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Quelle:

Sensationen
Felix Dörmann

Wien 1897


Vorwort

 


Ich habe gebüßt


1.
Noch ruht auf mir meiner Sünden Licht,
Die Fackel der Freiheit, noch flammt sie mir nicht,

Noch klirren die Ketten mir mahnend am Fuß,
Noch peitscht mich der Brüder verächtlicher Gruß,

Noch scheut der Geringste den Druck meiner Hand,
Noch bin ich verstoßen, verfemt und verbannt:

So war meine Reue noch zärtlich und weich,
So war meine Buße noch schwächlich und bleich:

Wohlan! so verhängt mir die zehnfache Pein, –
Ich will sie ertragen und dankbar sein.

2.

In Asche vergrub ich die Stirn und in Kot,
Den Wölfen im Walde zum Fraß ich mich bot,

Den Stürmen der Winternacht gab ich mich preis,
Ich wälzte die Glieder durch Felsen und Eis;

Ich beugte den Willen und brach meinen Stolz,
Schlug selber die Seele an's Marterholz,

Ich kroch vor der Herde – und das ist die Qual,
Der Seele rotglühendes Schandenmal.

3.

Ich habe gebüßt nach der Christen Gebot,
In darbender Demut, in Ketten und Kot.

Was jemals ein Mensch sich als Folter ersann,
An tödlichen Qualen, ich tat es mir an.

Ich habe gebüßt drei Jahre lang,
Drei Jahre die klatschende Geißel erklang,

Drei Jahre lang floss mein Blutes Born,
Drei Jahre lang schwoll meiner Seele Zorn –

Bis Flammen veratmend der Morgen genaht,
Da wuchtigen Tritts ich die Geißel zertrat,

Da lachenden Mundes ich Götzen zerklirrt,
Die hämisch den Flug meiner Seele verwirrt.

Die Stirne, so lange mit Asche bedeckt,
Ich habe sie leuchtend emporgereckt.

Ich hatte gebüßt drei Jahre lang,
Der Seele brausenden Überschwang;

Ich hatte gebüßt nach der Christen Gebot,
In darbender Demut, in Ketten und Kot:

Daß freier und wilder und größer ich war,
Als meiner Genossen staubleckende Schar.

4.

Wer gab denn zu warten der Herde das Recht,
Wer nennt, was ich übte, verworfen und schlecht,

Wer hetzt mich entgegen der Nacht und der Not,
Wer gibt meiner Seele Befehl und Gebot,

Wer hebt gegen mich seine strafende Hand,
Wer hat mir den Sklaven als Richter gesandt?

Und jauchzend erdröhnte mein fürstlicher Schrei:
Wer wagt es zu sagen, dass Sünder ich sei?

5.
Ich habe genossen – von Qualen zernagt,
Ich büßte mit Qualen – nun hat es getagt.

Die Qualen zerrinnen, die Kette zerbricht.
Wer sind meine Richter – ich kenne sie nicht.

Ich kenne nicht einen, der über mir steht,
Mich selber nur grüßt meiner Seele Gebet.

Den Leib könnt Ihr beugen und brechen im Fron,
Die Seele, die Seele, sie lächelt Euch Hohn.