Einer hohen Blumenfreundin
Den Blumen hold, erhabenste der Frauen,
Gehst gerne Du die sinnigen beschauen:
Sind Blumen doch für fromme Frauenherzen
Im Tempel der Natur die Altarkerzen.
Doch nicht allein die bunten Töchter Flora's,
Voll Duft und voll vom Farbenschmuck Aurora's,
Sind es, die Deinen hohen Sinn erfreuen
Und ihre Blüten Dir zu Füßen streuen.
Geheime Beete — Rosen nicht noch Nelken! —
Weiß ich, in denen Menschenblüten welken,
Des Unglücks Kinder, wachsend vom Erbarmen,
Die Hartbedrängten, Leidenden und Armen.
Sie sind's, die auch Dein edles Herz erregen,
Zu unerschöpfter Milde Dich bewegen,
Die Du mit Deinem Gnadenstrahl beleuchtest
Und mit den Tropfen Deiner Güte feuchtest.
Und Blätter streu'n auch sie zu Deinen Füßen,
Tauperlen, die aus Augenkelchen fließen,
Gebete, die gerührte Seelen stammeln,
Und die zum Kranz für Dich die Engeln sammeln.
Wohl würdig paßt in seinem seltnen Glanze
Zum Diadem der Schmuck von solchem Kranze.
Gesegnet sei für Deines Herzens Milde:
Nicht nenn' ich — doch wer kennt Dich nicht im Bilde!
Entschieden
Im Kampfe liegt die Welt,
Ersiegt wird Feld um Feld,
Wir alle stehn in Lagern;
Drum auf aus deiner Ruh!
Ringsum begegnest du
Vorposten schon und Fragern.
Parol' und Feldgeschrei,
Kokarde und Partei,
Jetzt nenne sie und zeige!
Wem hast du dich vereint?
Wir achten auch den Feind,
Nur Keinen, der da schweige.
Indessen wir im Straus,
Wohl schöre der zu Haus
Das Vlies, worum wir streiten.
Wir schützen uns, Gott helf!
Hie Waibling und hie Welf —
Entschließe dich bei Zeiten.
Nicht zwischen Heer und Heer
Ist Platz für Andre mehr,
Da sitzt das Glück zu Throne;
Und hinter uns da sind
Gescharet Weib und Kind,
Nicht Feige und Spione.
Das Licht kommt mit dem Tag
Wie mit dem Blitz der Schlag
Und mit dem Lenz die Schwalben;
Sprich aus wie du gemeint,
Es gibt nur Freund und Feind,
Wir dulden keine Halben!
Aus Italien
1848
In dem fernen Blütenlande,
Am Tyrrhener Meeresstrande
Tritt mit mir in jene Grotte,
Wunderdinge zu gewahren.
Sieh da liegt seit hundert Jahren,
Wie von einem bösen Gotte
Schlafbezaubert und versteckt,
Eine Jungfrau, eine schöne,
Die durch keine Macht der Töne
Neu ins Leben wird geweckt.
Jünglinge voll edlem Feuer
Lockt das seltne Abenteuer,
Die Gebannte zu erlösen;
Einzeln kamen und in Scharen
Sie herbei seit hundert Jahren,
Doch erlagen sie dem bösen,
Dem verhängnisvollen Gott,
Der in wildem Zorn entflammte
Und zum Kerker sie verdammte,
Zum Exil und zum Schafott.
Was die Jugend nicht erzwungen,
Einem Greise ist's gelungen;
Mit dem starken Hirtenstabe
An die stille Grotte pocht er:
"Auf, erhebe dich o Tochter,
Aus des Zaubers dunklem Grabe,
Wandle neu in's Leben ein!
In St. Petri Namen rufe
Ich dich auf die helle Stufe
In des Tages goldnen Schein."
Und sie hört es süß erschrocken,
Schüttelt ihre schwarzen Locken,
Langem Traum sich zu entrücken;
Schlägt empor die Augenlider
Und erhebt die schlanken Glieder,
Horch, da jauchzet das Entzücken
Zu ihr auf aus Blick und Wort,
Und der Jungfrau neugeboren
Und dem Greis, der sie beschworen,
Jubeln sie von Ort zu Ort.
Herrlich in der Reize Prangen,
Mit den lebensfrischen Wangen
Eine Göttin anzuschauen,
Wandelt sie, den Fuß beflügelt,
Von dem Greise kaum gezügelt,
In den Städten und den Gauen
Froh vom Po bis zum Vesuv;
Und der träge Lazzarone
Wie die mächtigen Barone
Jauchzen den Evviva-Ruf.
Ja sie ist's, die Langverlorne,
Ja sie ist's, die Neugeborne,
Die in alten Römertagen
Segnend ist herabgestiegen
Und dem Volk zu Ruhm und Siegen
Hat die Adler vorgetragen.
Fesseln jetzt und lange Qual
Weiß sie rasch vergessen machen,
Und sie reicht mit süßem Lachen
Der Begeisterung Pokal.
Sinnend doch das Aug erhoben
Auf dem Vatikane droben
Sitzt der sie in's Leben führte.
Daß die Holde, wo sie schreitet,
Glück und tolle Lust verbreitet,
Ob wohl das den Alten rührte?
Oder ob er sorgenvoll,
Wo dies jubelnde Getriebe,
Dieser Übermut der Liebe
Überall noch enden soll?
