1.
Der Brief
Wenn die Liebe nun ein Brief ist,
Der bedeutungsvoll und tief ist,
Muß ein süßer Mund ihn siegeln,
Sein Geheimnis streng zu zügeln;
Schreiben muß ihn eine Seele,
Daß ihm Innigkeit nicht fehle:
Aber mit dem Herzen lesen
Müssen ihn verliebte Wesen.
2.
Fragen
Frage mich nicht, ob ich liebe?
Überflüssig ist dies Wort,
Wo ein Herz im Flammentriebe
Ringt zu seinem Himmelsport;
Wo die Seele lebt im Trachten
Und im ewigen Verschmachten,
Wo die Trennungstunden trübe,
Heiße Liebesglut ist dort.
Frage nicht nach meiner Treue:
Blumen müssen aufwärts seh'n,
Muß in seiner Sonnenreihe
Sich der Stern nicht ewig dreh'n?
Ist's dem Kämpfer je gestattet,
Daß er vor dem Ziel ermattet?
Glaubt ihr denn, daß ich, der Freie,
Schlechter'n Weges werde gehn?
Lieb und Treue, Treu und Liebe
Halten aneinander fest,
Wie im großen Weltgetriebe
Sich genüber Ost und West;
Denn aus gleicher Wurzel stammend,
Und zu gleichem Himmel flammend,
Sagen laut sie: Liebe übe,
Wer von Treue niemals läßt.
Frage mich nicht, wem ich weihe
Meiner Seele stille Glut,
Und in welcher Haft dies scheue
Herz so eng gefangen ruht?
Eine ist es, lieb wie keine,
Eine engelschöne, reine,
Deren Aug' in holder Bläue
Niederlächelt mild und gut.
Aber frage mich auch nimmer:
Ob ich wieder bin geliebt?
Ob auch ihres Auges Schimmer
Süßen Hoffnungsstrahl mir gibt?
Ob sie liebend mich verstanden,
Rettung übend aus den Banden,
Oder ob sie grausam immer
Dieses arme Herz betrübt?
Frage nicht: ich müßte weinen,
Wär' sie meiner Leiden Grund,
Machte mich ihr hold Erscheinen
In der Seele doppelt wund;
Frage nicht: ich müßte schweigen,
Wäre liebend sie mein eigen,
Denn dies Glück gibt Eine Einem,
Und der Eine Keinem kund.
3.
Liebewunder
Über Allen, wie ein Himmel,
Ist die Liebe ausgespannt,
D'rin ein lichtes Sterngewimmel
Von Gefühlen allerhand.
Fröhlich sieht der Mond hernieder,
Gehn Verliebte Hand in Hand,
Herz und Sinn und Augenlider
Sich und ihm nur zugewandt.
Und die goldnen Sterne stehen
Wie ein Hochzeitfackelbrand,
Um das Brautfest zu begehen,
Das sich hier zusammenfand.
Stern- und Engelblick hinunter,
Menschenaug' hinaufgewandt: —
Solche zauberhafte Wunder
Bringt die Liebe nur in's Land.
4.
Geheimnis
Was an Liebe du erfahren,
Trage tief in deiner Brust,
Wo es Keiner mag gewahren,
Keinem außer dir bewußt.
Sieh den Berg, im Felsenherzen,
Wie er alles wohl verbirgt,
Was er je an edlen Erzen
Oder Steinen ausgewirkt.
Sieh die Perlen, wie Gedanken
Schlafen sie im Muschelhaus,
Das sie innen ganz durchranken,
Niemals treten doch heraus.
Und dein eignes Herz, der Riese
An Gefühlen und an Glut,
Sieh, wie es im Paradiese
Deiner Brust verborgen ruht.
Also deine Liebe wahre
Tief in deines Busens Schrein,
Das Geheimnis offenbare
Der Geliebten nur allein.
Denn nur Liebende beglücken
Kann die Liebe — Andre nicht:
So wie Sterne nur entzücken,
Die da sehen — Blinde nicht.
5.
