Mein Beispiel ist von
Saar Ferdinand (1833-1906)
Belvedere in Wien
1885
So soll jetzt auch d e i n schönster Zauber fallen!
Nicht länger sollen mehr in deinen Hallen
Der Kunst erhabne Gestalten wohnen,
In ihrer Pracht die alten Meister thronen.
Nicht soll man dich mit Andacht mehr betreten
Und still zu deinen Heiligtümern beten,
Um dann in deines Gartens grünen Räumen
Dem seligen Entzücken nachzuträumen.
Nun immerhin! Für solche Schätze passen
Museen besser in belebten Gassen,
Da kann man im Vorübergeh'n sie genießen —
Und braucht dazu nicht erst sich zu entschließen.
Und so wird man auch nach und nach vergessen,
Was einst die Kaiserstadt an dir besessen;
Denn neuer Dinge Lauf sich einzufügen,
Ist ja der Menschen innigstes Vergnügen.
Wohl wird in deinem zierlichen Gehege
Auch ferner Liebe finden ihre Wege,
Noch wird im Schlaf auf deinen Ruhebänken
Verschämte Armut Mittags sich versenken;
Noch werden, jagend nach des Frohsinns Zielen,
Auf deinem weißen Kies die Kinder spielen —
Doch mehr und mehr wird dich die Zeit gefährden
Und immer stiller wird es in dir werden. . . . . .
Mir aber, sieh, wird nimmermehr entschwinden
Aus treuer Brust das tiefe Nachempfinden,
Wie ich durchwandelt dich, im Knabenherzen
Die frühen Keime schon der künft'gen Schmerzen;
Wie ich als Jüngling oft der Sehnsucht Trauer
In dir empfand und erste Liebesschauer —
Und dann als Mann, voll unbelohnten Strebens,
Dich aufgesucht im harten Kampf des Lebens.
Wie ich so oft in einsam stiller Wonne
Betrachtend stand vor Raffael's Madonne,
Vor Ruysdael's Landschaft — und im Blumenzimmer,
Wenn es verklärte gold'ner Sonnenschimmer.
D'rum hab' ich heute dir — und auch für Jene,
Die deiner denken mit verhalt'ner Träne
Und gerne weilen bei Erinnerungen,
Mit leiser Wehmut dieses Lied gesungen.
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