— Von des Berges milder Schwelle
Löst sich eine klare Quelle,
Die als Bach befruchtend nässen
Kann die Wiesen und die Lande,
Doch vertrocknen auch im Sande;
Die als Strom das Reich durchmessen
Kann mit bunter Wimpel Zier,
Aber auch die Welt verwüsten; —
Quell aus Apenninenbrüsten,
Welch ein Schicksal wurde dir!
Gleichnisse
Kelch der Wunderblume, dessen
Duft, von Balsam reich getränkt,
In die Herzen das Vergessen
Und die Schmerzen all' versenkt.
Heller Stern am dunklen Himmel,
Der beruhigt Sturm und Meer,
Und durch wogendes Getümmel
Schiffe führt zum Hafen her.
Engel auf des Lebens Pfaden,
Treuer Führer milder Art,
Dessen Flügel uns vor Schaden,
Dessen Hand vor Fall bewahrt.
Wunderblume, Stern voll Scheines,
Engel, der zur Seit' uns geht:
Alle seid ihr doch nur Eines,
Und das Eine heißt – Gebet.
Im Lenz
Siehe doch nur
Liebliches Kind,
Blumen der Flur
Schaukelt der Wind,
Nickest auch du
Freundlich mir zu,
Leuchtet mein Blick
Segen und Glück.
Taubengegirr,
Lerchengetön,
Blütengeflirr,
Mai, du bist schön!
Aber dein Glanz
Strahlet erst ganz,
Wenn deine Pracht
Liebe umlacht.
Süß ist fürwahr
Frühlingsgenuß,
Rosen im Haar,
Lippen im Kuß.
Frühling entflieht,
Eh man's versieht,
Darum o Kind,
Küsse geschwind!
Albumblatt
Du heute Jungfrau, gestern Kind,
Wie gehn die Jahre so geschwind!
Jetzt flatterst du im Rosenhag,
Wie Elfen wohl im Abendwind;
Doch ernster wird gar bald der Tag
Und Arbeit, Last und Qual beginnt.
Mut aber siegt gewiß auch hier,
Ihn treffen Leiden nur gelind,
Zumal wenn Kunst und Liebe dir
Gefährten deines Lebens sind. —
Vor Schwerem scheue nie zurück,
Bedenke stets: wer wagt, gewinnt;
Der Kühne nur erfaßt das Glück,
Und dieses, wisse wohl, ist blind.
Die schöne wie die trübe Zeit,
Sie kommt im Fluge und entrinnt,
Nur inn'rer Wert gilt und gedeiht,
Drum bleibe kindlich stets gesinnt.
Das macht uns jung, wenn wir schon alt
Das Leben ist ein Labyrinth,
Und wer's durchwandelt, seufzt gar bald:
O wär ich wieder doch ein Kind!
Schillers Geburtstag
Wenn je ein Tag, der Großes brachte,
Von Deutschen froh gefeiert ward,
So ist es der, der Schillern lachte
Als erster seiner Erdenfahrt,
An dem ihr Füllhorn reich die Musen
Auf einen Sterblichen geleert,
Den sie mit gotterfülltem Busen
Bald zum Unsterblichen verklärt.
Das ist ein Tag für alle Reiche,
Ein Tag der wahren Einigkeit,
Für den das Laub von Nordens Eiche
Wie Südens Lorbeer ist geweiht;
Ja, ihm geweiht, des Dichterwalten
Begeistert Vater gleich und Sohn,
Der Jugend Lust, den Preis der Alten,
Den Stolz der deutschen Nation.
Was er geschaffen, es durchzittert
Die deutschen Seelen all' mit Lust,
Es rührt, gewittert und erschüttert
Das Heiligtum der Menschenbrust.
Ein Priester war's am Kunstaltare
Voll hohen Drang's und edler Lieb',
Und dessen Wort, das feurig wahre,
Als Schatz und Segen uns verblieb.
In Weimar zeigen sie ein Zimmer,
Ein kleiner, schmaler Erkerbann,
Worin bei Tag und Lampenschimmer
Der Große Herrliches ersann;
Darin ein Bett, so kahl und ärmlich,
Worin frühzeitig er verschied, —
Ach, Welt und Zeit dünkt den erbärmlich,
Der diese Wehmutstätte sieht!
Doch Seelenfreude ist's, zu denken,
Daß, der hier still und dürftig starb,
Sich rasch ein ewig Angedenken
In seines Volkes Brust erwarb;
Daß fester als aus Stein und Erzen
Sein Bild in allen Seelen steht,
Und Deutschland mit Millionen Herzen
Sein Auferstehungsfest begeht.
Dies Fest, wir feiern's allerorten,
Daß unter uns sein edler Geist:
Der Jüngling grüßt mit Schillers Worten
Die Jungfrau, die er liebt zumeist;
Der Mann, er sagt mit Schiller's Rede,
Was ihm die ernste Brust erfüllt,
Und deutsche Frauen tragen jede
Im Herzen tief sein Dichterbild.
Das Lied, die Bühne, die Geschichte,
Sie weisen, was der Meister schuf,
Sie sind unsterbliche Berichte
Von seinem göttlichen Beruf.
Der Enkel Erbe, Schatz der Väter,
Wird stets sein Wort, so frei und rein,
Der wahre kräftige Vertreter
Des großen deutschen Volkes sein.