Einerlei
Im Gebüsch auf leichtem Zweige
Sitzt die Nachtigall im Mai,
Ob sie singe oder schweige,
Ist ihr wohl nicht einerlei.
Baumbelaubt im Mondenscheine
Steht ein Jüngling gut und treu,
Ob er juble oder weine,
Ist ihm wohl nicht einerlei.
Aber am Balkone drüben
Lehnt ein Mädchen schlank und frei:
Lieben oder tief betrüben,
Ach, — es gilt ihr einerlei!
6.
Der Myrtenzweig
Auf des Ganges raschen Wogen
Seht den schönen Myrtenzweig:
Des Gesanges Vögel zogen
Einst um jenen Myrtenzweig;
Segelschnell wird er getrieben
Jetzt in's unermeß'ne Meer:
Vögel, wo seid ihr geblieben,
Holt ihn keiner wieder her?
An des Ganges Uferrande
Wandelt still ein Jüngling hin,
Trüben Klanges durch die Lande
Läßt er seine Lieder ziehn;
Lotosblumen neigen leise
Ihre Kronen all vor ihm,
Und in's Auge steigen heiße
Tränen ihm mit Ungestüm.
Nach der Flut sieht er mit Weinen,
Die den Myrtenzweig entführt:
Bis dem Meere sich vereinen
Strom und Myrtenzweiglein wird;
Und kein Nachen, zu erjagen
Jenen Flüchtling, ist zur Hand:
Und kein Vogel, welcher tragen
Wieder möchte ihn an's Land.
Heil'ger Strom, du reinigender,
Den Brahmana ausgesandt,
Jetzt ein Herzenpeinigender,
Weil das Liebste du entwandt;
Gib zurück die grüne Beute,
Glück zurück und Herzensruh,
Und dann kühner Pilger, schreite
Deinem großen Brautbett zu.
Aber ach, die Wogen ziehen
Und das Myrtenzweiglein fort,
Sterben wird es und verblühen
In der Wellenwüste dort;
Bald wird auch der Jüngling enden,
Ein verblüh'nder Myrtenzweig:
All dies Unglück konnte senden
Ein entflieh'nder Myrtenzweig.
7.
Perle, Rose und Lied
Jede Träne, die ich weine,
Wird zur holden Perle dir,
Die mit liebesanftem Scheine
Dienen muß zu deiner Zier.
Jeder Seufzer, den ich stöhne,
Wird zum lieblichen Gedicht,
Der von dir, du milde Schöne,
Und von deinen Reizen spricht.
Jedes Blatt, das ich dir sende,
Voll von Klagen und von Glut,
Wird zur süßen Rosenspende,
Die an deinem Busen ruht.
Und so ist dir wohl im vollen
Perlenschmucke keine gleich,
Denn mein Schmerz, dem sie entquollen,
Ist an ihnen ewig reich.
Überreich bist du an Sängen
Und an süßer Liederlust,
Denn so viele Seufzer engen
Tagesüber meine Brust.
Und
ein holder Rosengarten
Muß dein Busen wohl schon sein,
Weil sich Klagen aller Arten
Bei mir an einander reihn.
8.
Lilie und Rose
Die Lilie und die Rose
Sind sich geworden gram,
Seit mit süßem Gekose
Mein Lieb zu ihnen kam.
Mich hat sie nur gemeinet,
Sprach Rose weich und süß,
Aus meinen Blättern scheinet
Ein Morgenparadies.
Aus meinem Herzen schwirren
Viel Düfte auf mit Lust,
Die wollen sich verirren
An ihre milde Brust.
Die
hat sie aufgenommen,
Wie roten Liebesgruß;
Drum sagte sie: Willkommen!
Und nickte manchen Kuß.
Du Liebekranke, Bleiche,
Du warst ja nicht gemeint,
Die du im Blumenreiche
Erscheinest blaßgeweint.
Drauf hat die Lilie streitend
Das Gegenwort geführt,
Der Rose ernst bedeutend,
Wie sehr sie sich geirrt.
Doch wem das holde Wesen
Willkomm gesagt und Gruß?
Das kann nur Einer lösen,
Der — es verschweigen muß.
9.
