da zieht's mich immer,
Weiß nicht, was dort ich will. —
Dort blühen die weißen Rosen,
Die mich so oft entzückt,
Die ich so oft, so bebend
An's glüh'nde Herz gedrückt.

Die Braut

Leb' wohl, schon schlägt die schwere Stund',
Die blauen Wogen schäumen,
Doch in der Ferne sei Dir kund
Will ich von Dir nur träumen.

Und trennen Meere Dich von mir,
Wie endlos sie sich dehnen,
Mein Herz ist immer nur bei Dir,
Bei Dir mein Glück, mein Sehnen.

Nimm diesen Ring, gedenke mein,
Du wirst ihn wohl bewahren,
Die Treue sei sein Edelstein,
In Lieb' sollst mein Du harren. —

Und Jahre kommen, Jahre zieh'n,
Da rauschen blaue Wogen,
Sie rauschen her und rauschen hin —
Ein Schifflein kommt gezogen.

Und aus dem Schifflein springt an's Land
Ein Mann, eilt fröhlich weiter:
"Das ist der alte, grüne Strand,"
Wie blickt sein Aug' so heiter.

Und dort ihr Häuschen, — welche Lust,
Um das die Wogen schäumen,
Wird sie, rasch hebt sich seine Brust,
Vielleicht von mir jetzt träumen?

Doch horch – welch ernster Grabgesang,
Welch düstres Trauerläuten,
"O sagt, was soll der Zug so lang,
Was dieser Sarg bedeuten?

Was dieser Sarg?" — Laut pocht sein Herz,
"Dein Lieb' ist ja gestorben,
Vorbei, vorbei, ist Leid und Schmerz,
Gott hat um sie geworben."

Die weiße Decke fällt zurück,
Da ruht auf harter Bahre,
Im weißen Kleid sein einz'ges Glück,
Den Kranz im gold'nen Haare.

Sie hält die Hand an's Herz gedrückt —
Sieh' wie's dran golden schimmert,
Sein Ring ist's, der die Bleiche schmückt,
Der hell und herrlich flimmert.

Da strahlt verklärt sein Angesicht,
"Mein Lieb, wir seh'n uns wieder,
Der Tod bricht Treu' und Liebe nicht" —
Und sterbend sinkt er nieder.

Sehnsucht

Ich steh im tiefen Tal,
Und sing' mein stilles Lied,
Und nie gekannte Qual
Durch's Herz mir leise zieht.

Dort schäumt der wilde Bach
Und rauscht in's Land hinein,
Ich zög' ihm gerne nach,
Er aber eilt allein.

Es wandert Stern an Stern
In stiller Mitternacht,
Zög' ihnen nach so gern
Wo Liebe ewig wacht.

Ach, alles zieht und eilt
Und grüßt den teuern Ort,
Wo er, der Liebste weilt —
Nur ich, ich darf nicht fort.

Du schöne, klare Well
Laß deinen losen Scherz,
Zieh' leise, murmle hell,
Mahn' ihn an meinen Schmerz.

Du sanfter Mondenschein
Sag', daß ich treu ihm blieb,
Blick in sein Herz hinein,
Frag' ob er mich noch lieb'?


Du schöne duftige Linde

Du schöne, duftige Linde
Hoch oben auf alter Bastei,
Was rauschst Du so traurig im Winde
Geh'n kosend wir vorbei?

Freut Dich nicht die schöne Liebe,
Nicht die süße, selige Lust,
Die ferne vom Weltengetriebe
Hold blüht in uns'rer Brust?

Wohl freut mich Eure Liebe,
Eure süße, selige Lust,
O, daß sie doch ewig bliebe
In Eurer jungen Brust!

Wohl freut's mich, daß Eure Herzen
Einander so lieb und so gut,
Doch seh' ich Euch küssen und scherzen
Wird's mir so weh' zu Mut.

Muß trauernd die Zweige ich senken
So trübe und ahnungschwer,
Und vergangener Tage gedenken,
Die einst mich erfreut so sehr.

Gedenken der vielen Menschen,
Die hier schon gejubelt — ach
Und denen doch bald vor Liebe,
Vor Leid das Herze brach.

Im Winter

Es liegt in weißer Hülle
Begraben Berg und Tal,
Der Blumen holde Fülle
Entschwunden allzumal.

In ihren stillen Räumen
Birgt sie die Erde warm,
Und selig sie hier träumen,
Vergessen jeden Harm.

Auch ich möcht' gerne träumen,
Mein Herz es ist so leer,
Willst du noch lange säumen
Mit deiner Wiederkehr?

Das Dichterherz

Zürnt doch nicht dem Schöpfer ihr kleinen Wesen,
Wenn mit Leid und Schmerz eure Brust erfüllet,
Wenn euch Gram bedrücket und Angst und Sorge
Schwer auf euch lastet.

Zürnt ihm nicht — denn seht mit dem tiefsten Leide
Quälet er nur immer das Herz des Dichters,
Trägt es doch mit seinem zugleich die ganzen
Leiden der Menschheit.


An den Geliebten

O wärst Du mir doch ewig fern geblieben,
O hätte Dich mein Auge nie gesehen,
Hätt' nie gelauscht ich Deinem süßen Flehen,
Und nie ein Wort von Liebe Dir geschrieben.

Denn ach, ich fühl's, was mich zu Dir getrieben,
War nur der Schönheit zaubermächt'ges Wehen;
Gleich ahnte ich: Du wirst mich nie verstehen,
Und dennoch, dennoch mußte ich Dich lieben!

Nur wenn von glüh'nder Liebe ganz durchdrungen,
Das Herz des schönen Weibes sich erschließet,
Verstehst Du mich von gleicher Macht bezwungen,

Doch wenn mein Glück in gold'ne Reime fließet,
Hörst Du mir zu so fremd, so notgedrungen,
Daß kalt das Herz der Dichterin sich schließet.


Erdenglück

Was hab' ich geträumt,
Was hab' ich gesungen?
Mein Traum ist dahin,
Mein Lied ist verklungen.

Was hab' ich gehofft
Vom Leben, vom Lieben?
Ach Alles entschwand —
Was ist mir geblieben?

Im Traum

Im Traum oft nahen mir die alten Zeiten,
Dann schwindet all' mein Sehnen, all' mein Bangen,
Von Deinen Armen liebevoll umfangen,
Seh' ich wie ehmals durch den Wald mich schreiten.

Die stämm'gen Eichen rauschen auf und breiten
Ihr Laubdach über uns mit grünem Prangen,
Die wilden Rosen selbst mit glüh'nden Wangen
Steh'n duftend noch am Waldweg wie vor Zeiten.

Die kleine Nachtigall singt noch im Flieder,
Das wogt so liebestrunken auf und nieder,
Das schallt so wonnig durch die grünen Weiten,

Das klingt so süß, die Herzen zu berücken;
Wir bleiben steh'n und lauschen mit Entzücken
Und wissen uns das traute Lied zu deuten.