Die Weihnachtsbäume einer
Künstlerin
Für
Eugenie Nimds
Du liebe Frau in unsrer Mitte,
Die zu uns kam aus fernem Land,
Heut sei Dein klarer Blick, ich bitte,
Auf das Vergangene gewandt;
Heut ist ein Jeder in dem Falle,
Daß er zurück das Auge lenkt,
Und an die Weihnachtsbäume alle,
Die ihm das Leben pflanzte, denkt.
So seh ich Dich als Kind so heiter
Am Elbestrand im Flügelkleid,
Die Jugendwonne Dein Begleiter,
Voll unbewußter Seligkeit;
Wie mochte da das Herzchen schlagen!
Das Leben glänzte wie ein Traum,
Da war in jenen schönen Tagen
Dein Weihnachtsbaum ein Apfelbaum.
Doch jene goldnen Äpfel sprießen
Nur einmal, in der Jugend nur,
Fast ohne daß wir sie genießen,
Ein Schmuckgeräte der Natur;
Im Hesperidenheine prangen
Bewacht von einem Drachen die,
Und willst danach Du später langen,
So hat die Zeit im Rachen sie.
Der Kindheit folgte nun die Lehre:
Du nennst sie die Studentenzeit,
Und hast fürwahr zu Ruhm und Ehre
Ihr Deinen ganzen Fleiß geweiht;
Genuß auch hast du drin gefunden,
Du schlürftest seinen Perlenschaum,
Da war in frohbewegten Stunden
Dein Weihnachtsbaum ein Rosenbaum.
Zierpflanze zwar nur ist die Rose,
Doch birgt sie einen tiefen Sinn,
Und glänzt durch unsers Lebens Lose
So wie ein leuchtender Rubin.
Die Rosen, damals Dir geschlungen,
Wenn auch ein Dorn dazwischen stach,
Sie klingen als Erinnerungen
Noch jetzt in Deiner Seele nach.
Das Herz begehrt nach seinem Rechte,
Die Jungfrau nach dem eignen Herd,
Die Stirne schmücken Kranzgeflechte,
Die sich in Hymens Glanz verklärt.
Ein edler Mann, Dir treu verbunden,
Erfüllte Deines Herzens Raum,
Da war in jenen Weihestunden
Dein Weihnachtsbaum ein Myrthenbaum.
Er hat nur kurz geblüht! der Schleier
Bedeckt den jungen Myrthentrieb;
Dir blieb sein Angedenken teuer, —
Doch Dir als Trösterin verblieb
Die Kunst, die heilige, die reine,
Die als Geweihte Dich verklärt,
Und die mit ihrem Zauberscheine
Dem Herzen Trost und Lust gewährt.
Als Priesterin an dem Altare
Gefeiert und bewundert weit,
Den wohlverdienten Kranz im Haare,
So grüßt sie Dich, die neue Zeit;
Als Frau auf Händen rings getragen,
Als Künstlerin ein Freudentraum,
So ist in diesen jüngsten Tagen
Dein Weihnachtsbaum ein Lorbeerbaum.
Ein Reis — nur eines von so vielen,
Die Dein schon sind und harren Dein —
Leg' ich mit freudigen Gefühlen
In Deine Hand, es Dir zu weihn;
Erinnr' es Dich, ob nah, ob ferne,
An einen Kreis und einen Mann,
Der Deinem Kunst- und Frauensterne
Verdiente Huldigung ersann.
Stundenweiser
Sagt, was soll mir die Laute voll Klang?
Gesang.
Was die Flasche mit duftendem Wein?
Schenk' ein!
Und das Mädchen in wonniger Ruh?
Küß zu!
Aber wie bring' ich das all' in die Reih?
Eins, zwei, drei.
Wohl! so greif in die Laute ich froh,
Recht so!
Rühr' die Saiten mit heiterem Mut,
Ganz gut!
Jetzt das Fläschchen in prüfender Hand,
Charmant!
Gieß ich in Gläser das Feuergewächs,
Vier, fünf, sechs.
Holdes Mädchen mit Augen so blau,
Schau, schau!
Komm und sei mir nicht spröde und kalt;
So bald?
Küssend rückt es am besten sich nah,
Sieh da!
Küß ich und liebe doch dich nur allein.
Sieb'n, acht, neun.
Was? ich singe nur Liebe und Wein?
O nein!
Lustgesellen gehören dazu;
Wie du.
Leert die Becher mit frohem Gebraus,
Aus, aus!
Kommen wir spät auch nach Hause, Gott helf!
Zehn, elf, zwölf.
Am Rhein
Es war im alten goldenen Mainz.
Ich stand am schallenden Ufer des Rhein's
Und blickte hinab dem Fluß entlang:
Der rollte in majestätischem Drang
In's Rheingau, das ihm Blumen stickt,
Weinlauben dem Königsgaste schmückt
Und Ehrenpforten, alterergraut,
Auf allen Bergen ihm erbaut.
Er zog mit seinem Wellengetriebe,
Wie eine Lava der deutschen Liebe,
Aus Alpenvesuven niederschmelzend
Und Frucht und Leben in Wogen wälzend.
Rings saftiges Grün und lachende Auen
Und waldige Höhen freundlich zu schauen;
Hier die Natur mit üppigem Leib,
Genußwinkend wie ein liebliches Weib,
Dort die Geschichte, die ernste Sibylle,
Orakel murmelnd in heiliger Stille:
Ein Reiz, wohin sich das Auge nur wendet,
Der Blicke bald und Herzen blendet.