Der Spiegel
Wenn ich mich je vergleichen möchte Dingen,
So wollt' ich einem Spiegel mich vergleichen,
Worein ein Wesen aus des Himmels Reichen
Sein holdes Bild und seinen Blick läßt dringen.
Du aber bist der Engel, dessen Schwingen
An diesem Spiegel sanft vorüberstreichen,
Und dem ich, als ein treues Liebeszeichen,
Sein schönes Abbild strebe darzubringen.
So hab' ich mit dem Diamant der Liebe
Zum Spiegel meine Seele dir geschliffen,
Und gebe gern sie dir als solchen eigen.
Jedwedes andre Bild scheint in mir trübe,
Nur deines hat so innig mich ergriffen,
Daß ich es ewig strahlend werde zeigen.
10.
Die Pappeln
Vor dem Fenster meiner Lieben
Stehen Pappeln wunderschön,
Die mit ihren hohen Trieben
In die weite Ferne sehn.
Abends rauschen sie so milde
Mit verständlichem Getön,
Scheinen ihrem lieben Bilde
Traute Grüße zuzuwehn.
Oftmals stand ich voller Wonnen
Unter'm Blätterlabyrinth,
In Gedanken eingesponnen
Und in süßes Traumgewind'.
Die Gedanken, sie versanken,
Wie verweht vom Abendwind; —
Wohin alle die Gedanken
Damals wohl gekommen sind?
In die Pappeln aufgestiegen
Sind sie alle ganz gewiß,
In den Blättern sich zu wiegen,
Bis mein Lieb sich sehen ließ.
Darum rauschen Abends Töne
In den Pappeln mild und süß:
Deines Treuen, holde Schöne,
Leiser Liebesgruß ist dies.
11.
Schwärmerei
Meiner Liebe Freuden
Sind ein ewig Scheiden,
Und ein banges Meiden
Meiner Liebe Lust.
Gerne möcht' ich sagen:
Endet nun, ihr Klagen, —
Aber neue tragen
Muß ich in der Brust.
Kaum das Glück genossen,
Mund an Mund zerflossen,
Herz an Herz geschlossen,
Trennt uns das Geschick;
Und mein tiefes Sehnen
Perlt in heißen Tränen,
Klagt in leisen Tönen
Um verlornes Glück.
Muß denn im Entbehren
Und in stillen Zähren
Liebe sich verklären,
Und in tiefem Leid?
Wird man ewig reißen
Mich aus deinen Kreisen,
Wird es niemals heißen:
Dein in Ewigkeit?
Oder trübe Zeiten
Sollen vorbereiten
Künft'gen Seligkeiten
Mein gebeugtes Herz?
O, wie ich dann diese
Qualen alle priese,
Denn zum Paradiese
Würde so der Schmerz.
Ach, erscheine Stunde,
Heile meine Wunde,
Gib zum ew'gen Bunde
Sie, die mich beseelt:
Ob ich es ertrüge,
Ob ich unterliege
Bei des Herzens Siege,
Weiß der Herr der Welt!
Aber wenn der Einen
Ich mich darf vereinen,
Glück, dann preis ich deinen
Sel'gen Zauberstab;
Und wenn ich erbleiche,
Da ich sie erreiche,
Reg' ich noch als Leiche
Jubelnd mich im Grab.
12.
Gute Nacht
Gute Nacht, du süßes Kind,
Mögen Engel dich behüten,
Und der Schlummer leis und lind
Seinen Segen dir entbieten.
Gute Nacht, und träume süß
Von den Rosen, deinen Schwestern,
Die im Erdenparadies
Morgen blühen so wie gestern.
Gute Nacht, und denke mein
Mindestens in holden Träumen,
Mochtest so im Tagesschein
Meiner zu gedenken säumen.
Gute Nacht, und bleib mir gut,
Lächle gütig mir entgegen:
Deiner Blicke Zauber ruht
Auf mir wie ein milder Segen.
Gute Nacht, die Äuglein zu,
Schließ die holden Blicke gerne:
Schöner, selbst in Schlafesruh,
Sind sie doch als alle Sterne.
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