Und hier selbst der dichtwogende Strand
Erschien wie ein blumenreiches Land:
Die schönen Weiber wie blühende Rosen,
Wie Wasserlilien die Matrosen,
Ziertulpen gleich die Neugierschranzen,
Daneben umrankende Wucherpflanzen,
Und daß die Freiheit reife hier,
Ein weiß und blaues Soldatenspalier, —
Ein gellender Pfiff wird jetzt vernommen,
Des Taunus Feuerroß ist angekommen;
Die Menge drängt sich über die Brücke.
Ich suche mit scharfhinspähendem Blicke,
Und siehe da, der ersehnte Freund,
Aus weiter Ferne kommend, erscheint.
Ein rasches Umarmen, ein lautes Entzücken
Und dann ein schnelles Vorwärtsdrücken;
Schon hat er den Kamm emporgezogen,
Der dampfende Feuerdrache der Wogen,
Wir eilen hin, wir steigen ein:
Sei uns gegrüßt, o heiliger Rhein!
Lang saß er stumm und staunend auf dem Decke,
Und blickte gierig uferwärts,
Und prägte in die Seele jede Strecke
Und sog sie auf mit Aug' und Herz.
Der Himmel lieferte den goldnen Rahmen
Zu all' der Bilder Herrlichkeit,
Die immer schön und neu entgegenkamen,
Dem grünen Strome zum Geleit.
Ich schwieg, nichts soll den Zauber ihm entrücken,
Da fühlt' er sich im Glück allein
Und sprang empor und rief mit feuchten Blicken:
"O Gott, wie schön ist euer Rhein!"
Jetzt ließ ich rasch die schlanke Flasche blinken,
Den Feuergeist von Rüdesheim:
Laß uns gekeltertes Entzücken trinken
In deutschem goldnen Rebenseim.
Bei solchem Trank in solchen Zauberauen,
Da schweigt was Männerseelen drückt,
Weil der Genuß und wonnevolles Schauen
Sie mit Vergesseneit berückt.
Willst du gerechten Schmerz und Viel ertragen,
Was anders könnte — sollte sein:
Komm' an den Rhein mit allen deinen Klagen,
Der deutsche Lethe ist der Rhein.
Vom Nimrod
Lied
im Jagdverein
Der Nimrod war ein Jägersmann,
Wie man nicht leicht ein' finden kann,
Ging immer rüstig auf die Pirsch,
Ein Schreck für Bär und Sau und Hirsch;
Das Schießen war ihm nur so Wurst,
Doch hatt' er Hunger viel und Durst:
Denn lustig ist die Jägerei,
Nur wenn man ißt und trinkt dabei.
Und eines Morgens im Gebet
Zum lieben Gott er sagen tät:
O Herr, dem ich durch's ganze Jahr
Wildschaden und Prozeß erspar',
Hab' auch ein Einsehn Du mit mir,
Mich dürst' und hungert für und für,
Denn lustig ist die Jägerei,
Nur wenn man ißt und trinkt dabei.
Da sagte Gott: "Ich weiß, ich weiß!
(Und zeigte dann auf unsern Kreis)
So geh' nun künftig, alter Schlauch,
Dort in die Jägerkneipe auch;
Da haben sie gut Bier und Wein
Und Portionen nicht zu klein:
Denn lustig ist die Jägerei,
Nur wenn man ißt und trinkt dabei."
Der Nimrod schrieb das hinter's Ohr,
Sprach bald im Jagdvereine vor,
Gesellschaft auch, die zu ihm paßt,
Die traf er munter da zu Gast;
Die lehrt' der Alte sein Latein
Und saß mit ihr beim Glase Wein,
Denn lustig ist die Jägerei,
Nur wenn man ißt und trinkt dabei.
Aus diesem Allen man ersieht,
Daß Gott uns selber herbeschied;
Daß Jeglichem die Jagd mißrät,
Der nicht zum Jagdvereine geht;
Und daß er selber es befahl,
Daß gut hier sei so Trunk als Mahl:
Denn lustig ist die Jägerei,
Nur wenn man ißt und trinkt dabei.
Beherzige!
Wohl heilsam sind des Rates Worte,
Berühren sie die Herzenspforte:
Dein Ohr laß eine Muschel sein,
Der Freund tropft Perlen dir hinein.
Hast Brot für heute, laß die Sorgen
Der Himmel hat genug für morgen:
Wem stets das Heut im Sinne lag,
Wird Morgen nie ein Freudentag.
Der Teufel füttert keine Ziegen,
Und hat doch seinen Käse liegen;
Der Gute doch, der ernten will,
Besä't und pflügt den Acker still.
Wo Krähenstimmen laut erschallen,
Da flüchten sich die Nachtigallen;
Denn edler Zorn ist mehr oft wert,
Als läppische Geduld dich ehrt.
Was du erlitten zu vergeben,
Es adelt dich in Tod und Leben:
Sieh, der Verzeihung duft'gen Hauch
Zertretne Blumen wehn ihn auch.
Zufriedenheit im Menschengeiste
Ist Moos, das einen Stamm umkreiste,
Beschränkt die Rinde und den Baum
Und hemmt zu wachsen ihn im Raum:
Wohin das Unglück lenkt die Schritte?
Es wandert zu des Künstlers Hütte;
Doch wenn die Kunst bei ihm zu Gast,
Zieht es vorbei an — dem Palast.
Des Witzes Wort geht bald verloren
In leichten Herzen, seichten Ohren,
Es rollt wie von zerrissner Schnur
Die Perle, du verlierst die Spur.
Der Güte Wort wird nie vergessen;
Es gleicht dem edlen Samen, dessen
Korn, wenn vom Zufall auch verweht,
Als Blume auf im Felde steht.
Bis von der Rebe Wein gemostet,
Hat viele Zeit und Müh gekostet;
Und soll dir nützen, was ich sprach,
So denke meinem Rate nach.
Parabasen
1.
Ich kenne selbst nicht mehr mein ganzes Treiben:
Ist es ein Handeln, ist's ein Unterlassen?
Ich fühle nur ein ungeheures Sträuben,
Ein Abgeneigtsein und noch mehr, ein Hassen,
Und möchte gerne mich an Jedem reiben,
Der sich mit Literarischem befassen
Und der an diese Muse der Gemeinheit
Verhandeln kann des Geistes schöne Reinheit.
So ist es mir, wie Mose'n einst, geschehen,
Der mit Begeisterung emporgestiegen
Und Wunder schauend stand auf Sinai's Höhen,
Wo Gottes Feuer flammt' auf seinen Zügen,
Und als der Fromme, um sein Volk zu sehen,
Heimeilend sah die Zelte vor sich liegen,
Mitbringend für die Wunden heilige Salbe,
Da fand die Seinen er vor einem — Kalbe.
Auch ich, ob ärmlich gleich und klein im Schaffen,
Ich hab' den Blick in's Heiligste gesendet,
Ich sah die Kunst mit ihren heiligen Waffen,
Die hohe Frau, den Edlen zugewendet;
Und drum erbost von all' den seichten Affen,
Die unsre Zeit uns allenthalben spendet,
Wend' ich mich ab, als furchtbarem Exempel,
Wie schnöde man entweiht den schönsten Tempel.
Es hat der Aberwitz um sich gegriffen
Und frech das Herrlichste sich angeeignet,
In Masken zieht er aus, um zu verblüffen
Die da nicht wissen, was sich hat ereignet;
Verstand erniedrigt sich zu schlimmen Kniffen,
Verdienste werden schamlos abgeleugnet;
Es gibt nicht Ruhm mehr, nur ein eitles Brüsten,
Nicht stille Schöpfer, aber Egoisten.
Der Eine hat die Kunst als Magd gedungen,
Die ihm das Futter schleppe in die Krippe;
Der Andre hat für sie nur Lästerungen
Und Dolche hagelt seine freche Lippe;
Der Dritte hat sich durch Begeisterungen
Herabgebracht zum wandernden Gerippe:
So steht am Kunstaltar die saubre Trias
Und schafft erbärmlichen Gallimathias.
Dazu das böse Spiel der Konvenienzen:
Verhungre, wenn du Edles edel sinnest!
Sieh zu, was du aus wohlverdienten Kränzen
Dir für ein Lager für dein Haupt gewinnest!
Der Oberflächlichkeit Bombastsentenzen —
Wenn du dem bittern Spotte auch entrinnest —
Sie werden wie ein kleines Brot der Gnade
Dir mitgegeben auf die weitern Pfade.
Gemeinheit, Halbverstand und leeres Trachten
Erringen jetzt die allerersten Plätze;
Man weiß die schönsten Triebe abzuschlachten,
Damit man sie mit elenden ersetze;
Man weiß der Kunst den Tempel abzupachten,
Ihr abzuhandeln ihre besten Schätze,
Und den als Krämerbude zu vermieten,
Um drin dem Volke Flitterstaat zu bieten.
Gedicht und Spiel und Poesie und Tiefe,
Sie wurden jetzt zur Ware umgestaltet,
Die nach dem systematischen Tarife
Der Ungeschmack als Zöllner streng verwaltet.
Ihr fragt: wie er den Wert der Dinge prüfe?
Nach Gründen, die ihr alle würdig haltet:
Er blicket erstlich nach den Surrogaten,
Dann nach dem Gleichgewichte in Dukaten.
Und wer zu Hause nicht den Vorrat findet,
Den er zum großen Markte bringen könnte,
Der hat ein Borgsystem bequem gegründet
Und zahlt mit seiner Dummheit die Prozente
Was Engeland und Frankreich je verkündet
Und dem geduldbeschlagnen Leser gönnte,
Es wird geborgt, umstaltet und verwandelt
Und dann mit Selbstbehaglichkeit verhandelt.
Und nun bei solchem allgemeinen Elend,
Das gleich der Pest die hohe Kunst vergiftet,
Wer grollt, wenn ich mich tief im Herzen quälend,
Den Busen mir durch freies Wort gelüftet?
Nicht lügen kann ich, jene Pein verhehlend,
Die grober Mißgriff schmerzlich hat gestiftet,
Und bin zu stolz, um jemals mich zu stellen
Zu solchen Frevels elenden Gesellen.
Wacht auf in eurer Einsamkeit, ihr Guten,
Wacht auf, um diese falsche Glut zu dämpfen!
Peitscht diese Buben mit den schärfsten Ruten
Und schämt euch nicht vor solchen Knabenkämpfen.
Vielleicht wenn ihre Leiber weidlich bluten
Und sie sich krümmen in des Schmerzes Krämpfen,
Vielleicht daß sie sodann in Scham verstummen
Und schweigend sich dem Licht des Tags vermummen.
Bis dahin soll in ungeheuerm Spotte
Mein Lied mit Geißelhieben dicht sie treffen;
Verfolgen soll es diese böse Rotte,
Die frech es wagt das Heiligste zu äffen;
Und wenn sie erst in ihrer finstern Grotte
In selbsterzeugter Sündflut all' ersöffen:
Dann sei mein Lied ein milder Regenbogen,
Gewölbet über diese dunklen Wogen.
2.
Gern will ich alle die Erbärmlichkeiten
Und alles das Unwürdige vergessen,
Den allgemeinen Sündenfall der Zeiten
Und die Pygmäen, die sich frech vermessen,
Der Hippokrene Quell zu uns zu leiten,
Indes mit schalem Wasser sie uns nässen;
Es soll mir die Erinnrung ganz ersterben
Und altes Hoffen meinen Himmel färben.
Ich will mit Wissen selbst mich hintergehen,
Und lüge mir die alten Hoffnungssterne;
Nicht will ich den Verfall der Zeiten sehen,
Weil ihren Aufschwung ich gewünscht so gerne,
Und wie ein Lottospieler will ich stehen,
Mit eitler Sehnsucht nach der großen Terne;
Vergessen gänzlich will ich das Mißraten
Und nur mit meinen Wünschen mich beraten.
Denn diese Zeit, die ewig halb und ledern,
Sie ist die Zeit des nötigen Selbstbetruges;
Sucht euch mit leeren Hoffnungen zu ködern,
Dann tut ihr etwas Zeitgemäßes, Kluges;
Doch strebt ihr wirklich mit des Adlers Federn
Zum Himmel auf, voll des Gedankenfluges,
Dann könnt ihr als vereinsamt euch betrauern
Und müßt der Mitwelt Streben nur bedauern.
Drum wer sein Herz der himmlischen Poesis
In unsrer Zeit noch redlich widmen wollte,
Der statuiere eine Lügenthesis
Und denk', es gehe, wie es gehen sollte;
Ihm deuch', es sei nun ihre Katechesis
Zu dulden, ohne daß darum sie grollte,
Daß manchmal man den Altar ihr besudle
Und sich herum in ihrem Tempel pudle.
Wer also sich um seine Überzeugung
Und um die Wahrheit künstlich kann betrügen,
Der wird in trüben Tagen selbst noch Neigung
Sich für die tiefgefallne Kunst ersiegen;
Es wird sein Herz der allgemeinen Beugung,
Der großen Geistertrauer nicht erliegen,
Wie Einer, den man sieht im Frohsinnsglanze,
Weil Totenmarsch ihm scheint Musik zum Tanze.
So will ich selbst mit falschen Würfeln spielen
Und selbst um die Erfahrung mich bestehlen:
Was soll ich mich mit ihren leichenkühlen,
Mit ihren bösen Bildern länger quälen?
Nun gilt es, wieder glücklich sich zu fühlen,
Drum muß man sich die Gegenwart verhehlen:
Dann steigt die Dichtkunst auf in voller Glorie,
Dann hebe fort dich, matte Tagshistorie!
Ich lebe später jetzt um ein Jahrhundert,
Zu dem mir die Gedanken bauten Brücken,
In einer Zeit, wo man nicht mehr bewundert,
Was man mit Abscheu sollte unterdrücken;
Wo man nicht schnöde mehr herum sich plundert
Und affektiert ein lügenhaft Entzücken,
In einer Zeit, wo Herz und Ehre gelten
Und dem Gedichte kräftig sich vermählten.
In Nichts versank die hohle leere Phrase,
Die einst Gedankensurrogat gewesen,
Jetzt ist die Kunst nicht mehr die alte Base,
Die einen faden Teekreis sich erlesen;
Sie spricht jetzt eine strenge Parabase,
Die in den Bann tut alle Zwitterwesen,
Und nur wem Keim der Schöpfung ist gegeben,
Darf sich in ihren reinen Himmel heben.
Verschollen ist das Aberwitzgeschwätze,
Das früh're Zeiten deckte wie ein Nebel;
Es ist die Muse nimmer jene Metze,
Bei der Gewinnsucht nur der schnöde Hebel;
Ein Schatz sind ihre heiligen Gesetze,
Bedroht von keinem unmündigen Pöbel,
Erhalten werden sie in ihrer Reinheit,
Erhaben über jede Zunftgemeinheit.
Es gilt vom wahren heiligen Born zu schlürfen
Und nicht mit falscher Weise frech zu prunken;
Es gilt ein Herz mit kräftigen Entwürfen,
Befeuert von der Kunst geweihtem Funken;
Wir fragen nicht mehr, was wir können dürfen?
Dies minderjährige Zagen ist versunken;
Die Kunst hat ungeheuren Raum erfochten,
Und nirgends seht ihr einen Unterjochten.
Nur Wenige aus alter Zeit verblieben
Als des Verdienstes würdige Gestalten,
Die wir mit teilnahmvollem Herzen lieben,
Das ihre Mitwelt ihnen vorenthalten,
Und die einst Großes wußten auszuüben,
Die muß die Kunst in hohen Ehren halten,
Es blickt das Volk auf sie hin mit Vertrauen
Und will auf sie als seine Priester bauen.
O schöne Zeit, o wundervolle Räume,
Wo Alles sich nach Wünschen eingerichtet,
Wo gutes Werk gedeiht aus edlem Keime
Und das unwürdige sich abseit flüchtet.
O daß dies Alles nur ein Spiel der Träume,
Wohlwollend von der Phantasie gedichtet,
Und daß mir auf so wunderliebem Platze
Die Wirklichkeit erscheint mit ihrer Fratze!
3.
O wenn sie Alle so beisammen stünden,
Sie die den Tempel dir, o Kunst, entweihen,
Zusammen so getragen von den Winden,
Wie wollt' ich mich des grausen Anblicks freuen!
Dann sollten sie erst meine Kraft empfinden:
Ein Samson wollt' ich ihren Rotten dräuen,
Und mit dem Feuerschwerte der Vernichtung
Hinaus sie bannen aus dem Reich der Dichtung.
"Ihr Frevler, blind geboren und verblendet,"
So klänge dann mein Wort gleich einem Fluche,
"Die ihr zu Sünden eure Zeit verschwendet
Und zu des Nichts erbärmlichem Versuche,
Die Tage eures Truges sind vollendet
Und überhangen mit dem Trauertuche,
Gekommen ist die Zeit gerechter Rache,
Und naht sich eurem Haufen als ein Drache.
So sinkt zurück in euer Nichts denn wieder,
Dem wie ein Irrwisch ihr euch frech entrafftet,
Sinkt in die schmutzbedeckte Scholle nieder,
An der, als eurem Element, ihr haftet;
Fort aus dem alten Heiligtum der Lieder,
Das ihr mit blödem Sinn und Geist begafftet:
Nur Guten offen sind die Paradiese,
Die Hohlen labt genugsam jede Wiese." —
O leerer Wahn! O fruchtlos schöne Worte!
Wo fänd' ich diese Elenden denn alle
Versammelt so an einem Unglücksorte,
Sie zu vergiften mit dem Wort der Galle!
Sie kriechen einzeln hin von Ort zu Orte,
Wie böse Schlangen, auf dem Erdenballe,
Verpestend mit dem Gifthauch ihres Strebens
Die reine Luft der Herzen und des Lebens.
Sie schleichen hin mit ungeheurem Hasse,
Den Guten feindlich, sich nur selbst gewogen,
Und denken nicht, daß sie die Rache fasse,
Der sie als Opfer sich so lang entzogen;
Sie bilden, einzeln jeder, eine Masse,
Denn jeder ist so giftreich angesogen,
Daß eine Welt er fordern kann zum Streite,
So stehen List und Bosheit ihm zur Seite.
Doch, um der Gleichnisse mich zu entledigen:
Ihr Stümper, die ihr frech herangedrungen,
Soll länger noch die Kunst euch strafend predigen,
Daß ihr gedankenlose, schale Jungen?
Womit soll uns die arme Zeit entschädigen
Für niedre Schmach von euren Lästerzungen?
Womit vergüten das unwürdig Schlechte,
Das eure Zunft gern geltend machen möchte?
Die Großen unsrer Zeit sind heimgegangen,
Und die uns noch geblieben sind, verstummen;
Doch aus dem edlen Riesenstamm entsprangen
Nur Zwerge, die ein heisres Spottlied summen;
Der Kranz, der sonst die edle Stirn umfangen,
Ein Erbe ist geworden er der dummen, —
Doch nur ein angemaßtes und geraubtes,
Drum wird's zur Dornenkrone ihres Hauptes.
Sie stolpern hin und her auf morschen Beinen
Und wissen nicht auf festem Grund zu fußen
Vor allen Götzen huldigen sie dem einen,
Der Mode widmen sie den leeren Busen:
Sie muß sich ihnen leitend stets vereinen,
Als Faden in dem Labyrinth der Musen,
Sie reiche ihnen die Begeistrungsflasche,
Und fülle ihnen Mund und Herz und Tasche.
Und denen solch ein Abgott mit Vertrauen
Die Brust erfüllt, die blicken mit Verachten
Auf Jene, die als Sterne wir beschauen
Und als des Ruhmes reine Priester achten;
Doch mehr als dies noch, die Betrüger bauen
Aus jenen Säulen, die sie frech verlachten,
Als wären's Stücke ihres Eigentumes,
Die Pforte sich des nieverdienten Ruhmes.
O Muse, die du über Sternen waltest
Und niederblickst auf diese kalten Massen,
Daß du zur Furie dich nicht umgestaltest,
Um diese Frevler dräuend anzufassen;
Den schönen Tempel, drin du Hohe schaltest,
An solche niedre Schar zu überlassen,
Zu horchen solch erbärmlicher Gesangwut,
Das ist die höchste Gnade deiner Langmut!
Doch nein, warum die Muse denn beschuldigen?
An uns, an uns ist's, diese Schmach zu enden!
Was spielen wir so lange die Geduldigen
Und feiern in dem Schoße mit den Händen?
Am Ende wähnet man noch gar, wir huldigen
Den Stümperstücken, die sie reichlich spenden:
Drum auf, und mit des Zornes wildem Spotte
Vernichtet diese böse Gauklerrotte!
Sucht sie in ihren eigenen Verstecken,
Um ihren bösen Willen ganz zu lähmen,
Sucht sie durch eures Hohnes Blitz zu schrecken
Und sie zum ew'gen Schweigen streng zu zähmen
Ihr würdet euch mit schwerer Schmach bedecken,
Es müßten eurer sich die Geister schämen,
An die ihr Liebe und Bewundrung schuldet,
Wenn ihr so freche Wichte bei euch duldet.
4.
Ihr schaltet jene Zeit, wo blöde Toren
Hinauf sich bettelten zu dem Parnasse;
Ihr zürntet dem, der sich dahin verloren,
Kunst zu verhandeln an die rohe Masse,
Und lachtet dessen, der dazu geboren,
Daß stehend er auf einem hohlen Fasse,
Sich wie auf Delphi's Dreifuß kühn gebärde,
Ein Götterdolmetsch für die arme Erde.
O preisen möcht' ich diese Zeit der Narren,
Und seufzte gerne sie zurück uns wieder!
Was mochte solchen leeren Strebens harren?
Der Zwerge Stelzen sanken alsbald nieder;
Sie spannten rüstig sich vor einen Karren,
Wie Kleobis und Bito einst, die Brüder:
Die Mutter doch, die sie zum Tempel zogen,
Es war die Dummheit, frech zur Kunst gelogen.
Jetzt aber sind die Tage schlimmer worden,
Die Blöden geben wenig uns zu schaffen:
Es siecht die Zeit an einem bösern Orden
Von keckerm Mut und ungleich schärfern Waffen;
Das sind im Süden überall und Norden
Des Rechts, der Wahrheit gleißnerische Affen,
Die was an Wissen sie und Kraft errungen,
Zum Untergang des Guten nur verdungen.
Und Alles siecht im Pesthauch dieser Schlangen,
Es siecht die Kunst, die Kraft, der Mut, die Jugend,
Mit einer Kette halten Alles sie umfangen,
Die Glieder eisern ineinander fugend;
Und ihre Opfer, sieh, erfaßt kein Bangen,
Denn Alles schimmert ja im Schein der Tugend,
Verdienst und Recht will gern man anerkennen,
Um, eingeschläfert, bald es tot zu nennen.
O daß ich klar zu sagen es vermöchte,
O daß doch Alle mich verstehen wollten,
Auch Jene, die bestrickt vom Irrgeflechte
Vielleicht den Frevlern ihren Beifall zollten:
Ihr steht auf einem Berg der finstern Mächte,
Seht wie schon einzle Steinchen niederrollten,
Und stürzt der ganze Krater erst zusammen,
Wer rettet euch aus des Vesuves Flammen?
Seht nur mit mir zum Tempel hin der Künste,
Wie ihn die Rotte dieser Bösen schändet;
Denn alles, was sie treiben, zum Gewinnste
Wird es dem Egoismus zugewendet;
Frech, unverschämt und abhold dem Verdienste,
Das durch der Wahrheit Götterstreben blendet,
Verkaufen sie, mit diesem sich zu messen,
Ihr Streben an die Eintagsinteressen.
Was sich in Staat und Kirche nur ereignet,
Und wohl auf noch viel fremderem Gebiete,
Dazu wird Grund und Anlaß abgeleugnet
Und dran geknüpft ein heuchelnd "Gott behüte!"
Die Schar hat sich ein Machtwort angeeignet,
Als ob sie Heil und Glück des Volks beriete,
Doch nur ihr eigenes Bestehn und Leben,
Das ist's, um was sie solch Geschrei erheben.
Die Völker meinen einen Dom zu bauen,
Wie Salomonis einst zu Gottes Ehren,
Sie wähnen würdige Priester drin zu schauen,
Den heiligen Segen spendend an Altären,
Sie schleppen Steine bei und ziehn an Tauen,
Von ihren Stirnen tropfen Schweißeszähren:
Die Heuchler aber lachen unbekümmert,
Denn diese Freistatt wird für sie gezimmert.
Indes verteilen sie des Spieles Rollen:
Zur Schule werden Diese hingesendet,
Wo sie die Jugend sich gewinnen sollen,
Der Wahrheit, Kraft und Kühnheit abgewendet;
Die Andern schleichen hin mit gleichem Wollen,
Von ihnen wird Beredsamkeit verschwendet,
Familien vom stillen Herd der Laren
Zu locken in das Netz der Heuchlerscharen.
Die Dritten wandeln hin als Missionäre,
Nach ihrer Art die Künste zu betreiben,
Die sie, geschwängert von der Atmosphäre
Der Heuchelei, zum Dienste einverleiben;
Die Vierten drängen sich an die Altäre,
Die Fünften in der Staatsgeschäfte Treiben:
Allüberall von Kanzel bis zum Humpen
Umgarnen euch die Schlingen dieser Lumpen.
Und was sie wollen? Mögt ihr's doch erkennen!
Erniedern euch zu ihren blinden Mitteln,
Die heilige Familie der Freiheit trennen
Und heimlich überziehn mit Pfaffenkitteln;
Damit die Herzen, die für Großes brennen
Und mächtig an den Geistesschranken rütteln,
Damit dieselben ihnen jetzt gehören
Und sich für ihre Existenz bewehren.
O Zeit, wie hast du dich so sehr verdüstert,
Die wir erhellten einst mit unserm Blute,
So sehr, daß wahrer Mut nur kaum noch flüstert,
Und Wahn und Bosheit treibt zu starrem Mute!
O Zeit, verscheuche die nach Solchem lüstert,
Die da umwölken alles Große, Gute,
Und strahle mit dem schwererkämpften Lichte
Verdammnis über alle Heuchlerwichte!
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